Champagner unter dem Nordlicht

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Sie waren Hollywoods Traumpaar – bis ihre Ehe vor den Augen der Öffentlichkeit zerbrach! Nichts hat die hübsche Regisseurin Winter darauf vorbereitet, dass sie ihren Ex Josh auf Island wiedersieht. Genauso aufregend wie damals knistert es zwischen ihr und dem umschwärmten Schauspieler, und im Zauber des Nordlichts und nach Champagner in den heißen Quellen laden sie spontan im Bett. Hat ihre Liebe eine zweite Chance? fragt sich Winter. Und können sie diesmal ihr prickelndes Geheimnis vor der zerstörerischen Sensationspresse verbergen?


  • Erscheinungstag 19.09.2023
  • Bandnummer 192023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518819
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Hollywoods beliebtestes Ex-Traumpaar, Winter de Holland und Josh Abraham, könnte gerüchteweise eine zweite Chance auf ein Happy End bekommen. Beide fliegen zur Eröffnung nach Island, eines der In-Reiseziele des Jahres. Dort wird Liam Delaney sein neues Wellnesshotel eröffnen. Nach dem tragischen vorläufigen Ende der Lovestory von Winter und Josh wollte Echte.Liebe.com mehr erfahren. Deshalb haben wir Winter am Rande einer Pressekonferenz getroffen, um die Wahrheit hinter den Gerüchten herauszufinden …

Das Blitzlichtgewitter begann, kaum dass Winter auf die Bühne getreten war. Sie nahm auf dem Podium Platz und wartete auf den Beginn der Pressekonferenz. Pausenlos lächelnd stellte sie sicher, dass sie den Fotografen ihre Schokoladenseite präsentierte.

Sie wusste genau, was sie tun musste. Auch wenn sie eine Situation wie jene, die sie gleich erwartete, genau so noch nicht erlebt hatte.

Ihre Assistentin Jenny beugte sich von hinten über ihren Platz und legte ihr eine Mappe auf den Tisch, die – da war sich Winter sicher – exakt die Fakten enthielt, die sie selbst nicht im Kopf hatte. Daten über den Film, Statistiken über Rollen für Frauen über vierzig, die Anzahl weiblicher Regisseure, die für eine Auszeichnung nominiert worden waren, und Ähnliches.

Genau das, worüber sie heute sprechen wollte.

Denn durch ihre Nominierung als beste Regisseurin für den Film Eine andere Zeit, ein anderer Ort hatte sie die einmalige Gelegenheit, Dinge wie diese anzusprechen.

Sie war bereit.

Die ersten Fragen waren einfach – darauf war sie schon vor ihrer Nominierung vorbereitet gewesen. Was war es für ein Gefühl, zu den Nominierten zu gehören? Was genau an ihrem Film hatte die Jury überzeugt? Wem galt ihr Dank? Wie war die Zusammenarbeit mit dem Team gewesen? Insbesondere mit Melody Witnall, dem fünfzigjährigen Star des Films.

„Melody war ein Traum“, sagte Winter und deutete mit einer Handbewegung auf die Schauspielerin, die in der ersten Reihe saß. „Natürlich ist sie ein Vollprofi, und wie sie die Figur der Beatrix gespielt hat, war großartig. Sie ist der beste Beweis dafür, dass das Alter nur eine Zahl ist. Frauen können Liebe, Erfolg und Erfüllung in jeder Phase ihres Lebens finden. Wir Frauen entscheiden selbst, welchen Weg wir gehen wollen, wir gestalten unsere Zukunft, und ein paar graue Haare werden uns nicht aufhalten.“

Das Lachen, auf das sie gehofft hatte, setzte ein.

„Glauben Sie an eine zweite Chance für die Liebe, Winter?“, rief ein Reporter, nachdem das Gelächter verebbt war.

Wir müssen zum Film zurückkommen.

Das war das Mantra für diese Konferenz. Was auch immer die Presse fragen würde, sie musste die Fragen zurück zu ihrer Arbeit lenken. Hier ging es um den Film, nicht darum, was sie über die Liebe dachte. Und schon gar nicht um ihre eigene Erfahrung mit diesem Thema.

Bisher hatte sie sich immer von der Liebe leiten lassen. Nun hatte sie sich zum ersten Mal auf etwas anderes konzentriert und versucht, dem langen Schatten, den die unglückliche Liebe über ihr Leben warf, zu entkommen.

„Was mir beim Drehbuch von Eine andere Zeit, ein anderer Ort sofort gefallen hat, war die Aussage, dass Liebe nicht nur jungen Menschen passiert. Dass es zweite Chancen – und dritte oder vierte – geben kann und es an uns liegt, ob wir zugreifen. Tatsächlich finde ich romantische Liebesgeschichten, die passieren, nachdem unser Herz schon einmal gebrochen war, glaubwürdiger. Sie nicht?“

Hilflos zuckte der Reporter die Achseln. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass man Fragen an ihn zurückspielte. „Ich weiß nicht. Was denken Sie?“

„Nun, in Eine andere Zeit, ein anderer Ort geht es nicht darum, dass die Charaktere älter sind, sondern reifer. Sie kennen sich selbst und verstehen die Welt besser. Deshalb sind sie in der Lage, eine echte Beziehung aufzubauen – genau aus diesem Grund gibt es ein Happy End. Verstehen Sie?“

Der Journalist nickte, doch es war unschwer zu erkennen, dass er ihr nicht bis zu Ende zugehört hatte. Winter unterdrückte ein Seufzen.

Sie schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die Pressekonferenz. Sie wollte nicht über Liebe sprechen, sondern über den Erfolg von Frauen in Hollywood, sowohl vor als auch hinter der Kamera.

Die nächsten Fragen gingen an Melody, dann beantwortete die Drehbuchautorin Sarah einige weitere. Doch schon bald richteten sich die Kameras erneut auf Winter, als die nächste Frage zum Thema Liebe aufkam.

„Sie sagen, Sie glauben an eine zweite Chance – aber wie steht es mit einer zweiten Chance für die erste Liebe?“

Winter bemühte sich um eine neutrale Miene, auch wenn ihr Herz raste. „Wie meinen Sie das?“

Das ist kein Thema, über das ich heute sprechen möchte.

„Nun, Ihr Ex-Mann, Josh Abraham, sagte kürzlich, es gebe nichts Mächtigeres als die erste Liebe. Würden Sie dem zustimmen?“ Erwartungsvoll sah die Reporterin sie an, und Winter wusste: Ihre Antwort auf diese Frage würde das Einzige sein, was die Journalisten von dieser Pressekonferenz mitnahmen. Verdammt. Verfluchter Josh mit seinen albernen romantischen Kommentaren.

Als sie noch verheiratet gewesen waren, gab es nur ein Thema, über das alle Welt mit ihnen sprechen wollte: ihre märchenhafte Liebesgeschichte. Die Filme, die Winter drehte, ihre Rollen oder ihr Ziel, selbst Regie zu führen, interessierten niemanden. Alles, was zählte, war ihre Beziehung mit Josh. Oder – aus dem Blickwinkel der Filmproduzenten – die Frage, wie man ihre Beziehung nutzen konnte, um noch mehr Kinokarten zu verkaufen. Sie hatte aufgehört, all die romantischen Komödien zu zählen, in denen sie die Hauptrollen gespielt hatten, bevor …

Warum dachte sie darüber nach? Sie musste sich konzentrieren.

Dies hier war ihre Pressekonferenz, um Himmels willen. Warum diese Fragen nach Josh? Seit fünf Jahren waren sie geschieden – fast doppelt so lange, wie ihre Ehe gedauert hatte.

Aber offensichtlich waren sie als Traumpaar noch immer nicht in Vergessenheit geraten, denn jeder hier im Raum schien mit angehaltenem Atem auf ihre Antwort zu warten.

„Nun, ich denke, jede neue Liebe hat etwas Erstes und Einmaliges. Und Eine andere Zeit, ein anderer Ort zeigt, dass das Prickeln der Liebe immer wieder frisch und neu ist, in jedem Alter.“ Sie zwang sich zu einem starren Lächeln und sah Jenny auffordernd an, damit ihre Assistentin die Konferenz beendete.

„Die letzte Frage“, sagte Jenny und sah einen freundlichen Reporter in der ersten Reihe an, der ganz sicher eine einfühlsame Frage zum Film stellen würde, nicht zu den Launen der Liebe.

Doch die Journalistin in der letzten Reihe, die bereits die vorherige Frage gestellt hatte, war schneller. „Ich würde gern noch einmal nachhaken. Könnte die Tatsache, dass Sie und Josh Abraham beide zur Neueröffnung des Wellness-Hotels Ihres gemeinsamen Freundes Liam Delaney nach Island fahren, Ihre Antwort auf meine Frage zur zweiten Chance für Ihre Liebe eventuell ändern?“

Winter umklammerte die Tischkante, ihr Lächeln war eingefroren. „Ich wüsste nicht, warum dies meine Meinung beeinflussen sollte, nein. Und nun danke ich Ihnen allen für Ihr Kommen.“ Als sie aufstand, hoffte sie, dass niemand ihr Zittern bemerkte.

Die wundervolle Jenny erkannte die Situation und schob sich zwischen sie und die Presseleute, sodass Winter unbehelligt von der Bühne abtreten konnte.

„Alles okay?“, erkundigte Melody sich. Offensichtlich war sie ihr gefolgt und schirmte sie von den Kameras ab. Wortlos dankte Winter Gott für die Solidarität unter Frauen.

„Ja, mir geht’s gut“, versicherte sie und schenkte ihrer Hauptdarstellerin ein herzliches Lächeln. Es war keine Lüge. Es konnte keine Lüge sein. Sie würde sich wieder fangen und damit fortfahren, ihr Leben zu leben. Ein Leben ohne Josh.

Alles war völlig okay.

Zumindest würde es das wieder sein, nachdem sie Liam Delaney in der Luft zerrissen hätte – dafür, dass er ihren Ex-Mann eingeladen hatte, obwohl sie sich so sehr auf eine Woche voller Ruhe und Entspannung auf Island gefreut hatte.

Ja, danach würde alles wieder gut sein.

„Du hast ihr nicht erzählt, dass ich auch komme, oder?“ Josh drehte sich zu seinem Freund um, die Augenbrauen vorwurfsvoll hochgezogen. Er hoffte nur, dass Liam nicht merkte, wie angespannt er war.

Kaum merklich zuckte Liam die Achseln, ehe er in seinem typischen, leicht affektierten Englisch erwiderte: „’türlich nicht. Wollte nicht riskieren, dass sie absagt. Ich meine, versteh mich nicht falsch, du bist ein ziemlicher Magnet, aber Winter spielt in einer anderen Liga – insbesondere, seit sie für die Auszeichnung nominiert ist.“

Auf jeden Fall hätte Winter abgesagt, wenn sie gewusst hätte, dass er ebenfalls kam. Da waren sich die beiden Freunde einig. Seit fünf Jahren ging sie ihm aus dem Weg. Warum sollte es jetzt anders sein?

Er konnte es ihr nicht einmal verübeln. Nach allem, was passiert war, wollte sie ihn natürlich nicht sehen. Noch immer erinnerte er sie schmerzlich daran, was sie fast gehabt und schließlich verloren hatten.

Aber vielleicht brauchte sie seine Gegenwart gar nicht, um daran erinnert zu werden. Er selbst jedenfalls dachte jeden einzelnen Tag daran.

„Wer ist die Blonde da auf dem Podium neben ihr?“, erkundigte Liam sich und zeigte auf den Bildschirm, auf dem sie sich gemeinsam die Übertragung der Pressekonferenz ansahen. „Sie kommt mir bekannt vor.“

Josh schaute genauer hin. Ganz am Rand des Podiums stand Winter ins Gespräch vertieft mit dem Star ihres Regiedebüts. „Du meinst Melody Witnall? Mann, du bist echt nicht mehr im Geschäft, wenn du dich nicht an sie erinnerst.“

„Nicht Mel.“ Liam verdrehte die Augen und zeigte mit dem Finger nun deutlich auf die Frau, die er meinte. „Diese hier.“

„Oh, das ist Jenny, Winters Assistentin.“ Sie hatte die Presseleute gut im Griff, fand Josh, während er beobachtete, wie sie es schaffte, Winter von der Menge abzuschirmen. Es war gut zu wissen, dass sie Menschen wie Jenny an ihrer Seite hatte, nachdem er nicht mehr dort war.

Als sie ihn verlassen hatte, war sie sofort zu Jenny gefahren, erinnerte er sich. Und es war Jenny gewesen, nicht er, die Winter durch jene entsetzlichen Monate begleitet hatte. Sie hatte ihr geholfen, während er nicht dazu in der Lage gewesen war.

„Sie ist heiß“, stellte Liam fest, als hätte er das alleinige Recht, so etwas zu entscheiden. Vielleicht glaubte er das auch tatsächlich. Josh hatte nie begriffen, woher das unerschütterliche Selbstbewusstsein dieses Mannes rührte.

Nun, in den meisten Fällen jedenfalls, nicht in allen.

Schließlich gab es einen Grund, warum Liam mit der Schauspielerei aufgehört hatte und stattdessen luxuriöse Wellness-Hotels betrieb.

Doch das war ein Thema, an das sie beide heute nicht rühren wollten. Josh wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu. Melody und Winter hatten die Seiten gewechselt, sodass er einen besseren Blick auf die Miene seiner Ex-Frau erhaschen konnte. Sie hatte jenes Lächeln aufgesetzt, das sie immer zur Schau trug, wenn sie etwas nicht im Griff hatte und niemand es merken sollte.

Wie damals, als sein Bruder und dessen zukünftige Frau zum Essen eingeladen gewesen waren und Winter die Lasagne vorsichtshalber eine Woche vorher zubereitet und dann eingefroren hatte. Dummerweise nur hatte sie dann vergessen, das Gericht rechtzeitig wieder aufzutauen. Ständig war sie in der Tür zum Esszimmer aufgetaucht, jenes Lächeln im Gesicht, und hatte beteuert, es dauere nicht mehr lange.

Nach drei Stunden und zwei Flaschen Wein hatten sie einen Lieferdienst bestellt.

„Sie sieht gut aus“, sagte Liam mit weicher Stimme.

„Das erwähntest du bereits.“

„Nicht die Assistentin. Winter. Sie wirkt … zufrieden.“

„Sie wirkt erschöpft“, widersprach Josh und musste sich zusammenreißen, um nicht die Hand auszustrecken und die Wange ihres Bildschirm-Gesichts zu streicheln. Nicht einmal sein bester Freund sollte Zeuge erbärmlicher Momente der Rührseligkeit wie diesem werden. „Und du hast ihr wirklich nicht erzählt, dass ich in der Woche auch da bin?“

„Sie hat nicht danach gefragt.“

Tatsächlich hatte sie völlig überrumpelt gewirkt, als die Reporterin sie eben darauf angesprochen hatte. Er hatte keine Ahnung, wie die Presse an die Gästeliste gekommen war, aber so etwas zu schaffen, gehörte zum Job eines guten Journalisten. Und Winter hatte ganz sicher andere Sachen im Kopf.

Sie hat nicht gefragt.

Weil sie angenommen hatte, Liam würde es nicht riskieren, sie beide zu dieser offiziellen Eröffnung einzuladen? Oder weil sie gar nicht mehr an ihn dachte?

Josh war nicht sicher, ob er die Antwort wissen wollte.

„Meinst du, dass sie trotzdem kommen wird?“, erkundigte er sich.

„Das hoffe ich sehr.“ Liam warf sich auf das schwarze Sofa, das an einer Wand seines Büros stand. Josh folgte ihm und ließ sich in den Sessel ihm gegenüber fallen. Der Platz, den Liam für sein Büro ausgewählt hatte, war perfekt. Durch das Fenster konnte man die steinigen Lavafelder sehen, zwischen denen die Geothermal-Pools lagen. Weit dahinter waren die schneebedeckten Berge zu erkennen.

Dieses Hotel war vollkommen anders als diejenigen, die Liam in seiner eigentlichen Heimat Großbritannien und in seiner Wahlheimat, den USA, eröffnet hatte. Josh hatte keine Ahnung, was seinen Freund dazu gebracht hatte, ausgerechnet dieses Hotel auf Island zu kaufen. Aber er wusste, dass Liam ein Vermögen in das Haus gesteckt hatte, um daraus ein Luxus-Hotel zu machen. Und jetzt war es ein Ort, an dem jeder Gast der wirklichen Welt entfliehen konnte.

Fast wirkt es wie ein fremder Planet, dachte Josh, während er den Blick über die Landschaft schweifen ließ.

„Dieser Ort hat das Potenzial, etwas sehr, sehr Einmaliges zu werden.“ Liam setzte sich auf, stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel und beugte sich vor. „Es muss sich nur herumsprechen. Diese Woche ist der Schlüssel dazu. Mit dir und Winter hier, und mit der Presse und den Influencern … wenn wir es richtig anstellen, ist das Ice House bald in aller Munde.“

„Wenn sie wirklich kommt“, wandte Josh ein.

„Genau.“

Prüfend sah Josh seinen Freund an und entdeckte die feinen Linien um seine Augen, die beim letzten Mal, als sie sich gesehen hatten, noch nicht da gewesen waren. Ein paar graue Strähnen durchzogen sein Haar. Liam war achtunddreißig, genau wie er selbst. Offenbar sah man in diesem Alter so aus.

Manchmal fühlte Josh sich alt. Dann wieder dachte er, dass es keinen Unterschied machte, ob er achtundzwanzig oder achtunddreißig war. Abgesehen davon, dass er vor zehn Jahren Winter noch nicht einmal gekannt hatte. Und das schien ihm unbegreiflich – dass es eine Zeit gegeben hatte, in der sie nicht Bestandteil seines Lebens gewesen war.

„Ich sollte verschwinden“, sagte er. „Es ist nicht fair, sie hier mit meiner Anwesenheit zu überraschen, wenn sie mich doch eindeutig nicht sehen möchte.“

„Und was ist mit dir?“, gab Liam stirnrunzelnd zurück. „Abgesehen von deinen Gefühlen – ich habe euch beide eingeladen, weil ich Winter und dich hier haben möchte. Ihr verschafft mir die richtige Publicity.“

Etwas an seinem Tonfall ließ Josh aufhorchen. Oder lag es daran, dass Liam seinem Blick auswich?

„Ist das wirklich der einzige Grund?“, hakte er nach. „Dass die Leute darüber reden werden und so dein Hotel bekannter machen?“

Liam zuckte die Achseln. „Was denn sonst?“

„Vielleicht willst du das Leben deiner Freunde aufmischen.“ Das allerdings würde ihm gar nicht gefallen.

Doch Liam ließ sich nicht aus der Reserve locken. „Sieh mal, wenn ihr beide glücklich seid, bin ich es auch – umso mehr, wenn ihr es hier in meinem Hotel seid und es in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.“

„Aber?“ Da gab es definitiv noch mehr.

„Aber es steht noch etwas zwischen euch. Die Art, wie sie dich verlassen hat, wie es vorher war … Ihr habt beide noch nicht abgeschlossen mit eurer Beziehung.“

Josh erstarrte. Plötzlich war ihm, als wäre er in jenen Moment vor fünf Jahren zurückversetzt worden, als er von Dreharbeiten nach Hause zurückgekehrt war und festgestellt hatte, dass Winter gegangen war. Noch jetzt fühlte er sich genauso elend wie damals, als er ihren kurzen Brief gefunden hatte.

Als ihm bewusst geworden war, dass seine Ehe zu Ende war, ehe er überhaupt versuchen konnte, sie zu retten.

„Es ist fünf Jahre her“, sagte er betont leichthin. Er wollte nicht zugeben, wie nah Liams Worte der Wahrheit kamen.

„Fünf Jahre, in denen du behauptet hast, dein Leben gehe weiter, und mit einer Auswahl identisch aussehender Blondinen ausgegangen bist. Mit keiner von ihnen warst du länger als ein paar Wochen zusammen – weil du deiner großen Liebe nachgetrauert hast.“ Liam gab nicht auf.

„Ich habe ihr nicht nachgetrauert.“ Josh schaffte es fast, sich selbst einzureden, dass das keine Lüge war. „Es ist nicht so, dass ich Winter zurückhaben will … oder dass sie die einzige Frau auf der Welt für mich ist.“

„Und warum redest du dann immer noch davon, die große Liebe finden zu wollen? Eine Frau, mit der du alt werden möchtest – eine Ehe, wie deine Eltern sie geführt haben.“

„Weil ich genau das möchte“, gab er zu. Er wollte die wahre Liebe finden bei einer Frau, die blieb. Doch das war schwer, weil er bis heute nicht wirklich verstanden hatte, warum Winter gegangen war.

In ihrem Brief hatte gestanden, sie könne so nicht weitermachen, könne nicht mit ihm verheiratet bleiben. Und er hatte sich tausend Gründe überlegt, warum er diesen Satz in den vergangenen fünf Jahren nicht aus seinem Kopf bekommen hatte. Besonders schlimm war es nachts, wenn er nicht schlafen konnte. Sie hatte nie wirklich gesagt, was er falsch gemacht hatte. Und ohne das zu wissen, konnte er nie sicher sein, den gleichen Fehler nicht noch einmal zu begehen.

Doch all das wollte er Liam nicht anvertrauen. „Du hast meinen Dad nie kennengelernt, aber du weißt, wie meine Mom von ihm spricht, nicht wahr?“

Liam nickte. Eigentlich trennte Josh ganz klar zwischen Beruf und Privatleben, doch Liam war einer der wenigen Schauspielerkollegen, denen er erlaubt hatte, die Grenze zu überschreiten. Mehr als einmal hatte er Urlaub mit Joshs Familie gemacht.

„Meine Mom und mein Dad hatten sie – die wahre Liebe. Und auch mein Bruder Graham hat sie gefunden. Du hast erlebt, wie glücklich Ashley und er sind, erst recht seit der Geburt der Zwillinge. Und ich will mich nicht mit weniger zufriedengeben.“

War das wirklich zu viel verlangt?

Nachdenklich sah Liam ihn an. „Du hast geglaubt, Winter wäre diese Frau.“

„Aber ich habe mich geirrt.“

Er sehnte sich nach dem Gefühl, angekommen zu sein, das er auf Grahams Miene erkannte, wenn dieser seine Frau anlächelte. Er wollte die Liebe erleben, das Lachen und die Wärme, die er aus seiner Kindheit kannte, ehe sein Vater gestorben war.

Eine Zeitlang hatte er geglaubt, all das bei Winter gefunden zu haben. Doch irgendwann hatte er erkannt, dass er sich irrte. Bei Winter hatte er immer das Gefühl gehabt, alles falsch zu machen. Und dann war alles den Bach runtergegangen … Schließlich hatte sie ihn verlassen, und er hatte sie kampflos ziehen lassen, denn ihm war klar geworden, dass diese Beziehung einfach nicht sein sollte.

Sich in Winter zu verlieben, hatte ihn wie ein Blitzschlag getroffen. Es hatte ihn aus seinem Alltag und in ein Märchen katapultiert, dessen glückliches Ende unausweichlich schien. Es war kraftvoll, überwältigend, lebensverändernd gewesen – so, wie die erste Liebe nun einmal ist, wenn man den Filmen glauben durfte.

Aber die erste Liebe war nicht dasselbe wie die wahre Liebe.

Wahre Liebe war einfach. Ungezwungen. Wenn etwas richtig war, wenn es so sein sollte, fielen alle Dinge an ihren Platz.

Er durfte die Hoffnung nicht aufgeben, dass auch ihm dieses Glück eines Tages vergönnt war.

„Wenn du wirklich dein Leben wieder in die Hand nehmen willst, Kumpel, dann nutze diese Woche, um es unter Beweis zu stellen“, riss Liam ihn aus seinen Gedanken. „Schließ ab mit der ganzen Sache. Hör auf, dich mit Selbstvorwürfen zu quälen, und fang an, dich auf das zu konzentrieren, was gut läuft. Was hältst du davon?“

„Ich quäle mich nicht mit Selbstvorwürfen.“ Okay, das war eine Lüge.

„Oh doch, das tust du.“ Liams Lächeln war traurig. „Und ich weiß, wie das ist.“

Noch nie hatte Liam seinem Freund gegenüber so offen gestanden, dass auch er Fehler gemacht hatte. Fehler, die zu jenem Unfall geführt hatten, der ihn hatte aufwachen lassen. Daraufhin hatte er Hollywood hinter sich gelassen. Josh wäre gern näher darauf eingegangen, doch ehe er die richtigen Worte gefunden hatte, um seinen Freund zu ermutigen, darüber zu reden, war Liam schon aufgesprungen.

„So. Die Gottlosen machen keine Pause, wie mein Großvater immer gesagt hat. Ich muss wieder an die Arbeit.“ Er öffnete die Tür und sah Josh erwartungsvoll an.

Sein Freund verdrehte die Augen und folgte ihm.

„Und, Kumpel …“ Liams klare blaue Augen, die im Gegensatz zu seinem dunklen Haar standen, ruhten auf Josh. „Denk darüber nach, was ich gesagt habe. Darüber, die Sache abzuschließen.“

Abschluss. Josh wünschte sich, endlich zu wissen, warum Winter gegangen war. Es würde eine große Bürde von seinen Schultern nehmen. Vielleicht waren sie nicht füreinander bestimmt gewesen, vielleicht war es nicht ganz so märchenhaft gewesen, wie es die Klatschmagazine dargestellt hatten. Aber es war Liebe gewesen.

Wenn Josh jemals wieder einer Frau sein Herz schenkte, wollte er sicher sein, dass es nicht erneut gebrochen wurde. Und das bedeutete, nicht denselben Fehler zweimal zu machen.

Auch wenn die wahre Liebe einfach und richtig war, konnte es nicht schaden, gut vorbereitet zu sein. Und dabei war es mit Sicherheit hilfreich zu verstehen, was bei ihm und Winter falsch gelaufen war.

„Ja, alles klar.“ Josh trat hinaus auf den Gang. „Wir sehen uns dann später beim Dinner.“

Liam nickte und schloss die Tür hinter ihm.

Josh ging zu seiner Suite – der besten des ganzen Hauses, wie Liam ihm versichert hatte.

Wenn er schon nach fünf Jahren zum ersten Mal wieder auf seine Ex-Frau treffen und sich überlegen musste, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte, konnte er dies zumindest in einer schönen Umgebung tun.

2. KAPITEL

„Ich kann nicht fassen, dass Liam das getan hat.“ Obwohl der Raum hinter der Bühne winzig war, ging Winter aufgebracht hin und her, so gut es möglich war. „Warum sollte er Josh einladen, wenn er möchte, dass ich komme?“

„Weil ihr beide seine Freunde seid? Weil es eine fantastische Publicity für sein neues Hotel wäre?“ Jenny saß in einem der Ledersessel und hatte die Füße auf den ovalen Konferenztisch gelegt. Ihre High Heels hatte sie ebenso wie Winter direkt an der Tür abgestreift. Offenbar hatten sie beide beschlossen, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für unbequeme Schuhe war.

Sie musste eine Woche auf Island mit ihrem Ex-Mann verbringen. Und das mitten im Winter.

Eine entsetzliche Vorstellung.

Fünf Jahre. Seit sie sich von Josh getrennt hatte, war es ihr gelungen, ihm komplett aus dem Weg zu gehen. Ihre Scheidung war ausschließlich über die Anwälte gelaufen. Und abgesehen von den kühlen Schreiben, die notwendig gewesen waren, um die Einzelheiten zu klären, war sie seit jenem letzten Brief, in dem sie ihm mitgeteilt hatte, dass sie ihn verließ, nie wieder mit ihm in Kontakt getreten.

Und jetzt sollte sie zu einer Hoteleröffnung fahren und mit ihm plaudern?

Wie sollte sie das schaffen, wenn alles, was ungesagt zwischen ihnen stand, so riesig war? Es war ja nicht so, dass sie einfach hingehen und sagen konnte: sorry, mein Fehler.

„Was hat er sich nur dabei gedacht?“ Winter hatte den Bildschirm am einen Ende des Raumes erreicht, machte kehrt und ging zurück.

„Liam? Ich habe ihn zwar nie kennengelernt, aber ich halte ihn für sehr zielgerichtet“, gab Jenny zurück. Sie hielt einen Packen abgegriffener Spielkarten in der Hand, die sie jetzt seelenruhig mischte. „Wenn du es genauer wissen willst, zieh eine Karte.“

Verächtlich schaute Winter auf den Stapel. „Du weißt, dass ich nicht daran glaube.“

„Ich habe dir schon mal gesagt: Tarot interessiert es nicht, ob du daran glaubst oder nicht.“ Jenny schwang ihre Beine vom Tisch, setzte sich aufrecht und hielt ihr die Karten hin.

Bevor sie nachgab, wanderte Winter noch dreimal ruhelos durch den Raum. Dann ließ sie sich in den Sessel neben ihrer Assistentin sinken, griff nach dem Stapel und mischte noch einmal.

„Und jetzt denk genau darüber nach, was du von den Karten wissen willst.“

„Wie es mir gelingt, nicht nach Island zu fahren?“, schlug Winter vor.

Jenny verdrehte die Augen. „Das wäre viel zu einfach. Ein paar Anrufe hier und da, und schon hättest du irgendeine wichtige Einladung, die du auf keinen Fall verpassen darfst. Dann rufst du Liam an und sagst ihm ab.“

Winter hielt in der Bewegung inne. War es wirklich möglich, einfach nicht zu fliegen? „Das klingt großartig. Warum machen wir es nicht so?“

„Weil es nicht das ist, was du wirklich willst“, gab Jenny weise zurück.

Winter überlegte. „Bist du sicher? Es klingt so, als wollte ich genau das.“ Dann müsste sie Josh nicht sehen, nicht darüber reden, was zwischen ihnen passiert war. Über den Schmerz und den Kummer, von denen die letzten Monate ihrer Ehe überschattet gewesen waren.

Darüber, wie sie in dem wichtigsten Job ihres Lebens versagt hatte … die Traurigkeit in seinem Blick danach, die ihr das Herz gebrochen hatte, bis sie es nicht mehr ausgehalten hatte.

Autor

Sophie Pembroke
<p>Seit Sophie Pembroke während ihres Studiums der englischen Literatur an der Lancaster University ihren ersten Roman von Mills &amp; Boon las, liebte sie Liebesromane und träumte davon, Schriftstellerin zu werden. Und ihr Traum wurde wahr! Heute schreibt sie hauptberuflich Liebesromane. Sophie, die in Abu Dhabi geboren wurde, wuchs in Wales...
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