Endlich in deinen starken Armen

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Jenna kann sich kaum auf ihren Job konzentrieren - so atemberaubend attraktiv ist ihr neuer Boss Liam Hawke! Während die Nanny dem berühmten Wissenschaftler beibringt, was ein frischgebackener Single-Daddy wissen muss, fahren ihre Gefühle Achterbahn: Liam ist ihr absoluter Traummann - nur zu gern würde sie ihrem überwältigenden Verlangen nachgeben und Nacht für Nacht in seinen starken Armen versinken. Doch sie weiß, dass ihre Liebe keine Zukunft hat. Wenn Liam erfährt, wer sein Kindermädchen wirklich ist, wird er nichts mehr von ihr wissen wollen …


  • Erscheinungstag 14.07.2015
  • Bandnummer 1880
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721268
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Liam Hawke drückte den Telefonhörer fester ans Ohr, aber das half ihm auch nicht weiter. Das, was die Person am anderen Ende der Leitung gerade zu ihm gesagt hatte, ergab überhaupt keinen Sinn.

„Mr Hawke? Sind Sie noch da?“

„Warten Sie einen Moment“, erwiderte er und fuhr mit seinem Jeep an den Straßenrand. Als sein Bruder ihn fragend ansah, sagte Liam leise: „Hör dir das an!“ Dann drückte er auf den Lautsprecherknopf. „Können Sie das bitte noch einmal wiederholen?“, fragte er den Anrufer.

„Ich arbeite als Hebamme im Sacred Heart Hospital und habe Ihnen soeben mitgeteilt, dass Sie Vater geworden sind. Meinen herzlichen Glückwunsch!“

Liam runzelte die Stirn, Dylans Augen weiteten sich, und die Frau fuhr fort: „Ihre Tochter Bonnie ist zwei Tage alt und mit ihrer Mutter hier bei uns. Leider haben sich bei der Mutter nach der Geburt Komplikationen ergeben, daher hat sie mich gebeten, Sie zu informieren. Es wäre das Beste, wenn Sie sofort herkommen würden.“

Ein Baby?

Dylan sah ihn ungläubig an. Liam lockerte nervös seine Krawatte und öffnete seinen obersten Hemdknopf, der ihm plötzlich zu eng geworden war. Das musste ein Irrtum sein. Babys tauchten nicht so einfach auf, wie durch Zauberei. Normalerweise konnte man sich neun Monate lang auf die Geburt vorbereiten.

Die Sonne von Los Angeles schien durch das geöffnete Autodach auf sie herunter. Liam wurde heiß, und er versuchte, seine Stimme unter Kontrolle zu bringen. „Sind Sie sicher, dass Sie die richtige Person angerufen haben?“

„Sie sind doch Liam John Hawke, oder?“

„Ja, das bin ich.“

„Und Sie hatten eine Beziehung zu Rebecca Clancy.“

„Stimmt auch.“ Wenn man ihr Arrangement eine Beziehung nennen konnte. „Aber sie war nicht schwanger, als wir uns getrennt haben.“ Was schon eine ganze Weile her war. Liam versuchte, sich daran zu erinnern, wann er sie zuletzt gesehen hatte. Aber weder die Zeit noch der Ort fielen ihm ein.

Wie lange war es denn tatsächlich her? Vielleicht acht Monate … Dann hielt er inne. „Moment, Sie sagen, es hätte nach der Geburt Komplikationen gegeben. Geht es Rebecca gut?“

Die Hebamme holte tief Luft. „Ich glaube, es wäre besser, wenn wir unter vier Augen sprechen könnten.“

„Ich komme, so schnell ich kann“, sagte Liam und beendete das Gespräch. Er ließ den Wagen wieder an und wendete.

Dylan holte sein Handy hervor. „Ich werde das Meeting absagen.“

Als er das Gespräch beendet hatte, warf Liam ihm ein gequältes Lächeln zu. „Danke.“

„Und du hattest keine Ahnung?“, fragte sein Bruder.

„Ich habe immer noch keine Ahnung.“ Liam strich sich durchs Haar. „Also gut, ich hatte damals mit Rebecca ein Verhältnis. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich der Vater ihres Kindes bin.“ Er hatte gehört, dass sie kurz nach der Trennung schon wieder einen neuen Freund gefunden hatte. Das bedeutete, ein Vaterschaftstest war auf jeden Fall angeraten.

Nachdem sie sich durch den Stau gekämpft hatten, der für Los Angeles so typisch war, erreichten sie endlich das Krankenhaus. An der Information wurden sie von einer Krankenschwester begrüßt, die sie auf die Säuglingsstation führte.

„Leider hat sich der Gesundheitszustand von Ms Clancy weiter verschlechtert. Jetzt liegt sie auf der Intensivstation. Ihre Eltern sind bei ihr, sie haben Bonnie hier bei uns gelassen.“ Die Schwester lehnte sich über ein Bettchen und hob ein kleines Bündel hoch, das in eine pinkfarbene Decke gehüllt war. Ein Gesichtchen lugte daraus hervor.

„Hallo, mein Liebling“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Dein Daddy ist hier.“

Bevor Liam der Krankenschwester sagen konnte, dass zuerst ein Vaterschaftstest gemacht werden müsste, hatte sie ihm das Baby schon in die Arme gelegt. Große Augen unter dichten schwarzen Wimpern sahen ihn an. Ihr kleines, blasses Gesicht war unglaublich zart, dennoch wirkte das Baby irgendwie realer als alles andere im Zimmer.

„Ich lasse Sie beide ein paar Minuten lang allein, damit Sie Ihre Tochter kennenlernen können“, verkündete die Säuglingsschwester. „Dort drüben in der Ecke steht ein gemütlicher Sessel.“

Dylan räusperte sich. „Ich … Äh, ich verschwinde mal kurz und hole uns einen Kaffee.“

Aber Liam beachtete ihn schon nicht mehr. Alles, was er sah, war Bonnie. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt ein Baby in den Armen gehalten hatte. Er war sich auch nicht sicher, ob er es richtig machte. Aber er drückte sie vorsichtig an sich und atmete ihren reinen, frischen Duft ein. Er spürte die Wärme ihres Körpers durch die Decke hindurch, und ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

Alle drei Hawke-Brüder hatten die Haare ihrer Mutter geerbt – ein sehr dunkles Braun, durchzogen von kastanienbraunen Strähnen. Bonnies Haare sahen genauso aus. Liam wusste, dass er auf jeden Fall einen Vaterschaftstest machen lassen würde, und selbstverständlich würde er auch mit Rebecca sprechen müssen. Aber eines war ihm jetzt schon klar: Bonnie war sein Kind.

Sie war eine Hawke.

Als er in den Sessel sank und in die Augen seiner Tochter starrte, stand die Welt plötzlich still.

Sie war sein Baby.

Sein Herz zog sich zusammen, dann schien es sich plötzlich zu weiten und seine Brust, seinen ganzen Körper auszufüllen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte sich Liam Hawke Hals über Kopf verliebt.

Die Welt um ihn herum versank, während er mit seiner Tochter im Arm im Sessel saß und ihr von ihrer neuen Familie erzählte – von ihren beiden Onkeln und von seinen Eltern, die ihr erstes Enkelkind abgöttisch lieben und verwöhnen würden. Noch vor einer Stunde war er mit seinem Bruder Dylan zu einem geschäftlichen Treffen zum Familienunternehmen Hawke’s Blooms unterwegs gewesen. Aber anstatt die neuesten Zahlen über den Anbau und Verkauf von Blumen zu erörtern, saß er jetzt hier und hielt ein kleines Mädchen auf dem Arm.

In diesem Moment betrat ein Paar mittleren Alters den Raum, und Liam wurde aus seinen Gedanken gerissen. Beide sahen ihn misstrauisch an.

„Wer sind Sie denn?“, fragte ihn die stark geschminkte Frau.

Instinktiv drückte er Bonnie ein wenig fester an sich. Das mussten Rebeccas Eltern sein. Er hatte sie während ihrer Affäre nie getroffen. Aber schließlich hatte die Beziehung zu Rebecca auch nur knapp drei Monate gedauert. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass er die beiden in Zukunft öfter sehen würde.

„Liam Hawke“, stellte er sich höflich vor. „Ich bin Bonnies Vater.“

Stirnrunzelnd trat der Mann auf ihn zu. „Wie haben Sie von Bonnie erfahren?“

„Rebecca hat die Hebamme gebeten, mich zu informieren.“ Weil er Bonnie nicht stören wollte, blieb er im Sessel sitzen. „Aber die entscheidende Frage ist doch wohl eher, warum ich nicht von ihr erfahren sollte?“

„Das hätte Rebecca nie getan“, widersprach die ältere Frau energisch. „Sobald sie aus dem Krankenhaus entlassen wird, werden sie und das Baby bei uns wohnen. Ich weiß nicht, ob Sie darüber informiert sind, aber sie ist vor zwei Monaten bei uns eingezogen. Wir werden das Kind zusammen aufziehen. Daher können Sie uns Bonnie auch gleich wieder übergeben und gehen. Wenn Rebecca gewollt hätte, dass Sie von der Geburt erfahren, hätte sie uns das früher gesagt.“

Liam holte tief Luft und zwang sich, ruhig zu bleiben. Schließlich befand sich Rebecca, die Tochter des Paares, auf der Intensivstation. Da konnte man verstehen, dass ihre Eltern beunruhigt waren. Aber wenn sie glaubten, dass er einfach von der Bildfläche verschwinden würde, hatten sie sich geirrt.

„Sie wollten mir also nicht sagen, dass ich ein Kind habe?“

„Das war Rebeccas Idee“, erwiderte ihr Vater.

Unglaublich, wie arrogant diese Leute waren! Wie konnte man einem Vater die Geburt seines Kindes verheimlichen?

„Und Rebecca konnte sich nicht vorstellen, dass ich darüber unterrichtet werden möchte? Dass Bonnie einen Vater brauchen könnte?“

Die Frau schnaubte. „Sie können ihr nichts geben, was sie nicht auch von uns bekommen kann. Wir sind wesentlich reicher als Sie. Doch vor allem wird Bonnie von Menschen umgeben sein, die fähig sind, sie zu lieben.“

Liam wusste, worauf sie anspielte. Ja, seine Familie war begütert, aber sie wurden als Neureiche betrachtet. Das war ein Vorurteil, dem er schon öfter begegnet war. Ein Vorurteil von Menschen, die ihr Geld geerbt und in ihrem ganzen Leben noch nicht gearbeitet hatten. Solche Leute konnte er einfach nicht respektieren.

Er wollte schon antworten, dachte dann aber an die zweite Spitze, die die Frau gegen ihn geäußert hatte. Was mochte Rebecca ihren Eltern von ihm erzählt haben? Sie waren zwar nicht gerade als Freunde auseinandergegangen, aber auch nicht als Feinde. Woher stammte also dieses Misstrauen, das ihre Eltern ihm entgegenbrachten?

In diesem Moment betrat ein Mann im Arztkittel das Zimmer. Er wirkte erschöpft. „Mr und Mrs Clancy?“

„Ja?“ Erschrocken griff Rebeccas Mutter nach der Hand ihres Mannes. „Was ist mit Rebecca? Ist sie noch immer auf der Intensivstation? Wie geht es ihr?“

Der Arzt schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten. Ihre Tochter hat sehr gekämpft, aber am Ende hat ihr Körper …“

„Sie ist tot?“, fragte Mr Clancy mit erstickter Stimme.

„Ja, es tut mir sehr leid.“

Mrs Clancy schluchzte laut auf und schlug die Hände vors Gesicht. Ihr Mann zog sie schweigend an sich. Auch Bonnie fing an zu weinen. Liam sah seine winzige Tochter fassungslos an.

Ihre Mutter war gerade gestorben. Bonnie war jetzt eine Halbwaise. Und er hatte keine Ahnung, was er tun sollte.

Während der Arzt mit Rebeccas Eltern sprach, trat die Säuglingsschwester auf ihn zu und nahm ihm Bonnie ab, um sie zu beruhigen. Liam ließ es geschehen. Er hatte das Gefühl, als wäre alles völlig unwirklich, als würde er sich in einem Film befinden.

„Das tut mir so leid, Mr Hawke“, sagte die Schwester mitfühlend zu ihm.

„Was …“ Er räusperte sich. „Was passiert jetzt mit Bonnie?“

„Rebecca hat die Geburtsurkunde bereits ausgefüllt und Sie als Vater eingetragen. Was das Krankenhaus betrifft, haben Sie damit das Sorgerecht. Wenn Sie davon allerdings keinen Gebrauch machen möchten, weiß ich, dass die Eltern der Mutter das Kind aufziehen wollen. Wie wäre es, wenn ich der Sozialarbeiterin Bescheid geben würde? Sie kann Ihnen dabei helfen, sich zu einigen.“

Bonnie war inzwischen wieder ruhiger geworden. Bonnie. Sein Baby! Liam streckte die Hand nach ihr aus und streichelte vorsichtig ihre winzige Faust.

„Nein, das wird nicht nötig sein“, erwiderte er fest. „Bonnie wird bei mir leben. Ich werde meine Tochter selbst großziehen.“

Die Säuglingsschwester sah ihn lächelnd an. „Gut, dann werden wir Ihnen ein paar grundlegende Dinge zeigen, zum Beispiel, wie Sie sie füttern müssen. Alle Tests wurden bereits gemacht. Wenn Sie wollen, können Sie sie gleich mitnehmen.“

Das ging ja nun alles doch sehr schnell. Liam bekam es mit der Angst zu tun. Er hatte schließlich keine Ahnung von Babys.

Und plötzlich stand Rebeccas Mutter wie ein Racheengel vor ihm. Sie machte Anstalten, nach dem Kind zu greifen. „Ich nehme sie mit“, erklärte sie ohne Umschweife.

Ohne sie zu beachten, reichte die Schwester Liam das Kind. „Tut mir leid, aber Mr Hawke ist ihr Vater. Das hat Ihre Tochter auf der Geburtsurkunde eingetragen. Er hat das Sorgerecht.“

Rebeccas Vater trat mit geröteten Augen zu ihnen. „Das werden wir ja noch sehen. Dieser Mann ist nicht in der Lage, ein Kind großzuziehen. Das werde ich, wenn nötig, auch vor Gericht aussagen.“

Liam zuckte nicht mit der Wimper. Die Clancys konnten machen, was sie wollten. Niemand würde ihm seine Tochter wegnehmen.

Als Jenna die gerade gelieferten Blumen – Jasminblüten und gelbe Lilien – in einer Vase arrangierte, hörte sie, wie ihr Boss, Dylan Hawke, zurückkam. Anscheinend war Liam, sein Bruder, mit dabei. Liams tiefe, dunkle Stimme ging ihr wie immer durch und durch.

Da sie ihnen nicht über den Weg laufen wollte, stellte sie die Vase zurück auf den Tisch und eilte aus dem Wohnzimmer. Eines hatte sie während ihrer Kindheit in einem fürstlichen Palast gelernt: Man erwartete von dienstbaren Geistern, dass sie möglichst kompetent und vor allem unsichtbar waren.

Aus der Küche vernahm sie plötzlich das Schreien eines Babys. Es klang wie ein Neugeborenes – und prompt sehnte sich Jenna nach ihrer kleinen Tochter Meg. Aber Meg war bei der Tagesmutter. Sie war inzwischen schon acht Monate alt, und ihr Schreien klang anders. Ihr Chef Dylan und seine beiden Brüder Liam und Adam waren alle Junggesellen. Wo sollte also ein Baby herkommen?

In diesem Moment erschien Dylan im Flur. „Jenna, gut, dass Sie hier sind. Wir brauchen Ihre Hilfe!“

„Kein Problem“, erwiderte sie und folgte ihm zurück ins Wohnzimmer. Mitten im Zimmer stand Liam. Er hielt ungeschickt ein kleines Baby im Arm, das jetzt laut zu weinen begann.

„Du erinnerst dich doch noch an Jenna, oder?“, fragte Dylan seinen Bruder. „Sie hat selbst ein kleines Kind und wird wissen, was zu tun ist.“

Jenna sah verwirrt von Dylan zu Liam. „Was zu tun ist, wobei?“, fragte sie.

„Bei … Mit dem Baby, natürlich.“

„Verstehe.“ Ja, vielleicht konnte sie ihnen wirklich helfen. Die beiden Männer schienen jedenfalls überfordert zu sein.

Liam sah sie misstrauisch an. Er war offensichtlich nicht überzeugt von ihren Fähigkeiten. Aber dass er Hilfe brauchte, stand außer Frage. Denn das Baby schrie jetzt immer lauter und wand sich in seinen Armen. Trotzdem schien er nicht gewillt zu sein, es ihr zu überlassen. Diesen Beschützerinstinkt respektierte sie, und er berührte sie tief.

„Hallo, Mr Hawke“, sagte sie daher und lächelte ihn an. „Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern. Ich bin Jenna Peters, und meine kleine Tochter Meg hat genauso geschrien, als ich sie vor ein paar Monaten nach Hause gebracht habe. Inzwischen kann ich besser mit ihr umgehen. Vielleicht kann ich Ihnen ja ein paar Tipps geben?“

Liam zögerte kurz. „Bonnie“, sagte er mit rauer Stimme. „Ihr Name ist Bonnie.“

Bei diesen Worten erschien ein warmer Glanz in seinen grünen Augen. Jennas Herz machte unwillkürlich einen Satz. Sie spürte die Hitze seines Körpers, atmete seinen männlichen Duft ein …

Doch dann riss sie sich wieder zusammen. Hier ging es um das Baby. Sie streckte die Arme aus, und Liam reichte ihr widerstrebend das kleine Bündel.

Jenna drückte das Baby an ihre Brust, ging im Zimmer auf und ab und summte leise vor sich hin. Nach ein paar Minuten beruhigte sich das Baby und hörte auf zu schreien. „Hallo, Kleines“, sagte sie zärtlich und betrachtete den Säugling neugierig.

Dylan nickte beifällig. „Gut gemacht, Jenna.“

Aber sie schaute zu Liam hinüber. Er starrte erst sie, dann das Baby an. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war schwer zu deuten.

Dann räusperte er sich. „Wie haben Sie das gemacht?“

„Ich habe sie an mein Herz gelegt“, erklärte Jenna. „Babys lieben das.“

„Danke“, sagte er ernst.

Jenna nickte stumm. Plötzlich fühlte sie sich befangen. Natürlich hatte sie Liam schon getroffen, aber sie war ihm noch nie zuvor so nahe gewesen. Die Intensität seiner Ausstrahlung überwältigte sie. Er sah seinem Bruder zwar ähnlich, wirkte aber männlicher.

Sie schluckte und zwang sich, zu sprechen. „Was für ein hübsches Baby! Kümmern Sie sich um sie?“

„Das könnte man so sagen“, erwiderte Liam mit ausdrucksloser Stimme. „Ihre Mutter ist gerade gestorben.“

Jenna erschrak. „Oh, das tut mir so leid! Ist Bonnie Ihre Tochter?“

„Ja“, entgegnete Liam nur, aber in diesem einen Wort lag so viel Gefühl, dass Jenna unwillkürlich Tränen in die Augen traten.

Dylan trat näher und erklärte: „Bevor wir das Krankenhaus verlassen haben, hat eine Säuglingsschwester Liam erzählt, wie man mit Babys umgehen soll. In der Zwischenzeit habe ich einen Kindersitz für den Jeep besorgt. Doch auf der Rückfahrt hat die Kleine andauernd geschrien. Deshalb dachte ich, es wäre besser, wenn wir zuerst mit Ihnen sprechen, bevor Liam mit Bonnie nach Hause fährt. Schließlich kennen Sie sich mit Kleinkindern aus.“

Jenna nickte. Sie hatte einige Fragen, die sie jedoch für den Moment zurückstellte. Aber es war schon merkwürdig: Wenn Liam gewusst hatte, dass er ein Baby mit nach Hause nehmen würde, warum hatte er dann vorher keinen Kindersitz besorgt?

„Vielleicht ist sie hungrig?“

Liam schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Bevor wir gefahren sind, hat sie im Krankenhaus etwas bekommen.“

Jenna reichte ihm die Kleine. Er nahm sie vorsichtig in die Arme und streichelte ihr zärtlich über den Rücken.

„Sie leben allein, stimmt’s?“, fragte er Jenna dann.

„Ja, mit meiner kleinen Tochter Meg.“ Dylans Haus erstreckte sich über drei Stockwerke. Dylan schlief oben, und Jenna wohnte mit Meg im Erdgeschoss.

Seit über einem Jahr arbeitete sie jetzt als Haushälterin für Dylan. Sie hatte sich um den Job beworben, als sie mit Meg im vierten Monat schwanger gewesen war. Dylan Hawke war ein prima Boss, und sie war mit ihrem Los mehr als zufrieden. Schließlich hatte Dylan ihr nicht nur einen Job, sondern auch einen Platz zum Wohnen angeboten. Mehr brauchte sie im Moment nicht.

Als unverheiratete Tochter der fürstlichen Familie von Beltsee kam es nicht infrage, schwanger zu werden. Daher hatte Prinzessin Jensine Larson ihre Heimat verlassen, bevor jemand von ihrem Zustand erfuhr. In Los Angeles hatte sie dann ein neues Leben als Jenna Peters angefangen. Aber sie hatte weder Freunde noch Familie in den USA, daher war ihr der Job bei Dylan wie ein Gottesgeschenk vorgekommen.

„Tut mir leid, doch jetzt muss ich wirklich weitermachen“, sagte sie und wandte sich zum Gehen. Aber Liam trat ihr in den Weg.

„Wo ist Ihr Kind, während Sie arbeiten?“

„Bei der Tagesmutter.“

Er sah sie eindringlich an. „Wäre es Ihnen nicht lieber, wenn Ihre Tochter bei Ihnen sein könnte?“

Jenna zögerte. Sie sah von Liam zu Dylan und wieder zurück. Die Antwort auf diese Frage lag auf der Hand. Allerdings befand sich ihr Chef mit im Zimmer.

„Natürlich würde ich Meg gern bei mir haben“, sagte Jenna diplomatisch. Aber auch wenn sie ihr Kind zu Hause in Beltsee zur Welt gebracht hätte, würde sie die Kleine nicht oft sehen. Meg würde von Kindermädchen aufgezogen werden, genau wie Jenna früher. „Aber ich muss mir meinen Lebensunterhalt verdienen und bin bereit, dafür Opfer zu bringen“, fuhr sie fort. „Ihr Bruder ist ein großartiger Arbeitgeber, und ich bin ihm sehr dankbar für diesen Job. Daher muss ich auch jetzt …“

„Moment noch“, sagte Liam.

Gegen ihren Willen blieb Jenna stehen.

„Ich werde bei Bonnie Hilfe brauchen.“ Liam sah ihr direkt in die Augen.

Sie nickte und lächelte ihn ermutigend an. „Keine schlechte Idee. Ein Kind allein großzuziehen, ist gar nicht so einfach. Vielleicht könnten Ihre Eltern Sie ja dabei unterstützen.“

Das wäre in der Tat das Beste gewesen. Wenn Liam gewusst hätte, dass er Vater werden würde, hätte er seine Eltern bestimmt sofort eingeweiht. „Leider sind sie nicht da“, erwiderte er bedauernd. „Sie sind für ein paar Monate nach Europa gefahren.“

Dylan schmunzelte. „Sie haben sich so sehr auf die Reise gefreut. Aber jetzt muss man leider sagen, dass ihr Timing ziemlich schlecht war.“

„Sie sollten ein Kindermädchen für Bonnie anstellen“, schlug Jenna vor.

Genau das hatte Liam auch schon gedacht. Denn obwohl er seine Tochter vom ersten Moment an abgöttisch geliebt hatte, wusste er, dass er keine Ahnung von Babys hatte. Als sie geschrien hatte, war er völlig hilflos gewesen. Doch jetzt hatte ihm das Schicksal plötzlich die Person beschert, die sich mit so etwas auskannte: Jenna Peters.

Koste es, was es wolle – er würde alles tun, um sie für Bonnie zu engagieren.

Liam sah seinen jüngeren Bruder streng an. „Du wirst mir jetzt einen Gefallen tun.“

„Ach, ja?“ Dylan verschränkte die Arme vor der Brust. „Und was soll das sein?“

„Du wirst deine Haushälterin gehen lassen.“

„Warum sollte ich das tun? Ich mag Jenna.“

Liam lächelte. „Sie kann nicht deine Haushälterin bleiben, weil sie mein Kindermädchen wird.“

„Ihr Kindermädchen?“, fragte Jenna stirnrunzelnd. „Ich habe nicht vor, meinen Job aufzugeben.“

„Sie werden aber nicht nur Kindermädchen sein, sondern mir auch beibringen, wie man sich als Vater verhält.“

„Sie sind doch schon Vater!“

„Theoretisch. Doch ich habe keinerlei praktische Erfahrung.“ Liam wusste, dass er Jenna gegenüber vollkommen ehrlich sein musste, wenn er sie für Bonnie anstellen wollte. „Ich muss lernen, wie man sich um ein Baby kümmert und eine Verbindung zu ihm aufbaut. Leider hatte ich keine Zeit, mich auf diese Aufgabe vorzubereiten, und ich will nicht, dass Bonnie die Leidtragende ist. Sie würden so etwas wie ein Coach für mich als Vater sein.“

Bonnies Großeltern waren empört gewesen, dass er ihnen das Kind weggenommen hatte. Aber sie mussten erst einmal über den Tod ihrer Tochter hinwegkommen. Liam ging davon aus, dass sie ihm das Sorgerecht streitig machen würden. Doch damit würde er sich befassen, wenn es so weit war. Im Moment ging es erst einmal um das, was Bonnie brauchte.

„Ich bin aber keine Expertin“, erwiderte Jenna kopfschüttelnd. „Dafür gibt es viel qualifiziertere Leute als mich. Zum Beispiel Agenturen, die Kindermädchen und Babysitter vermitteln.“

Liam sah stolz auf seine Tochter, die friedlich schlummerte. „Bonnie scheint das anders zu sehen.“

„Ein müdes Baby zum Schlafen zu bringen, ist eine Sache. Aber glauben Sie mir, ich bin selbst noch Anfängerin, was die Bedürfnisse eines Kleinkinds betrifft. Obwohl ich schon eine Menge Bücher darüber gelesen habe, tappe ich doch oft im Dunkeln und rate nur.“

Liam zuckte die Achseln. „Trotzdem sind Sie viel weiter als ich. Sie werden Ihr Wissen mit mir teilen, und ich werde mich bemühen, Ihren Vorsprung aufzuholen. Jedenfalls kann ich Ihnen versprechen, dass ich mir redliche Mühe geben werde. Ich möchte alles über Babys lernen.“

Jenna zog eine Grimasse. Offenbar wusste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie glaubte ihm vermutlich nicht, doch er war ein Mann, der vor keiner Herausforderung zurückschreckte. Und in diesem Fall war Bonnie die Herausforderung.

„Also, werden Sie den Job annehmen?“

„Nicht so schnell! Hier geht es ja nicht nur um einen Job, sondern auch um einen Platz für mich und meine Tochter. Was geschieht, wenn ich Ihnen alles beigebracht habe, was Sie wissen wollen? Ihr Bruder hat mir eine Arbeit und ein Dach über dem Kopf geboten. Bestimmt würde er schnell einen Ersatz für mich finden. Und was wird dann aus mir und Meg?“

Liam schüttelte den Kopf. „Selbst wenn Sie mir alles beigebracht haben, was Sie wissen, würde ich immer noch ein Kindermädchen brauchen. Jedenfalls so lange, bis Bonnie zur Schule geht. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie auf keinen Fall hinauswerfen werde.“

Jenna biss sich auf die Unterlippe und dachte angestrengt nach. „Kann ich es mir noch überlegen?“

„Nein, ich fürchte, dazu ist keine Zeit. Ich bin auf dem Heimweg und habe Dylan nur hier abgesetzt. Am liebsten wäre mir, wenn Sie gleich mit mir kommen und mir beim Füttern und Baden von Bonnie helfen würden.“

„Jetzt gleich?“, fragte Jenna mit weit aufgerissenen Augen.

„Packen Sie Ihre Tasche, dann können wir auf dem Weg noch Meg mitnehmen. Morgen schicke ich jemanden vorbei, der Ihre restlichen Sachen abholt.“

„Hey, was ist mit mir?“ Verwirrt sah Dylan von einem zum anderen.

Liam winkte ab. „Ich bin sicher, dass du eine Weile ohne Haushälterin überleben kannst. Und wenn du jemanden brauchst, rufst du einfach die Agentur an.“ Ungeduldig wandte er sich zu Jenna um. „Also, nehmen Sie mein Angebot an?“

„Aber …“

„Bitte machen Sie es nicht zu kompliziert. Ich habe Ihnen einen Job angeboten, und Sie sind die Richtige dafür. Als Ausgleich biete ich Ihnen zwanzig Prozent mehr Gehalt, und selbstverständlich können Sie auch bei mir wohnen. Das Beste ist aber, dass Sie Ihr Kind bei sich behalten können, statt Meg zur Tagesmutter zu geben. Kommen Sie schon!“ Er lächelte. „Geben Sie sich einen Ruck, und sagen Sie Ja!“

Jenna sah hilflos zu Dylan hinüber. Der zuckte mit den Schultern. „Von mir aus“, sagte er dann. „Wenn Sie den Job nehmen wollen, haben Sie meinen Segen. Mein Bruder und meine Nichte brauchen Sie offensichtlich dringender als ich.“

Jenna holte tief Luft. „Ja“, sagte sie dann und klang fast überrascht. „Ja“, wiederholte sie noch einmal mit fester Stimme.

„Prima!“ Liam lächelte erfreut. „Wie lange wird es dauern, bis Sie Ihre Tasche gepackt haben?“

„Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, kann ich mir ein Taxi nehmen und in einer Stunde bei Ihnen sein.“

„Ich warte lieber.“ Er war entschlossen, mit ihr und Bonnie nach Hause zurückzukehren.

„Na gut, wie Sie wollen. Ich beeile mich.“

Zufrieden sah Liam Jenna nach, als sie das Wohnzimmer verließ. Ihm gefiel die Art, wie sie sich bewegte. Sie bei sich wohnen zu lassen, war eine gute Idee – nicht nur wegen Bonnie.

Doch kaum war der Gedanke aufgetaucht, verwarf er ihn gleich wieder. Jetzt ging es um Wichtigeres als darum, sich von einer attraktiven Frau bezaubern zu lassen. Im Gegenteil – eine erotische Anziehung würde eher ein Problem darstellen. Er hatte ein Kindermädchen für sein Baby gefunden und würde dies nicht dadurch in Gefahr bringen, dass er sich wie ein Teenager verhielt, der von seinen Hormonen gesteuert wurde.

Autor

Rachel Bailey

Rachel Bailey war während ihrer Schulzeit nicht sehr interessiert am Schreiben und lesen. Physik, Chemie und Biologie waren ihre Lieblingsfächer. Ihre Mutter machte sich darüber lustig, dass sie wissenschaftliche Lehrbücher in den Urlaub mitnahm. Nach der Schule machte sie einen wissenschaftlichen Abschluss (wer hätte das auch anders gedacht?) aber ganz...

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