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Lavinia ist erschüttert: Der Milliardär Zakahr Belenki, neuer Kopf von Kolovsky-Design, hat nur ein Ziel - er will das Unternehmen eiskalt ruinieren, um sich an der Gründerfamilie zu rächen. Versteht er denn nicht, wie viel das Modeimperium für Lavinia und die anderen Mitarbeiter bedeutet? Sie muss versuchen, ihren Boss von seinem ruchlosen Vorhaben abzubringen! Leichter gesagt als getan. Denn ihr mächtiger Feind ist der verführerischste Mann, dem sie jemals begegnet ist. Seine Berührungen brennen wie Feuer, seine Küsse sind lustvolle Versprechen …


  • Erscheinungstag 17.03.2015
  • Bandnummer 2170
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701505
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Zakahr hätte auch zu Fuß gehen können, aber er tat es nicht.

Die Firmenzentrale des Kolovsky-Imperiums war nur einen kurzen Spaziergang vom Luxushotel entfernt, in dem er für die nächsten Wochen abgestiegen war.

Um den Reportern ein Schnippchen zu schlagen, hätte er auch den Hubschrauber nehmen können.

Doch von diesem Augenblick hatte er zu lange geträumt. Der Gedanke daran hatte ihn während seiner gesamten verdammten Jugend aufrechterhalten. Und jetzt war der ersehnte Moment gekommen.

Auf Zakahrs Anweisung nahm der Fahrer einen Umweg. Fußgänger drehten sich nach der Nobellimousine mit den getönten Scheiben um, die durch die eleganten, von Galerien und Boutiquen gesäumten Straßen glitt. Wie vereinbart, wurde der Fahrer vor der Stammboutique von Kolovsky-Design langsamer. Das kobaltblaue Gebäude mit dem goldenen Schriftzug war weltbekannt, seine Erzeugnisse international begehrt. Wie stets, war das Schaufenster raffiniert schlicht dekoriert – Schwaden schwerer Seide, auf denen ein einziger großer Opal in der Morgensonne schimmerte. So ästhetisch schön der Anblick war, Zakahr verspürte stets einen bitteren Geschmack im Mund, wenn er dem Firmenlogo auf seinen Reisen begegnete.

„Fahren Sie weiter.“

Der Chauffeur folgte der Anweisung. Gleich darauf hielt er vor der Melbourner Firmenzentrale. Zakahrs großer Augenblick war gekommen.

Kameras richteten sich auf ihn, und ausnahmsweise hatte er nichts dagegen. Als unermesslich reicher, auf kantige Weise gut aussehender Mann war er mit den schönsten und berühmtesten Frauen Europas ausgegangen. Sein Ruf als Womanizer eilte ihm voraus, er war in den Hochglanzmagazinen oft genug unter die Lupe genommen worden. Normalerweise hasste Zakahr jeden Angriff auf seine Privatsphäre, doch hier, auf der anderen Seite des Globus und besonders an diesem Morgen, störte er ihn nicht. Ironisch lächelnd malte er sich aus, wie die Kolovskys jetzt beim Frühstück die Nachrichten verfolgten.

Hoffentlich erstickten sie daran.

Er wurde mit Fragen bombardiert, Kamerablitze zuckten auf, Mikrofone wurden ihm entgegengestreckt.

Würde er als europäischer Industrieller das Haus Kolovsky übernehmen? Oder sei er gekommen, um den Konzern zu leiten, solange Aleksi Kolovsky auf Hochzeitsreise weilte?

Hätte die Hochzeit ihm gefallen?

Sei er ein Verwandter?

Wo sei Nina, die Matriarchin?

Welches Interesse hätte er an Kolovsky?

Gute Frage. Immerhin war die Ikone der Modebranche ein kleiner Fisch im Vergleich zu Belenkis Finanzimperium.

Zakahr verzichtete auf Kommentare. Auch später würde er diese Strategie verfolgen.

Bald würden die Fakten für sich sprechen.

Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Er presste die Lippen zusammen, die geröteten Augen hatte er hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, seine Miene war ausdruckslos. Doch er war eine imposante Erscheinung.

Mit seiner Größe und den breiten Schultern überragte er alle anderen Anwesenden. Er war rasiert, trug das Haar kurz und glatt, doch trotz des eleganten Anzugs, der teuren Uhr und der gepflegten Schuhe ging von ihm etwas Wildes, Ungezähmtes aus – eine Sprungbereitschaft, vor der die Reporter unwillkürlich auf Abstand gingen und nicht wagten, ihn allzu sehr zu bedrängen. Mit diesem Mann wollte man sich lieber nicht anlegen.

Entschlossen bahnte Zakahr sich einen Weg zwischen dem Pressepulk hindurch, stieg die wenigen Stufen zum Kolovsky-Gebäude hinauf und stieß die goldene Drehtür an.

Er war drin.

Vielleicht sollte er einen Moment stehen bleiben und seinen Sieg auskosten. Endlich gehörte alles das ihm. Aber da war dieses hohle Gefühl in seiner Brust. Er genoss Herausforderungen, war hergekommen, um zu kämpfen. Nachdem alle wussten, wer er war, und das Haus Kolovsky ihm gewissermaßen auf einem Silbertablett serviert wurde, war es an ihm zu entscheiden, was er tun wollte.

Er spürte genau, wie unbehaglich alle sich fühlten.

Das rührte ihn nicht.

„Mr Belenki!“ Die Rufe der Reporter folgten ihm.

Die Lifttüren standen weit offen. Zakahr betrat den Aufzug, der geräuschlos nach oben glitt.

Auch beim Betreten der Führungsetage konnte er die gespannte Atmosphäre förmlich spüren. Sie steckte in den dicken Teppichen, ging von den Wänden und Türen aus, an denen er vorbeiging. Sollten sie doch alle zittern. Niemand außer den Kolovskys selbst wusste, wer er wirklich war!

Zielstrebig ging Zakahr auf die Türen zu, hinter denen das Großraumbüro lag, an dem sein Privatbüro angrenzte. Einige Male war er bereits hier gewesen. Aber nie als Chef.

Er stieß die schweren Holztüren auf, um sein Geburtsrecht geltend zu machen. Doch sein großer Auftritt verpuffte ins Leere. Gähnende Dunkelheit empfing ihn. Befremdet schaltete Zakahr die Beleuchtung ein und blieb wütend stehen. Niemand begrüßte ihn. Die Jalousien waren heruntergelassen, die Computer ausgeschaltet.

Dachten die Kolovskys: Wer zuletzt lacht, lacht am besten?

Am Wochenende hatte Aleksi seine persönliche Assistentin Kate geheiratet. Vorher hatte er ihm, Zakahr, versichert, ihren Ersatz seit Wochen eingearbeitet zu haben. Und jetzt war kein Mensch hier.

Aufgebracht ging er zum erstbesten Schreibtisch und nahm den Telefonhörer auf, um den Empfang aufzuscheuchen, damit sie jemanden heraufschickten. In dem Augenblick ging die Tür auf, und eine aufregende Blondine mit einem Kaffeebecher aus Plastik in der Hand trat ein und eilte an ihm vorbei. Ein Hauch ihres verführerischen Parfüms streifte ihn.

Die Blonde stellte den Becher auf ihren Schreibtisch und begrüßte Zakahr mit einem kurzen: „Tut mir leid, ich bin ein bisschen spät dran.“ Schnell streifte sie sich die Jacke ab und schaltete den Computer ein. „Ich bin Lavinia“, setzte sie hinzu.

„Das weiß ich“, erwiderte Zakahr. Er hatte sie am Samstag auf der Hochzeit seines Bruders bemerkt. Diese Frau übersah ein Mann nicht so schnell: Große blaue Augen, wallende Blondmähne und bildhübsch. Doch im Moment wirkte sie alles andere als glamourös. Unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, sie sah müde aus und schien eher ins Bett zu gehören als ins Büro.

„Halten Sie das für die richtige Art, einen guten ersten Eindruck zu machen?“, fragte Zakahr, der gepflegte, ehrerbietige Angestellte gewohnt war, die nicht einfach hereinplatzten und einen Vergrößerungsspiegel aus der Schreibtischschublade holten, um Make-up aufzulegen.

„Geben Sie mir zwei Minuten.“ Lavinia ließ sich nicht beirren. Mit geübten Fingern tupfte sie Grundierungscreme auf. „Dann mache ich einen guten Eindruck.“

So viel Frechheit war Zakahr noch nicht untergekommen. „Wo ist die persönliche Assistentin?“

„Die hat am Samstag geheiratet“, erwiderte Lavinia.

Geschickt überpinselte sie die Schatten unter den Augen mit hellem Puder. Da Zakahr auch an der Hochzeit teilgenommen hatte, hielt sie die Antwort wohl für witzig, denn sie lachte kurz. Während sie ihre Wimpern mit einer Mascaraschicht nach der anderen bearbeitete, ließ sie die Bombe platzen.

„Die Ersatzassistentin, die Kate eingearbeitet hatte, ist Freitag in Tränen aufgelöst gegangen und hat uns wissen lassen, dass sie nicht wiederkommt.“

Warum dem Mann die Sache versüßen? Das Haus Kolovsky war im Chaos versunken, nachdem die Nachricht die Runde gemacht hatte, Zakahr Belenki würde die Firma übernehmen. Wenn dieser Mensch wirklich glaubte, er könnte einfach hereinmarschieren und alles in bester Ordnung vorfinden, konnte er sich auf eine Überraschung gefasst machen.

Natürlich wusste Lavinia, dass Zakahr Belenki wütend war, aber was blieb ihr anderes übrig, als Make-up aufzulegen? In knapp einer Stunde mussten sie zum Flughafen aufbrechen, da hatte sie tiptop auszusehen. Ihre früheren Chefs bei Kolovsky – Levander, Aleksi und Nina – hätten das für selbstverständlich gehalten. Doch Zakahr Belenki schien von einem anderen Schlag zu sein.

„Hat Kate sich auch am Schreitisch geschminkt?“

„Kate“, Lavinias Ton sprach Bände, „hatte man nicht gerade wegen ihres Aussehens eingestellt.“

Ihre pikierte Reaktion entging Zakahr nicht, er unterdrückte ein Lächeln. Kate und Lavinia hätten sich nicht krasser unterscheiden können. Offenbar wurmte es die sexy Blondine, dass eine mollige, durchschnittlich aussehende ledige Mutter mit Aleksi Kolovsky das große Los gezogen hatte.

„Kate hat eben mehr zu bieten als gutes Aussehen“, bemerkte Zakahr ironisch und konnte sich nicht verkneifen hinzuzusetzen: „Schließlich hat sie den Chef geheiratet.“

Er sah, dass Lavinia kurz innehielt, dann legte sie weiter ihr Rouge auf.

„Wo ist Ihre Mannschaft?“ Stirnrunzelnd sah Lavinia ihn an. Sie schien sich zu fragen, wo sein Team blieb.

„Bedauerlicherweise sind Sie meine Mannschaft.“

„Sie haben niemanden mitgebracht?“ Es war nicht zu übersehen, dass Lavinia verblüfft war. Natürlich hatte sie sich über Zakahr Belenki informiert. Er besaß Firmenbeteiligungen in ganz Europa. Mit seinem Team brach er über kränkelnde Unternehmen herein, die versprachen, Goldminen zu werden, peppte sie mit massiven Finanzspritzen auf, um sie über Wasser zu halten, und machte sich wie ein Kuckuck in dem neuen Profitnest breit. Und obwohl Kolovsky alles andere als ein kränkelndes Unternehmen war und Lavinia unter der Hand erfahren hatte, dass Zakahr Belenki hauptsächlich aus persönlichen Gründen hier investieren wollte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass er allein gekommen war. „Sie haben Ihr Team nicht mitgebracht?“

Die Frage war berechtigt. Sein Team nahm an, er sei allein nach Australien geflogen, um die Finanzkraft einer Firma unter die Lupe zu nehmen. Wieso sollte er dazu seine Leute mitschleppen? Als Chef durfte Zakahr keine Schwäche zeigen. Kolovsky war sein einziger Schwachpunkt. Deshalb dachte er nicht daran, seinem Stab zu erklären, wieso diese Reise eine persönliche Angelegenheit war. Und mit Lavinia darüber zu reden, kam schon gar nicht infrage.

Schroff bestellte Zakahr Kaffee, setzte den Weg zu seinem Büro fort und schlug die Tür hinter sich zu.

Laut.

Vor Zakahr hatte Lavinia für Levander und Aleksi Kolovsky gearbeitet, sodass sein ungehobeltes Verhalten ihr nicht einmal ein Blinzeln entlockte.

Matt ließ sie sich an ihren Schreibtisch sinken und hatte nur noch das Bedürfnis, die Augen zu schließen und zu schlafen. Mit der Verspätung hatte sie nicht gerade den besten Eindruck auf ihren neuen Chef gemacht, aber der Mann konnte auch nicht wissen, wieso sie so spät kam. Ein höllisches Wochenende lag hinter ihr. Nina zu Aleksis und Kates Hochzeit zu schleppen, war ein Klacks dagegen gewesen.

Am Freitag war Lavinias jüngere Halbschwester der Fürsorge übergeben worden, und obwohl Lavinia erleichtert war, dass endlich etwas geschah – sie hatte die Sache persönlich in die Hand genommen –, war alles nicht so schnell gegangen, wie sie gehofft hatte. Statt ihr die Vormundschaft für Rachael zu übertragen, war die Kleine in einem Heim untergebracht worden, und die Behörden behielten sich vor, die Situation zu überdenken.

Nachdem Rachaels Notlage sich zugespitzt hatte, war Lavinia verzweifelt gewesen. Drei Nächte lang hatte sie kaum geschlafen, sich Sorgen gemacht, wie ihre kleine Schwester im Heim zurechtkommen und es aufnehmen würde, in einem fremden Bett in einer fremden Umgebung inmitten von Fremden zu schlafen.

Und obwohl Lavinia im Moment nichts tun konnte, versuchte sie, sich damit zu trösten, dass ihre Schwester nun wenigstens sicher aufgehoben war. Was hätte Lavinia dafür gegeben, heute nicht ins Büro kommen zu müssen. An jedem anderen Tag hätte sie sich krank gemeldet.

Aber wen hätte sie anrufen sollen?

Die ach so tüchtige persönliche Teilzeitassistentin, die Kate eingearbeitet hatte, hatte am Abend vor der Hochzeit das Handtuch geworfen. Und Aleksi war auf Hochzeitsreise. Die anderen Kolovsky-Brüder hatten sich schon vor Langem aus der Firma verabschiedet. Und Nina, die Ärmste, war in einer Privatpsychiatrie gelandet, nachdem sie erfahren hatte, wer Zakahr Belenki war.

Da die Behörden Lavinias Eignung als Betreuerin ihrer kleinen Schwester weiterhin überprüften, brauchte sie mehr denn je einen festen Job. Deshalb konnte sie es einfach nicht riskieren, krank zu spielen. Also hatte sie geduscht und war in aller Eile in die Sachen vom Vorabend geschlüpft – das schwarze Kostüm, dessen Rock allerdings entschieden zu kurz war, dazu die schwarzen High Heels aus Wildleder, die jedes noch so unauffällige Outfit aufwerteten. So war sie nur fünf Minuten zu spät gekommen oder – anders betrachtet – eigentlich sogar fünfundfünfzig Minuten zu früh. Bürojobs begannen ja bekanntlich meist erst um neun!

So gesehen, hatte Zakahr sich für ihre Mühe nicht einmal bedankt.

Lavinia schnitt der zugeknallten Tür ein Gesicht.

Der Mann war noch arroganter als alle seine Brüder zusammen – und das wollte etwas heißen. Trotz des Namens Belenki wusste sie natürlich, wer er war: Ein Kolovsky – Ninas und Ivans heimlicher Sohn.

Aber er brauchte nicht zu wissen, dass sie Bescheid wusste.

Nachdem Lavinia sich annehmbar hergerichtet hatte, checkte sie die Mails und überflog die Termine für den Tag. Obwohl sie mit Kate, der früheren persönlichen Assistentin und jetzt Aleksis Frau, gelegentlich aneinandergeraten war, wäre sie im Moment froh gewesen, Kate hier zu haben.

Offiziell war Lavinia die stellvertretende persönliche Assistentin. Doch genau genommen hatte man sie eher als attraktives Dekor eingestellt – als flottes, intelligentes, modeinteressiertes Mädchen für alles – was bei Kolovsky unerlässlich war. Aber nachdem die von Ivan aufgebaute Mannschaft sich seit seinem Tod langsam aufgelöst und Zakahr sein Powerteam zu Hause gelassen hatte, lastete die Bürde der Verantwortung nun mehr oder weniger auf ihren Schultern.

Sollte ihr das Ganze nicht eigentlich egal sein?

Sie wusste, dass die eine oder andere Direktrice Zakahr gern ihre eigene persönliche Assistentin zur Verfügung gestellt hätte. Wer im Haus Kolovsky hätte nicht gern einen direkten Draht zum geheimnisumwitterten neuen Chef?

Lavinia hatte ihn – ob sie wollte oder nicht.

Und ob es ihr gefiel oder nicht – bis Zakahr die komplizierten, oft undurchsichtigen Strukturen und Mechanismen des Hauses beherrschte, blieb es an ihr, Lavinia, hängen, für die weitere geordnete Unternehmungsführung zu sorgen.

Sicher dachten die anderen, sie bildete sich etwas ein. Aber Kolovsky brauchte sie nicht, um zu überleben. Das wusste Lavinia. Dennoch gab es gewisse Dinge, die sehr wichtig waren – und ohne genaue interne Kenntnisse nicht erledigt wurden.

Ermattet legte Lavinia den Kopf auf den Schreibtisch und schloss die Augen.

Nur eine Minute ausruhen.

In einer Minute würde sie sich ein Strahlelächeln abringen und aufstehen, um Kaffee für sich und den neuen Chef zu kochen. Mit ein bisschen Glück konnten sie noch einmal von vorn anfangen.

Nur eine Minute …

„Lavinia!“

Diesmal fuhr sie zusammen.

Wie Zakahr beabsichtigt hatte. Nicht zu fassen! Zweimal hatte er den Summer bedient, sie zwei Mal gerufen – und hier schlief sie an ihrem Schreibtisch!

Benommen kam Lavinia zu sich, als seine Stimme hinter ihr erscholl. Sie spürte seinen Zorn so deutlich wie den Duft seines Aftershaves – und war versucht, ihre Tasche zu nehmen und einfach nach Hause zu gehen.

„Würden Sie mit Ihrem Kater auf der Stelle in mein Büro kommen?“

Schlimmer konnte es kaum werden.

Lavinia versuchte eine volle Minute, sich zu fangen.

Der erste Tag mit dem neuen Chef, und er hatte sie nicht beim Tagträumen oder Dösen, sondern buchstäblich fest schlafend an ihrem Schreibtisch vorgefunden. Normalerweise schaffte Lavinia es glänzend, Patzer schnell mit einem Strahlelächeln auszubügeln. Doch jetzt, auf dem Weg zum Schafott, versuchte sie es nicht einmal.

„Bitte entschuldigen Sie, Zak…“ Auf alles gefasst, betrat sie sein Büro. Er saß am Schreibtisch, und sie hielt mitten im Wort inne, als er ihr stumm bedeutete, sich zu setzen. Offenbar telefonierte er auf Russisch, und was immer er sagte, war alles andere als liebenswürdig, so viel begriff Lavinia.

Er hatte eine dunkle, klangvolle Stimme und sprach betont leise. Doch jedes Wort verströmte Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft. Dieser Mann musste nichts zweimal sagen, so viel war Lavinia klar.

Und er sah umwerfend aus – aber das war hier eher die Norm. Er sah nicht besser aus als seine Brüder.

Oder doch?

Hatte der liebe Gott ihn vollkommen geschaffen und dann weitergemacht, weil er mit der Formel zufrieden war? Unanständig gut sah der Mann aus – den musste man sich näher ansehen. Kritisch begutachtete Lavinia seine Erscheinung, wie sie es bei den Probeaufnahmen eines neuen Kolovsky-Models getan hätte: ebenmäßige Züge, markante Wangenknochen, gerade römische Nase – der Traum jedes Fotografen. Oder auch Albtraum. Lavinia konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Mann vor der Kamera posierte. In seinen grauen Augen lag ein unerbittlicher, kompromissloser Ausdruck. Normalerweise konnte sie einen Menschen schnell einschätzen, doch bei Zakahr fiel ihr das schwer. Erst recht jetzt, da er sie bei ihrer kritischen Musterung ertappte.

Während er den Hörer auflegte, ließ er sie nicht aus den Augen. Lavinia schoss das Blut in die Wangen. Und schließlich war sie es, die den Blick senkte, was eigentlich nicht zu ihr passte.

„Ich möchte mich bei Ihnen für vorhin entschuldigen“, brach sie das drückende Schweigen. „Sie müssen wissen, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen …“

„Sind sie arbeitsfähig?“, unterbrach Zakahr sie kühl. Entschuldigungen waren Zeitverschwendung. „Ja oder Nein?“

„Ja.“ Es ärgerte Lavinia, dass er ihr nicht einmal die Möglichkeit gab, sich zu rechtfertigen.

Da sie keine Anstalten machte, Kaffee zu kochen, stand Zakahr auf. Um alles musste man sich selbst kümmern! Dabei war er es, der einen Kater hatte. Auf Aleksis Hochzeit hatte er Höllenqualen ausgestanden. Es war richtig gewesen, seinem Bruder entgegenzukommen, wie Aleksi es ihm gegenüber auch getan hatte. Doch sobald es möglich war, hatte Zakahr sich davongemacht, um von der verhassten Frau fortzukommen.

Während der Zeremonie hatte er beharrlich versucht, Nina nicht anzusehen – die Frau, die nur biologisch seine Mutter war. Nachdem sie erfahren hatte, dass er ihr Sohn war, hatte man sie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert.

Karma, dachte Zakahr finster.

Als Kind hatte er das Sprichwort gehört: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Müsste er jetzt nicht triumphieren, dass Nina in der Psychiatrie gelandet war, während er das Imperium seiner Eltern übernahm – die Genugtuung bis aufs Letzte auskosten? Noch gestern hatte er im Taxi gesessen und starr auf das Krankenhaus geblickt, mit sich gekämpft, ob er Nina besuchen sollte.

Es gab so viel zu sagen. So vieles, das er ihr nach der lange ersehnten Gegenüberstellung an den Kopf werfen könnte, weil sie es mehr als verdient hatte. Doch als er erfahren hatte, wie schlecht es ihr ging, hatte ihn ein seltener Anfall von Mitleid gepackt, und er war davor zurückgeschreckt, Ninas Schmerz noch größer zu machen.

Im Taxi war er zum Casino gefahren und hatte sich damit getröstet, dass es bald kein Haus Kolovsky mehr geben würde – wenn er wollte. Dass er den Namen auslöschen, davongehen und so tun könnte, als hätte es ihn nie gegeben … wie seine Eltern es mit ihm gemacht hatten. Im Casinotrubel hatte Zakahr versucht, sich in Gesellschaft schöner Frauen abzulenken. Es war ihm nicht gelungen. Nichts hatte ihm gefallen. Er hatte die Nacht im Hotel verbracht und seine verbitterten Gefühle in hundert Jahre altem Cognac ertränkt.

Und jetzt kochte er seiner Assistentin Kaffee!

Mühsam beherrscht reichte Zakahr ihr eine dampfende Tasse. Lavinia trank einen Schluck, verzog aufstöhnend das Gesicht und murmelte irgendetwas über zu viel Zucker.

Er sollte sie auf der Stelle feuern!

Sie einfach rauswerfen.

Aber obwohl er sich kaum eine unprofessionellere persönliche Assistentin vorstellen konnte, würde er sie wohl für eine Weile brauchen. Dummerweise. Aleksi hatte ihm zwar ein Passwort gegeben, mit dem er auf alle Bereiche zugreifen konnte – doch erst musste er überhaupt mal ins System reinkommen.

„Wie lautet das Passwort, Lavinia?“, fragte Zakahr. „Für den Computer?“

„H-o-K.“, erwiderte sie. Als er sie verständnislos ansah, setzte sie hinzu: „Das o muss als Kleinbuchstabe eingegeben werden.“

Er warf ihr einen gereizten Blick zu. „Ich werde heute Morgen eine Ansprache an alle halten“, sagte er. „Danach benötige ich je eine Viertelstunde für Einzelgespräche mit den Angestellten – von der Putzfrau bis zum Topdesigner. Nach der Mittagspause hat der Erste an meinem Schreibtisch zu erscheinen. Sie koordinieren das. Ich will alle Personalakten vorliegen haben.“

„Das geht nicht.“ Lavinia sah, dass er die Lippen zusammenpresste. Widerspruch war er offenbar nicht gewohnt. Für ihn „ging“ alles. „Da empfangen wir ausländische VIPs. König Abdullahs Tochter kommt zur Anprobe.“

„Und?“ Zakahr zuckte die Schultern.

„Einmal im Monat oder so beehrt uns eine Scheichbraut, die am Flughafen stets von einem Kolovsky begrüßt und persönlich hergebracht wird.“

„Hierher?“ Zakahr runzelte die Stirn. „Wieso fährt sie nicht erst mal ins Hotel?“

„Hierher“, betonte Lavinia. „Weil die Braut von diesem Augenblick geträumt hat.“ Natürlich fehlte einem Mann für so etwas jedes Gespür. „Mit praktischen Erwägungen schlägt sich die Braut eines Scheichs nicht herum. Sie kommt im eigenen Jet. Jedenfalls muss jemand aus der Firmenspitze am Flughafen zur Begrüßung antanzen. So war es immer. Das wird einfach erwartet.“

„Der Topdesigner kann hingehen“, winkte Zakahr ab. Doch als Lavinia beharrlich stehen blieb, war er zu einem Kompromiss bereit. „Wenn es unbedingt sein muss, können Sie ja hinfahren.“

Darüber ging Lavinia glatt hinweg. „Als Gastgeber müssen Sie die Braut im Laufe der Woche zum Abendessen einladen. Und als Zeichen der Zufriedenheit werden Sie …“ Sie runzelte die Stirn. „Ach nein, ich glaube, es läuft andersherum. In einigen Tagen bittet man Sie zum Abendessen, um sich bei Kolovsky für die Gastfreundlichkeit zu bedanken. Die Prinzessin bleibt zwei Wochen, weil die Hochzeit schon in zwei Monaten stattfindet.“ Zakahrs rebellische Reaktion entging Lavinia nicht. „Normalerweise würde die Braut öfters herüberfliegen, aber Prinzessin Jasmine will alles mit einem Trip erledigen.“

„Um diese Dinge sollen die Designer sich kümmern.“

„Die Designer haben alle Hände voll mit den Entwürfen zu tun.“ Ungeduldig verdrehte Lavinia die Augen. „Das Design-Team arbeitet jetzt schon Tag und Nacht an den Rohentwürfen.“

„Ich habe Wichtigeres zu tun, als eine verwöhnte Prinzessin am Flughafen abzuholen.“

„Na prima.“ Lavinia zuckte die Schultern. „Ich auch.“ Sie wollte gehen, besann sich dann jedoch. „Diese Feinheiten sind sehr wichtig, Zakahr.“ Er arbeitete am Computer und blickte nicht auf. Und obwohl das Ganze nicht ihr Problem war, brachte so viel Gleichgültigkeit sie auf, weil sie sich ihren früheren Chefs verpflichtet fühlte. „Für die Prinzessin ist das der größte Tag ihres Lebens, mit dessen Gelingen sie uns betraut. Es ist ihre Hochzeit, Zakahr!“, hielt Lavinia ihm vor.

Er blieb völlig ungerührt. Also sollte es sie auch nicht berühren.

Doch Lavinia fand keine Ruhe.

„In meinem Privatleben geht es im Moment alles drunter und drüber, Zakahr. Ich bin nicht hergestürmt, weil der neue Chef von Kolovsky sein Amt antritt. Und ich habe das Make-up auch nicht aufgelegt, um Sie zu beeindrucken – sondern weil ich wusste, dass die Prinzessin abgeholt werden muss. Mit der Betreuung internationaler Gäste kenne ich mich nicht so aus, weil Kate das meist selbst übernommen hat. Ich vergesse, bestimmte Dinge zu beachten, rede zu viel oder trete in sämtliche andere Fettnäpfchen dieser Welt. Trotzdem bin ich heute hier, um das durchzuziehen, was wichtig ist und erwartet wird. Und weil das zu Kolovsky gehört: traumhafte Moden, schöne Frauen und vor allem die verflixten Brautkleider.“

Sprachlos saß Zakahr da. Die Assistentin einer persönlichen Assistentin, die am Schreibtisch einschlief, versuchte ihm klarzumachen, was er zu tun hatte! Komische Mischung, diese Frau: Chaotisch und dennoch erstaunlich gewissenhaft. Und wie sie ihm gegenüber auftrat – die Hände in die Hüften gestemmt und mit den Füßen wippend wartete sie auf seine Antwort.

„Na toll!“, rief Lavinia, als er schwieg. „Dann fahre ich eben allein zum Flughafen.“

Doch vorher musste sie einen Anruf erledigen.

An ihrem Schreibtisch überflog Lavinia die Ankunftsdaten der Prinzessin, vergewisserte sich, dass die Limousinen bereit standen, und wartete ungeduldig, bis es Punkt neun war, ehe sie endlich den Hörer aufnahm und wählte.

Ms Hewitt, Rachaels Sachbearbeiterin, reagierte empört. „Ich hatte es Ihnen doch schon Freitag gesagt. Sie können hier nicht jeden Tag anrufen. Schließlich sind Sie keine Verwandte.“

„Ich versuche, es zu sein.“ Lavinia widerstand der Versuchung, der Frau etwas Unaussprechliches zu antworten. Schließlich war sie darauf angewiesen, diese Leute auf ihrer Seite zu haben. „Ich möchte nur wissen, ob alles in Ordnung ist, und wann ich sie besuchen kann.“

„Rachaels Vater besucht sie am Mittwochabend, und dann wieder Sonntag. Also wirklich, es ist nicht gut, wenn Rachael zu viel Besuch bekommt.“

Lavinia sträubte sich das Nackenhaar. „Sie ist meine Halbschwester. Wie könnte es da schlecht für sie sein, wenn ich sie besuche?“

Autor

Carol Marinelli
<p>Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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