Blitzhochzeit mit Hindernissen

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Ein Tag um einen Ehemann zu finden: Länger bleibt Ellie nicht. Die Architektin will ein Waisenkind adoptieren und hat als Single keine Chance. Ihre einzige Hoffnung ist Finn, der Konkurrent ihrer Firma. Für sein Jawort bietet Ellie ihm einen Millionendeal. Doch Finn will mehr …


  • Erscheinungstag 05.06.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717469
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Finn McKenna wollte nur eins.

Die Frau stand etwa fünf Meter von ihm entfernt und konnte nicht ahnen, was er vorhatte und was er sie fragen wollte. Sie war groß und schlank, blond und langbeinig, kurz gesagt: eine Traumfrau. Jeder Mann hätte sie gern zum Essen und Tanzen eingeladen – und noch lieber am Ende des Tages in den Armen gehalten.

Hoffentlich klappt mein Plan, dachte Finn inständig. Sein abergläubischer Großvater hätte jetzt auf Holz geklopft, er selbst hielt mehr von jenem Glück, das aus gründlichen Recherchen und harter Arbeit resultierte.

In sein jetziges Projekt hatte er ausreichend Zeit investiert. Er hatte die Idee von allen Seiten beleuchtet und sämtliche Fakten mindestens zweimal überprüft. Das alles, um sicherzugehen, dass die Dame, mit der er gleich sprechen wollte, nur eins sagen konnte: Ja.

„Du spinnst“, meinte Riley.

„Nein, ich bin nicht verrückt“, erwiderte Finn. „Im Geschäftsleben gehören Risiken zum Job, mein lieber Bruder.“

„Hier!“ Riley drückte ihm ein Glas in die Hand. „Ich habe den Barmann überredet, uns ein anständiges Bier zu zapfen.“

„Danke.“ Finn trank einen Schluck.

Um sie herum standen Leute und unterhielten sich bei Wein, der mehrere Hundert Dollar pro Flasche gekostet hatte, oder man trank Cocktails mit fantasievollen Namen. Als Biertrinker hob man sich hier von der Menge ab wie Löwenzahn im Rosengarten.

Finn war das allerdings egal. Er hatte nie viel auf unsinnige Regeln und auf die Meinung anderer über ihn gegeben. Das war Teil seines Erfolgsgeheimnisses.

Und mit ein Grund, warum er gescheitert war.

Es ist ein vorübergehender Zustand, redete er sich Mut zu. Heute Abend würde er alles ändern, und Eleanor Winston, die stellvertretende Chefin der Firma WW Architektur-Design, würde ihm dabei helfen.

Sie wusste es nur noch nicht.

Erst seit wenigen Wochen stand sie an der Spitze des Unternehmens, das ihrem Vater Henry gehörte. Der hatte sich plötzlich aus dem Geschäft zurückgezogen, wegen eines Herzinfarkts, wurde gemunkelt. Es hieß auch, dass er nicht mehr ins Unternehmen zurückkehren würde.

Finn ging im Kopf noch einmal durch, was er über Eleanor Winston wusste. Sie wurde allgemein Ellie genannt, war neunundzwanzig Jahre alt und hatte an einem renommierten College ein Diplom in Architektur gemacht. Danach hatte sie drei Jahre für eine Firma in Atlanta gearbeitet und hauptsächlich Wohnhäuser entworfen.

Wie er gehört hatte, behagte es ihr nicht sehr, dass sie nun Bürohochhäuser und riesige Kliniken konzipieren sollte.

Ein Grund mehr für sie, mein Angebot dankbar anzunehmen, dachte er. Eine brandneue und noch ungeübte Chefin, die plötzlich ein Unternehmen mit mehreren gleichzeitig laufenden Projekten managen musste, konnte bestimmt Unterstützung brauchen.

Ja, er würde Ellie Winston seine Hilfe anbieten, und davon würden beide Seiten gleichermaßen profitieren.

„Dein großer Plan besteht also darin, mit Ellie Winston hier und heute zu reden?“, erkundigte Riley sich.

„Ja. Sie ist entspannt, hat vielleicht ein, zwei Gläser Wein getrunken, und was das Beste ist: Sie ahnt nichts von dem Angebot, das ich ihr machen werde.“

„Damit hast du garantiert recht“, stimmte Riley ihm zu.

Finn blickte zu Ellie. Sie lachte über eine Bemerkung, die der Mann neben ihr gemacht hatte. Es war ein herzliches Lachen, und ihre Augen funkelten vor Vergnügen. Sie wirkte offen und begeisterungsfähig, sogar aus der Entfernung.

Kurz beneidete er den Mann neben ihr und fragte sich, wie es wäre, an dessen Stelle zu sein und Ellie zum Lachen zu bringen.

Sie war wirklich wunderschön. Und faszinierend.

Aber er durfte sich dadurch nicht von seinem Plan ablenken lassen.

„Bei einer solchen Frau muss man feinfühlig vorgehen, Hawk“, meinte Riley.

„Ich hasse es, wenn du mich so nennst“, beschwerte Finn sich.

„Wieso? Du stürzt dich doch wirklich wie ein Habicht auf deine Opfer und rupfst sie. Auf die nette Art natürlich. Also passt der Spitzname Hawk genau zu dir.“

Ein Wirtschaftsmagazin hatte Finn vor einigen Jahren den Namen angehängt, als er seinen schärfsten Konkurrenten aufgekauft hatte und nur sechs Monate später den nächsten. Dadurch war seine Firma eines der größten Architekturunternehmen im Nordosten der USA geworden.

Zumindest für eine Weile. Dann hatte der Verrat seiner Freundin Lucy seine Firma auf die Hälfte reduziert – und ihn, Finn McKenna, um seinen guten Namen gebracht.

Mittlerweile wurde seine Firma in Bestenlisten nicht mehr erwähnt, und als Spitznamen verdiente er höchstens noch „Versager“.

Aber nicht mehr lang!

Eine Kellnerin kam zu ihnen und bot ihnen appetitlich angerichtete Häppchen an. Finn winkte ab, doch Riley nahm sich Räucherlachs mit Gurke und fragte die junge Frau: „Sind die Häppchen so lecker, wie Sie hübsch sind?“

„Da müssen Sie schon eines probieren und dann selber entscheiden“, erwiderte sie und lächelte.

Riley aß einen Bissen und nickte. „Dieses Kanapee jedenfalls ist delikat.“

„Vielleicht bin ich das ja auch“, meinte sie schlagfertig und ging weiter, wobei sie verführerisch die Hüften schwenkte.

„Denkst du jemals an etwas anderes als an Frauen?“, fragte Finn kritisch.

„Denkst du jemals an etwas anderes als ans Geschäft?“, gab der Jüngere zurück.

„Als Boss habe ich keine andere Wahl, als immer am Ball zu bleiben“, erklärte Finn ruhig.

Das eine Mal, als er sich auf eine Beziehung fokussiert hatte, war ihn teuer zu stehen gekommen. Nie wieder, hatte er sich geschworen.

„Man hat immer eine Wahl“, hielt Riley dagegen. „Meine fällt meistens auf ein attraktive Frau in meinem Bett und ein Lächeln auf meinen Lippen.“

„Du bist ja auch ein richtiger Windhund!“

Dass ihn die Medien als Playboy titulierten, war Riley sichtlich egal. Als jüngster Spross der Familie McKenna hatte er sich schon immer viel erlauben dürfen und war ungeschoren davongekommen.

Wir drei Brüder sind echt typisch, dachte Finn. Er selbst war als Ältester derjenige mit Verantwortungsbewusstsein und arbeitete seit seinem vierzehnten Lebensjahr. Brody, der Mittlere, war der klassische Friedensstifter, mittlerweile hatte er den Beruf des praktischen Arztes ergriffen. Und Riley, der Kleine, war zuerst von der Mutter und dann von der Großmutter verwöhnt und verzogen worden. Er war ein wildes Kind gewesen und schaffte es immer noch, sich jeder Verantwortung zu entziehen.

Finn fühlte sich manchmal, als hätte die Verantwortung von seinen ersten Schritten an auf seinen Schultern gelastet. Nach dem Studium hatte er sozusagen als Einmannbetrieb angefangen und von da an seine Firma ständig vergrößert, bis die Rezession dem Aufschwung ein Ende setzte.

Das und dieser eine fatale Fehler hätten ihn beinah in den Bankrott getrieben.

Kurz blickte Finn zu Ellie Winston, die noch immer angeregt plauderte. Als einzige der anwesenden Frauen war sie nicht dunkel gekleidet, sondern trug ein tiefrotes Kleid, das ihre tolle Figur mit der schmalen Taille betonte.

Aber davon durfte er sich nicht ablenken lassen.

Konzentrier dich auf den Job! ermahnte er sich.

„Warum genießt du nicht auch mal einfach dein Leben?“, meinte Riley.

„Das tue ich doch!“

„Ja, klar. Du hast ja sogar eine Schlafcouch in deinem Büro. Das klingt nach einsamem Junggesellen.“ Der Jüngere lachte leise. „Oder hält Miss Marstein dich nachts warm?“

Finn verschluckte sich an seinem Bier und hustete. Seine persönliche Assistentin war eine effiziente Person von Anfang sechzig, die sein Büro und seine Zeitpläne mit eiserner Faust regierte.

„Miss Marstein könnte meine Großmutter sein!“, protestierte er schließlich.

„Und du könntest ein Mönch sein, so asketisch, wie du lebst, mein lieber großer Bruder. Vergiss doch mal deine Blaupausen und amüsiere dich ein bisschen.“

Riley verstand einfach nicht, wie prekär die Lage für McKenna Designs momentan war. Dabei waren so viele Menschen von der Firma abhängig: Familienväter, die ihre Angehörigen zu versorgen und Hypotheken abzubezahlen hatten. Und für die Finn die Verantwortung trug.

„Ich habe keine Zeit für Vergnügungen“, wehrte er den gut gemeinten Rat ab. „Die Firma ist von der Rezession betroffen, und … ich hätte dieser hinterhältigen Person namens Lucy nicht vertrauen dürfen.“

„Jeder macht mal Fehler“, versuchte Riley ihn zu trösten. „Du warst verliebt. Da werden alle Männer zu Idioten. Lass dir das von einem Fachmann gesagt sein.“

„Du warst schon mal verliebt? Du, Riley? Richtig und ehrlich und von ganzem Herzen?“

„Zumindest hat es sich damals so angefühlt.“

„Ich werde diesen Fehler jedenfalls kein zweites Mal machen“, schwor Finn und trank noch einen Schluck Bier.

„Eine schiefgegangene Beziehung ist kein Grund, zum Einsiedler zu werden.“

Schiefgegangene Beziehung? Finn hatte sich in eine Frau verliebt, die ihm seine besten Kunden abspenstig machte, seinen guten Ruf ruinierte und ihm das Herz brach. Das war keine schiefgegangene Beziehung, das war der Untergang der Titanic!

Jahrelang hatte Finn beobachtet, wie seine Eltern sich durch eine schreckliche Ehe quälten, da sie überhaupt nicht zueinandergepasst hatten. Den Fehler wollte er nicht begehen.

„Momentan will ich nicht länger darüber reden“, erklärte er seinem Bruder und blickte zu Ellie Winston. „Ich muss mich aufs Arbeiten fokussieren.“

„Mir scheint, du fokussierst dich auf Ellie Winston“, bemerkte Riley spöttisch.

„Sie ist ein Mittel zum Zweck, nicht mehr.“

Seit dem Fiasko in der Liebe bevorzugte Finn Beziehungen, die so trocken waren wie sein Lieblingswein. Keine Überraschungen, keine unvorhersehbaren Wendungen. Nur verlässliches, berechenbares Einerlei.

Er hatte die Achterbahn der Gefühle zugunsten der Geschäftswelt verlassen.

Ellie Winston kam ihm allerdings nicht wie eine trockene, verlässliche Person vor. Ihre Augen funkelten schelmisch, manchmal ein bisschen spöttisch und boshaft, außerdem wirkte sie, als wäre sie zu spontanen Aktionen fähig.

Sich mit ihr einzulassen würde einen Mann … außer Atem bringen.

Genau das wollte Finn nicht! Er wollte vielmehr einen klaren Kopf behalten, wenn er mit ihr verhandelte.

Sie bewegte sich nun langsam zum Ausgang hin, anscheinend wollte sie bald gehen.

„Wie es aussieht, verlässt sie gleich die Party“, sagte er zu Riley. „Also, bis dann.“

„Lade sie doch einfach zu einem Drink ein, wie ich es tun würde“, riet Riley ihm. „Und rede bloß nicht übers Geschäft. Jedenfalls nicht bis … danach! Und wenn du nicht weiterweißt, denk einfach daran, was ich an deiner Stelle sagen würde. Wirkt garantiert!“

Ich habe Wichtigeres zu tun, als mein Augenmerk ständig auf schöne Frauen zu richten, dachte Finn abwehrend. Er musste die Firma retten. Um jeden Preis. Es musste doch einen Weg geben, um das Unternehmen zu sanieren und wieder, wie früher, Millionen zu verdienen.

Er stellte sein halb volles Glas auf das Tablett eines vorbeigehenden Kellners, dann rückte er seine Krawatte gerade und setzte ein Lächeln auf. Riley hätte es wahrscheinlich eher eine Grimasse genannt. Aber hier ging es schließlich nicht um ein Casting als Covermodel oder darum, Freunde fürs Leben zu gewinnen.

Kurz blickte er zu seinem Bruder hinüber, der jetzt mit einer Brünetten flirtete, und beneidete ihn um die sorglose, lockere Art, die ihm selbst so sehr fehlte.

Entspann dich! befahl Finn sich selbst und bahnte sich einen Weg durch die Menge zu Ellie Winston. Er erreichte sie in dem Moment, als sie ins Foyer gehen wollte.

„Miss Winston!“, sagte er.

Sie blieb stehen und wandte sich zu ihm um, die schulterlangen blonden Haare schwangen ihr wie ein seidiger Schleier ums Gesicht. In ihren grünen Augen lag kurz ein fragender Blick, dann lächelte sie herzlich.

„Sie sind Mr McKenna“, stellte sie erfreut fest. „Ich erkenne Sie, weil ich den Artikel über Sie in ‚Architektur Heute‘ gelesen habe.“

„Bitte, nennen Sie mich Finn“, erwiderte er und wunderte sich, dass sie sich an einen Artikel erinnerte, der ein Jahr zuvor erschienen war. „Sie haben ja ein tolles Gedächtnis.“

„Na ja, wie die meisten in unserer Branche habe ich eine Schwäche für Details.“ Sie lächelte strahlend, ihre Augen funkelten.

Dieses Lächeln hätte niemand als aufgesetzt bezeichnet. Es war einfach umwerfend! Über diesem Lächeln hätte man alles um sich vergessen können.

Es war nahezu berauschend …

Reiß dich zusammen! befahl Finn sich streng. Bisher hatte er nur Whisky als berauschend bezeichnet. Frauen niemals. Beim Gespräch mit Ellie Winston ging es ums Geschäft, und nur ums Geschäft.

„Hätten Sie einen Moment Zeit für mich?“, bat er sie. „Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen.“

„Ich bin eigentlich schon am Gehen. Rufen Sie doch meine Assistentin an und vereinbaren Sie einen Termin.“

„Wenn Sie mir noch heute Abend etwas Zeit opfern könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar“, erklärte er, dann erinnerte er sich an Rileys Rat, nicht zu kalt und geschäftsmäßig vorzugehen. „Darf ich Sie zu einem Drink in der Stadt einladen?“

Das klang nicht so wie gewollt. Er hatte diesen lässigen Plauderton einfach nicht drauf! Zum Kuckuck mit Rileys Rat!

„Danke, aber ich trinke keinen Alkohol. Zu viele falsche Entscheidungen sind auf eine Flasche Wein zurückzuführen.“ Sie entschärfte die Ablehnung mit einem weiteren Lächeln. „Rufen Sie doch morgen an. Ich bin sicher, wir …“

„Ihr Terminkalender ist bestimmt so voll wie meiner“, unterbrach Finn sie. „Wollen Sie sich – und mir – wirklich noch ein zusätzliches Treffen aufhalsen?“

„Anders gesagt, wenn ich es jetzt sofort hinter mich bringe, habe ich anschließend meine Ruhe?“, fragte Ellie Winston pointiert.

Finn lachte. „So könnte man es ausdrücken.“

„Es ist fast Mitternacht.“

Nein, sie durfte ihm jetzt keinen Korb geben! Er konnte seinen Rettungsplan nicht aufschieben, für ihn zählte buchstäblich jeder einzelne Tag. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als Druck auszuüben. Sanften Druck, natürlich.

„Sie brauchen keine Angst zu haben“, versicherte Finn. „Ich beiße nicht.“

„Und Sie tun sich auch nicht an den Resten Ihrer ehemaligen Konkurrenz gütlich?“, fragte sie spöttisch.

„Das ist nur ein Gerücht. Ehrlich. Ich habe mir erst ein einziges Mal einen Konkurrenten einverleibt.“ Er machte eine kurze Pause. „Na ja, vielleicht zweimal.“

Ellie Winston lachte. „Sie sind absolut nicht so, wie ich erwartet hatte.“

Und was hat sie erwartet? fragte er sich. Dass er tatsächlich dem Bild des gnadenlosen Raubvogels entsprach, das die Medien von ihm zeichneten? Oder hatte sie gedacht, er habe keinen Humor?

„Ich hoffe, es ist gut, dass ich so unerwartet bin“, meinte er.

„Wir werden sehen“, erwiderte sie und legte ihm kurz die Hand auf den Arm.

Obwohl die Berührung so flüchtig war, hatte er das Gefühl, sie hätte ein Feuer in ihm entfacht. Und das durfte er keinesfalls noch weiter schüren.

„Sie haben recht, Miss Winston, es ist spät, und Sie wollen nach Hause“, machte er einen Rückzieher. Was so gar nicht seine Art war. „Ich rufe morgen früh Ihre Assistentin an.“

Das hätte Riley an seiner Stelle bestimmt nicht gesagt …

„Tut mir ehrlich leid, Mr McKenna, aber ich hatte einen sehr langen Tag, und …“ Sie blickte auf ihre Armbanduhr. „Oh, Mitternacht! Dann ist der Tag ja vorbei.“

„Nur, wenn Sie es wollen, Cinderella. Sie könnten ja noch ein bisschen länger auf dem Ball bleiben“, erwiderte er schlagfertig.

Ellie lachte melodisch. „Cinderella, ja? Gut, Sie haben mich überzeugt. Es wäre wirklich nett, den Tag mit einem richtigen Gespräch ausklingen zu lassen nach all dem Small Talk. Aber ich warne Sie: Ich trinke Tee, nicht Tequila, während ich mir anhöre, was Sie auf dem Herzen haben und mir so dringend erzählen möchten.“

„Ausgezeichnet!“ Finn hoffte, sie würde seinem nächsten Vorschlag ebenso zugänglich sein. Er hielt ihr die Tür auf. „Nach Ihnen, Cinderella.“

„Sie verstehen es wirklich, einem Mädchen die Sinne zu verwirren“, bemerkte sie scherzend und ging an ihm vorbei.

Ihr Parfüm duftete nach Jasmin und Vanille. Berauschend.

Denk an deinen Plan! ermahnte Finn sich. Er musste sich darauf konzentrieren, ihr eine Zusage abzugewinnen.

Dass er es schaffen konnte, stand für ihn außer Frage. Dann würde seine Firma innerhalb kürzester Zeit wieder zur Spitze gehören.

Doch als er seiner gefährlichsten Konkurrentin in die glitzernde magische Welt des nächtlichen Boston folgte, fragte er sich, ob er gerade die beste Geschäftsentscheidung seines Lebens traf – oder die schlimmste.

2. KAPITEL

Ich muss verrückt geworden sein! dachte Ellie.

Sonst hätte sie doch niemals die Einladung Finn McKennas angenommen, der zum einen ihr schärfster Konkurrent war, und den sie zum anderen nicht einmal persönlich kannte.

Außerdem hatte sie eigentlich nach Hause und ins Bett gewollt, um ihren dringend benötigten Schlaf zu bekommen.

Aber da war etwas an Finns Lächeln, das sie umgestimmt hatte. Er war kein Schönredner, eher jemand mit einer netten, umgänglichen Art, die sich allerdings wohl eher selten in seinem Geschäftsgebaren zeigte. Der Spitzname Hawk, den ihm die Medien und die gesamte Branche verpasst hatten, passte nicht zu dem Mann, der sie scherzend Cinderella genannt hatte.

Er sah auch sehr attraktiv aus. Die Kombination von himmelblauen Augen und dunkelbraunen Haaren gefiel ihr.

Ja, sie fand Finn McKenna interessant.

Sie gingen in ein einfaches Café, das die ganze Nacht geöffnet hatte, und setzten sich in eine der Nischen. Bisher hatten sie nur über das Wetter und die Party geplaudert.

Diese hatte den Zweck gehabt, Konkurrenten zusammenzubringen, ganz so, als würden diese dann bei einem Glas Wein Geheimnisse austauschen. Dabei war jeder nur darauf aus, möglichst viel Informationen von anderen zu bekommen, ohne selber welche zu preiszugeben.

„War das Ihr Bruder, mit dem Sie sich auf der Party unterhalten haben?“, erkundigte Ellie sich. Nicht, weil sie an Finn interessiert war. Nein, sie wollte nur Konversation machen.

„Ja. Riley. Er ist der Jüngste. Von dreien.“

„Er sieht Ihnen sehr ähnlich“, bemerkte sie. „Ist er auch Architekt?“

Finn lachte. „Nein, er ist nur mitgekommen, weil es Drinks umsonst gab.“

„Das kann man ihm nicht verübeln. Ich jedenfalls bin froh, dass die Party vorbei ist.“ Sie rieb sich den verspannten Nacken. „Manchmal hat man das Gefühl, diese Events dauern endlos.“

„Sie schienen dort aber ganz in Ihrem Element zu sein“, meinte Finn.

„Ja, Konversation machen kann ich.“ Sie neigte sich zu ihm und fügte in verschwörerischem Ton hinzu: „Aber in Wirklichkeit hasse ich solche Veranstaltungen.“

„Da geht es Ihnen wie mir. Jeder tut unglaublich freundlich, dabei will jeder nur herausfinden, was der andere macht und wie er ihn ausbooten kann. Ich halte diese Partys für ein notwendiges Übel.“

„Ich auch. Das haben wir also gemeinsam“, stellte Ellie fest.

Sie hätte nie vermutet, mit einem Mann wie Finn McKenna Gemeinsamkeiten zu haben. Wo er doch als so skrupellos galt, dass man ihn allgemein mit einem Habicht verglich. Sie hätte auch nicht erwartet, ihn attraktiv zu finden …

„Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber ich bin glücklicher, wenn ich an meinem Schreibtisch sitzen und Entwürfe ausarbeiten kann“, gestand Finn. „Alles ist besser, als immer wieder denselben Small Talk mit denselben Leuten auszutauschen.“

„Sie sprechen mir aus der Seele“, stimmt sie zu und seufzte. „Aber ich bin in die Fußstapfen meines Vaters getreten und muss nun so weitermachen wie er. Das heißt: sich einbringen, engagiert und vor allem freundlich sein.“

Am liebsten hätte sie noch einmal geseufzt beim Gedanken, dass sie ihren Vater länger würde vertreten müssen als anfangs vermutet. Der Arzt im Krankenhaus hatte sie gestern informiert, dass der Infarkt bei ihrem Vater eine Herzschwäche bewirkt hatte. Zu viel Stress und Sorgen könnten sich durchaus tödlich auswirken, hatte der Doktor gewarnt. Ob Henry Winston jemals wieder auf seinen Posten zurückkehren würde, hatte er fürs Erste infrage gestellt, aber nicht völlig ausgeschlossen.

Wie auch immer, Ellie hatte sich vorgenommen, WW Architektur-Design so gut es ging weiterzuführen und ihren Vater nicht mit Einzelheiten zu belasten. Er war wichtiger als alles andere.

„Mein Vater ist ein begnadeter Plauderer“, informierte sie Finn.

Sie lächelte, als sie daran dachte, wie viele Stunden sie in den letzten Jahren damit verbracht hatte, sich mit ihrem Vater zu unterhalten – über Themen wie Architektur, Geschäft und das Leben an sich.

In ihren jungen Jahren hatte er dazu keine Zeit gehabt. Zu viel Arbeit und viele Reisen hatten verhindert, dass Vater und Tochter sich wirklich nahekamen. Erst als sie auf dem College war, bemühte er sich um mehr Kontakt, und inzwischen stand sie ihm näher als ihrer Mutter, die nach der Scheidung von ihm vor beinah zehn Jahren nach Kalifornien gezogen war.

„Ihr Vater wird von allen in der Branche respektiert“, meinte Finn.

Das Kompliment freute Ellie. „Hoffentlich kann ich seinem Beispiel folgen.“

„Da bin ich mir sicher.“

Das Gespräch geriet ins Stocken. Ellie fragte sich, warum er sie überhaupt eingeladen hatte. Falls es ums Geschäft ging, ließ er sich Zeit, das Thema anzusprechen. Aber es konnte nur darum gehen, denn an einem Date war ihm sicher nicht gelegen.

Er war viel jünger, als sie erwartet hatte, erst Anfang dreißig, vermutlich. Einen Mann mit seinem Ruf hatte sie sich mindestens zehn Jahre älter vorgestellt. Ungefähr gleich alt wie sie, hatte er wesentlich mehr Erfolge aufzuweisen. Und das machte es umso erstaunlicher, dass er ausgerechnet sie auf der Party angesprochen hatte.

Warum? Was wollte er von ihr?

Seine Miene verriet ihr so wenig wie ein leeres Blatt Papier. Trotzdem wirkte er nicht abweisend und kalt, eher … gelassen. Ganz anders als der Mann, der sie vorhin geneckt hatte. Hatte er da nur eine Rolle gespielt?

Autor

Shirley Jump
<p>Shirley Jump wuchs in einer idyllischen Kleinstadt in Massachusetts auf, wo ihr besonders das starke Gemeinschaftsgefühl imponierte, das sie in fast jeden ihrer Romane einfließen lässt. Lange Zeit arbeitete sie als Journalistin und TV-Moderatorin, doch um mehr Zeit bei ihren Kindern verbringen zu können, beschloss sie, Liebesgeschichten zu schreiben. Schon...
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