Der Traummann meiner Schwester

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Es soll die Hochzeit des Jahres werden! Doch die hübsche Event-Planerin Kara kämpft jeden Tag gegen ihre verwirrenden Gefühle an. Denn ausgerechnet ihre Schwester und der attraktive Eli Houghton wollen heiraten. Seit Jahren ist der Hotelmagnat Karas heimlicher Traummann. Seine Berührungen schüren ein verbotenes Feuer, seinen Körper würde sie viel lieber ohne den Hochzeitsanzug sehen … Irrt sie sich, oder flirtet Eli wirklich hemmungslos mit ihr? Dann geschieht das Unfassbare: Ihre Schwester löst die Verlobung. Doch der Weg in Elis Arme ist für Kara noch lange nicht frei …


  • Erscheinungstag 26.02.2013
  • Bandnummer 1756
  • ISBN / Artikelnummer 9783954464357
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Das sieht nach einer ganzen Menge Arbeit aus. Ist mir wirklich ein Rätsel, wie du das alles jeden Tag schaffst.“

Lächelnd blätterte Kara Kincaid eine Seite des Katalogs mit Menüvorschlägen um, der auf dem Beistelltisch lag.

„Und mir ist völlig schleierhaft, wie du den Überblick über ein halbes Dutzend Luxus-Hotels und Resorts behältst. Da stelle ich lieber jeden Tag Gästelisten und Sieben-Gänge-Menüs zusammen“, entgegnete sie dem Verlobten ihrer ältesten Schwester Laurel.

Eli Houghton war groß und gut aussehend und hatte einen Körper, bei dessen Anblick einem das Wasser im Mund zusammenlief. Mit seinen braunen Augen und hellbraunem Haar konnte Eli jede Frau auf der Stelle willenlos machen.

„Nicht so bescheiden“, sagte er ihr mit einem Lächeln, bei dem ihr ganz schwindelig wurde. „Wir mögen unterschiedliche Talente haben, aber jeder von uns leitet erfolgreich sein eigenes Unternehmen.“

„Mit dem kleinen Unterschied, dass Houghton Hotels und Resorts millionenschwer ist und ich Prestige Events zu Hause von meinem Schreibtisch aus organisiere.“

Beide saßen auf dem schwarzen Ledersofa in Elis Büro in der neunten Etage. Normalerweise hätten sie sich in ihrem kleinen, aber feinen Gründerzeit-Häuschen in der Queen Street im französischen Viertel getroffen. Dort hatte Kara die alte Bibliothek zum Arbeitszimmer umbauen lassen, von wo aus sie ihre Agentur für Veranstaltungen betrieb.

Sie liebte das bezaubernd altmodische Haus mit den drei Zimmern und den drei Badezimmern. Für einen Single wie sie war das völlig ausreichend. Allerdings fragte sie sich manchmal, ob es einen unseriösen Eindruck machte, wenn sie ihre Kunden zu Hause empfing. Deshalb dachte sie schon seit geraumer Zeit darüber nach, sich ein Büro zu mieten.

Vielleicht sogar ein ganzes Gebäude, wo sie Testessen veranstalten und Deko-Artikel lagern konnte, damit sie diese nicht jedes Mal ausleihen musste. Sie könnte auch eine Assistentin einstellen – eines Tages sogar mehrere Mitarbeiter –, denn mittlerweile häuften sich die Aufträge, die sie bis jetzt ganz allein erledigte.

Sie musste viel arbeiten, und das tat sie gern, denn Prestige Events war schließlich ihr „Baby“. Mit ihrem Geschäft war sie unabhängig von dem Unternehmen ihrer Familie, das auf Schiffstransport und Logistik spezialisiert war. Trotzdem wäre es nett, Unterstützung zu bekommen, um nicht immer alles allein entscheiden zu müssen. Oder zumindest ein paar Mitarbeiter zu haben, die mit anpackten, wenn zwei Arme, zwei Beine, zwei Ohren und ein Mund einfach nicht mehr ausreichten.

„Hab Geduld, Kleine“, sagte Eli mit einer Stimme so sanft wie Kentucky Bourbon und riss Kara aus ihren Gedanken. „Mach einfach weiter wie bisher, und ich wette mit dir, in ein paar Jahren wirst du die Hochzeit der Obama-Mädchen organisieren.“

Oh, wie glücklich sich ihre Schwester doch schätzen konnte. Gut, dass Kara bereits saß. Denn der Charme, den dieser Mann mit dieser unglaublich sanften Stimme versprühte, ließ sie dahinschmelzen.

Sie räusperte sich, holte tief Luft und setzte sich kerzengerade hin. Das war nicht der Moment, um weiche Knie zu bekommen. Weder der Moment noch der Mann.

Eli war Laurels Verlobter, um Himmels willen! In weniger als vier Wochen würden die beiden heiraten.

Kara fand Eli sehr anziehend. Und sie wettete, dass sie nicht die einzige Frau in South Carolina war – vermutlich an der ganzen Ostküste –, der es so erging.

Ja, sie hatte ein Auge auf ihn geworfen, seit sie Teenager waren. Aber auch das überraschte kaum. Jedes Mädchen in der Schule hatte sich für den damaligen Footballstar begeistert.

Jedenfalls fast jedes Mädchen. Kara konnte sich eigentlich nicht daran erinnern, dass Laurel die Begeisterung für ihn geteilt hatte. Die beiden waren nur Freunde gewesen – so wie alle Kincaid-Geschwister mit Eli befreundet gewesen waren. Und die Entscheidung der beiden, sich zu verloben, lag noch gar nicht so lange zurück.

Natürlich freute Kara sich für sie. Allerdings war es nicht leicht, die Hochzeit ihrer Schwester auszurichten. Denn Laurel heiratete einen Mann, für den Kara seit zehn Jahren heimlich schwärmte.

Doch sie tat ihr Bestes. Und das hieß, dass sie bei dem Gedanken an das, was in den Kreisen der High Society hinter vorgehaltener Hand als Hochzeit des Jahres gehandelt wurde, einen kühlen Kopf bewahren musste. Die Tatsache, dass es die Hochzeit ihrer Schwester war, ließ sie allerdings noch nervöser werden, denn diese Hochzeit war für Kara unglaublich wichtig. Beruflich wie privat.

Nachdem sie den Katalog mit den Menüvorschlägen vom Tisch genommen hatte, schob sie sich die Lesebrille auf den Nasenrücken. Eigentlich brauchte sie die noch gar nicht, aber die Brille gab ihr mehr Sicherheit. Und etwas zusätzliches Selbstvertrauen war genau das, was sie jetzt brauchte – neben ein wenig Abstand zu Eli.

„Sobald du und Laurel wissen, wie viele Kalorien ihr auf dem Teller haben wollt, wird die Auswahl des richtigen Menüs gleich viel einfacher. Und dann fängt der Spaß erst an. Denn bevor ihr euch endgültig entscheidet, dürft ihr euch durch eure engere Menüwahl futtern.“

Eli lehnte sich gegen den Sofarücken und schlug die Beine übereinander. „Das sollten wir Laurel überlassen. Ich riskiere ungern einen Streit auf unserer Hochzeitsfeier, bloß weil ich gegrilltes Hühnchen anstatt Krabbenküchlein bestellt habe.“

Kara warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Ihre Schwester ließ bereits seit zwanzig Minuten auf sich warten. Dabei hatten sie sich extra in Elis Büro verabredet, damit sein Arbeitstag nicht zerrissen wurde. Doch jetzt sah es so aus, als würde wegen Laurels Verspätung genau das passieren.

„Bestimmt wird sie jede Minute hier sein“, versuchte Kara ihn zu beruhigen.

„Da bin ich mir ganz sicher“, erwiderte er mit einem bedächtigen Nicken.

Er klang so überzeugt … und so geduldig. Viel geduldiger als Kara es an seiner Stelle wäre.

In ihrer ganzen Zeit, in der sie nun als Veranstaltungsmanagerin mit nervösen, aufgewühlten, manchmal unverschämt verwöhnten und anmaßenden Bräuten zu tun hatte, war ihr noch nie eine untergekommen, die so abwesend und uninteressiert gewirkt hatte wie ihre Schwester Laurel.

Zugegeben, im Moment machte ihre Familie so einiges durch. Es war tragisch genug, dass ein Unbekannter ihren Vater in dessen Büro ermordet hatte und es wie einen Selbstmord hatte aussehen lassen … und als wäre das nicht schon genug, mussten sie nach seinem Tod erfahren, dass ihr Dad jahrelang ein Doppelleben geführt hatte – mit einer anderen Frau und einem Sohn, der mittlerweile erwachsen war … aber das Allerschlimmste war, dass ihre Mutter, die Witwe von Reginald Kincaid, beschuldigt wurde, ihren Mann umgebracht zu haben.

Kara nahm die Geheimnisse ihres Vaters oder den Schmerz ihrer Mutter relativ gelassen hin. Aber eins wusste sie: Elizabeth Winthrop hätte niemals die Hand gegen ihren Ehemann erhoben. Karas Mutter, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, hätte ihrem Ehemann nach vierzig Jahren Ehe niemals eine Kugel in den Kopf gejagt!

Nein, das war absolut unmöglich. Alle Kincaid-Geschwister dachten so und standen hundertprozentig hinter ihrer Mutter. Aber erzähl das mal denen, die Elizabeth des Mordes bezichtigten. Glücklicherweise gab es neue Aussagen über einen mysteriösen Unbekannten, der am Abend des Mordes in Reginalds Büro eingedrungen war. Zumindest war Elizabeth in der Zwischenzeit auf Kaution freigelassen worden – jedenfalls erst mal für die nächste Zeit.

So gesehen war es kein Wunder, dass Laurel – die älteste Tochter der Kincaids – den Kopf mit anderen Dingen voll hatte, anstatt sich mit der Hochzeit zu beschäftigen.

Dennoch störte Kara es, dass ihre Schwester sich kaum Gedanken über den Tag der Tage und ihre Hochzeitsfeier machte. Wo doch schon die meisten achtjährigen Mädchen es taten.

Bislang war Kara so gut wie nie eine Braut untergekommen, die nicht gewusst hatte, in welcher Farbe ihr Fest ausgerichtet werden sollte. Oder wie ihr Kleid aussehen sollte – Laurel würde ein traditionelles cremefarbenes Kleid aus den zwanziger Jahren tragen. Aber auch nur, weil Kara sie hatte zwingen müssen, einige Kleider anzuprobieren, bevor es zu spät gewesen wäre. Oder die zu jedem Treffen zu spät kam, egal, ob es dabei um den Brautschmuck oder den Junggesellinnenabschied, das Probeessen oder die Zeremonie ging.

Sie fragte sich, ob Eli das merkwürdige Verhalten – jedenfalls sah Kara es so – seiner Verlobten auffiel und er genauso irritiert darüber war.

Doch seiner Reaktion nach zu urteilen, war es nicht so, oder es machte ihm einfach nichts aus. In dem schwarzen Businessanzug und der dunkelroten Krawatte schien er die Gelassenheit in Person zu sein, selbst während seiner Arbeitszeit.

Außerdem schienen ihm die hohen Kosten für diese Hochzeit völlig gleichgültig zu sein. Der Tradition entsprechend übernahm eigentlich die Familie der Braut die Kosten, was für die Kincaids auch kein Problem gewesen wäre. Doch angesichts des Dilemmas, in dem die Familie derzeit steckte, hatte Eli die Kincaids beruhigt, sich darüber keine Gedanken zu machen. Kara hatte er zu verstehen gegeben, dass alle Rechnungen an ihn geschickt werden sollten.

Diese Reaktion hatte Kara nicht überrascht. Eli war schon immer ein sehr großzügiger und verständnisvoller Mensch gewesen. Im Kinderheim groß geworden, wusste er, wie es sich anfühlte, nichts zu haben. Und nun, da er es zu Reichtum gebracht hatte, drehte er nicht jeden Penny zweimal um oder hockte wie ein Geizhals auf seinem Vermögen.

Kara hoffte nur, dass er sein Wohlwollen auch behalten würde, nachdem er einen Blick auf die Rechnungen geworfen hatte. Allmählich bewegte sich die Summe im sechsstelligen Bereich.

Während die Sekunden verstrichen und die antike Uhr an der gegenüberliegenden Wand des geräumigen Büros laut tickte, überlegte Kara, worüber sie mit Eli sprechen konnte. Sie könnte sich noch einmal dem Katalog mit den Menüvorschlägen widmen und ins Detail gehen. Allerdings würde er genau wissen, worum es sich dabei handelte – um eine Verzögerungstaktik.

Doch die Frage erledigte sich von selbst, als plötzlich die Bürotür aufgestoßen wurde und Laurel hereinkam. Sie war der Inbegriff der eleganten Businessfrau und trug ein Kostüm, das die gleiche graugrüne Farbe wie ihre Augen hatte, mit einer weißen Bluse unter der maßgeschneiderten Jacke. Ihre Füße steckten in ebenso eleganten wie bequemen Pumps, und ihr gewelltes dunkelbraunes Haar fiel ihr locker über die Schultern.

Laurel war eine absolute Schönheit, genau wie ihre Mutter. Mit nur einem Augenaufschlag konnte sie den gesamten Verkehr lahmlegen, und schon immer hatte sie ein Faible für schöne und sympathische Männer gehabt. Eli war allerdings der erste, bei dem sie geblieben war.

„Entschuldigt bitte, ich bin etwas spät dran“, sagte sie und vermied jeden Augenkontakt mit Kara oder ihrem Verlobten, als sie ihre riesige Sonnenbrille in der Designerhandtasche verstaute.

Eli, der bei ihrem Erscheinen sofort aufgesprungen war, trat auf sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Keine Sorge, deine Schwester hat dafür gesorgt, dass ich mich nicht langweile. Offenbar können wir aus mehr als dreihundert Vorspeisen auswählen, die Kara mir begeistert und im Detail beschrieben hat.“

Lächelnd wandte er sich Kara zu. „Und die sie für dich ganz bestimmt noch mal wiederholen wird.“

Die Aussicht darauf, sich alles noch einmal anhören zu müssen, schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Kara erwiderte sein Lächeln.

Laurel lächelte ebenfalls, doch das Lächeln erreichte nicht ihre Augen, und ihr ganzer Gesichtsausdruck wirkte irgendwie angespannt. Ihre Handtasche hielt sie so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

„Können wir einen Moment miteinander reden?“, fragte sie Eli leise. Dann wandte sie sich an Kara: „Es tut mir sehr leid, aber können wir dieses Treffen hier verschieben? Ich muss dringend mit Eli sprechen.“

„Na klar“, erwiderte Kara, die sofort aufsprang und die Unterlagen zusammensuchte.

Die Mappen und Kataloge unter den Arm geklemmt, blieb sie auf dem Weg zur Tür vor dem Paar stehen. Eli sah immer noch absolut entspannt aus, während Laurel nervös und fahrig wirkte. Wortlos und sozusagen von Schwester zu Schwester drückte Kara ihre Anteilnahme aus und gab ihr mit einem Blick zu verstehen, dass sie sich fragte, ob alles in Ordnung sei.

„Ruft mich einfach an, wenn ihr wisst, wann wir das Treffen wiederholen sollen“, sagte sie, nickte Eli kurz zu und fuhr ihrer Schwester ermutigend mit der Hand über den Arm, bevor sie das Büro verließ.

Nachdem sie leise die Tür geschlossen hatte, hoffte sie inständig, dass es keine Probleme gab. Natürlich würde sie später ihre Schwester anrufen, um herauszufinden, worum es ging.

Laurels Gesichtsausdruck und die Art, wie sie ihre Schwester vertröstet hatte, sagten Eli, dass etwas nicht stimmte. Er hoffte, dass es nichts Schlimmes war. Laurel und der Rest der Kincaid-Familie waren ein Jahr lang durch die Hölle gegangen. Und er bezweifelte stark, dass sie – oder ihre Familie – noch mehr ertragen konnten.

Hätte es sich allerdings um eine Angelegenheit, die mit dem Mord ihres Vaters und der Inhaftierung ihrer Mutter zu tun hatte, gehandelt, dann hätte Laurel die Neuigkeiten bestimmt mit ihrer Schwester geteilt, anstatt sie zu bitten zu gehen. Bei diesem Gedanken runzelte er die Stirn, und in seinem Kopf begann es zu arbeiten.

„Komm, setz dich doch“, bat er sie, nahm ihre Hand und zog sie auf den Platz, auf dem zuvor Kara gesessen hatte. Laurels perfekt manikürten langen Finger waren kalt, ihre Haltung steif.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er, vermutete aber das Gegenteil, als er sah, wie sie seinem Blick auswich.

„Es tut mir leid, Eli“, antwortete sie mit leicht zitternder Stimme. Die dunkelbraunen Haare bedeckten ihr Gesicht und ihre Schultern fast wie ein Schleier. Erst, als sie den Kopf hob und Eli ansah, fielen sie zurück. Als sie tief einatmete, schien sie sich innerlich stählen zu wollen, um ihm die Mitteilung zu machen, wegen der sie mit ihm hatte unter vier Augen sprechen wollen.

„Es tut mir leid“, wiederholte sie, und dann platzte es aus ihr heraus, „aber ich glaube nicht, dass ich das tun kann. Ich schätze, ich kann mich nicht auf diese Hochzeit einlassen.“

Eine Sekunde lang dachte Eli, er hätte sich verhört. Vielleicht war sein Kopf so voller Gedanken, dass er etwas verwechselt hatte.

„Wie bitte?“

Wie von einem plötzlichen Energiestoß angetrieben, sprang Laurel auf, ließ ihre Tasche auf den Boden fallen und ging um den Beistelltisch herum. Unruhig begann sie im Raum hin und her zu laufen.

„Es war ein Fehler“, sagte sie mit starrem Blick und mit vor der Brust verschränkten Armen. „Wir haben alles überstürzt, und selbst wenn es damals nach einer guten Idee klang, haben sich die Umstände mittlerweile geändert.“

Mit einem Mal blieb sie stehen, drehte sich zu ihm und ließ die Arme sinken. „Mein Leben ist ein einziges Durcheinander, Eli. Mein Vater wurde umgebracht, meine Mutter soll es getan haben, ich habe plötzlich einen Halbbruder und einen Stiefbruder, von denen ich bis jetzt nichts gewusst habe …“

Nie zuvor hatte er eine Frauenstimme gehört, die gleichzeitig so stark und so schwach klang wie die von Laurel in diesem Moment. In ihren Worten schwang eine Überzeugung mit, die ihre Stimme erzittern ließ.

„Du warst mir eine unglaubliche Stütze, und ich weiß, dass Mom immer den Kopf oben behalten und tapfer gelächelt hat. Sie hat darauf bestanden, dass wir mit den Hochzeitsvorbereitungen weitermachen, weil sie nicht zugeben wollte, wie unsicher die Zukunft ist – für sie selbst und für den Rest unserer Familie.“

Sie holte tief Luft und atmete seufzend aus. „Trotzdem denke ich, dass ich es nicht tun kann. Meine ganze Welt ist aus den Fugen geraten, und ich habe keine Ahnung, was der nächste Tag bringt. Ich kann jetzt auf gar keinen Fall heiraten, ganz egal, wie enttäuscht alle sein werden. Es tut mir leid.“

Eli saß ganz still da. Er sah, wie es in Laurels Augen schimmerte und wie ihre Mundwinkel zuckten, während sie darauf wartete, dass er etwas sagte.

Er fragte sich, ob sie nun von ihm erwartete, dass er sich aufregte. Dass er aufsprang und sie mit hochrotem Kopf anschreien und beschuldigen würde, seine Zeit und sein Geld verschwendet zu haben. Oder ob er ihr Nein nicht akzeptieren und er darauf bestehen würde, die Hochzeit durchzuziehen. Gleichgültig, welchen Albtraum sie und ihre Familie derzeit durchlebten.

Vermutlich sollte er sich jetzt auch genauso fühlen, zumindest ein bisschen. Er hatte das Gefühl, ziemlich aus der Bahn geworfen worden zu sein. Er fühlte sich in jeder Hinsicht sitzen gelassen. Sollte seine gekränkte männliche Ehre ihn nicht aufrütteln und vor Empörung in die Luft gehen lassen?

Doch stattdessen fühlte er so gut wie nichts. Er saß einfach nur da, starrte seine Ex-Verlobte an und musste daran denken, dass ihre Augen nicht im Geringsten so lebhaft und grün wie die ihrer Schwester waren.

Natürlich waren sie hübsch. Zweifellos war Laurel eine extrem hübsche Frau. Jeder Zentimeter an ihr, vom perfekt frisierten Haar bis zu den Zehen in den sechshundert Dollar teuren Designerschuhen, strahlte klassische und vornehme Schönheit aus.

Doch das Grün ihrer Augen war eher jadefarben, während das strahlende und tiefe Grün der Augen ihrer Schwester ihn an Smaragde oder an das üppige Grün der Sümpfe von South Carolina erinnerte.

Dass er in einem solchen Moment überhaupt solche Gedanken hatte, war für ihn ein Zeichen, dass es vermutlich richtig war von Laurel, die Hochzeit abzusagen. Sie mochte die Situation, in der sich ihre Familie befand, als Grund vorschieben. Doch allmählich begann er sich zu fragen, ob es nicht einfach so war, dass sie beide nicht zueinanderpassten.

Ihr Liebeswerben war alles andere als romantisch und stürmisch gewesen. Genauer gesagt war es so gewesen, dass Eli zu dem Schluss gekommen war, häuslicher zu werden und eine Familie zu gründen. Sich für Laurel als Ehefrau zu entscheiden hatte für ihn so gut wie auf der Hand gelegen. Sie waren gemeinsam aufgewachsen, und seit Jahren miteinander befreundet. Als er ihr den Antrag gemacht hatte – eher ein Geschäftsvorschlag als ein romantischer Heiratsantrag –, hatte sie mit einem liebenswürdigen Nicken und einem kleinen Kuss auf den Mundwinkel zugestimmt.

Von da an war alles zwischen ihnen planmäßig weitergelaufen, so wie alles andere auch in ihren durchgeplanten und geordneten Leben.

Miteinander geschlafen hatten sie nicht. Und das, das wurde Eli nun klar, hätte ein weiteres Alarmsignal sein sollen. Komischerweise schien es während ihrer Verlobungszeit, die immer wieder verlängert worden war, völlig selbstverständlich. Selbst für Eli, der sich immer als Mann mit einer sehr gesunden Libido gesehen hatte.

Er erhob sich und trat vor Laurel. Dann ergriff er ihre Hand, blickte ihr einen Moment lang in die Augen, aus denen sie ihn besorgt ansah, und drückte ihr tröstend einen Kuss auf die Wange.

„Ich verstehe“, versicherte er ihr sanft und ließ von ihr ab, um sie ermutigend anzulächeln. „Mach dir bitte keine Sorgen. Ich werde Kara bitten, die bisher getroffenen Arrangements abzusagen. Pass gut auf dich auf und tu alles, was notwendig ist, damit es dir und deiner Familie wieder besser geht.“

Eli spürte und sah, wie die Anspannung aus Laurels Körper wich, sie wieder lockerer wurde und erleichtert aufatmete.

„Danke“, flüsterte sie und legte den Kopf an seine Schulter. „Ich danke dir so sehr.“

„Ich will, dass du glücklich bist, Laurel. Niemals hätte ich gewollt, dass unsere Ehe für dich nur eine Verpflichtung ist, die dich unglücklich macht.“

Sie hob den Kopf und lächelte Eli an. In ihren Augen schimmerte es, allerdings aus einem anderen Grund.

„Du bist ein guter Mensch, Elijah James Houghton. Eines Tages wirst du ein wundervoller Ehemann für eine Frau sein, die sich sehr glücklich schätzen darf. Es tut mir einfach nur leid, dass ich nicht diese Frau bin.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie schließlich ihre Handtasche nahm und Elis Büro verließ.

2. KAPITEL

Mit einem großen Glas Scotch on the Rocks vor sich saß Eli in einer abgelegenen Sitzecke seines Stammlokals Tamblyn’s und wartete auf seinen alten Freund Rakin Abdellah.

Angefreundet hatten sich die Männer während der gemeinsamen Zeit auf der renommierten Harvard Business School. Beide teilten das Schicksal, keine Familie zu haben – Eli war von klein auf in einer Pflegefamilie aufgewachsen, und Rakin hatte seine Eltern in jungen Jahren durch einen Flugzeugunfall verloren. Mittlerweile waren sie nicht nur Freunde, sondern auch Geschäftspartner. Rakins Import-Export-Firma belieferte Elis Hotels und Resorts mit allem, was an Ausstattung notwendig war.

Eli saß nun schon seit gut einer halben Stunde in dem Restaurant und war mittlerweile beim zweiten Glas Scotch angelangt. Rakin war nicht zu spät dran – Eli war einfach zu früh.

Bis zum Feierabend war er zwar in der Firma geblieben, doch er hatte kaum etwas geschafft, nachdem Laurel ihm offenbart hatte, dass sie ihn nicht heiraten wollte.

Er war nicht verletzt und machte ihr auch keinen Vorwurf. Selbst wenn Laurels Privatleben weniger dramatisch gewesen wäre, hätte er nicht gewollt, dass sie sich durch eine Ehe quälte, hinter der sie nicht einhundertprozentig gestanden hätte. Weder sie noch er hatten es verdient, die nächsten fünfzig Jahre eine lieblose Ehe führen zu müssen.

Trotzdem bedauerte er es, die Verlobung auflösen zu müssen. Denn ganz angenehm war der Gedanke nicht, jedem mitteilen zu müssen, dass die Hochzeit, die in einem Monat hätte stattfinden sollen, geplatzt war. Und Freunden und Geschäftspartnern ins Gesicht sehen und sich fragen zu müssen, was sie wohl dachten … ob er oder sie das Ganze beendet hatte, ob er erleichtert war, wieder auf Freiersfüßen zu gehen oder ob er sich in seinem Elend suhlen würde …

Aber noch sehr viel mehr setzte ihm die fehlende Aussicht auf eine ernsthafte Beziehung zu.

Auch wenn das kein Grund zur Verzweiflung war. Er hatte genügend Freundinnen gehabt. Und über einen Mangel an One-Night-Stands konnte er sich auch nicht beschweren. Würde er es darauf anlegen, hätte er im Nu eine der Frauen an den Tischen um ihn herum aufgerissen.

Das Problem war allerdings, dass er keine dieser Frauen wollte. Er war sich ja nicht einmal sicher, ob er Laurel gewollt hatte – so, wie ein Ehemann eben seine Frau wollte. Aber sie hätte gut zu ihm gepasst, und deshalb hatte er gehofft, dass die Leidenschaft sich irgendwann im Laufe der Zeit entwickelt hätte.

Eigentlich war es nicht einmal die fehlende Aussicht auf eine Frau – eine feste Freundin, eine Heiratskandidatin –, die ihn frustrierte. Sondern es war der unerfüllte Familienwunsch, der plötzlich wieder in weite Ferne gerückt war.

Zweifellos hatte er seine Pflegeeltern geliebt. Warren und Virgina Young hatten ihn zu sich genommen, als er zwölf gewesen war. Das damals schon etwas nicht mehr ganz so junge Paar war überglücklich gewesen, einen älteren Jungen aufzunehmen. Mehrfach hatten sie ihm angeboten, ihn zu adoptieren.

Doch sosehr er sich über dieses aufrichtige Angebot gefreut hatte, er hatte höflich abgelehnt. Auch wenn sie seine Eltern waren und er ihr Sohn.

Aber er war lieber ein einsamer Wolf geblieben. Er hatte nicht den Namen anderer annehmen wollen. Er hatte sich vorgenommen, sich im Leben alles selbst zu erarbeiten. Kein Mensch sollte auf den Gedanken kommen, er habe sich ohne eine eigene Leistung in die wohlhabende und altehrwürdige Südstaatenfamilie gemogelt, die ihn mit offenen Armen aufgenommen hatte.

Trotzdem musste er zugeben, dass sich seine Chancen und Möglichkeiten durch die Youngs tatsächlich verzehnfacht hatten. Ohne sie wäre er im Pflegesystem stecken geblieben, und für all das, was sie für ihn getan hatten, war er ihnen unendlich dankbar.

Doch abgesehen von der Eliteausbildung und dem sicheren familiären Umfeld, das er hatte genießen dürfen, hatte er sich alles, was er bisher erreicht hatte, selbst aufgebaut. Obwohl sie ihm Millionen angeboten hatten, hatte er keinen Cent von seinen Eltern angenommen, um Houghton Hotels und Resorts zu realisieren.

Eli nahm noch einen Schluck des milden Scotchs und hielt Ausschau nach seinem Freund. Es war noch nicht mal sechs Uhr, aber Rakin war für gewöhnlich sehr pünktlich und würde sicher bald kommen.

Während er den Rest Scotch im Glas kreisen ließ, dachte er wieder über sich und seine Situation nach.

Er hatte solide Familienwurzeln. Er leitete ein erfolgreiches Unternehmen, das auf der Liste der fünfhundert umsatzstärksten Konzerne weltweit stand. Doch er saß hier und sehnte sich nach Frau, Kindern und Häuschen mit Gartenzaun – jedenfalls war das sein Bild vom amerikanischen Traum.

Er hatte gedacht, eine Ehe mit Laurel wäre der erste Schritt, um seinen Traum zu verwirklichen. Doch plötzlich war er zwei Schritte zurückgefallen.

Na ja, er hatte noch Zeit. Er war ja gerade einmal fünfunddreißig. Und glaubte man den Statistiken, gab es genügend Frauen, die ganz wild darauf waren, einen wohlhabenden und passenden Mann kennenzulernen.

„Na, was spukt dir denn gerade im Kopf herum?“

Die dunkle Männerstimme überraschte ihn, obwohl er jede Minute mit Rakin gerechnet hatte. Eli hob den Kopf, als sein Freund auf die Sitzbank gegenüber rutschte und sich gegen das weiche rostrote Leder lehnte.

Aufgewachsen im Emirat Katar am Persischen Golf, hatte er nach dem Tod seiner Eltern bei seinen Großeltern gelebt. Rakins tiefschwarzes Haar, die dunkelbraunen Augen und die hellbraune Haut erinnerten an seine Herkunft. Als Halbamerikaner hatte er seine Ferien und einen großen Teil seiner College-Zeit in den USA bei der Familie seiner Mutter verbracht. Somit war er in beiden Ländern und beiden Kulturen zu Hause.

„Geschäftliche Probleme?“, fragte Rakin, während er gleichzeitig den Kellner heranwinkte.

„Viel komplizierter“, gab Eli zurück.

Rakin spürte, dass etwas nicht stimmte. Sie kannten sich lange genug und mussten nicht viel Worte verlieren, um sich zu verstehen.

„Lass uns erst bestellen“, schlug Eli vor, „und über die Lieferung für das Resort auf Seabrook Island sprechen. Vielleicht kann ich dann über alles andere reden.“

Als der Kellner zu ihnen kam, bestellten sie ihre Drinks und nahmen die in Leder gebundenen Speisekarten entgegen. Eli wusste, was er trinken würde, war aber erstaunt, als Rakin sich ebenfalls einen Scotch bestellte. Vermutlich war Eli nicht der Einzige, der einen harten Tag hinter sich hatte.

Sobald ihre Bestellungen kamen, hoben beide Männer mit düsteren Mienen ihre Gläser. Nach einigen Sekunden verzog Eli den Mund zu einem Lächeln. Als Rakin es ihm gleichtat, mussten beide lachen.

„Du zuerst“, bat Eli.

Autor

Heidi Betts
Die Liebesaffäre der preisgekrönten Autorin Heidi Betts mit dem Romance-Genre begann schon in der Grundschule, als sie sich in Liebesromane anstatt in ihre Hausaufgaben vertiefte. Es dauerte nicht lange, bis sie den Entschluss fasste, eigene Romane zu schreiben.

Ihr erstes Buch wurde vom Dorchester Verlag im Jahr 2000 veröffentlicht, gefolgt von...
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