Ein charmanter Playboy

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Bei Dreharbeiten in Los Angeles hat sie Riley Garrow kennengelernt, seitdem sehnt sich Annabelle nach dem Playboy. In Turin gibt sie sich seinen Küssen hin - und erlebt eine Überraschung: Er macht ihr einen Heiratsantrag. Nur von Liebe spricht er nicht...


  • Erscheinungstag 03.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733744731
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Früher sah er auf düstere, elegante Weise gut aus. Jetzt ist er schön wie die Sünde, aber Sie werden sich bestimmt nicht mit einem Mann anlegen wollen, der mit seinen Dämonen kämpft! Ich kümmere mich um ihn, bevor ich die Station verlasse.“

Riley Garrow lag in seinem Krankenhausbett in St. Steven und zählte die Minuten bis zu Bart Adams’ Ankunft.

Manche Freunde und Kollegen von Riley – und von seinem verstorbenen Vater – waren in den vergangenen zwei Monaten bei ihm gewesen. Nichtsdestotrotz hatte der treue Bart, der engste Freund und Vertraute seines Vaters, während der Rekonvaleszenz Rileys Verbindung zur Außenwelt dargestellt.

Allerdings drang nun Schwester Francescas Stimme und nicht die von Bart vom Flur herein. Riley hegte den starken Verdacht, dass die Oberschwester von ihm gehört werden wollte.

Sie lagen in einem ständigen Willenskampf miteinander. Ihre Ausbildung in der Psychiatrie hatte sie nicht im Entferntesten auf Rileys Weigerung vorbereitet, sein Innerstes zu erforschen – den „Kern“, wie sie es formulierte, in dem sein wahres Ich steckte. Der Mensch, den er der Welt zeige, sei lediglich eine Fassade, hinter der eine verwundete Seele um Hilfe schreie.

Er liebte es, sie anzustacheln, wenn sie mit ihrem Psychokram begann. Da er sonst während der endlosen langweiligen Stunden nichts zu tun hatte, war es für ihn die Krönung des Tages, wenn er sie provozieren konnte.

„Oh, oh“, pflegte er zu sagen und dabei vorwurfsvoll den Finger zu erheben. „Beherrschung, Schwester. Beherrschung. Vergessen Sie nicht Ihre Vorbildfunktion für die niedlichen jungen Novizinnen in Ihrer Obhut.“

An diesem Punkt der Unterhaltung wurde ihr sanftes Gesicht stets abweisend, während sie sich bemühte, ruhig und gefasst zu bleiben. „Sie sind absolut unmöglich!“ Mit diesen gemurmelten Worten verließ sie regelmäßig genervt das Zimmer.

„Das haben schon etliche Frauen behauptet, die mein Bett gewärmt haben“, rief er ihr dann hinterher, um gleich darauf in Lachen auszubrechen.

Bevor sie die Tagschicht beendete, wies sie die Nachtschwestern persönlich ein, sofern diese neu auf der Station waren. Nach acht Wochen und mehreren plastischen Operationen, bei denen Haut von seinem Bein um sein rechtes Auge und die Wange verpflanzt wurde, kannte er mittlerweile sämtliche Dienstpläne.

Leider bestand das Personal, das ihn pflegte, ausschließlich aus Laienschwestern eines Ordens. Dafür hatte zweifellos Schwester Francesca gesorgt. Gewiss rissen sich in Santa Monica, Kalifornien, die wenigsten Frauen darum, Keuschheit und Gehorsam zu geloben.

Riley starrte die vier sterilen weißen Wände seines Gefängnisses an. „Sechzig Tage ohne eine richtige Frau … Kein Wunder, dass ich es kaum erwarten kann, von hier zu verschwinden.“

„Ihr Protest wurde zur Kenntnis genommen.“ Schwester Francesca rauschte herein wie die Fröhlichkeit in Person. „Wie es scheint, hat der Himmel Ihre Gebete endlich erhört, Mr. Garrow.“

Er lächelte sie an. „Ich dachte, der Himmel würde nicht auf ‚unmögliche‘ Männer hören.“

„In Ihrem Fall wurde eine Ausnahme gemacht – allein schon all den Schwestern von St. Steven zuliebe, die auf die Knie sinken, bevor sie Ihr Zimmer betreten und nachdem sie es wieder verlassen haben.“

„Alle?“ Er zog eine Braue hoch. „Ist Übertreibung nicht auch eine Sünde, Schwester?“

Sie fühlte seinen Puls. „Da Dr. Diazzo Sie bei der Abendvisite gründlich untersucht hat, ist er zu dem Schluss gelangt, dass Sie morgen früh entlassen werden sollen.“

Riley schloss die Augen.

„Ich dachte, Sie würden sich über die Nachricht freuen.“

Er machte sie wieder auf. „Ich weiß, Sie sind zur Buße verpflichtet, wenn Sie lügen, daher muss ich annehmen, dass Sie die Wahrheit sagen. Ausnahmsweise bin ich froh, dass Sie meine Ruhe gestört haben.“

„Und ich bin ausnahmsweise überwältigt von diesem Geständnis.“

„Lassen Sie sich nicht vom Stolz leiten, Schwester, sonst müssen Sie nach der Vesper ein paar zusätzliche Rosenkränze beten. Verraten Sie mir eines: Werden Sie morgen früh hier sein, um sich zu vergewissern, dass ich Ihre heiligen Hallen nie wieder betrete?“

„Leider nicht. Nachdem die Last Ihrer Pflege von meinen Schultern genommen wurde, werde ich mich mit einigen anderen Schwestern davon erholen.“

„Und wo verbringt eine Nonne ihren wohlverdienten Urlaub?“

„Das geht Sie nichts an.“

„Sie können es mir erzählen. Ich bin so verschwiegen wie ein Heiliger.“

„Nun gut, wenn es Sie davon abhält, die anderen Schwestern zu belästigen … Ich kehre für eine Weile ins Kloster zum Guten Hirten zurück, um meinen Seelenfrieden zu stärken und zu lernen. Das habe ich bitter nötig, nachdem ich acht anstrengende Wochen lang für Sie verantwortlich war.“

Riley lächelte viel sagend. „Gerüchten zufolge sind Sie eine Anhängerin von Thomas von Aquin. Er wäre stolz auf Sie und Ihre Hingabe. Sie arbeiten in einem Hospital und dienen den Kranken. Sie predigen den Heiden Reinheit und Frieden.“

„Das wundert mich nicht. Ähnlich wie er haben Sie sicher während Ihrer vergeudeten Jugend genug Straßenraufereien erlebt.“

„Würde es Sie überraschen, dass ich sogar einmal im Gefängnis gesessen habe?“

Sie notierte seine Blutdruckwerte. „Bei Ihnen überrascht mich gar nichts mehr. Leider enden hier auch schon die Ähnlichkeiten zwischen Ihnen und Franz von Assisi, Mr. Garrow. Seine Haft führte zu einer geistigen Wandlung.“

„Woher wollen Sie wissen, dass es bei mir nicht genauso war?“ Er hob mahnend den Finger. „Frieden“, fügte er scherzhaft hinzu. „Ich hingegen neige eher zu Franz von Assisi. Sie dürfen das Buch nicht nach dem Umschlag beurteilen.“

„Dieser Umschlag hat Sie in solche Schwierigkeiten gebracht.“

Wenn er sich nicht irrte, spiegelte sich in ihren Augen ein kummervoller Ausdruck wider. Für einen flüchtigen Moment erinnerten sie ihn an Mitras, wenn sie sich um ihn gesorgt hatte.

„Ich gehe nach Hause, nicht in den Tod, Schwester. Sie werden mir keine Beichte entlocken, aber ich habe ein Geschenk für Sie.“

„Eine Nonne nimmt keine …“

„Ersparen Sie mir den Vortrag“, unterbrach er sie ungerührt. „Ich schwöre, dieses Geschenk werden Sie nicht ablehnen.“

Sie tat, als hätte sie ihn nicht gehört, und stellte einen Krug frisches Eiswasser auf den Nachttisch – obwohl sie vor Neugier sicher fast platzte, davon war er überzeugt.

„Wollen Sie nicht einmal fragen, worum es sich handelt?“

„Muss ich Sie daran erinnern, dass es nur dann ein echtes Geschenk ist, wenn die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut?“

„Ich strebe nicht nach Perfektion. Sie hingegen sind der Vollkommenheit so nahe, dass Sie sich nicht einmal eine so harmlose Schwäche wie Neugier gönnen. Deshalb will ich Ihnen verraten, dass ich zu Ehren von Schwester Francesca Ihrem Kloster Geld gestiftet habe.“

Sie neigte den Kopf.

„Es ist Ihnen zwar nicht gelungen, mich dazu zu bewegen, meine Seele zu entblößen, aber Sie haben mir gezeigt, dass es Engel auf der Welt gibt. Danke, dass Sie mich daran gehindert haben, zu resignieren, als ich am tiefsten Punkt war. Dafür haben Sie sich einen festen Platz im Herzen eines Sünders erworben.“

Sie wandte sich ab, damit er die Tränen in ihren Augen nicht sah – ein weiteres Zeichen von Schwäche, das sie unbedingt verbergen wollte. Als sie den Medikamentenwagen zur Tür schob, sagte sie: „Seit Sie eingeliefert wurden, habe ich für Sie gebetet, Mr. Garrow, und das werde ich auch künftig tun.“

„Ein sehr tröstlicher Gedanke. Mit Ihnen als Fürsprecherin besteht vielleicht doch noch Hoffnung für mich. Passen Sie auf sich auf, Schwester.“

„Gott segne Sie“, flüsterte sie, bevor sie das Zimmer verließ.

Kaum war sie gegangen, kam Bart herein. „Entschuldige, dass ich so spät komme, aber ich glaube, du wirst mir verzeihen, wenn du siehst, was ich dir mitgebracht habe. Ich habe meine alten Sachen im Wohnwagen durchstöbert, um das hier für dich zu finden. Es wurde veröffentlicht, als du mit deinem Vater in Brasilien gearbeitet hast.“ Er reichte Riley eine Ausgabe der „International Motorcycle World“.

Das Oktoberheft des letzten Jahres zeigte auf der Titelseite eine Frau mit einem blonden Zopf unter dem Helm. Sie fuhr auf einem Motorrad über das morastige Feld eines Farmers. Auf dem Rücksitz war eine Arzttasche festgeschnallt. Die Schlagzeile lautete: Sogar eine moderne amerikanische Tierärztin benutzt noch eine alte Danelli-Strada-100-Rennmaschine, weil diese Motorräder für die Ewigkeit gebaut sind.

„Nur zu, lies den Artikel, während ich uns etwas zu trinken aus dem Automaten hole.“

„Danke, Bart.“

Das Magazin war in dem Monat gedruckt worden, als sein Vater bei dem verunglückt war, was er am liebsten gemacht hatte. Mit einer Begeisterung, die er seit langem nicht mehr verspürt hatte, schlug er die Zeitschrift auf. Unter einem der Fotos stand: Die Kinder im kalifornischen Prunedale nennen sie „die verrückte Tierärztin“, wenn sie auf ihrem zuverlässigen Motorrad durch die Gegend braust.

Verwundert las er, dass zwei Männer das Unternehmen gegründet hatten: Luca Danelli und Ernesto Strada. Bislang hatte Riley geglaubt, „Strada“ bedeute, dass es sich um eine Straßenmaschine handele, da es das italienische Wort für Straße war.

Die Story schilderte das faszinierende Leben der beiden, angefangen bei ihrer Kindheit in Italien über den Zweiten Weltkrieg, bis hin zur Verwirklichung ihres Traums von einem Motorradimperium in Mailand.

Riley und sein Vater hatten für ihre Stunts stets Danelli-Stradas benutzt, bis zum allgemeinen Entsetzen der Motorradwelt die Produktion plötzlich eingestellt worden war. Sein Vater hatte stets darauf beharrt, dass er nur einer Strada vertrauen könne. Er hatte nie begriffen, warum man sie vom Markt genommen hatte.

„Hör zu“, sagte Riley, als Bart zurückkam. „Nach Ernesto Stradas Tod verlor Luca Danelli das Interesse, stoppte die Fertigung und zog sich aus der Szene zurück.“ Er ließ die Zeitung sinken. „Das war also der Grund.“

Der ältere Mann öffnete eine der Coladosen und reichte sie ihm. „Lies weiter.“

Nachdem er die Büchse in einem Zug geleert hatte, fuhr Riley fort:

Die International Motorcycle World hat Informationen, dass in dem neuen Turiner Firmensitz wieder Danelli-Maschinen produziert werden. Diese Mitteilung stammt vom Geschäftsführer Nicco Tescotti, der unserem Chefreporter Colin Grimes ein Exklusivinterview gewährt hat.

Weltweit begrüßen Rennfahrer begeistert das Comeback der lang vermissten Marke. Der brandneue Prototyp Danelli NT-1 zaubert bereits bessere Rundenzeiten auf die Strecke als alle seine Konkurrenten. Es wird eng an der Spitze, denn Luca Danelli ist zurück. Tescotti zufolge wird die Firma am Markt bleiben.

Aufregung hatte Riley erfasst. Möglicherweise waren Schwester Francescas Gebete für ihn doch nicht vergeblich gewesen.

Bart lächelte ihn an. „Ich dachte mir, der Artikel würde dich vielleicht aufmuntern.“

„Vielleicht?“ wiederholte Riley. „Heute ist mein Glückstag.“

„Inwiefern?“

„Ich habe gerade erfahren, dass ich morgen entlassen werde.“

„Das ist die beste Nachricht, seit mir der plastische Chirurg sagte, er könne dein Gesicht wie neu herrichten.“

Nun, nicht unbedingt wie neu, doch Riley konnte mit den geringfügigen Veränderungen leben und wollte sich nicht beklagen.

„Durch diesen Bericht weiß ich, welche Richtung ich nach der Entlassung einschlagen werde. Es war ein Wink des Schicksals, dass du das Magazin mitgebracht hast.“

„Mir ist schon seit Jahren klar, dass du eigentlich eine eigene Karriere anstrebst, aber du konntest nichts tun, solange dein Vater dich brauchte.“

Wenn Bart das erkannt hatte, wusste er mehr, als Riley vermutet hatte.

„Außerdem weiß ich, dass du vergangenes Jahr nur deshalb als Stuntman in Hollywood gearbeitet hast, um mit den Gagen seine Schulden zu bezahlen. Da du nun dein Ziel erreicht hast, bin ich gespannt, was du mit dem Rest deines Lebens anfangen wirst. Ich dachte mir, die Meldung über Luca Danelli könnte dich inspirieren. Wenn ich mich recht erinnere, hast du dich in Italien schon immer zu Hause gefühlt.“

Riley nickte. „Es war für viele Jahre meine Heimat. Jetzt habe ich einen Grund mehr zurückzukehren.“ Zumal er noch eine weitere Schuld begleichen musste …

„Dad sagte immer, du seist der beste Freund, den ein Mann sich nur wünschen könne. Er wusste, wovon er sprach. Danke, dass du für mich da gewesen bist, Bart.“

Die Augen des älteren Mannes glänzten verdächtig. „Ich hatte nie eine Frau oder eine Familie. Du hast diese Lücke gefüllt.“

„Bis Mitra mich eines Besseren belehrte, dachte ich, du seist mein Onkel.“ Lachend umarmte er seinen Besucher. „Wir bleiben in Verbindung – Ehrenwort.“

„Das wollte ich hören.“

„Dir hat keines der Drehbücher gefallen, die ich dir geschickt habe?“ donnerte D. L.

Annabelle Lassiter – Ann, für ihre Angehörigen und engsten Freunde – begegnete ruhig dem fassungslosen Blick ihres Managers. Sie hatten sich zum Lunch bei Pierre’s getroffen. „Tut mir leid, D. L., aber ich will mich eben nicht auf einen bestimmten Rollentyp festlegen lassen. Außerdem finde ich, keines der Bücher ist das Papier wert, auf dem es gedruckt ist.“

Er zog die dichten roten Brauen zusammen. „Hör zu, falls du dir in dieser Stadt einen Namen machen willst, solltest du nicht zu wählerisch sein. Du magst zwar eine langbeinige, hinreißende Blondine mit einem gewissen Naturtalent sein, aber ein erfolgreicher Film mit Cory Sieverts garantiert dir nicht lebenslang Aufträge. Du musst auch deine Rechnungen bezahlen, Süße.“

„Das ist mir klar, trotzdem weigere ich mich, in einem Streifen mitzuspielen, dessen Zielgruppe sexbesessene Achtzehnjährige sind – und in diesem Stil sind sämtliche Skripts gehalten.“ Sie deutete angewidert auf die vier Bücher, die sie auf den Tisch gelegt hatte.

„So etwas verkauft sich eben heutzutage.“

„Es ist abstoßend, D. L. Ich will etwas Vernünftiges wie ‚Königin für tausend Tage‘.“

Er seufzte. „Einen solchen Leckerbissen gibt es alle zehn Jahre nur einmal, und selbst dann bringen diese historischen Schinken nicht immer das große Geld für die Studios. Vergiss nicht, du bist bereits achtundzwanzig, für eine Schauspielerin ist da die beste Zeit vorbei.“

„Vielen Dank.“ Sie wusste, dass er recht hatte, aber welche Frau wollte so etwas hören?

„Ich bin dein Agent. Du bezahlst mich, damit ich dir zu deinem Besten solche Dinge sage. Dir bleibt nichts anderes übrig, als deinen Namen und dein wunderschönes Gesicht im Bewusstsein des Publikums zu verankern, sonst fällt für dich der Vorhang.“

„Vielleicht sollte ich nach England gehen und versuchen, am Theater zu spielen.“ Das war Colin Grimes Idee gewesen. Ihre Beziehung war nicht so einfach, da er in London lebte und sie in Los Angeles.

D. L. wirkte schockiert. „Du wärst du, wenn du das tun würdest. Immerhin hast du hier bereits einen Fuß in der Tür. Bevor du ruinierst, was wir für dich erreicht haben, will ich dir etwas verraten. Es ist zwar noch in der Planung, doch ich kann dir eine Rolle darin versprechen.“

„Worum handelt es sich?“

„Ich bin mit ein paar Drehbuchautoren befreundet, die an einem Katastrophenfilm arbeiten. Momentan ist es noch streng geheim. Du wärst perfekt für eine der älteren weiblichen Hauptrollen. Ich muss ihnen nur mitteilen, dass du daran interessiert bist. Es wird der größte Kassenschlager der Saison. Danach hast du die nötige Publicity, um dir die Projekte aussuchen zu können.“

„Nein danke, D. L. Das ist nicht die Art von Schauspielerei, von der ich schon als Teenager geträumt habe. Offen gestanden, würde ich mich schämen, mein Gesicht in einem solchen Machwerk zu zeigen.“

Er betrachtete sie prüfend. „Was ist aus der Frau geworden, die an Fernsehwettbewerben wie ‚Wer will einen Millionär heiraten?‘ teilgenommen hat? Oder an der Wohltätigkeitsgala ‚Wer will einen Prinzen heiraten?‘ Den deine Zwillingsschwester dann an deiner Stelle trösten musste? Behauptest du tatsächlich, du seist darüber erhaben?“

D. L. schaffte es immer, sie dort zu treffen, wo es am meisten wehtat.

„Nun ja, es hat Zeiten gegeben, da hätte ich in meiner Verzweiflung alles probiert, um von einem Hollywood-Produzenten bemerkt zu werden, aber inzwischen habe ich mich geändert.“

„Du hast dich wirklich geändert.“ Er stand wütend auf und warf ein paar Geldscheine auf den Tisch. „Wenn du erst wieder jeden Cent zweimal umdrehen musst, brauchst du mich nicht anzurufen.“

„D. L.?“ rief sie, bevor er mit den abgelehnten Drehbüchern unterm Arm hinausmarschierte. „Ich weiß zu schätzen, was du für meine Karriere getan hast. Bitte, sei nicht so böse auf mich, dass du mich vorzeitig abschreibst.“

Er sah sie lange an. „Ich hätte dich für ehrgeiziger gehalten.“

„Dachtest du, ich wäre imstande, meine Seele zu verkaufen?“ Die Erkenntnis schmerzte. „Es tut weh, dass ich diesen Eindruck erweckt habe. Daran bin ich selbst schuld.“

„Da hast du verdammt recht! Wenn ich wieder ins Büro komme, erwarten mich dort mindestens vierzig Nachrichten, die meine Sekretärin seit neun Uhr entgegengenommen hat, und zwar alles von zweitklassigen Schauspielerinnen, die durchs Feuer gehen würden, um dahin zu kommen, wo du jetzt bist.“

„Ich weiß.“ Früher einmal war sie eine von ihnen gewesen. „Danke für den köstlichen Lunch. Das nächste Mal zahle ich.“

„Es gibt vielleicht kein nächstes Mal.“

„Ich möchte lediglich ein vernünftiges Drehbuch.“

D. L. murmelte etwas Unverständliches, bevor er zum Ausgang eilte.

Ann verließ gleich nach ihm das Restaurant und fuhr zu ihrem Apartment. Dort angekommen, lief sie in die Küche, um ihre Schwester anzurufen. Die blinkende rote Lampe am Anrufbeantworter bewog sie allerdings, zuvor die Nachrichten abzuhören.

„Ann?“ Es war Colin. „Warum reagierst du nicht auf meine Anrufe? Was ist los? Melde dich – meinethalben auch mitten in der Nacht –, sonst nehme ich die nächste Maschine nach L. A. und finde selbst heraus, was los ist!“

Sie ahnte, dass er den Hörer am liebsten auf die Gabel geschmettert hätte. Momentan wollte sie sich jedoch nicht mit ihm befassen und lauschte stattdessen den Klagen von zwei mit ihr befreundeten Kolleginnen. Dann wählte sie die Nummer ihrer Schwester.

Der Zeitunterschied zwischen Hollywood und Turin betrug neun Stunden. In Italien war es demnach Viertel vor zehn Uhr abends. Sie bezweifelte, dass ihre Schwester bereits im Bett lag – es sei denn, die kleine Anna war ausnahmsweise brav und Nicco wollte mit seiner Frau allein sein. Das wollte er eigentlich immer.

Ann hatte nie ein verliebteres Paar gesehen.

Seit sie vor einem Monat von der Taufe ihrer bezaubernden Nichte zurückgekehrt war, hatte Ann eine leichte Unzufriedenheit mit ihrem Leben verspürt. Die Drehbücher, die D. L. ihr zur Ansicht geschickt hatte, waren nicht geeignet gewesen, die sonderbare Leere in ihrem Innern zu beseitigen. Das Gefühl machte ihr fast Angst, denn es erinnerte sie an ihre Empfindungen nach dem Tod ihres Vaters vor etlichen Jahren.

Sie schloss die Augen. D. L. hatte recht. Sie hatte sich in den vergangenen Monaten verändert. Sie war rastlos und launisch gewesen. Unfähig, sich zu konzentrieren.

In Wahrheit sehnte sie sich danach, Anna in ihren Armen zu halten und sich von ihr trösten zu lassen. Als sich das winzige Bündel zum ersten Mal Schutz suchend an sie geschmiegt hatte, war sie förmlich dahingeschmolzen. Es hatte ihr das Herz zerrissen, die Kleine verlassen zu müssen, als es Zeit wurde, nach Hause zu fliegen.

Colin hatte den Taufgottesdienst zusammen mit ihr besucht. Anschließend hatte er ihr vorgeworfen, sich mehr um das Baby als um ihn zu kümmern.

„Ann?“, rief ihre Schwester, die bereits nach dem vierten Läuten am Apparat war. „Nicco und ich haben gerade von dir geredet. Wir wollen doch wissen, ob du den Vertrag für den neuen Film schon unterschrieben hast.“

Ann biss sich auf die Lippe. „Nein, noch nicht. Callie? Hättest du gern für ein paar Wochen einen Babysitter, damit du und Nicco verreisen könnt?“, fragte sie nervös. „Ihr möchtet sicher ein bisschen Zeit allein miteinander verbringen. Ich verspreche, sie wie mein eigenes Kind zu lieben und mit meinem Leben zu beschützen.“

Einen Moment lang herrschte Schweigen. „Solange Anna noch so klein ist, wollen wir keine Minute mit ihr versäumen. Du brauchst doch nicht ihren Babysitter zu spielen, wenn du uns besuchen möchtest.“ Ihre Schwester klang gekränkt. Callie hatte schon immer ein Herz aus Gold gehabt. „Im Palast ist stets eine Suite für dich vorbereitet. Du könntest ewig hier wohnen, wenn du willst. Ich würde mich darüber freuen. Du bist meine einzige Verwandte“, fügte sie ernst hinzu.

Oh ja. Genau darin lag das Problem. Callie war ihre einzige Angehörige, und sie waren durch den Atlantik getrennt. Tränen brannten ihr in den Augen. „Danke“, flüsterte sie. „Ich habe nicht vor, auf Dauer bei euch zu leben, aber momentan bin ich ohne Engagement und …“

„Und zwischen dir und Colin läuft es nicht richtig“, folgerte Callie.

Als eineiige Zwillinge besaßen sie einen besonderen Draht zueinander.

„Hör zu, Annabelle Lassiter, du nimmst die nächste Maschine nach Turin. Klein Anna vermisst dich schrecklich. Wir alle tun das.“

„Sobald ich aufgelegt habe, kümmere ich mich um die Reservierung.“ Sie packte den Hörer fester. „Bist du sicher, dass Nicco nichts dagegen hat? Er steht vermutlich unter enormem Stress, seit Luca Danelli tot ist. Bestimmt wünscht er keine weiteren Belastungen.“

„Sei nicht albern. Er hat von Anfang an Lucas Arbeit neben seiner eigenen gemacht. Lucas Tod ist zwar bedauerlich, doch wir hatten damit gerechnet. Außerdem hat Nicco dir immer versichert, dass du bei uns ein Zuhause hast. Mein Mann sagt nichts, was er nicht auch meint.“

„Er liebt dich so sehr, dass er nie etwas tun würde, was dich kränken könnte.“

„Sehr richtig“, meldete sich zu Anns Überraschung nun auch Nicco zu Wort. „Es gibt allerdings noch einen anderen Grund, und den kennst du. Ohne dich hätte ich Callie nie getroffen. Durch dich habe ich mein Glück gefunden. Ich liebe dich, Ann. Wir beide lieben dich. Wenn du uns die Flugnummer und die Ankunftszeit mitteilst, holen wir dich ab.“

Inzwischen strömten ihr die Tränen über die Wangen. „Ich liebe euch auch. Danke, Nicco. Bis bald.“

Die Jahrmarktsatmosphäre weckte so viele Kindheitserinnerungen in Riley, dass es ihm schwer fiel, nicht an eine Zeitreise zu glauben. Vor seiner Abreise aus Los Angeles hatte er den genauen Aufenthaltsort von Riminis Wanderzirkus ausfindig gemacht. Da die Schausteller in der zweiten Septemberhälfte in Rom gastierten, hatte er einen Flug dorthin gebucht.

Dieser Teil war leicht gewesen. Weitaus schwieriger würde es sein, Mitra aufzuspüren.

Der Zirkus, in dem Rileys Vater fast fünfzehn Jahre lang aufgetreten war, hatte einen neuen Direktor. Obwohl einige der alten Artisten noch dabei waren, schien keiner zu wissen, was aus der Zigeunerin geworden war, die einst mit ihnen gereist war und den Leuten aus Teeblättern die Zukunft vorhergesagt hatte.

Mitra hatte allerdings noch weitaus mehr als das getan. Sie war für Riley eine Ersatzmutter gewesen, ohne dass es ihm damals bewusst geworden war.

Endlich erfuhr er, dass ein anderer Zigeuner mit einer Bärennummer ins Programm aufgenommen worden war. Er ging zum Wohnwagen des älteren Mannes und sprach ihn auf Romani an und brach so das Eis.

Mitra hatte den Zirkus vor einem Jahr verlassen, um sich ihrer Sippe in Perugia, nördlich von Rom, anzuschließen. Der Zigeuner hatte keine Ahnung, ob sie noch lebte.

Nachdem er sich für die Informationen bedankt hatte, brach Riley in die idyllische Stadt am Tiber auf, in der er seine erste Schulbildung erhalten hatte. Das verdankte er allein Mitra, die erkannt hatte, dass sein Vater wieder trank, nachdem seine dritte Frau ihn verlassen hatte.

Obwohl Mitra die Schule mied, hatte sie erklärt, Riley sei ein Gadja, ein Außenseiter, und Gadjas gehörten ins Klassenzimmer.

Nun begriff er, warum sie ausgerechnet diese Stadt gewählt hatte. Vor vielen Jahren waren ihre Vorfahren in die alte etruskische Siedlung gekommen, aus der sich Perugia entwickelt hatte. Die Menschen, die Riley beherbergt und beköstigt hatten, während sein Vater mit seiner Sucht gekämpft hatte, waren Mitglieder von Mitras weit verzweigter Familie gewesen.

Anfangs hatte er sich gegen die Schule gesträubt und war mehrfach in ernste Schwierigkeiten geraten. Im Nachhinein erkannte er jedoch, dass sie ihm einen enormen Gefallen erwiesen hatte. Er hatte Geschichte und Mathematik gelernt – und natürlich auch fließend Italienisch.

Ohne Geld hätte er allerdings nichts von alldem erreicht, und sein Vater hatte keines. Demnach hatte ein anderer für seinen Lebensunterhalt gesorgt, vermutlich unter erheblichen persönlichen Opfern. Nur ein Mensch hatte Riley genug geliebt, um das zu tun.

Als er seine alten Lieblingsplätze besuchte, erkannte ihn einer der Männer wieder und wies ihm den Weg zu Mitras Wohnung. Erfreut, dass sie noch lebte, klopfte er an ihre Tür.

„Wer ist da?“, rief eine tiefe Stimme auf Romani.

Er antwortete in der gleichen Sprache. „Dein Gadja-Kind.“

Gleich darauf öffnete Mitra die Tür. Sie war eine mittelgroße Frau von Ende siebzig. Um das inzwischen ergraute Haar hatte sie wie einst einen dunkelroten Schal gewunden, aber ihre dunklen Augen funkelten so lebhaft wie immer. Sie betrachtete ihn mit jener Eindringlichkeit, die ihm früher stets ein schlechtes Gewissen verursacht hatte.

„Du …“, wisperte sie, als würde sie einen Geist sehen.

Riley lächelte. „Du erinnerst dich also.“ Er reichte ihr einen Strauß Lavendelblüten, die er mitgebracht hatte.

Sie presste sie an die Brust. „Wer könnte je ein so schönes Gesicht vergessen? Jetzt bist du ein schöner Mann.“ Mit der freien Hand berührte sie seine Wange, wo die Haut verpflanzt worden war. „Ich habe dich in den Teeblättern gesehen. Ich sah Feuer. Das Leben war schwer für dich.“

„Mein Vater ist letztes Jahr gestoben.“

Sie nickte. „Ich weiß. Komm herein.“

Trotz der bescheidenen Einrichtung wirkte ihr Heim behaglich. Sie hatte das Wohnzimmer in dem gleichen lebhaften Rotton dekoriert, den sie auch in ihrem Wohnwagen bevorzugt hatte.

„Setz dich.“

Riley gehorchte, während sie die Blumen in eine Vase auf dem kleinen Esstisch stellte. Dann sank sie auf den handbemalten schwarzen Schaukelstuhl, den er einst als Kind bewundert hatte. „Warum besuchst du nach all der Zeit eine alte Frau?“

„Eigentlich wollte ich viel früher kommen, aber die Umstände haben es verhindert.“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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