Dieses heiße Verlangen nach dir

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Ava Maddox ist in Gefahr! Ein Stalker macht der Social-Media-Expertin das Leben zur Hölle. Und bis Zack Austin, Sicherheitschef im Imperium ihrer Familie, den Täter erwischt, ist er Tag und Nacht an Avas Seite. Doch damit beginnt für Zack ein Kampf gegen sich selbst, denn sein Verlangen nach Ava wird übermächtig. Aber er darf sie auf keinen Fall verführen! Schließlich ist Ava nicht nur die jüngere Schwester seines besten Freundes – Zack, der aus bescheidenen Verhältnissen kommt, und die aufregende High-Society-Schönheit trennen Welten!


  • Erscheinungstag 24.05.2022
  • Bandnummer 2238
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509039
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wie lange geht das schon so?“

Als sie die Wut in Zack Austins Stimme hörte, sank Ava Maddox tiefer in ihren Stuhl. Sie war in sein Büro gekommen, um sich mit ihm zu beraten. Ideen und Erfahrungen auszutauschen, sich beruhigen zu lassen.

Nicht, um wie ein böses Mädchen ausgeschimpft zu werden.

„Schon eine Weile.“ Sie versuchte, unbeeindruckt zu klingen. „Ich habe es zum ersten Mal vor etwa einem Jahr bemerkt. In den letzten Wochen ist es dann richtig eskaliert. Seit ich aus Italien zurück bin, machen mir diese Online-Trolle echt Sorgen, sie belagern mich regelrecht. Und dann noch der Hacker-Angriff. Also vielleicht so fünf Wochen insgesamt.“

„Fünf Wochen?“ Zack war kurz davor zu explodieren. „Fünf Wochen! Verdammt, Ava, warum hast du denn nichts gesagt?“

„Ich sage es doch jetzt.“ Avas Stimme wurde schärfer, obwohl sie sich bemühte, ruhig zu bleiben. „Es war ja nicht von Anfang an so extrem. Ein paar unpassende Kommentare zu meinen Videos und Beiträgen. Blöde Bemerkungen über mein Aussehen und sexistische Sprüche wie ‚Halt die Klappe und geh Kaffee kochen.‘ So was ist doof, aber als Frau im Berufsleben muss ich das leider aushalten. Ich habe dir nichts verschwiegen. Ich habe mir nur ein dickes Fell zugelegt, um mich davon nicht beirren zu lassen.“

„Und jetzt hast du es so weit kommen lassen? Ist das dein Ernst?“

Ava öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, doch dann überlegte sie es sich anders. Sie atmete tief durch und zählte langsam bis fünf.

Vielleicht war es doch nicht so gut gewesen, sich an Zack zu wenden. Der Sicherheitschef von Maddox Hill, dem Architekturbüro ihres Onkels, war völlig außer sich. Und dabei schüchterte Zack sie schon an guten Tagen ein.

Was machte er bloß für einen Aufstand? Das hatte sie nicht erwartet. Was er ihr entgegenbrachte, konnte bestenfalls als eisige Ablehnung beschrieben werden. Seit dem verhängnisvollen Abend in seiner Wohnung vor sechs Jahren verhielt er sich sogar noch eisiger.

Beim Gedanken daran stieg die Scham in ihr hoch. Wenn sie ihn jetzt ansah, wie er mit wütend funkelnden Augen vor ihr stand, machte er ihr Angst.

„Es hat vor etwa einem Jahr auf einer Bewertungsseite angefangen“, erklärte sie bemüht ruhig und sachlich. „Dort ziehen die Leute immer mal über alles Mögliche her. Ich habe versucht, die Einträge entfernen zu lassen, aber das ist fast unmöglich, denn diese Typen nutzen das als Erpressungsmasche. Ich habe mehrmals mit der Polizei gesprochen, aber die können da auch nichts machen. Schließlich ist ja noch kein Sachschaden oder nachweislicher Ausfall entstanden.“

„Und das hier halten die nicht für bedenklich?“ Zack stieß mit dem Finger auf ein Foto, das sie am Morgen zu Hause mit ihrem Tablet gemacht hatte.

Jemand hatte „Schlampe“ in roten Buchstaben auf ihr Garagentor gesprüht. Jemand, der wusste, wo sie wohnte.

„Sie werden dem natürlich nachgehen“, sagte Ava. „Aber bisher waren es nur dumme Sprüche, keine Straftaten.“

„Ich setze sofort die IT-Sicherheit darauf an“, beschloss Zack. „Sophie ist bald aus Italien zurück. Sie soll sich darum kümmern.“

„Da wird sie wenig Glück haben“, sagte Ava. „Diese Typen sind gut. Meine Nerd-Freunde haben sich das schon angesehen. Offenbar ist die IP-Adresse verschlüsselt und die Metadaten werden immer gleich gelöscht.“

„Das werden wir ja sehen“, sagte Zack düster.

„Bis heute Morgen habe ich versucht, mir nichts daraus zu machen“, gab Ava zu. „Die Einträge sind fies und so geschrieben, dass sie bei jeder Suche ziemlich weit oben auftauchen. Aber ich habe so viele Sachen im Netz, dass die Trolle es nie auf die erste Seite schaffen. Bis ich gestern gehackt wurde und alle meine Online-Profile mit diesem Mist überschwemmt wurden. Und heute Morgen dann die Garage. Der Polizist hat gesagt, ich soll eine Kamera installieren. Ich habe schon eine, aber sie ist kaputt. Ich muss sie schnell reparieren lassen.“

„Du hast keine funktionierende Kamera?“ Zack klang beinahe beleidigt. „Mann, Ava. Ich schicke gleich jemanden vorbei, der dir ein ordentliches System installiert.“

„Bitte nicht, ich kümmere mich selbst darum.“

„Bisher ja nicht besonders erfolgreich. Ich hätte informiert werden müssen, sobald der erste Kommentar aufgetaucht ist. Solange dein Bruder und dein Onkel nicht da sind, bin ich verantwortlich für …“

„Gar nichts.“ Ihre Stimme war laut und deutlich. „Du bist für nichts verantwortlich, Zack. Ich bin eine erwachsene Frau. Ich leite mein eigenes Unternehmen. Ich habe die Polizei eingeschaltet, und die denkt nicht, dass ich in Gefahr bin. Sie haben gesagt, ich soll vorsichtig sein, und das bin ich auch. Ich habe dich nur aus Höflichkeit informiert, damit du Bescheid weißt. Das war nur in Drews und Onkels Sinne.“

Er ging noch einmal die Bilder auf ihrem Tablet durch. „Ich gehe davon aus, dass du das alles an die Polizei geschickt hast.“

„Natürlich“, sagte sie. „Ich habe von Anfang an Beweise gesammelt.“

„Oh Mann“, murmelte er. „Es macht mich so wütend, dass diese Versager einfach schreiben können, was sie wollen. Niemand prüft irgendwas oder zieht sie zur Rechenschaft.“

„Man kann eh nichts machen“, sagte sie. „Man kann nicht einmal die Betreiber der Seite erreichen.“

Zack hielt bei einem Eintrag inne, den sie sogar aus der Ferne erkannte. Das unvorteilhafte Bild zeigte sie mit einer dicken Brille und zerzausten Haaren, ihr Mund stand offen, als riefe sie etwas.

In der Bildunterschrift hieß es: „Diese drogensüchtige Hure will sich einen Namen machen. Gibt sich als PR-Expertin aus. Fallt nicht darauf rein.“ Darunter stand die Adresse ihrer Firma mit allen Kontaktdaten. Das machte ihr Angst.

Normalerweise hätte sie ihren Bruder Drew oder ihre beste Freundin Jenna angerufen, doch die beiden waren gerade zusammen in den Flitterwochen. Sie hätte sich vielleicht sogar ihrem launischen Onkel Malcolm anvertraut, doch der war auch nicht da. Er lernte gerade in Italien seine lang verschollene leibliche Tochter Sophie Valente kennen. Da wollte Ava nicht dazwischenfunken. Sie war selbst nach Italien gefahren, um Sophie besser kennenzulernen, und fand ihre neue Cousine großartig – stark, intelligent, witzig.

Doch jetzt war sie mit ihren Problemen allein und fühlte sich nicht sicher in ihrem eigenen Haus. Also hatte sie sich an Zack, den Sicherheitsexperten, gewandt. Sie hatte noch gedacht, sie dramatisiere die Sache zu sehr, doch auf einmal war sie diejenige, die ihn beruhigen musste.

„Das macht mich so wütend. Ich könnte die umbringen“, sagte Zack.

„Danke für dein Mitgefühl“, gab sie vorsichtig zurück. „Aber lass es bitte. Ich habe schon genug Probleme.“

Zack brummte gereizt und stand auf, um aus dem Bürofenster auf das abendliche Seattle zu blicken. Ava betrachtete das weiße Hemd, unter dem sich sein muskulöser Rücken abzeichnete, die langen, kräftigen Beine und seinen festen Hintern.

Sie wurde wütend auf sich selbst. Er hatte sie angeschnauzt und eisig angestarrt und trotzdem fand sie ihn unglaublich heiß.

Sein Haar war zu einem strammen Militärschnitt gestutzt, eine Gewohnheit seit seinen Einsätzen mit den Marines im Irak. Dort hatte er Avas Bruder Drew Maddox, jetzt Geschäftsführer der Firma, und Vann Acosta, den heutigen Finanzvorstand, kennengelernt. Die drei waren Überflieger und wollten gemeinsam die Welt erobern. Drew und Vann trugen wieder zivile Frisuren, doch Zack hatte immer noch die sexy Aura eines jungen Soldaten, und das machte Ava einfach an.

Wenn sie sein kurz geschorenes Haar ansah, stellte sie sich vor, wie es sich anfühlen würde, kräftig und weich unter ihren Fingerspitzen.

Aber sie kam einfach nicht an ihn heran. Vielleicht war sie deshalb so in ihn verschossen.

Die Erinnerung an den Abend vor sechs Jahren half ihr da auch nicht weiter. Er hatte Margaritas gemixt und sie hatte die Drinks in sich hineingeschüttet, bis sie mutig genug war, sich ihm an den Hals zu werfen. Sie hatte versucht ihn zu küssen. Dort endete ihre Erinnerung. Am nächsten Morgen war sie voll bekleidet und mit einem furchtbaren Kater in seinem Bett aufgewacht. Er hatte Kaffee für sie gemacht, Aspirin auf den Tisch gestellt und war zur Arbeit gefahren. Kein Wort, kein Zettel, kein Anruf.

Zack hatte nie wieder ein Wort darüber verloren. In all den Jahren hatte sie nie den Mut gehabt, ihn zu fragen, was damals noch alles passiert war. Kein Wunder, dass er so abweisend war.

Später hatte sie versucht, sich einzureden, dass Zack nicht ihr Typ war. Er war viel zu groß und wenn er sprach, klang es immer wie ein Befehl. Er hatte ein schönes Lächeln, doch das hatte noch nie ihr gegolten.

Mit seiner schiefen Nase und der weißen Narbe quer durch eine seiner dicken Augenbrauen sah er aus, als sollte er anstelle des Maßanzugs besser eine schusssichere Weste und ein Maschinengewehr tragen.

Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er ihre PR-Arbeit und die Präsenz von Maddox Hill in den sozialen Medien für eine sinnlose Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hielt. Ihr Onkel war der Firmengründer und ihr Bruder der Geschäftsführer, also musste für sie auch eine Aufgabe gefunden werden, oder? Als PR-Beraterin hatte sie wenigstens etwas zu tun.

„Mit welchem Polizisten hast du gesprochen?“, verlangte er zu wissen.

„Detective Leland MacKenzie. Aber ich komme wirklich allein zurecht.“

Er wandte sich zu ihr um. „Ich will informiert werden. Wenn das weiter eskaliert, will ich die Schweine kriegen.“

„Übertreib mal nicht.“ Seine Gewaltbereitschaft erschreckte sie.

„Die Typen waren gestern Nacht vor deinem Haus, während du drinnen geschlafen hast. Was hast du für Türschlösser?“

„Nur eins, aber ein großes“, versicherte sie ihm. „Ich schicke dir ein Bild, wenn ich nach Hause komme.“

„Du gehst heute nicht nach Hause. Zumindest nicht allein. Bis die gefasst sind, kannst du nirgendwo allein hin.“

Ava streckte die Hände aus. „Zack, mach mal halblang.“

„Jetzt sei doch mal ruhig. Ich weiß, das fällt dir schwer.“

Beleidigt erhob sich Ava aus ihrem Stuhl. „Was soll das denn heißen?“

„Entschuldigung, war nicht so gemeint. Aber das hier ist ernst. Ich kann dich nicht …“

„Ich weiß. Aber ich komme lieber allein zurecht, als dir beim Ausrasten zuzusehen. Ich gehe jetzt.“

Zack blockierte die Tür. „Warte.“

„Nein.“ Verdammt, der Mann war groß. „Lass mich in Ruhe, dann lasse ich dich auch in Ruhe. Lass mich bitte vorbei.“

„Ava.“ Er hatte sich beruhigt. „Nicht.“

Der Klang seiner tiefen, rauen Stimme, als er ihren Namen sagte, ließ sie erzittern. Das machte sie erst richtig wütend. „Das entscheidest nicht du“, fuhr sie ihn an. „Lass mich gehen oder ich schreie hier alles zusammen.“

Zack blieb stehen. „Ich hätte das nicht sagen sollen, das war unfair.“

Sie lachte bitter. „Ach ja?“

„Ich entschuldige mich“, brummte er. „Die ganze Sache macht mich nervös.“

Sie schluckte. „Mich auch.“

„Bitte“, drängte er sie. „Setz dich wieder und lass uns vernünftig darüber reden.“

Erst als sie saß, wurde ihr klar, dass dieser Kerl sie mit seinen Tricks zurück auf den Stuhl bugsiert hatte. Sie umklammerte die Armlehnen. „Ich sollte jetzt gehen.“

„Versteh bitte, dass ich das nicht einfach auf sich beruhen lassen kann“, sagte Zack. „Ich bin vielleicht nicht für deine Entscheidungen und dein Verhalten verantwortlich, aber als CSO von Maddox Hill bin ich für deine Sicherheit zuständig, und diese Aufgabe nehme ich ernst.“

Bezaubert betrachtete sie seine Augen, den Schatten seines Bartes, und stellte sich vor, wie sich die Stoppeln anfühlen würden. Sie musste sofort damit aufhören!

„Zack“, sagte sie. „Es war ein langer Tag, also drück dich bitte deutlich aus. Entschuldigst du dich gerade oder machst du mir Vorschriften? Ich bin verwirrt.“

Damit hatte sie ihn tatsächlich zum Lächeln gebracht.

„Ich entschuldige mich“, sagte er. „Und ich mache dir Vorschriften. Bei allem Respekt.“

Sie lachte. „Ich wusste nicht, dass man respektvoll Vorschriften machen kann. Das ist meistens recht einseitig und dafür habe ich keinen Nerv, falls dir das noch nicht aufgefallen ist.“

Er betrachtete sie, als fragte er sich, wie er am besten mit ihr umgehen sollte. Ihr Herz hämmerte. Er hatte sie angelächelt. Er zeigte Interesse an ihr. Sie reagierte darauf wie der alberne, aufmerksamkeitsheischende Teenager, für den er sie ohnehin schon hielt.

Sie musste sich sehr zusammenreißen. Immerhin gelang ihr ein kühles, distanziertes Lächeln, während sie ihm das Tablet wieder abnahm. „Das nehme ich, danke.“ Sie schloss die Dateien und steckte das Gerät in ihre Tasche, bevor sie aufstand. „Mach so viele Vorschriften, wie du willst. Ich habe noch zu tun. Bis dann.“

Er sah auf die Uhr. „Es ist schon zwanzig vor zehn. Was hast du denn noch zu tun?“

Sie zuckte die Schultern. „Das geht niemanden etwas an.“

„Auch wenn du das vielleicht unhöflich findest, aber mich geht es jetzt etwas an. Und deine Pläne für den Abend haben sich gerade geändert.“

Sie sah ihn verblüfft an. „Ach ja?“

Er ignorierte sie. „Heute Abend werden wir dein Leben genau unter die Lupe nehmen. Ich will wissen, wer alles etwas gegen dich haben könnte. Unzufriedene Mitarbeiter, Konkurrenten, Ex-Freunde, alle, die dir einfallen. Egal, was du noch vorhattest, daraus wird nichts. Du bleibst in Sichtweite, bis die Sache ausgestanden ist.“

Ava war sprachlos. „Wie bitte?“

„Du hast mich gehört.“ Sein Blick war hart und kalt wie Stahl.

„Okay, verstehe ich das richtig?“, fragte sie. „Du möchtest noch vor dem Schlafengehen eine Liste aller Leute, die etwas gegen mich haben könnten? Das schaffen wir nicht.“

„Hast du dir so viele Feinde gemacht?“

„Ja“, gab sie zurück. „Blazon PR macht alle möglichen Projekte und einige sind eben kontrovers. Ich versuche, meine Kunden im Netz zu platzieren, und das gelingt mir auch. Große Gefühle sind dabei mein Handwerkszeug. Es ist nun mal so, dass man immer jemanden verärgert, wenn man etwas verändern will. Vor allem als Frau.“

Zack sah verwirrt aus. „Was willst du denn verändern? Ich dachte, du verbesserst die Suchmaschinenplatzierung für Maddox Hill und kümmerst dich um unsere Online-Profile. Was ist denn daran kontrovers?“

„Maddox Hill ist doch nur ein kleiner Teil meiner Arbeit, Zack“, erklärte sie geduldig. „Ich bin Beraterin. Blazon PR hat viele verschiedene Klienten neben Maddox Hill.“

„Ah“, sagte er. „Das wusste ich nicht.“

„Wieder was gelernt“, gab sie zurück.

Ihre Blicken trafen sich. Sekunden vergingen. Sie hielt seinem Blick stand.

„Ich bin ganz Ohr.“ Er setzte sich an seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme. „Was habt ihr noch für Kunden? Nenn mir so viele wie möglich.“

„Dann sitzen wir morgen früh noch hier“, warnte Ava ihn. „Im Moment ist viel los. Blazon spezialisiert sich auf die Platzierung und Vermarktung von neuen Marken, also ist jedes Projekt anders. Wir erzählen die Geschichte eines Produkts oder einer Dienstleistung, und zwar dort, wo wir die Zielgruppe am besten erreichen. Ich entwerfe zum Beispiel auch Ausstellungsstücke und Stände für Messen. Das ist noch ein Überbleibsel aus einem früheren Job. Ich habe noch Kontakte zu Leuten, die Messestände aufbauen. Aber meine eigentliche Leidenschaft sind Videos. Das macht mir am meisten Spaß und darauf will ich mich konzentrieren.“

„Hast du das Video für Jenna gemacht? Für Arm’s Reach?“

Ava war erstaunt, dass er davon wusste. Sie hatte ihrer besten Freundin einen Gefallen getan, die hochmoderne Armprothesen entwickelte. „Genau. Es geht dabei eher in Richtung Doku. Ich will mehr Leute einstellen, damit ich mich darauf konzentrieren kann. Sobald wir das Troll-Problem gelöst haben.“

„Wie viele von diesen Videos hast du denn schon gemacht?“

Sie versuchte, sich zu erinnern. „Weiß ich nicht“, sagte sie. „Im letzten Jahr mindestens sechs oder sieben. Insgesamt vielleicht so fünfzehn.“

Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte und dachte nach. „Wir müssen etwas essen“, sagte er. „Soll ich was bestellen oder willst du ausgehen?“

Ava wurde plötzlich klar, dass sie schon seit langer Zeit ein schweres, ungutes Gefühl mit sich herumschleppte. Egal, was sie tagsüber machte, sie dachte die ganze Zeit an ihre Online-Stalker. Wut, Frust und Angst lagen ihr wie ein Stein im Magen.

Doch seit sie hier mit Zack saß, war die Bürde auf einmal verschwunden. Das Summen, das seine Gegenwart in ihr auslöste, war ein viel besseres Gefühl.

Das bedeutete aber nicht, dass sie den Mut hatte, die ganze Nacht mit Zack Austin bei Maddox Hill herumzuhängen.

„Lass uns gehen“, sagte sie. „Wir können auch im Restaurant reden.“

„Gut. Wonach ist dir? Italienisch, Steakhouse, Grill, Sushi, moderne Küche?“

„Mir ist alles recht“, sagte sie. „Ich lasse mich überraschen.“

Er drückte auf die Gegensprechanlage. „Amelia? Bist du noch da?“

„Wollte gerade gehen“, sagte seine Verwaltungsassistentin.

„Könntest du mir noch schnell einen Tisch für zwei reservieren? Was Ruhiges in der Nähe. Wir wollen gleich los.“

„Ich schau mal, was sich machen lässt“, antwortete Amelia.

„Danke.“ Er sah Ava an. „So, du kannst loslegen.“

„Womit denn?“, fragte sie.

„Na, deine Verabredungen für heute Abend abzusagen.“

Beinahe hätte sie losgelacht. Sie hatte noch einmal in ihr Büro gehen wollen, um Unterlagen für die nächste Messe zu holen. Dann wollte sie ein Taxi nach Hause nehmen, wo ein Joghurt und etwas Obst auf sie warteten, bevor sie früh zu Bett gegangen wäre. Sie hätte wahrscheinlich wieder nicht schlafen können, aber einen Versuch wäre es wert gewesen.

Zack schien zu denken, dass sie heute noch durch die Clubs ziehen wollte. Die Illusion hätte sie ihm gern gelassen, aber sie hatte nicht mehr die Kraft zu lügen.

„Keine Verabredungen“, gab sie zu.

Seine Augen verengten sich, bevor er sprach. „Gut.“

Die brummige Zufriedenheit, mit der er das sagte, zündete tief in ihr tausend Feuerwerke.

2. KAPITEL

„Kein Wein“, wies Zack den Kellner an. Zu spät bemerkte er, wie prüde das klang. „Also, für mich nicht“, sagte er zu Ava. „Trink gern etwas, wenn du magst. Ich trinke bei der Arbeit nicht.“

Ava lächelte den Kellner an. „Ein Glas Rotwein, bitte.“

„Ich habe gerade einen schönen 2016er Romanée-Conti aufgezogen“, bot der Kellner an.

„Das klingt gut.“ Sie schenkte dem Kellner ein liebreizendes Lächeln, mit dem sie alle Männer in die Knie zwang. Geblendet stolperte er davon.

Zack schien seine Zunge verschluckt zu haben. Wie immer, wenn Ava Maddox in seiner Nähe war. Sie sah ihn mit ihren großen blauen Augen an, denen nichts entging.

Beleuchtung und Atmosphäre im Restaurant waren gedämpft. Sie saßen ganz hinten neben der holzgetäfelten Wand. Jetzt musste Zack sein Gehirn wieder hochfahren und sie nicht nur im Schein der Kerzen anstarren.

Ava wartete geduldig, als sei sie daran gewöhnt, dass es Männern in ihrer Gegenwart die Sprache verschlug.

Ihr Handy klingelte und sie blickte ihn entschuldigend an. „Da muss ich rangehen. Einen Moment.“ Sie tippte auf den Bildschirm. „Ernest? Danke für deinen Anruf. Bist du noch im Büro? Ja? Könntest du mir meinen Laptop mit der bunten Hülle zum Mathesson Pub and Grill bringen? Ich spreche gerade mit dem CSO von Maddox Hill über meine Online-Stalker … Okay, danke. Ich schulde dir was.“

Sie legte das Handy auf den Tisch. „Ernest ist mein Assistent. Er bringt gleich meinen Computer, dann kann ich dir die Liste mit den Projekten der letzten Jahre zeigen.“

„Ich bin überrascht, dass du deinen Laptop nicht immer dabeihast“, sagte Zack.

„Habe ich meistens“, antwortete sie. „Aber ich wollte ja nachher noch einmal ins Büro. Morgen beginnt die Future Innovation Messe in Los Angeles. Das ist eine große Sache. Ernest und ich müssen da hin.“

Zack konnte sein Missfallen nicht verbergen. „Du willst allen Ernstes nach Los Angeles? Nachts allein in dein leeres Büro zurück? Allein nach Hause fahren? Ausgerechnet jetzt?“

Ava seufzte. „Zack, wir haben rund um die Uhr einen Portier und ich wäre von Tür zu Tür mit dem Taxi gefahren. Ich bin doch nicht doof.“

„Das habe ich auch nicht gesagt.“

„Ich bin nicht wirklich in Gefahr“, versicherte Ava. „Das ist halt einfach so im Internet-Zeitalter. Es ist nicht schön, aber ich habe mich daran gewöhnt und kann damit umgehen.“

„Gar nichts kannst du“, sagte er. „Ich sag dir, wie es ist. Wenn ich den Arsch finde, mache ich Hackfleisch aus ihm.“

Ava warf ihm den nervösen Blick zu, den er inzwischen kannte. Er war ein Zeichen dafür, dass er sich nicht besonders professionell verhielt. Er war zu persönlich und damit machte er ihr Angst.

„Oh wow, Zack“, stammelte sie. „Deine Reaktion überrascht mich.“

„Warum? Das Ganze ist unentschuldbar. Wieso überrascht es dich, wenn ich mich darüber aufrege?“

Sie wich ihm aus. „Ich weiß nicht. Du hast mich einfach noch nie ernst genommen, warum also jetzt?“

„Tut mir leid, wenn das dein Eindruck ist“, sagte er steif. „Das war nicht meine Absicht.“

„Ach, sei nicht so.“ Ihre Stimme war leicht. „Ich bringe die Leute oft gegen mich auf. Drew sagt mir immer, ich soll einen Gang zurückschalten. Das versuche ich auch, aber es klappt nicht. Die echte Ava kommt immer als Erste heraus.“

„Das sollte er nicht sagen“, sagte Zack aufgebracht.

„Wie meinst du das? Ich verstehe nicht.“

„Drew. Er sollte dir nicht sagen, dass du einen Gang zurückschalten sollst.“

Ihre Augen weiteten sich. „Oh. Ich wollte dich nicht sauer machen.“

„Da hast du recht. Ich bin sauer, Ava. Diese Kanalratte von Stalker hat nicht einmal das Recht, dich anzusehen. Es kotzt mich an, wenn eine Dame so behandelt wird. Das hast du nicht verdient.“

Sie lachte leise. „Oh, eine Dame? Das ist süß von dir, aber ich glaube Onkel Malcolm würde dieser Einschätzung eher nicht zustimmen.“

„Malcolm kann denken, was er will“, gab Zack zurück. „Ich meine das, wie meine Mom so etwas meint. Das hat nichts mit Manieren oder Klamotten oder Status und diesem Mist zu tun. Eine Dame ist eine Frau, die Respekt verdient. So wie du.“

Zum ersten Mal in ihrem Leben fehlten Ava die Worte. Sie wandte sich ab und ließ ihr Haar vor ihr Gesicht fallen. Erst als sie ein Taschentuch aus der Handtasche kramte, bemerkte er erschrocken, dass sie weinte.

„Oh Gott“, sagte er. „Was habe ich gesagt?“

„Das tat wirklich gut“, sagte sie und putzte sich die Nase. „Nach dem ganzen Unsinn, den ich mir anhören musste. Danke.“

„Ah, gerne“, sagte er hilflos. „Ist wirklich alles in Ordnung?“

Sie warf ihr Haar zurück und lächelte ihn beruhigend an. „Ich wollte mir selbst nicht eingestehen, wie sehr mich das Stalking geärgert hat“, sagte sie und wischte sich die verlaufene Wimperntusche weg. „Auch wenn es dumm und bedeutungslos ist, habe ich mich dadurch beschmutzt gefühlt. Und dann hast du genau das Richtige gesagt. Jetzt geht es mir besser. Ich fühle mich wieder sauber.“

Das war ja mal ein Zufall. Ausgerechnet er hatte das Richtige gesagt, damit sich eine heiße, faszinierende Frau wieder besser fühlte? Das war ihm noch nie gelungen.

„Ich sollte das nicht so ernst nehmen“, fuhr Ava fort. „Es gehört zum Job.“

„Was? Online-Stalking?“

„Ja, und sich Feinde zu machen“, sagte sie. „Das ist schon fast eine mathematische Regel. Ich will gern gemocht werden und musste mir ein dickes Fell zulegen. Aber diesmal hat es mich erwischt.“

„Es ist also nicht das erste Mal?“ Er war schon wieder schockiert.

Sie lächelte ihn an und schniefte in ihr Taschentuch. „Das war aber nicht so schlimm“, sagte sie. „Es fing vor vier Jahren an, damals habe ich am Fall Colby Hoyt gearbeitet.“

„Den Namen kenne ich irgendwoher“, sagte er.

„Hat viel Presse bekommen. Er ist die Treppe hinuntergefallen und hat sich die Wirbelsäule gebrochen. Seine Freundin soll ihn gestoßen haben. Sie kam wegen Körperverletzung ins Gefängnis. Die Wahrheit ist nie herausgekommen, weil Colby sie an dem Abend dermaßen verprügelt hatte, dass sie jetzt einen Hirnschaden hat und sich an nichts erinnern kann. Seine Anwälte haben ihre Verteidigung plattgemacht und das war’s für sie. Aber eine ihrer Freundinnen war mit mir auf dem College und hat mich gebeten, die Story herauszubringen. Wir haben sie im Internet verbreitet. Wegen des hohen öffentlichen Interesses wurde der Fall neu aufgerollt. Jetzt ist die Freundin wieder draußen und Colby sitzt für fünfzehn bis zwanzig Jahre. Damals haben auch ein paar Trolle gedacht, dass Colby ungerecht behandelt wurde. Solche Typen halten sich nicht zurück und machen sich anonym Luft.“

„Ich erinnere mich an Hoyt“, sagte Zack. „Gruseliger Typ.“

„Ja, genau. Damals hat das Stalking angefangen, mit Kommentaren unter meinen Beiträgen. Vor etwa einem Jahr sollte Colby auf Bewährung freikommen, aber das wollten Bekannte der Freundin nicht. Also haben wir das Video noch einmal eingestellt und die Bewährung wurde abgelehnt. Dann ging es mit dem Stalking wieder los. Vielleicht hängt es ja damit zusammen.“

„Das sehe ich mir mal an“, sagte Zack.

Der Kellner war wieder aufgetaucht und starrte Ava in den Ausschnitt, während er Teller mit Vorspeisen vor ihnen hinstellte.

Ava sah die verführerischen Häppchen an. „Sind die für uns?“, fragte sie verwundert. „Das haben wir nicht bestellt.“

„Geht aufs Haus“, versicherte der Kellner und ging davon.

Zack folgte ihm mit einem düsteren Blick. „Kommt das öfter vor?“

„Dass ich etwas umsonst bekomme?“ Ava zuckte unbekümmert die Achseln und steckte sich ein Kürbisklößchen in den Mund. „Manchmal. Das ist wirklich lecker, halt dich ran.“

Das unwirsche Geräusch, das sich ihm entrang, zauberte ein Lächeln hinter die Serviette, mit der sie gerade ihren Mund abtupfte. Sie fand ihn also unterhaltsam.

Es war so verzwickt. Er vollführte diesen Drahtseilakt nun schon seit Jahren, seitdem er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Damals war sie fast noch ein Teenager gewesen, die kleine Schwester seines besten Freundes.

Sie kam ihm vor wie ein Wesen von einem anderen Stern. Als ob die Feen ihr zur Geburt gute Gaben gebracht hätten wie im Märchen. Sie war klug, hatte Klasse, Talent und Witz. Sie sah toll aus und die Kellner brachten ihr Häppchen aufs Haus.

Autor

Shannon McKenna
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