Collection Baccara Band 359

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SO KÖSTLICH WIE DEIN KUSS von SCHIELD, CAT
Für die erfolgreiche Geschäftsfrau Harper Fontaine zählt bloß ihre Karriere. Bis sie den sexy Starkoch Ashton Croft für ihr neues Hotelrestaurant in Las Vegas engagiert. Seine gefährlich köstlichen Küsse verführen sie dazu, ihren Job aufs Spiel zu setzen …

VIEL MEHR ALS EINE HEIßE NACHT von LABRECQUE, JENNIFER
Tessa ist nur in Alaska, um das Polarlicht zu filmen - nicht um sich zu verlieben! Doch in den starken Armen ihres attraktiven Reiseführers Clint verbringt sie die sinnlichste Nacht ihres Lebens. Nie mehr will sie ihn verlassen! Aber passt sie auf Dauer in seine Welt?

BETRÜGST DU MICH, ALANA? von RAWLINS, DEBBI
Alana - wie die Fremde sich nennt - sieht einfach umwerfend aus! Allerdings auch genauso, wie eine per Steckbrief gesuchte Trickbetrügerin. Solange Sheriff Noah Calder nicht weiß, wer sie wirklich ist, muss er ihrer betörenden Anziehungskraft unbedingt widerstehen!


  • Erscheinungstag 13.10.2015
  • Bandnummer 0359
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722647
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cat Schield, Jennifer LaBrecque, Debbi Rawlins

COLLECTION BACCARA BAND 359

CAT SCHIELD

So köstlich wie dein Kuss

„Nehmen Sie sich je Zeit zum Genießen?“ Noch nie hat eine Frau den passionierten Starkoch Ashton Croft mit ihrer Art so provoziert wie die ehrgeizige Harper Fontaine. Doch hinter der Fassade der kontrollierten Geschäftsfrau verbirgt sich glühende Leidenschaft, da ist er sich sicher. Und er hat einen köstlichen Plan, wie er diese entfachen wird …

JENNIFER LABRECQUE

Viel mehr als eine heiße Nacht

Ausgerechnet eine verführerische Blondine mit zarten Gesichtszügen! Clint spürt, wie heißes Begehren in ihm aufsteigt, als er die Dokumentarfilmerin Tessa am Flughafen abholt. Aber er darf ihren Reizen auf keinen Fall erliegen! Schon einmal hat ihn eine Frau wie sie zutiefst verletzt, weil sie nicht für immer in der Wildnis Alaskas bleiben wollte …

DEBBI RAWLINS

Betrügst du mich, Alana?

Alana ist verzweifelt: Auf dem Weg zu einer Ferienranch in Montana wird ihr gesamtes Gepäck gestohlen. In ihrer Not wendet sie sich an Sheriff Noah Calder. Der sexy Ordnungshüter lässt ihr Herz höher schlagen – und es knistert sofort heftig zwischen ihnen. Nur warum bietet er ihr an, in einer Gefängniszelle zu übernachten? Hält er sie etwa für eine Kriminelle?

1. KAPITEL

Als Harper Fontaine aus dem belebten Casino in ihr elegantes neues Restaurant trat, hielt sie augenblicklich nach einer schwarzen Reisetasche Ausschau. Ashton Crofts Fluchtgepäck. Sie hasste das Ding. Es repräsentierte alles, was sie an ihrem Starkoch zur Weißglut brachte. Vor allem seine Angewohnheit, ohne Vorwarnung aufzutauchen, Unruhe zu stiften und dann gleich wieder aus der Stadt zu verschwinden.

Andererseits konnte sie nur hoffen, dass die Tasche heute da war, denn das bedeutete, dass Ashton an das Vorstellungsgespräch mit dem neuen Küchenchef gedacht hatte. Die große Eröffnung des Batouri war in zwei Wochen, und Harper zweifelte langsam an ihrer Idee, einen unzuverlässigen Fernsehkoch mit der Eröffnung eines neuen Restaurants in ihrem Hotel, dem Fontaine Ciel, zu beauftragen.

Je länger seine Dreharbeiten für Der kulinarische Weltenbummler in Indonesien gedauert hatten, desto schwieriger wurde es, mit ihm zu arbeiten. Wegen seiner Reisen für die beliebte Fernsehserie musste die Eröffnung des Batouri bereits zweimal verschoben werden.

Harper weigerte sich, den Termin ein weiteres Mal zu verschieben. Die dunklen Holzböden des Speisesaals waren auf Hochglanz poliert, von den gewölbten Decken hingen funkelnde Leuchter, deren Licht auf die schwarzen Tische mit den weißen Leinenservietten und den Kristallgläsern fiel.

Das Batouri war fertig. Es fehlten nur noch zwei entscheidende Dinge: der Küchenchef und die Speisekarte.

Da Ashtons Reisetasche nicht am gewohnten Platz neben der Tür stand, würde beides wohl noch länger auf sich warten lassen. Harper warf einen Blick auf ihre Uhr. Es war genau vier Uhr nachmittags. Wo steckte der Kerl bloß?

Sie rief ihre Assistentin an. „Hat Ashton Croft angerufen, um zu sagen, dass er sich verspätet?“

„Nein, tut mir leid“, antwortete Mary.

„Und sein Flugzeug sollte um ein Uhr in Las Vegas landen?“

„Ja, ich habe mir die Flugzeiten heute Morgen noch einmal bestätigen lassen.“

Zum Teufel mit diesem Mann. „Danke, Mary. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie von ihm hören.“

„Natürlich.“

Harper wollte schon auflegen, als sie Mary noch etwas sagen hörte.

Im gleichen Moment kam Carlo Perrault wütend aus der Küche. Auch die Nerven des Serviceleiters lagen so kurz vor der Eröffnung blank. „Wir haben ein Problem.“

„Entschuldigung, Mary. Was sagten Sie gerade?“

„Ihre Mutter wartet in Ihrem Büro.“

„Meine Mutter?“, fragte sie überrascht. „Hat sie gesagt, was sie in Las Vegas macht?“

„Nein, aber sie scheint sehr aufgewühlt zu sein.“

„Aufgewühlt?“

Penelope Fontaine würde niemals ihr elegantes Apartment in Florida verlassen und zweitausend Meilen fliegen, um Harper zu besuchen, wenn es nicht irgendein schwerwiegendes Problem gab. Aber warum kam sie damit zu ihr? Normalerweise wandte Penelope sich mit all ihren Problemen an ihren Schwiegervater, Henry Fontaine.

„Ja, sie hat sich schon die dritte Zigarette angezündet“, erklärte Mary.

„In meinem Büro?“ Harper verzog das Gesicht. „Ich bin in fünf Minuten da.“

„Sie können nicht gehen“, protestierte Carlo. „Croft hat das Bewerbungsgespräch mit Dillon Cole schon ohne Sie begonnen.“

„Na großartig“, seufzte sie. „Seit wann ist er hier?“

„Lange genug.“ Carlos Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass dieses Gespräch ebenso verlief wie alle vorangegangenen.

„Mary, ich habe noch etwas zu erledigen. Bitte sagen Sie meiner Mutter, dass ich komme, sobald ich hier fertig bin.“ Harper beendete das Telefonat und ging eilig in Richtung Küche.

Schon von draußen hörte sie die feindseligen Stimmen zweier Männer.

„An diesen Jakobsmuscheln gibt es nicht das Geringste auszusetzen“, protestierte der eine. „Und die Sauce ist keineswegs zu schwach gewürzt.“

„Offensichtlich sind Ihre Geschmacksnerven noch unterentwickelter als Ihre Kochkünste.“ Seit zwei Monaten lehnte Ashton Croft einen Koch nach dem anderen ab, weil die Kandidaten seinen hohen Ansprüchen nicht genügten.

Harper straffte die Schultern und trat in die Küche. Ihr Blick fiel auf Ashton, und sofort ging ihr Puls schneller. Groß und ehrfurchteinflößend stand er da in seiner weißen Kochjacke. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah verächtlich auf Cole herab.

Wieder einmal musste Harper sich eingestehen, dass ihr neuer Geschäftspartner nicht nur anstrengend, sondern auch ein ziemlich aufregender Typ war.

Ashton war ein Abenteurer. Er bereiste die entlegensten Winkel der Erde und probierte alles, was man ihm dort vorsetzte. Seine Art, sich von zufälligen Gegebenheiten treiben zu lassen, fand Harper beunruhigend und fesselnd zugleich. Seine Fernsehshow hatte ihr gezeigt, wie eng und eintönig ihr eigenes Leben war, in dem immer alles nach Plan verlief.

Mit Mühe riss Harper ihren Blick von Ashton los und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Dillon Cole. Als sie dessen beleidigtes Gesicht sah, setzte sie ihr diplomatischstes Lächeln auf und betrat die Kampfszene.

„Guten Tag, meine Herren.“ Voll ruhiger Autorität trat sie zwischen die Streithähne. „Ich wollte mal vorbeischauen, um zu sehen, wie es so läuft.“

Ashton schob einen Teller in ihre Richtung. „Probieren Sie das hier, und dann sagen Sie mir, ob das den Ansprüchen des Batouri genügt.“

Harper machte keinerlei Anstalten, auf seine Forderung einzugehen. „Kann ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?“

„Hat das nicht Zeit?“

„Nein.“ Ihre Entschlossenheit war deutlich zu hören. „Bitte entschuldigen Sie uns, Dillon.“

Widerwillig folgte Ashton ihr in den Speisesaal. „Was ist denn so wichtig?“, fragte er.

Als er seine tiefblauen Augen auf sie richtete, spürte Harper ein heißes Kribbeln auf der Haut. Sie verfluchte die Reaktion ihres Körpers auf diesen Kerl. Sein umwerfendes Aussehen hatte sie schon viel zu oft abgelenkt. In seiner Nähe war sie nicht so professionell wie sonst.

Eilig rief sie sich in Erinnerung, warum sie hier waren.

„Das Restaurant öffnet in zwei Wochen“, stellte sie nüchtern fest.

„Das ist mir bewusst.“

„Die Pressemitteilungen sind raus. Es wird keine weitere Verschiebung geben.“

„Das habe ich verstanden.“

„Wir brauchen einen Chefkoch.“

„Sie wollen wirklich, dass ich Cole einstelle?“

„Als ich das letzte Mal in Chicago war, habe ich in seinem Restaurant gegessen. Es war hervorragend. Ich hatte mich darauf gefreut, zu kosten, was er heute zubereitet hat.“

„Sie haben nicht viel verpasst.“

Harper musterte Ashton aufmerksam. „Ist irgendetwas mit Ihnen?“, fragte sie.

„Keineswegs. Wieso?“

„Weil Sie zur Abwechslung mal pünktlich waren.“ Sie deutete zur Tür. „Und Sie haben Ihr Fluchtgepäck nicht dabei.“

„Mein Fluchtgepäck?“

„Diese schwarze Tasche, die Sie überall mit sich herumschleppen.“

„Sie meinen meine Reisetasche?“ Er zeigte auf eine Nische am anderen Ende des Restaurants, wo die Tasche auf der Sitzbank lag. „Warum nennen Sie sie mein Fluchtgepäck?“, fragte er amüsiert.

„Weil es so ist. Wenn es Ihnen langweilig wird, lassen Sie sich irgendeine Ausrede einfallen, schnappen sich Ihre Tasche und flüchten ins nächste aufregende Abenteuer.“ Sie versuchte, ruhig zu bleiben. „Sie haben sieben Kandidaten für den Posten des Küchenchefs getestet und abgelehnt. Ich muss darauf bestehen, dass Sie jemanden einstellen. Und Cole ist der Richtige für den Job.“

„Sie haben sein Essen nicht probiert.“ Wenn es ums Kochen ging, war Ashton kompromisslos. „Ich fand es wenig inspiriert.“

„Er verfügt über ausreichend Erfahrung und Organisationstalent, um die Küche so zu leiten, wie ich es erwarte.“

„Die Küche ist mein Bereich. Sie ist der magische Ort.“

„Wo ist denn die Magie, wenn wir weder eine Speisekarte noch einen Chefkoch haben?“ Harper war entschlossen, diesmal ihren Willen durchzusetzen.

„Bis zur Eröffnung wird alles bereit sein“, versicherte er. „Vertrauen Sie mir.“

„Das tue ich.“ Es stimmte tatsächlich. Sie mochten zwar völlig verschiedene Arbeitsweisen haben, doch er hatte viele Male bewiesen, dass auch er Dinge bewerkstelligen konnte. Tief in ihrem Innern wusste sie, dass er eine fantastische Speisekarte aufstellen und Gäste sowie Kritiker gleichermaßen überzeugen würde.

Was sie um den Verstand brachte, war die Tatsache, dass alles erst auf die letzte Minute geschehen würde.

„Nein, das tun Sie nicht.“ Er schenkte ihr ein versöhnliches Lächeln. „Ich glaube, ich habe Sie von Anfang an völlig falsch angefasst.“

Harper starrte ihn in hilfloser Faszination an. Das war der Ashton Croft, für den sie insgeheim schwärmte. Der mutige Typ, der sich ohne zu zögern auf die gefährlichsten Situationen einließ, um mit den Einheimischen eine Mahlzeit zu teilen und seinen Zuschauern die Besonderheiten der jeweiligen Region zu vermitteln. Der Mann, der Menschen, die nichts als Mühsal und Not kannten, ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte.

„Wenn Sie das wissen, warum fassen Sie mich dann nicht richtig an?“ Harper bereute ihre missverständliche Bemerkung im gleichen Moment. „Was ich meinte, war …“

Ashton trat auf sie zu.

In den neun Monaten ihrer Zusammenarbeit hatte Harper ihm nie auch nur den geringsten Hinweis darauf gegeben, dass ihr Interesse an ihm über seine Kochkunst hinausging. Daher hatte er versucht, professionell zu bleiben und in ihr die Geschäftspartnerin zu sehen – und nicht die umwerfend attraktive Frau. Doch es fiel ihm immer schwerer, sein unangemessenes Verlangen unter Kontrolle zu halten.

Warum konnte er nicht einfach akzeptieren, dass sie nicht interessiert war? Das hier war Las Vegas. Jeden Tag kamen tausende Frauen in die Stadt, um sich zu amüsieren. Perfekt für jemanden wie ihn, der selten länger als ein paar Tage am gleichen Ort blieb.

Ashton lachte leise. „Bitte versuchen Sie nicht, ihre Worte zu erklären. Ich glaube, das war das erste Mal, dass Sie wirklich ehrlich zu mir waren.“ Er hatte sie in den vergangenen Monaten oft für ihre Diplomatie bewundert. Ihm war durchaus bewusst, wie schwer er ihr das Leben gemacht hatte.

Die Dreharbeiten für seine Fernsehserie hatten ihn gezwungen, die Entstehung des Restaurants aus tausenden Meilen Entfernung zu beobachten. Zahllose Materialmuster waren um die halbe Welt geschickt worden, damit er sie begutachten konnte. Ständig hatte er Dinge abgelehnt und immer wieder Änderungen verlangt, die das Projekt gebremst und aufgehalten hatten. Außerdem hatten die Filmaufnahmen wegen des Dauerregens in Indonesien viel länger gedauert als geplant.

„Wie wäre es, wenn ich Cole nach Hause schicke und uns etwas Schönes koche? Dann können Sie mir beim Essen erzählen, was Ihnen Sorge bereitet.“

„Dass wir keinen Chefkoch haben, bereitet mir Sorge.“

„Es muss noch etwas anderes sein. Sie sind doch sonst nicht so gereizt.“

„Ich bin nicht gereizt. Ich habe nur einfach keine Zeit, um mit Ihnen zu essen.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Mögen Sie mein Essen nicht?“

„Ich liebe Ihr Essen. Glauben Sie im Ernst, dass ich sonst ein Restaurant mit Ihnen eröffnen würde?“

„Dann bin ich es, den Sie nicht mögen. Ich weiß, es ist schwer, mit mir zu arbeiten.“

„Es ist mörderisch, mit Ihnen zu arbeiten“, korrigierte sie. „Aber ich glaube, dass das Restaurant alle meine heimlichen Flüche wert sein wird.“

„Sie haben mich verflucht?“

„Nur wenn mich niemand hören konnte.“

Er grinste vergnügt. „Natürlich. Sie sind viel zu sehr Lady, um sich jemals gehen zu lassen.“

„Was ist falsch daran, eine Lady zu sein?“

„Nur, dass Sie niemals Spaß zu haben scheinen.“

Sie war nicht die einzige, die ihre Hausaufgaben gemacht hatte. Er wusste von dem Wettbewerb zwischen ihr und ihren Halbschwestern. Nur eine von ihnen würde die Nachfolge als Präsidentin des Familienkonzerns Fontaine Hotels und Resorts antreten. Harper hatte eine beeindruckende Karriere gemacht, aber sie war nicht der Typ, der sich auf vergangenen Lorbeeren ausruhte.

„Ich nehme den Erfolg meines Hotels eben sehr ernst“, verteidigte sie sich. „Außerdem müssen Sie gerade was sagen. Sie haben kaum eine freie Minute zwischen den Dreharbeiten und der Leitung Ihrer anderen Restaurants.“

„Ich bestreite nicht, dass ich sehr beschäftigt bin, aber ich nehme mir auch die Zeit zu genießen.“ Er legte den Kopf zur Seite. „Tun Sie das auch?“

„Natürlich genieße ich meine Arbeit.“ Ihre Beteuerung klang nicht ganz überzeugend.

„Es muss doch noch etwas anderes für Sie geben als Arbeit. Was wollten Sie immer schon mal tun? Los, erzählen Sie mir von einem Ihrer Träume.“

Sie sah ihn entnervt an. „Ich verstehe nicht, was das soll.“

„Überraschen Sie mich. Was ist das Erste, was Ihnen in den Sinn kommt?“

„Ich würde gern mal auf einem Kamel durch die Wüste reiten und im Zelt schlafen“, platzte sie schließlich hervor.

„Ehrlich? Das ist überhaupt nicht, was ich erwartet hätte. Ich dachte, Sie würden …“ Er verstummte.

„Was dachten Sie?“, fragte Harper misstrauisch.

„Ich weiß nicht. Irgendetwas Anspruchsvolles. Vielleicht ein Museumsbesuch.“

Sie schnaubte verächtlich. „Ich bin es leid, dass alle mir ständig vorwerfen, ich sei zu ernst.“

Da hatte er wohl einen wunden Punkt getroffen. „Wer ist alle?“

„Meine Familie. Meine Freunde. Aber das Leben besteht nicht nur aus Spaß, wissen Sie?“

„Es besteht aber auch nicht nur aus Arbeit.“

„Sagt der Mann, der kaum arbeitet“, bemerkte sie ironisch.

„Na, na, na.“ Er grinste. „Sie können ja ein richtiges Teufelchen sein.“

Sie biss die Zähne zusammen. „Ich gebe zu, dass ich ein wenig gereizt bin. Es ist wirklich nicht gerade leicht, mit Ihnen zu arbeiten.“

„Vielleicht ist es nicht leicht, mit mir zu arbeiten“, stimmte er zu. „Aber wenn Sie mal Lust auf ein bisschen Spaß haben, können Sie mich jederzeit anrufen.“

Sie sah ihn fassungslos an. „Ich habe keine Zeit …“

„Für Spaß. Ja, das sagten Sie schon.“

Sein Angebot war nicht unbedingt erotischer Natur gewesen, doch als er in ihren wunderschönen braunen Augen eine leise Hoffnung aufflackern sah, änderte sich seine Wahrnehmung von ihr. Wie hatte ihm bisher entgehen können, dass sich hinter der Fassade der kontrollierten Geschäftsfrau glühende Leidenschaft verbarg?

Sie räusperte sich. „Um wieder auf Cole zurückzukommen …“

„Ich werde ihn einstellen, wenn Sie einen Abend mit mir verbringen.“

Sie stemmte ihre Hände in die Hüften. „Vor fünf Minuten wollten Sie ihn noch wegschicken.“

„Vor fünf Minuten wusste ich auch noch nicht, wie sehr sie sich nach Abenteuern sehnen.“

„Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben.“

„Entschuldigen Sie, aber wenn ein Kamelritt durch die Wüste auf Ihrer Wunschliste ganz oben steht, nehme ich Ihnen nicht ab, dass Ihr Leben so befriedigend ist, wie sie andere Leute glauben machen wollen.“

„Ich habe keine Wunschliste“, erwiderte sie. „Und wenn ich eine hätte, stünde das nicht an erster Stelle. Es war nur irgendetwas, das mir gerade in den Kopf kam. Vielleicht habe ich mich an eine Folge von Der kulinarische Weltenbummler erinnert.“

„Sind Sie ein Fan?“

„Bevor ich mit jemandem Geschäfte mache, informiere ich mich über ihn.“

„Und es gehört zu Ihren Nachforschungen, meine Shows anzusehen? Ich hätte gedacht, dass Sie mehr an harten Fakten interessiert sind, wie die Bilanzen meiner anderen vier Restaurants oder die Höhe der Werbeeinnahmen, die der Sender mit der Serie macht.“

„All das habe ich natürlich auch geprüft.“

„Dann wissen Sie ja, dass ich nicht leichtfertig einwillige, Ihren Wunschkandidaten als Chefkoch zu engagieren.“

Sie blickte verlegen zu Boden. „Im Tausch für eine Nacht mit mir.“

„Ich hatte einen Abend vorgeschlagen.“ Er musste über ihre Schlussfolgerung schmunzeln. „Sie haben eine unanständige Fantasie, wenn Sie glauben, ich würde einen Tauschhandel Chefkoch gegen Sex anbieten.“

Ihre Wangen glühten vor Scham. „Das habe ich gar nicht geglaubt … Ich habe mich nur versprochen.“

„Das glaube ich nicht.“ Er hatte sie aus der Bahn geworfen und nutzte die Situation jetzt schamlos aus. „Ich glaube, es war ein Freud’scher Fehler. Sie wollen mich und können es sich nur nicht eingestehen.“

„Was ich will, ist, dass Sie einen Küchenchef einstellen.“

„Mein Angebot steht. Geben Sie mir einen Abend, und ich stelle Cole ein.“

„Warum wollen Sie denn überhaupt einen Abend mit mir verbringen?“

„Ich dachte, Sie hätten Lust, die Gerichte zu probieren, die ich für das Restaurant vorgesehen habe.“

„Das ist alles?“, fragte sie misstrauisch.

„Natürlich.“

Sie sah ihn ein paar Sekunden lang schweigend an. „Na gut“, sagte sie schließlich. „Stellen Sie Cole ein, und ich werde den Abend mit Ihnen verbringen.“ Dann trat sie an den Tisch in der Nische und nahm seine Reisetasche von der Sitzbank. „Das hier behalte ich so lange als Pfand“, erklärte sie mit trotzigem Stolz, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und ging.

Er hatte recht gehabt. In ihr verbarg sich wirklich ein kleines Teufelchen. Und er war genau der richtige Mann, es aufzuwecken.

„Ich werde Cole einstellen“, rief Ashton ihr nach. „Und ich werde dafür sorgen, dass es ein Abend wird, den Sie nie vergessen werden.“

2. KAPITEL

Ihre Selbstzufriedenheit verflog in dem Moment, als Harper das Restaurant verließ und sich auf den Weg in ihr Büro machte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, sein Gepäck als Geisel zu nehmen? Was für eine alberne Geste. Er musste sie für völlig verrückt halten.

Vielleicht hatte sie wirklich den Verstand verloren. Immerhin hatte sie einem Abend mit Ashton Croft zugestimmt!

Voller Scham dachte sie daran, wie er sie bei der Annahme ertappt hatte, er wolle Sex im Gegenzug dafür, dass er den Chefkoch einstellte, den sie bevorzugte. Wie war sie nur zu diesem Schluss gekommen? Natürlich glaubte er jetzt, das Missverständnis verriete ihre geheimsten Wünsche.

Vermutlich hatte er sogar recht. Im Fernsehen war er ein cooler, gut aussehender Typ, charismatisch und amüsant. Und der echte Ashton Croft aus Fleisch und Blut war nicht weniger attraktiv. Im Gegenteil. Der Bildschirm konnte seine maskuline Ausstrahlung und seinen überwältigenden Sex-Appeal gar nicht in vollem Umfang vermitteln.

Aber natürlich würde sie nicht mit Ashton Croft schlafen.

Es wäre etwas anderes, wenn sie sich zufällig an irgendeinem exotischen Ort begegnet wären. Sie hatte sich schon öfter alle möglichen heißen Szenarien ausgemalt, wie sie Ashton zum Beispiel in einem toskanischen Weinberg begegnete. Oder während eines Spaziergangs durch die Altstadt von Dubrovnik. Sie hätten gemeinsam den Sonnenuntergang betrachtet, und dann hätte er sie überredet, mit ihm zu Abend zu essen. Auf einer privaten Dachterrasse mit Blick über die Adria, umgeben von Kerzen, hätte er sie in seine Arme gezogen und …

Als Harper ihr Büro erreichte, riss der Geruch von Zigarettenqualm sie aus ihren Tagträumen.

Sie stellte Ashtons Reisetasche ab und ließ ihren Blick prüfend durch den Raum wandern. Auf dem Sofa in der Sitzecke stand die teure Handtasche ihrer Mutter, der Inhalt war rundherum verstreut. Eine leere Zigarettenpackung lag zerdrückt auf dem Couchtisch neben einem Kristallglas mit pinkfarbenen Lippenstiftspuren am Rand. Ein eleganter, cremefarbener Trenchcoat hing über der Rückenlehne des Schreibtischsessels. Ihre Mutter hatte das Büro in Besitz genommen.

Penelope Fontaine stand am Fenster und blickte auf den Las Vegas Strip hinunter. Eine schmale Rauchsäule kräuselte sich von der Zigarette empor, die sie zwischen den Fingern hielt. In ihrem schwarz-weißen Chanel-Kostüm und mit dem zu einem klassischen Knoten gebundenen blonden Haar wirkte sie elegant und unantastbar.

Der Anblick weckte Erinnerungen an den Tag, an dem ihre Eltern ihr erklärt hatten, dass sie sich trennen würden. Ihre Mutter war aus gesundheitlichen Gründen nach Florida gezogen und Harper bei ihrem Vater in New York geblieben. Was im Prinzip bedeutet hatte, dass sie die meiste Zeit mit dem Personal allein zu Hause verbrachte, da Ross Fontaine jede Gelegenheit nutzte, sich auf Geschäftsreisen weit weg von der New Yorker Hauptniederlassung der Firma ein angenehmes Leben zu machen.

„Mutter, es wäre nett, wenn du in meinem Büro nicht rauchen würdest.“

„Entschuldige, Harper.“ Penelope trat an den Couchtisch und ließ die Zigarette in das leere Glas fallen. „Aber du weißt ja, dass ich immer rückfällig werde, wenn ich mich aufrege.“

Harper wedelte den Qualm fort. „Was ist denn los?“

„Ich brauche deine Hilfe.“ Penelopes Stimme bebte melodramatisch.

Harper musterte sie aufmerksam. Steckte ihre Mutter wirklich in Schwierigkeiten? „Was ist passiert?“

„Etwas Schreckliches. Warum sonst sollte ich in diese gottverlassene Stadt kommen?“

„Was ist denn mit Großvater?“

Penelope spielte an ihrem Diamantring herum. „Henry kann mir in dieser Sache nicht helfen.“

„Aber ich schon?“ Harper fiel es schwer, diesen Wandel in der Weltsicht ihrer Mutter nachzuvollziehen. Nach Penelopes fester Überzeugung waren nur Männer in der Lage, die Probleme der Welt zu lösen. Frauen hingegen hatten die Aufgabe, am Arm ihrer Ehemänner hübsch auszusehen.

„Du bist die Einzige, die mir helfen kann.“

„Was brauchst du?“, fragte Harper misstrauisch.

„Geld.“

Ihre Mutter erhielt jeden Monat eine ansehnliche Zuwendung aus dem Familienvermögen. Was in aller Welt wollte sie wohl kaufen, wenn sie sich damit nicht an Harpers Großvater wenden konnte? „Warum?“

„Ich werde erpresst.“

„Erpresst?“ Das war das Letzte, was Harper erwartet hätte. „Hast du schon mit der Polizei gesprochen?“

Penelope starrte sie empört an. „Das ist eine Privatangelegenheit.“

„Erpressung ist illegal.“

„Ich werde nicht zulassen, dass meine persönlichen Angelegenheiten an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Ich bin in der Annahme hierhergekommen, dass du mir helfen würdest.“

Harper unterdrückte ein resigniertes Seufzen. „Wie viel brauchst du?“

„Dreihundertfünfzigtausend Dollar.“

Die Summe machte Harper einen Moment lang sprachlos. „Was in aller Welt hast du getan?“

Penelope setzte ein trotziges Gesicht auf. „Das geht dich nichts an.“

„Entschuldigen Sie, wenn ich störe.“ Ashton kam ins Büro spaziert. Er sah keineswegs aus, als ob er die Störung bedauere.

Harper war viel zu erschüttert über die unerwartete Neuigkeit ihrer Mutter, um auf sein Hereinplatzen zu reagieren. Sie stand reglos da und beobachtete, wie er näher kam.

„Harper?“ Der vorwurfsvolle Ton in der Stimme ihrer Mutter riss Harper aus ihren Gedanken.

„Mutter, das ist Chefkoch Ashton Croft. Er ist das kreative Genie hinter dem Batouri. Ashton, das ist meine Mutter, Penelope Fontaine.“

„Sehr erfreut.“ Penelope neigte den Kopf wie eine Königin, die einen Untertanen begrüßt.

Ashton schenkte ihrer Mutter ein strahlendes Lächeln. „Ich genieße es sehr, mit Ihrer Tochter zusammenzuarbeiten.“

Harper bemerkte, welche Wirkung sein Charme auf ihre Mutter hatte. Es schien, als habe sie die Erpressung auf einmal völlig vergessen.

Harper hingegen wollte die unangenehme Geschichte so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. „Brauchen Sie irgendetwas?“, fragte sie Ashton ungeduldig.

„Nur meinen Laptop. Ich habe in zehn Minuten eine Videokonferenz.“

„Da drüben.“ Sie deutete auf die schwarze Tasche.

Er ging hinüber und zog einen schmalen Computer aus dem Seitenfach.

Harper beobachtete seine geschmeidigen Bewegungen. Das sonnengebleichte Haar fiel ihm in die leuchtend blauen Augen. In Cargohose, Jeanshemd und Wanderstiefeln sah er unglaublich lässig und athletisch aus. Er war alles, was Harper nicht war. Sinnlich, unvorhersehbar, aufregend. Sie waren wie Yin und Yang. Diese Erkenntnis verschlug ihr fast den Atem.

„Aber lassen Sie die Tasche hier“, sagte sie. Ihre Stimme klang ein wenig heiser. „Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.“

In seinen Mundwinkeln zuckte es. „Natürlich.“

„Mary soll Ihnen einen freien Konferenzraum zur Verfügung stellen.“ Harpers Herz hämmerte in ihrer Brust.

„Ich weiß Ihr Entgegenkommen sehr zu schätzen.“ Er nickte ihnen zu und verließ das Büro.

„Du lässt diesen ungepflegten Kerl ein Restaurant in deinem Hotel eröffnen?“

Penelopes Kritik wäre wirkungsvoller gewesen, wenn Harper nicht gesehen hätte, wie ihre Mutter den ungepflegten Kerl noch Sekunden vorher angeschmachtet hatte.

„Er ist gerade erst von einer viermonatigen Reise nach Indonesien zurück.“

„Du sagtest doch, er wäre Koch. Was hat er dann in Indonesien verloren?“

„Er hat für seine Fernsehserie Der kulinarische Weltenbummler gedreht.“ Der Name der Sendung sagte ihrer Mutter anscheinend nichts. „Er reist durch die ganze Welt, testet lokale Gerichte und lenkt die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Geschichte oder die aktuellen Probleme der Menschen vor Ort.“

„Ich schaue nicht viel fern. Es ist zu deprimierend.“

Penelope lebte in einer bequemen Seifenblase. Vormittags spielte sie Golf, dann traf sie sich mit Freundinnen zum Mittagessen, und nach ein paar Stunden Shopping verbrachte sie den Abend bei irgendwelchen kulturellen oder gesellschaftlichen Ereignissen. Als einzige Abweichung von ihrem üblichen Tagesablauf besuchte sie gelegentlich ihre Mutter in den Hamptons.

„Seine Show ist sehr beliebt.“

„Ich bin sicher, dass du weißt, was du tust“, erwiderte Penelope. Ihr Ton machte deutlich, dass sie das Thema damit für beendet erklärte. „Wie schnell kannst du mir das Geld beschaffen?“

„Ich rufe bei der Bank an und lasse die Zahlung anweisen, sobald du mir sagst, wer dich erpresst.“

„Ich bin deine Mutter“, gab Penelope verärgert zurück. „Wage es ja nicht, mir vorzuschreiben, was ich zu tun habe.“

Bevor Harper antworten konnte, tauchte Mary im Türrahmen auf. „Ihr Großvater ist auf Leitung eins. Und Chefkoch Cole möchte mit Ihnen sprechen, sobald Sie verfügbar sind.“ Sie warf Harper einen vielsagenden Blick zu.

„Bin schon unterwegs. Bitte richten Sie meinem Großvater aus, dass ich ihn gleich zurückrufe. Danke, Mary.“

Penelope hielt sie am Arm fest. „Du darfst Henry kein Wort sagen.“

„Lass uns das beim Abendessen besprechen“, schlug Harper vor. „Ich muss mehr über die Geschichte erfahren.“

„Aber du wirst mir doch helfen, oder?“

„Natürlich. Ich muss mich jetzt um eine wichtige Angelegenheit kümmern, aber das sollte nicht länger als zwanzig Minuten dauern.“

Penelope warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „In einer halben Stunde habe ich einen Termin zur Maniküre.“

Mitten in einer persönlichen Krise einen Schönheitstermin zu vereinbaren war typisch für ihre Mutter. „Mary wird dich in deine Suite begleiten. Ich werde das Abendessen dort um acht Uhr servieren lassen. Dann können wir weiterreden.“

Ashton saß mit dem Rücken zum Bildschirm in einem Tagungsraum des Fontaine Ciel und wartete ungeduldig auf den Beginn der Videokonferenz. Er verhandelte jetzt schon seit fast fünf Monaten über eine brandneue Fernsehshow. Lifestyle Network in New York wollte ihn als Moderator einer Kochsendung, in der „sein Talent noch besser zur Geltung kommen“ würde. So jedenfalls hatte es sein Manager Vince ausgedrückt.

Ashton glaubte ebenfalls, dass die neue Show einen großen Karriereschritt bedeuten würde. Außerdem würde sie ihm ermöglichen, dauerhaft in New York City zu leben, statt ständig an die verlorensten Orte der Erde reisen zu müssen. Orte, an denen niemand leben wollte, der bei halbwegs klarem Verstand war.

Bedauerlicherweise liebte er all diese jämmerlichen Orte am Ende der Welt. Daher missfiel ihm die Forderung von Lifestyle Network, dass er für die neue Show den kulinarischen Weltenbummler aufgeben müsse. Sechs Jahre lang hatte er die Serie für den Reisesender Travel TV produziert. Die Show war immer noch sehr beliebt und erzielte hohe Einschaltquoten. Es fiel ihm schwer, sie aufzugeben. Zumal die Orte, die er besuchte, durch ihn viel Aufmerksamkeit und dringend benötigte Hilfe erhalten hatten.

Anfangs hatte er nur eine Kurzserie für den Reisekanal drehen wollen, bei denen exotische Speisen aus den entlegensten Ecken der Welt vorgestellt wurden. Erst nach der Ausstrahlung der ersten Testreihe erkannte er das Potenzial der Sendung. Indem er dem Publikum Orte zeigte, die normale Touristen niemals besuchen würden, konnte er soziales Bewusstsein wecken. Der kulinarische Weltenbummler war geboren.

Am Ende der ersten Staffel hatten sich die Einschaltquoten verdreifacht. In einer Flut von Briefen und E-Mails erkundigten sich Zuschauer, wie sie helfen könnten. Der Sender hatte daraufhin eine Stiftung ins Leben gerufen, um die Regionen zu unterstützen, die am schlimmsten unter Krieg und Armut zu leiden hatten.

Ashton kam es irgendwie unwirklich vor, dass er mit seinen halbstündigen Fernsehsendungen mehr Gutes tat als seine Eltern in einem ganzen Jahr mit ihrer Missionsarbeit. Und doch wusste er, dass seine Eltern seine Methoden niemals gutheißen würden.

Auf jeden Fall wurde sehr viel Geld gespendet. Menschen konnten ernährt und medizinisch versorgt werden. In Dörfern, die dringend Trinkwasser benötigten, waren Brunnen gebaut worden. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er sich nicht einfach von all denjenigen abwenden durfte, die immer noch seine Hilfe brauchten.

Doch war das nicht genau die Art von Überheblichkeit, die er an seinem Vater so gehasst hatte? Zu glauben, dass er jemand besonderer war, in dessen Händen die Erlösung anderer Menschen lag?

„Mr Croft, sind Sie bereit anzufangen?“

Ashton drehte sich zu dem Bildschirm um und schenkte der versammelten Gruppe ein gewinnendes Lächeln. „Wann immer Sie bereit sind, meine Herren.“

Er konnte sehen, dass sein Manager aus seinem Büro in Los Angeles zugeschaltet war. Vinces Gesicht verriet nichts von den Sorgen, die er gestern am späten Abend Ashton gegenüber geäußert hatte, aber er sah auch nicht so entspannt aus wie sonst. Diese Show konnte Ashton von einem einfachen Fernsehkoch zu einem nationalen Star machen und ihm damit unbegrenzte Möglichkeiten eröffnen.

„Mr Croft“, begann Steven Bell, der Sprecher von Lifestyle Network. „Wir haben vor, die neue Show Ende Februar ins Programm zu nehmen und würden in vier Wochen mit den Dreharbeiten beginnen. Hätten Sie damit ein Problem?“

„Überhaupt nicht.“

Ashton bemerkte, wie die Männer unauffällige Blicke austauschten. Wenn er in den vergangenen Monaten eins gelernt hatte, dann, dass der Weg zum Ruhm kein leichter war.

„Wir haben gehört, dass Sie mit Ihrem Restaurant im Fontaine Ciel in Verzug geraten sind“, sagte Bell.

„Das stimmt nicht. Wir eröffnen in zwei Wochen.“

„Und Sie erwarten, dass alles sofort reibungslos anläuft?“

Ashton wusste, was los war. Vince hatte ihn vorgewarnt. Aufgrund seiner Weigerung, den kulinarischen Weltenbummler aufzugeben, zog der Sender nun auch andere Köche als Moderator der neuen Show in Erwägung. Und sei es nur, um ihn unter Druck zu setzen.

„Meine Küche ist in guten Händen. Ich habe Dillon Cole den Posten als Chefkoch angeboten.“ Er unterschlug die Tatsache, dass Cole noch nicht zugesagt hatte.

„Er ist aus Chicago, nicht wahr?“

Ashton nickte. „Ein sehr renommierter Koch.“ Ashton war sich nur nicht ganz sicher gewesen, ob er der richtige Mann für das Batouri war, doch ihm blieb keine Zeit mehr, nach Alternativen zu suchen. Wenn er die neue Show machen wollte, dann musste er verfügbar sein.

„Wir hätten gern, dass Sie nächste Woche für zwei Tage nach New York kommen, um sich mit dem Studio und den Abläufen der Sendung vertraut zu machen. Außerdem könnten wir bei der Gelegenheit ein paar Probeaufnahmen machen.“

„An welche Tage hatten Sie gedacht?“, erkundigte sich Ashton.

„Mittwoch und Donnerstag. Wäre Ihnen das recht?“

Harper würde ihn in Stücke reißen, wenn sie davon erfuhr. „Ich werde da sein.“

„Wir freuen uns darauf, Sie hier zu sehen.“

Nach ein paar weiteren Nettigkeiten und guten Wünschen zur Eröffnung des Restaurants verabschiedeten sich die New Yorker Verhandlungspartner. Als nur noch Ashton und Vince in der Leitung waren, ließ der Manager seinen wahren Gefühlen freien Lauf.

„Diese Mistkerle machen es uns nicht gerade leicht.“

„Hattest du das etwa erwartet?“, erwiderte Ashton. „Das hier ist kein kleiner Reisekanal mit ein paar hunderttausend Zuschauern. Lifestyle Network erreicht zur Hauptsendezeit ein Millionenpublikum.“

„Trotzdem dachte ich, dass sie sich überschlagen würden, um dich zu gewinnen. Schließlich wollen sie ihrem Sender mehr Sex-Appeal verleihen.“

Ashton grinste. „Willst du etwa sagen, dass sie weniger an meinen Kochkünsten interessiert sind als an meinem umwerfenden Körper?“

„Hättest du ein Problem damit?“

„Nicht, wenn sich dadurch meine Gage erhöht.“

„Vielleicht sollte ich vorschlagen, dass du ohne Hemd auftrittst.“

Ashton verzog das Gesicht. „Bring sie bloß nicht auf dumme Gedanken.“

„Du solltest besser endlich dieses Restaurant in Las Vegas eröffnen, sonst brauchst du dir bald keine Sorgen mehr darüber zu machen, was du in der Sendung tragen wirst.“

„Hast du schon irgendetwas von Travel TV zu meinen Vorschlägen für die nächste Staffel gehört?“

Neben den Verhandlungen mit Lifestyle Network führte er mit dem Reisesender Gespräche über die siebte Staffel von Der kulinarische Weltenbummler. Sie wollten ihn überreden, die nächsten Folgen in Afrika zu drehen. Anscheinend glaubten sie, dass er als gebürtiger Südafrikaner gern in sein Heimatland zurückkehren würde. Das Gegenteil war der Fall, doch das war etwas, worüber er mit niemandem sprach.

„England haben sie sofort abgelehnt. Anscheinend sind die Quoten bei besonders exotischen Reisezielen am höchsten.“

„Was ist mit Südamerika? Ich könnte sechs oder sieben Folgen allein in Brasilien drehen.“

„Sie haben gesagt, das würden sie für nächstes Jahr in Betracht ziehen.“ Vince seufzte. „Ich schätze, wenn du die Serie weiter machen willst, wirst du dich mit Afrika abfinden müssen. Natürlich hängt es auch davon ab, ob Lifestyle Network auf die geforderten Exklusivrechte verzichtet.“

Ashton wollte mit der neuen Show seine Karriere vorantreiben, doch er sehnte sich auch nach weiteren Abenteuern. Es gefiel ihm nicht, zwischen seiner Leidenschaft und seinem Ehrgeiz wählen zu müssen. Er suchte nach einer Möglichkeit, beidem gerecht werden zu können.

„Ich will auf keinen Fall nach Afrika.“

„Ach, komm schon. Wie schlimm kann es denn schon sein? Du hast doch sogar noch Familie dort, oder?“

Genau genommen hatte er keine Ahnung, ob seine Eltern überhaupt noch lebten. Er hatte keinen Kontakt mehr zu ihnen, seit er mit fünfzehn Jahren von zu Hause weggelaufen war. In zwanzig Jahren konnte viel geschehen.

Ashton hörte, wie die Tür hinter ihm geöffnet wurde. Er warf einen Blick über seine Schulter und sah, dass Harper den Raum betreten hatte. Sie machte nicht gerade einen glücklichen Eindruck.

„Ich muss jetzt los, Vince. Halt mich auf dem Laufenden.“ Er beendete die Verbindung, und der Monitor vor ihm wurde schwarz.

Harper kam sofort zur Sache. „Cole hat mir eröffnet, dass er nicht unser Küchenchef werden möchte.“

„Ich habe ihm den Posten angeboten, genau wie Sie es wollten.“

„Ich wollte, dass Sie ihn einstellen.“

„Er hat abgelehnt.“ Ashton klappte den Laptop zu.

„Und was jetzt?“

„Sie haben mich.“

„Ich brauche jemanden, der dauerhaft hier ist.“ Harper verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Ton machte klar, dass er ihren guten Willen lange genug strapaziert hatte.

„Gehen Sie und überzeugen Sie Cole, den Job im Batouri anzunehmen.“

„Ich dachte, er sei schon auf dem Weg zum Flughafen.“

„Ich habe ihn überredet, erst morgen nach Chicago zurückzureisen. Für Sie beide ist um sieben Uhr ein Tisch im Steakhouse des Fontaine Chic reserviert. Da können Sie gleich probieren, was die Konkurrenz so zu bieten hat.“

„Und unser gemeinsamer Abend?“

Sie schenkte ihm ein kühles Lächeln. „Wenn Cole den Job annimmt, werde ich mir morgen zwei Stunden für Sie frei nehmen.“

„Machen Sie drei daraus und wir sind im Geschäft.“

3. KAPITEL

Da sie das Problem mit Chefkoch Cole bis auf Weiteres in Ashtons Hände gelegt hatte und ihre Mutter noch bei der Maniküre war, hatte Harper etwas Zeit für sich.

Normalerweise bereitete es ihr immer ein Gefühl der Genugtuung, wenn sie eine Runde durch das Hotel drehte und sah, was sie in den vergangenen Jahren hier geleistet hatte. Alle Decken des Gebäudes waren in den verschiedenen Farbnuancen des Himmels bemalt, nach dem das Hotel benannt war. In der Lobby war es ein blasses, von weißen Wolken durchbrochenes Himmelblau, dessen Beleuchtung je nach Tageszeit vom Morgengrau bis zur Abenddämmerung das Licht draußen widerspiegelte. Die Decken des Casinos waren hingegen in samtigem schwarzblau gehalten. Winzige Lichtpunkte bildeten die Sternbilder am Nachthimmel über Las Vegas ab.

Es war ein einfaches, aber sehr wirkungsvoll umgesetztes Konzept, und Harper war stolz auf das, was sie geschaffen hatte. Doch heute fand sie darin keine Befriedigung. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Noch zwei Stunden Zeit. Da keine drängenden Termine anstanden, konnte sie in ihre Suite zurückkehren und eine Trainingseinheit auf dem Laufband einlegen.

Oder sie konnte Scarlett einen Besuch abstatten.

Seit ihrem elften Lebensjahr wusste Harper, dass ihr Vater seine Frau regelmäßig betrogen hatte, doch bis zu seinem Tod vor fünf Jahren hatte sie keine Ahnung gehabt, dass zwei seiner Seitensprünge nicht ohne Folgen geblieben waren. Als ihr Großvater sie damals mit der Neuigkeit überraschte, dass sie zwei Halbschwestern hatte, war sie zunächst wütend und verletzt gewesen.

Ein kurzer Weg über die Fußgängerbrücke, die die drei Fontaine-Hotels miteinander verband, führte Harper in das Hotel ihrer jüngsten Schwester, das Fontaine Richesse. Sie fand Scarlett im Casino. In ihrem smaragdgrünen Charlestonkostüm und mit der kurzen Bobfrisur im Zwanzigerjahre-Look war sie nicht schwer zu entdecken.

Das Motto des Tages lautete Hollywoods Goldene Ära. Die Casinobelegschaft war in Kostümen aus Filmen der Vierziger- und Fünfzigerjahre gekleidet. Männer in Smokings oder Militäruniformen, Frauen in eleganten Abendroben.

Harper hatte die Idee mit den Mottopartys anfangs für völlig verrückt gehalten, doch da hatte sie ihre Schwester unterschätzt. Das Casino war brechend voll. Viele der Gäste an den Automaten und Spieltischen waren ebenfalls verkleidet. Es war ein Preis für das beste Kostüm ausgeschrieben, und Besucher, die erraten konnten, aus welchem Film die verschiedenen Kostüme der Kellnerinnen stammten, erhielten ein Freigetränk.

Scarlett strahlte vor Begeisterung, als sie Harper sah. „Was für eine Überraschung.“

„Du siehst toll aus“, sagte Harper mit ehrlicher Bewunderung. „Neues Kleid?“

„Ich hab’s zum ersten Mal an.“ Sie warf sich in Pose. „Gefällt es dir?“

„Es ist umwerfend.“

Anfangs hatte Harper nicht viel von dem ehemaligen Filmsternchen gehalten. Sie wusste nicht, was ihr Großvater sich dabei gedacht hatte, als er diesen Wettbewerb zwischen seinen drei Enkeltöchtern ausgerufen hatte. Was wusste jemand wie Scarlett schon davon, wie man ein Hotel leitete, geschweige denn ein Unternehmen von der Größe von Fontaine Hotels und Resorts? Doch mittlerweile war Harper ein großer Fan von Scarletts Kreativität und Einfallsreichtum.

„Hast du Zeit für einen Drink?“, fragte Harper.

„Für dich doch immer.“ Sie setzten sich an einen ruhigen Tisch in der hoteleigenen Bar. Scarlett bestellte zwei Gläser Cabernet und machte Small Talk, bis die Getränke serviert wurden. Dann konnte sie ihre Neugier nicht länger zügeln. „Was ist los?“, fragte sie, bevor Harper auch nur an ihrem Wein genippt hatte.

„Wie kommst du darauf, dass …?“ Harper wusste, dass sie Scarlett nichts vormachen konnte. „Denk aber bloß nicht, dass ich nur hergekommen bin, weil ich deine Hilfe brauche.“

Scarlett zwinkerte ihr vergnügt zu. „Ich bin nur froh, dass Violet nicht in der Stadt ist. Sonst wärst du sicher zuerst zu ihr gegangen.“ Violet hatte ihren Mann JT nach Miami zu einer wichtigen Aktionärsversammlung seines Familienunternehmens begleitet. Dort ging es um die bedeutende Frage, wer Stone Properties in Zukunft leiten würde.

„Das stimmt nicht“, widersprach Harper. Anfangs hatte sie sich von Scarletts überschwänglicher, quirliger Art wirklich ein wenig überfordert gefühlt. Sie waren in vielen Punkten völlig gegensätzlich. Scarlett war wunderschön, extravagant und absolut furchtlos, wenn es um Beziehungen ging. Hatte sie nicht Logan Wolfe um den Finger gewickelt, sodass sich der strenge Sicherheitsexperte in einen großen schnurrenden Kater verwandelt hatte? Und mit Harper war ihr das gleiche Kunststück gelungen. Skepsis und Misstrauen waren längst tiefem Vertrauen gewichen.

„Okay, ich habe tatsächlich ein Problem“, gab sie zu. „Aber es stimmt nicht, dass ich nur zu Violet gehen würde. Wenn sie in der Stadt wäre, hätte ich mich an euch beide gewandt.“

„Dann muss es etwas Ernstes sein.“ Scarlett grinste verschwörerisch. „Brauchst du ein paar Ratschläge bezüglich Ashton Croft? Ich habe gehört, er ist wieder in der Stadt.“

„Es hat gar nichts mit ihm zu tun.“

„Ich würde vorschlagen, dass du mit ihm schläfst.“

„Wie bitte?“ Harper spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. „Ich werde nicht mit ihm schlafen. Unsere Beziehung ist rein beruflich.“

„Du solltest nochmal darüber nachdenken. Ich weiß, dass du auf ihn stehst. Und er sieht aus, als wäre er eine Granate im Bett.“

Harper wechselte schnell das Thema. „Meine Mutter wird erpresst.“

Scarlett wurde augenblicklich ernst. „Erpresst? Womit?“

„Ich weiß es nicht. Sie will es mir nicht sagen.“

„Weiß sie, wer dahintersteckt?“

Harper schüttelte den Kopf. „Das ist alles so verrückt. Meine Mutter, die perfekte Penelope Fontaine. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie irgendetwas so Skandalöses getan hat, dass man sie damit erpressen könnte.“

„Wie hast du es herausgefunden?“

„Sie ist hergekommen, um sich Geld zu leihen.“

„Wie viel?“

„Dreihundertfünfzigtausend.“

Scarlett pfiff leise. „Das ist eine Menge.“

„Ich frage mich die ganze Zeit, was sie angestellt haben könnte. Bei der Summe muss es etwas Entsetzliches gewesen sein.“

„Soweit ich weiß, hat deine Mutter wenig Sinn für den Wert des Geldes, das sie ausgibt“, erinnerte Scarlett sie. „Ist sie sich sicher, dass das, was sie getan hat, wirklich so viel wert ist?“

„Das lässt sich bei meiner Mutter schwer sagen. Sie ist so versessen darauf, ihren Ruf zu wahren, dass es auch etwas so Banales wie ein Strafzettel für Falschparken sein könnte.“

„Was ist mit Steuerhinterziehung?“

„Unmöglich. Großvater regelt ihre gesamten Finanzen.“

„Ich nehme nicht an, dass sie die Polizei einschalten möchte“, stellte Scarlett nüchtern fest.

„Das würde sie nie tun“, antwortete Harper. „Der Erpresser hat gedroht, ihr Geheimnis sonst öffentlich zu machen.“

„Brauchst du Geld? Ich habe ein paar Ersparnisse.“

Harper war gerührt über das großzügige Angebot. „Danke, aber deswegen bin ich nicht hergekommen.“

„Warum dann?“

„Ich dachte, mit dir über die Sache zu reden würde mich ein wenig zur Ruhe bringen, bevor ich nachher mit meiner Mutter zu Abend esse.“

„Warum sprichst du nicht mal mit Logan?“, schlug Scarlett vor. „Immerhin ist er Sicherheitsexperte. Er und seine Leute können sicher herausfinden, wer deine Mutter erpresst. Vielleicht sogar schon vor der Geldübergabe. Ansonsten können sie wenigstens verfolgen, wohin das Geld wandert.“

Harper umarmte Scarlett. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich und Violet tun würde.“

„Ich freue mich, dass du das mittlerweile so siehst.“

Harper fühlte sich schuldig. „Es tut mir leid, dass ich euch anfangs abgelehnt habe. Ich bin mein ganzes Leben lang Einzelkind gewesen und von meinen Eltern nicht gerade mit Liebe überhäuft worden. Ich habe einfach nicht verstanden, was es bedeutet, eine Familie zu haben.“

„Ich hoffe, das hat sich geändert.“

„Das hat es. Du und Violet, ihr seid neben Großvater die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Das hätte ich euch schon längst einmal sagen sollen.“

Scarlett winkte ab. „Du musst gar nichts sagen. Wir wissen, was du fühlst.“ Sie klang ehrlich erfreut. „Lass mich Logan anrufen, um zu hören, was er vorschlägt.“

„Er wird vorschlagen, dass du dich aus allem heraushältst.“ Harper lächelte matt.

„Wann hätte mich das je zurückgehalten?“

Scarlett hatte ihrem Verlobten eine Menge Sorgen bereitet, nachdem sie einige Akten von Violets Ziehvater Tiberius Stone geerbt hatte. Der verstorbene Casinobesitzer hatte über Jahre hinweg Informationen über andere Leute gesammelt. Der Inhalt dieser Akten war teilweise so brisant, dass Logan gewarnt hatte, der Besitz der Unterlagen könne Scarlett gefährlich werden. Und tatsächlich war sie nur wenige Wochen später überfallen worden. Ein Einbrecher war in ihre Suite eingedrungen und hatte neben Schmuck und Bargeld auch einige der Akten gestohlen.

„Noch ein Glas Wein?“, fragte Scarlett, nachdem sie Logan eine kurze Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hatte.

Harper fiel ein, dass sie immer noch Ashtons Reisetasche in ihrem Büro hatte. „Ich kann nicht. Ich muss noch etwas erledigen.“

„Sobald ich von Logan höre, rufe ich dich an. Kannst du deine Mutter so lange hinhalten?“

„Ich werde es versuchen.“

Harper verabschiedete sich von Scarlett und kehrte in ihr Büro im Fontaine Ciel zurück. Sie holte Ashtons Tasche und schickte ihm eine SMS, dass er sein Gepäck im Batouri abholen könne. Doch als sie im Restaurant eintraf, stellte sie überrascht fest, dass Ashton bereits dort war.

Ashton saß an seinem bevorzugten Tisch in einer Nische und nippte an einem Glas Scotch, als sich die Restauranttür öffnete und Harper eintrat. Er sah sie an und lächelte. Wie hatte er die Sinnlichkeit in ihren Augen bis jetzt übersehen können? Er musste unbedingt die Fassade der kühlen Geschäftsfrau überwinden und die in ihrem Innern verborgene Glut der Leidenschaft anfachen.

Harper trat näher. „Ich bringe Ihnen Ihr Fluchtgepäck zurück.“

„Der Vertrag mit Cole ist noch nicht unterschrieben“, erinnerte er sie. „Vielleicht sollten Sie mein Gepäck noch ein wenig länger als Geisel behalten.“

Sie stellte die Tasche neben dem Tisch ab. „Ich habe in den letzten Stunden den Spaß an Erpressung verloren.“

Er sah sie aufmerksam an. „Etwas, über das Sie reden möchten?“

„Nein.“

„Sind Sie sicher? Ich bin ein sehr guter Zuhörer.“

Harper zögerte. „Meine Mutter ist unerwartet in die Stadt gekommen.“

Ashton nickte. „Ich habe bemerkt, dass die Atmosphäre zwischen Ihnen nicht gerade heiter war.“

„Haben Sie ein gutes Verhältnis zu Ihren Eltern?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin mit fünfzehn von zu Hause weggegangen und nie mehr zurückgekehrt. Aber das ist eine lange Geschichte, und wir sprechen gerade von Ihnen.“

Sie schwieg ein paar Sekunden, bevor sie antwortete. „Als ich elf war, ist meine Mutter nach Florida gezogen und hat mich bei meinem Vater zurückgelassen, der so gut wie nie zu Hause war. Damals habe ich sie dafür gehasst. Erst später habe ich erkannt, dass mir die Distanz zu ihr die Freiheit gab, eigene Fehler zu machen und daraus zu lernen.“

„Ich bin froh, dass Sie mir davon erzählen.“

„Warum?“

„Weil ich Sie mag und gern mehr über Sie erfahren möchte.“

„Sie mögen mich?“ Sie lachte ein wenig ungläubig.

„Sehr sogar“, gestand er.

Harper schüttelte den Kopf. „Sie versuchen nur, mich um den Finger zu wickeln. Wenn Sie glauben, Sie könnten so meine Meinung zu Chefkoch Cole ändern, dann haben Sie sich getäuscht.“

„Wie kann man nur so misstrauisch sein?“, fragte er. „Dabei fange ich gerade an, Ihre Meinung über Cole zu teilen.“

„Na, das ist aber sehr beruhigend.“

Er ignorierte ihre spöttische Bemerkung. „Besucht Ihre Mutter Sie häufig in Las Vegas?“

„Nie. Sie hasst die Stadt.“

„Dann muss wohl etwas sehr Außergewöhnliches vorgefallen sein.“

„Sie braucht meine Hilfe. Das ist allerdings außergewöhnlich. Sonst läuft sie mit ihren Problemen immer zu meinem Großvater. Weil er ein Mann ist und Männer die Probleme von Frauen lösen sollen.“

„Eine ziemlich altmodische Einstellung.“

„Es widerspricht allem, woran ich glaube. Ich bin Geschäftsfrau, aber meiner Mutter hätte es besser gefallen, wenn ich mir einen reichen Ehemann geangelt hätte.“ Sie seufzte. „Es ist schwer, eine Enttäuschung zu sein.“

„Stimmt.“ Das war etwas, das sie gemeinsam hatten. Ganz egal, wie viel sie leisteten, sie würden beide niemals die elterlichen Vorstellungen von Erfolg erfüllen können. „Es verdirbt einem die Freude an dem, was man erreicht hat, nicht wahr?“

Sie sah ihn überrascht an. „Allerdings.“

Er deutete auf die Flasche mit dem Scotch. „Auch einen Drink?“

„Nein, ich muss wieder an die Arbeit.“

„Dann sehen wir uns morgen Abend.“

„Schicken Sie mir eine SMS, wenn Chefkoch Cole eingewilligt hat, für uns zu arbeiten.“ Sie hielt kurz inne. „Danke fürs Zuhören.“

Er lächelte. „Jederzeit, Sie wissen ja, wo Sie mich finden.“

Sie drehte sich um und ging.

Der kurze Moment der Vertrautheit war vorüber, doch Ashtons Respekt gegenüber Harper Fontaine war noch einmal gestiegen. Aufgrund des Reichtums und der gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie hatte er angenommen, dass das Leben für sie ein Kinderspiel war. Jetzt musste er zugeben, dass er vorschnell geurteilt hatte.

Harpers Selbstvertrauen war keineswegs unerschütterlich.

Sie hatten mehr gemeinsam, als er je vermutet hätte.

Harper schob die Salatblätter auf ihrem Teller hin und her. Der Geruch des Zigarettenrauchs hatte ihr den Appetit verdorben. Während des Essens hatte ihre Mutter beharrlich Small Talk gemacht, doch Harpers Geduld war nun zu Ende.

„Wir müssen darüber reden, warum du hergekommen bist, Mom.“

„Ich will aber nicht darüber reden“, erwiderte Penelope trotzig.

„Wenn du von mir erwartest, dass ich dir dreihundertfünfzigtausend Dollar gebe, wirst du mir wohl verraten müssen, womit man dich erpresst.“

„Ich kann es dir nicht sagen.“

„Hast du jemanden umgebracht?“

„Red doch keinen Unsinn.“

„Na, das ist doch eine Erleichterung“, murmelte Harper. Sie stand vom Tisch auf und lief im Zimmer hin und her, während sie die verschiedenen Möglichkeiten überdachte. „Hast du etwas gestohlen?“

„Ich bin doch keine Diebin“, erwiderte Penelope empört.

„Ich versuche nur herauszufinden, was dreihundertfünfzigtausend Dollar wert sein könnte.“

„Eigentlich ist es eine Million.“

„Eine Million?“ Harper war fassungslos.

Penelope schmollte. „Ein geringer Preis verglichen mit den Konsequenzen.“

„Was für Konsequenzen?“

„Leben oder Tod.“

Jetzt reichte es Harper. „Das ist eine ernste Angelegenheit, Mom. Du musst mit Großvater sprechen.“

„Das kann ich nicht. Er würde wissen wollen, womit ich erpresst werde, und ich kann es ihm nicht sagen.“

„Gib mir irgendeinen Hinweis darauf, worum es geht, oder ich rufe ihn an.“

Penelope warf ihrer Tochter einen gekränkten Blick zu. „Es gibt da ein paar … kompromittierende Fotos. Wenn die an die Öffentlichkeit gelangen, könnten sie großen Schaden anrichten. Das könnte uns ruinieren.“

„Wen meinst du mit uns?“

Ihre Mutter sah sie verwundert an. „Na, dich und mich natürlich.“

Harper setzte sich neben ihre Mutter und griff nach ihrer Hand. „Wenn es auch mich betrifft, musst du mir sagen, was los ist.“

„Ich hatte eine Affäre“, flüsterte Penelope, ohne Harper anzusehen. „Wenn das herauskommt …“ Sie verstummte.

„Eine Affäre? Mit wem?“

„Ich habe ihn in London kennengelernt, bei einer Fotoausstellung über afrikanische Wildtiere. Er war der Fotograf.“ Sie seufzte. „Die Bilder waren fantastisch.“

„Du hattest eine Affäre mit einem Fotografen?“ Harper wusste nicht, was sie denken sollte. Sie konnte sich vorstellen, wie ihre Mutter mit einem italienischen Grafen oder reichen Unternehmer flirtete. Aber mit einem Fotografen?

„Er war sehr gut aussehend“, schwärmte Penelope. „Und von seinen Geschichten über Afrika konnte ich gar nicht genug bekommen. Stell dir vor, er hat monatelang im Busch gelebt, nur um ein ganz bestimmtes Foto von einer Löwenherde zu machen.“

„Wann war das?“

„Dein Vater war sehr viel verreist“, antwortete Penelope ausweichend.

„Also vor eurer Trennung“, stellte Harper fest. „Wusste Daddy davon?“

„Am Anfang noch nicht. Ich war sehr diskret. Aber dann ist er doch dahinter gekommen.“ War das der Grund, warum ihre Mutter nach Florida gezogen war?

„Warum seid ihr verheiratet geblieben?“

„Wie kommst du darauf, dass wir uns scheiden lassen wollten? Ich war es gewohnt, die Seitensprünge deines Vaters zu ignorieren. Es war ja nicht so, als ob er irgendeine dieser Frauen hätte heiraten wollen.“ Penelope nippte an ihrem Wein. „Und was meinen eigenen kleinen Fehltritt angeht … Er wohnte in einem anderen Land, und ich wusste, dass ich ihn nie mehr wiedersehen würde.“

Und doch war es ihr dreißig Jahre später eine Million Dollar wert, die Geschichte geheim zu halten. Lag es an ihrem übertriebenen Sinn für Schicklichkeit oder steckte noch etwas anderes dahinter?

„Wie lange hat denn diese Liebschaft gedauert?“, fragte Harper neugierig.

„Zwei Wochen.“ Penelope warf ihr einen strengen Blick zu. „Aber was tut das zur Sache?“

Konnte sie nicht verstehen, wie faszinierend das alles für Harper war? Ihr ganzes Leben lang hatte sie ihre Mutter immer nur als betrogene Frau gesehen, die durch Konvention und Ehrgefühl an einen notorisch untreuen Ehemann gefesselt war. Impulsivität und Leidenschaft waren keine Eigenschaften, die sie mit ihrer Mutter verband.

„Es fällt mir nur schwer, mir vorzustellen, dass du …“ Harper wusste nicht, wie sie sich ausdrücken sollte.

„Dass ich mich auf eine Affäre einlassen konnte?“ Penelope spuckte die Worte förmlich aus.

„Ich wollte eigentlich sagen, dass du glücklich warst.“

Penelope winkte ab. „Glücklich sein wird völlig überbewertet.“

Wirklich? Harper dachte über ihr eigenes Leben nach. War sie glücklich? Zufrieden vielleicht. Wenn sie sich allerdings mit Violet und Scarlett verglich …

Die beiden hatten die Liebe ihres Lebens gefunden und waren sehr, sehr glücklich. Das war nichts, was Harper für sich selbst erwartete. Ihre Vorstellung von einem perfekten Leben beinhaltete ein Büro in der Chefetage von Fontaine Hotels und Resorts in New York City und eine Titelgeschichte im Forbes Magazine. Eine Beziehung war in ihren Plänen nicht vorgesehen.

Unvermittelt wanderten ihre Gedanken zu Ashton Croft und zu dem Kribbeln, dass sie jedes Mal spürte, wenn sie im gleichen Raum waren. So sehr er ihre Nerven auch strapazierte, sie konnte nicht leugnen, dass sie sich von ihm angezogen fühlte. Ein kleines Abenteuer mit ihm wäre sicher sehr reizvoll.

„Ich weiß wirklich nicht, was es bei der ganzen Geschichte zu lächeln gibt“, bemerkte ihre Mutter streng.

Schnell vertrieb Harper den Starkoch aus ihren Gedanken und setzte wieder ihre professionelle Miene auf. „Du hast recht. Es ist wirklich nicht lustig.“

„Wie schnell kann ich das Geld bekommen?“

„Ich kümmere mich gleich morgen früh darum. Was hat der Erpresser zur Geldübergabe gesagt? Sollen wir es in einem Aktenkoffer an einer Bushaltestelle deponieren?“

„Das ist nicht witzig, Harper“, erwiderte ihre Mutter. „Das Geld soll überwiesen werden. Er hat mir ein Konto genannt.“

„Das macht es einfacher.“ Außerdem hatte Scarletts Verlobter ein Team von Computerexperten an der Hand, die so den Weg des Geldes nachverfolgen konnten. „Gib mir die Kontonummer, und ich werde mich um alles kümmern.“

4. KAPITEL

Ashton saß allein im menschenleeren Restaurant und grübelte. Er begann sich zu fragen, ob er sich mit dem neuen Projekt tatsächlich wohl fühlen würde. Anfangs war er sehr davon überzeugt gewesen. Doch je länger sich die Verhandlungen hinzogen, und je mehr er über das Konzept der Show erfuhr, desto unsicherer war er, ob das wirklich das Richtige für ihn war.

Nachdem seine letzten Rezeptvorschläge von den Produzenten als zu exotisch abgelehnt worden waren, fiel es ihm schwer, sich noch irgendetwas auszudenken, das ihn selbst begeisterte. Ashton konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm in seiner bisherigen Karriere jemals etwas so schwer gefallen war.

Natürlich hatte er hart arbeiten müssen. Er war oft bis an seine Grenzen und manchmal auch darüber hinaus gegangen. Am Anfang seines Berufslebens hatten ihm tyrannische Küchenchefs das Leben zur Hölle gemacht. Und während der Dreharbeiten zu Der kulinarische Weltenbummler war er halb erfroren, musste sich vor einem tropischen Wirbelsturm in einer Höhle in Sicherheit bringen, hatte sich den Arm gebrochen, das Knie ausgerenkt und einen Streifschuss abbekommen. Doch das alles hatte ihm nichts ausgemacht, denn er hatte seine Arbeit geliebt.

Das hier war anders. Die Verantwortlichen bei Lifestyle Network interessierten sich nicht für gutes Essen oder aufregende Geschichten. Sie interessierten sich für Einschaltquoten. Sie wollten mit der Sendung ein breites Publikum ansprechen. Ashton war nicht sicher, ob darin seine Stärke lag. Es sei denn, Vince hatte recht, und sie engagierten ihn nur als eine Art Appetithappen für die weiblichen Zuschauer.

Die Vorstellung war amüsant und beängstigend zugleich.

Ashton beschloss, sich einem drängenderen Problem zuzuwenden. Der Speisekarte des Batouri. Er wusste, dass Harper kulinarische Perfektion von ihm erwartete. Sie zu beeindrucken sollte bei seiner Planung eigentlich eine zweitrangige Rolle spielen, doch er wollte sie unbedingt überzeugen.

Auf der Suche nach Inspiration blätterte er bereits eine Stunde lang durch sein Rezeptbuch, das er über Jahre zusammengestellt hatte, als ihn ein Geräusch aus seiner Konzentration riss. Er blickte auf und sah, dass er Besuch bekam.

Als Harper das Restaurant betrat, entdeckte sie Ashton an seinem bevorzugten Tisch in der Nische. Er saß über ein Notizbuch gebeugt da. Es war das erste Mal, dass sie ihn ganz in seine Arbeit vertieft sah. Normalerweise war er ein wirbelndes Energiebündel. Übersprudelnd und leidenschaftlich hatte er ihr seine Ideen zur Inneneinrichtung erläutert, Köche ausgewählt oder die Belegschaft in die Geheimnisse der blitzenden Edelstahlküche eingeweiht. Auch jetzt, obwohl er ganz still saß, schien sein Körper förmlich zu vibrieren.

Dabei war er gestern Abend wie eine ruhige Oase in ihrem ansonsten chaotischen Tag gewesen. Eine überraschende Erfahrung. Sie hatte mit ihm geplaudert und sich eine Weile von ihren Sorgen ablenken lassen. Dabei waren ihr die ganze Zeit Scarletts Bemerkungen nicht aus dem Kopf gegangen. Sie hatte ständig daran denken müssen, wie es wohl wäre, mit ihm zu schlafen.

Bis zu diesem Gespräch hatte sie Ashton Croft eher mit aufregendem, aber unverbindlichem Sex in Verbindung gebracht. Doch ihr Bild von ihm hatte sich verändert, als er ihr von seiner Vergangenheit erzählt und ihr einen kurzen Blick hinter die Maske des prominenten Fernsehkochs gewährt hatte Das war einerseits faszinierend, andererseits machte es ein mögliches erotisches Abenteuer mit ihm noch riskanter.

Ihr Verstand riet ihr, sofort umzudrehen und wegzulaufen. Das Leben war schon kompliziert genug, ohne dass sie sich mit Ashton Croft einließ. Doch ihre Neugier hielt sie zurück. Sie wollte unbedingt wissen, woran er gerade arbeitete.

Sie nahm sich eine Tasse Kaffee von der Theke und setzte sich zu ihm an den Tisch.

„Wollen Sie mich kontrollieren?“

„Sollte ich?“

„Vielleicht.“ Er blätterte durch die dicht beschriebenen Seiten seines Notizbuches. „Ich kann mich nicht so recht entscheiden. Sie müssen mir helfen, die Speisekarte zusammenzustellen.“

„Ich?“

„Für jemanden, der nicht isst, haben Sie einen sehr feinen Gaumen.“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich nicht esse?“, protestierte sie. „Ich achte nur auf gesunde Ernährung. Und ich mache viel Sport. Laufen hilft mir beim Nachdenken.“

„Wenn Sie mich fragen, verbringen Sie viel zu viel Zeit mit Nachdenken.“

„Ich kann mich nicht daran erinnern, gefragt zu haben.“ Der sanfte Klang ihrer Stimme milderte die Schärfe der Bemerkung. „Aber das hat Sie ja noch nie davon abgehalten, Ihre Meinung kundzutun.“

„Hören Sie auf, mit mir zu streiten, und suchen Sie ein Gericht aus“, befahl er mit gespielter Strenge.

Es gefiel Harper, so mit ihm herumzualbern. Vergnügt blätterte sie durch sein Notizbuch, und nach einer Weile verstand sie, worin sein Problem bestand. Ein Rezept klang verlockender als das andere. Dieser Mann war einfach brillant. Kein Wunder, dass es ihm schwerfiel, sich auf eine Speisekarte festzulegen. Er hatte genügend Auswahl für zehn Restaurants.

„Jedes dieser Gerichte wäre perfekt. Zu schade, dass Sie sie nicht alle anbieten können.“ Sie schob das Buch wieder zu ihm hinüber. „Sie sollten ein Kochbuch herausgeben. Die Fernsehserie hat Ihr Können gar nicht ausreichend zur Geltung gebracht.“

„Stimmt. Bei den Reisesendungen kam das etwas zu kurz. Das ist auch ein Grund, warum ich eine neue Show für Lifestyle Network machen will, in der es wieder mehr ums Kochen geht.“

Harper seufzte. Da seine anderen Restaurants so fantastisch liefen, hatte sie nie begreifen können, warum er im Falle des Batouri so unkonzentriert schien. Jetzt begann sie zu verstehen. Für ihn hatte die Fernsehkarriere offensichtlich eine höhere Priorität als seine Restaurants.

„Mir scheint, dass Ihre Aufmerksamkeit nicht hundertprozentig auf unser gemeinsames Projekt gerichtet ist.“

„Keine Sorge. Was meine Auftritte im Fernsehen angeht, kümmert sich mein Manager um die meisten Fragen. Ich bin fest entschlossen, das Batouri zum Erfolg zu führen.“

Sie wollte ihm gern glauben, doch was würde passieren, wenn seine neue Show startete? „Werden Sie denn genug Zeit haben, neben Ihren Restaurants noch zwei Sendungen zu machen?“

„Wahrscheinlich wird Der kulinarische Weltenbummler nicht weitergedreht.“

„Sie dürfen nicht damit aufhören!“, rief sie schockiert. „Die Serie ist wundervoll.“

„Ich will auch nicht aufhören“, erklärte er ihr. „Aber das ist ein heikler Punkt in den Verhandlungen für die neue Show. Lifestyle Network will mich exklusiv.“

„Warum?“

„Sie haben vor, eine Menge Geld in die Werbung zu stecken und mich zu ihrem neuen Star zu machen.“

„Und das ist Ihnen wichtig?“ Natürlich wusste sie, dass sie das gar nichts anging, aber sie konnte von seiner Reisesendung einfach nicht genug bekommen. Sie hatte jede Folge mindestens dreimal gesehen. „Ich dachte, Sie lieben die exotischen Orte und die Begegnungen mit den Menschen dort.“

„Das tue ich.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber ich suche auch neue Herausforderungen, und diese Show würde da gut passen.“

„Könnten Sie denn nicht beide Sendungen machen?“

„Vor zwei Minuten haben Sie mich gefragt, ob ich genügend Zeit hätte, meine Aufgaben ordentlich zu erfüllen.“

„Das war, bevor ich wusste, dass sie den kulinarischen Weltenbummler aufgeben wollen.“

„Es tut mir leid, Sie zu enttäuschen.“

Sie wünschte, sie hätte den Mund gehalten. Ashton war kein Mann, der sich vorschreiben ließ, was er tun sollte. Diese Lektion hatte sie bereits gelernt.

„Es geht mich natürlich nichts an“, sagte sie ein wenig verlegen. „Aber ich liebe Ihre Sendung.“

„Danke.“ Ashton griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. „Ich werde ein paar Gerichte zubereiten, die für die Speisekarte infrage kommen. Dann sagen Sie mir Ihre Meinung, und wir werden noch heute Abend eine endgültige Entscheidung treffen. Kommen Sie gegen acht Uhr wieder her.“

„Okay.“ Sie stand vom Tisch auf. „Bis dann.“

Sie verließ das Restaurant und machte sich auf den Weg zurück in ihr Büro. Seufzend stieg sie in den Aufzug. Es ist nur eine Fernsehshow, ermahnte sie sich selbst. Doch für sie war es mehr als das. Einmal in der Woche konnte sie für eine halbe Stunde dem stressigen Alltag entfliehen und mit Ashton auf Reisen gehen, wenn er Elefantenreservate in Sri Lanka besuchte oder die chinesische Seidenstraße erkundete.

Ihre Leidenschaft für seine Sendung hatte sie stets geheim gehalten, da sie nicht zum Image der vernünftigen Hotelmanagerin passte. In diesen einsamen Momenten vor dem Fernsehgerät fragte sie sich manchmal, ob sie sich für den richtigen Lebensweg entschieden hatte. Dabei wusste sie, dass nichts Gutes dabei herauskam, wenn man anfing, an sich selbst zu zweifeln.

Ashton verschränkte die Arme vor der Brust, sodass die weiße Kochjacke über seinen breiten Schultern spannte. Er hatte sich selbst übertroffen. Nachdem Harper an diesem Nachmittag gegangen war, hatte er einen kreativen Schub verspürt und sieben ganz neue Gerichte entwickelt. Er wollte die Speisekarte gern nach Harpers Vorlieben gestalten, denn das Batouri war ohne sie undenkbar.

Um Punkt acht Uhr betrat sie die Küche. Sein Herz schlug schneller, als er sie erblickte. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt ein ärmelloses Wickelkleid, das aus verschiedenen Lagen hauchzarten blaugrauen Stoffes bestand.

„Ihr Kleid erinnert mich an eine Nebelbank, die ich letztes Jahr im Hochland von Vietnam gesehen habe.“

Sie sah ihn interessiert an. „Erzählen Sie mir davon.“

„Wir hatten ein paar drehfreie Tage, und da habe ich mir ein Motorrad gemietet, um in die Berge hinaufzufahren. Die Straßen waren sehr schmal und schlecht befestigt. In den engen Haarnadelkurven kamen mir oft Lastwagen entgegen, und die Fahrbahn war nicht einmal durch Leitplanken von den steilen Abhängen getrennt.“

„Klingt furchterregend.“

„Kann man wohl sagen. Ich wurde von streunenden Hunden verfolgt, und in den Dörfern kamen die Kinder in Scharen auf die Straße gerannt.“ Inmitten all des Chaos hatte er sich zugleich vollkommen friedlich gefühlt. „Einmal habe ich über meine Schulter hinweg ins Tal geblickt, und der Nebel hing schwer über dem üppigen Grün weit unter mir.“

Damals hatte er kein besonderes Ziel gehabt, und es war ihm auch egal gewesen. Der Weg war das Ziel. Nur darum ging es. Und wenn er in Harpers Nähe war, ging es ihm ebenso. Er wollte den Augenblick leben. Doch sie war jemand, der immer wissen wollte, wohin der Weg führte. Wie weit konnte eine Beziehung zwischen ihnen gehen, bevor Harper von ihm und seiner impulsiven Art genervt war?

„Und mein Kleid weckt all diese Erinnerungen?“ Sie lächelte. „Sie sollten Ihre Erlebnisse aufschreiben.“

„Wozu?“ Es war eine Sache, eine Fernsehserie zu drehen. Persönliche Erlebnisse und Empfindungen preiszugeben, war eine ganz andere. „Es war nur ein Motorradausflug.“

„Einer, wie ihn nur wenige Menschen jemals erleben. Sie haben ein Talent dafür, die Menschen in ihren Bann zu ziehen. Solche Geschichten würden Ihr Kochbuch noch viel spannender machen.“

„Ich werde kein Kochbuch schreiben.“

„Weil Sie dafür zu lange still sitzen müssten? Arbeiten Sie doch einfach mit einem Koautor zusammen.“

„Wie wäre es, wenn Sie meine Koautorin wären?“

„Ich?“

„Warum nicht? Es war doch Ihre Idee.“ Außerdem besaß sie Organisationstalent und die Fähigkeit, sich um Details zu kümmern. Eigenschaften, die ihm fehlten. Und er vertraute ihrem Urteil. Die Menschen, auf die das zutraf, konnte er an einer Hand abzählen.

Sie lächelte. „Darüber unterhalten wir uns, wenn das Restaurant eröffnet ist.“

Autor

Debbi Rawlins

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