Heiß geküsst - eiskalt betrogen?

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"Was ist nur los mit dir?" Vanessa schaut Luke verständnislos an. Sie ist noch atemlos von seiner Liebe, da stößt er sie schon wieder weg! Was verbirgt der Bodyguard vor ihr? Vanessa macht sich mit den erotischen Waffen einer Frau daran, sein Geheimnis zu ergründen …


  • Erscheinungstag 07.09.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527989
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Durch die Gitterstäbe hindurch sah Luke Berringer in die Nach­barzelle und betrachtete die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Wenn er sie heute Nachmittag nicht kurz vor der Explosion aus ihrem Haus gerettet hätte, würden sie beide jetzt nicht hier sein und darauf warten, dass die Polizei das ganze Chaos auflöste.

Bis dahin saßen sie hier fest. Wieso behauptete sie bloß, er sei ein Fremder? Und warum spielte sie das unschuldige Opfer? Nicole Brooks war alles andere als unschuldig, und das würde er beweisen.

Luke wollte auf seine Armbanduhr sehen, aber die hatte er bei der Einlieferung abgeben müssen. Erst bei seiner Freilassung würde man sie ihm wiedergeben, aber das konnte jetzt nicht mehr lange dauern.

Seine Cousins, die beiden anderen Mitglieder des Sicherheitsdienstes „Berringer Bodyguards“, würden ihn schon bald hier herausholen.

Allerdings würde Nicky nicht ganz so viel Glück haben.

Wieder beobachtete er sie, wie sie in ihrer Zelle auf und ab lief. Sie nannte sich jetzt Vanessa Grant und verhielt sich anders, doch Luke erkannte die echte Nicky, auch wenn sie sich sanfter und warmherziger gab.

„Ich muss zugeben, dein Look gefällt mir. Aber eine Lehrerin? Ehrlich, Nicky? Du hast dir doch nie was aus Kindern gemacht. Muss ziemlich stressig sein, diese Rolle tagaus, tagein zu spielen.“

Sie wandte sich ihm zu. „Hören Sie auf, mich Nicky zu nennen!“

„Wozu die Show? Die Wahrheit kommt ohnehin bald ans Licht. Gewöhn dich lieber schon mal an diese Umgebung. Könnte etwas dauern, bis du hier rauskommst.“

Mit einem entnervten Laut kam sie näher, packte die Gitterstäbe und sah ihm durchdringend in die Augen. „Mr Berringer, Sie sitzen ebenfalls in einer Zelle. Ich bin hier nur das Opfer. Ihr Background wird gerade durchleuchtet, da bin ich sicher. Was für ein Zufall, dass Sie gerade auftauchen, kurz bevor mein Haus in die Luft fliegt. Und dass Sie auch noch wussten, wann genau es explodiert! Aber wieso wollen Sie mich tot sehen? Ich kenne Sie nicht mal.“

Luke schoss vor und hielt ihre Hände an den Stäben fest, als sie sich loszureißen versuchte. „Und ob du mich kennst. Sehr gut und intim sogar, genau wie ich dich kenne. Ich weiß, wie du dich anfühlst, wie du schmeckst und wie du aufschreist, wenn du …“

„Schluss damit!“ Sie riss sich los. „Sie wissen gar nichts über mich, schon gar nicht irgendwelche intimen Details!“

Sie war rot geworden, und ihr Atem ging angestrengt, sodass Luke unwillkürlich zu ihrer engen Bluse sah. „Hast du obenrum was machen lassen? Sieht nicht mehr ganz so üppig aus.“

Fassungslos sah sie ihn an, und er lachte auf.

„Keine Sorge, sieht immer noch sehr hübsch aus, lediglich ein bisschen … dezenter. Wahrscheinlich willst du in deinem neuen Job keine Aufmerksamkeit auf dich ziehen. Hat nicht ganz geklappt, oder? Sonst hätte nicht jemand versucht, dich in die Luft zu jagen. Ich habe dir das Leben gerettet! Dieses Detail hast du vergessen zu erwähnen. Glaub mir, bei den Beweisen, die ich dem Detective gegeben habe, sitzt du richtig im Dreck, Sweetheart. Und weißt du was? Das freut mich riesig.“

Von einer Sekunde zur anderen verpuffte ihre Wut, und zurück blieb eine erschöpfte Frau mit Tränen in den Augen.

„Wieso tun Sie das? Erst retten Sie mir das Leben, und dann führen Sie sich auf, als würden Sie mich hassen. Sie müssen mich mit dieser Nicky verwechseln, wer immer das auch ist.“

Den plötzlichen Anflug von Mitgefühl schüttelte Luke schnell ab. Nicky war eine Expertin darin, die Gefühle anderer zu manipulieren. Genau deswegen war sie als Betrügerin und Diebin so erfolgreich. „Nein, ich hasse dich nicht. Ich will nur, dass du für das bezahlst, was du mir und anderen angetan hast. Unschuldigen Menschen.“

Nachdenklich sah sie ihn an und wischte sich die Tränen weg. „Was genau soll ich denn getan haben?“

Wollte sie tatsächlich ihre Rolle weiterspielen? Na gut, er hatte im Moment ohnehin nichts Besseres zu tun.

Luke setzte sich auf die Pritsche und atmete tief durch. „Du hast ein sehr wertvolles Computerprogramm gestohlen, um es an den Meistbietenden zu verkaufen. Anscheinend hat das nicht geklappt, sonst wärst du nicht hier in Florida, um etwas Neues auszuhecken. Außerdem ist das Programm noch nirgendwo aufgetaucht.“ Einen Moment schwieg er. „Du hast mit mir geschlafen und mich fast davon überzeugt, dass da mehr zwischen uns ist. Ich habe dir vertraut, und das hast du ausgenutzt. Du hast Marcus Yates reingelegt, und als man ihm den Diebstahl vorgeworfen hat, hat er sich umgebracht. Letztlich tragen wir beide die Schuld daran, Nicky, aber du hast das alles eingefädelt.“

Er sprach ganz ruhig, und sie hörte regungslos zu.

„Das klingt entsetzlich, aber ich arbeite seit acht Jahren hier als Lehrerin. Ich habe Sie nie gesehen, geschweige denn mit Ihnen geschlafen, und …“

Er hielt eine Hand hoch. „Bitte. Zweimal kommst du mit derselben Masche nicht bei mir durch.“ Erschöpft verschränkte er die Arme vor der Brust. Er wollte nur noch, dass all das hier vorbei war.

Sie sagte nichts mehr, und er dämmerte gerade ein, als ein Detective seine Zelle aufschloss.

„Mr Berringer, Sie können gehen.“

„Was? Soll das ein Witz sein? Wahrscheinlich war er es, der die Bombe gelegt hat!“

„Dafür gibt es keine Beweise, Miss Grant. Mr Berringer ist ein seriöser Personenschützer, und er hat Sie gerettet. Wir warten lediglich noch ein paar letzte Bestätigungen Ihrer Aussagen ab, dann lassen wir Sie auch gehen.“

„Aber …“

Lächelnd verließ Luke die Polizeiwache, während Nicky ihm fassungslos nachsah. Bestimmt würde die Polizei herausfinden, dass nichts von ihrer Story stimmte, und Luke würde liebend gern vor Gericht gegen sie aussagen.

Endlich gab es Gerechtigkeit.

Auf dem Weg zum Ausgang vibrierte sein Handy. Es war sein Cousin Garrett, der wissen wollte, was geschehen war. „Garrett.“

„Luke. Sie haben dich schon rausgelassen?“

„Ja, danke, dass du so schnell geantwortet hast.“

„Klar doch. Obwohl Jonas dich noch ein, zwei Tage schmoren lassen wollte. Nur so zum Spaß.“

„Haha, sehr lustig. Hast du was herausgefunden?“

Luke hatte seine Cousins über Vanessa Grant recherchieren lassen. Selbst wenn die Polizei auf ihre falsche Identität hereinfiel, seine Cousins würden sie durchschauen.

„Sorry, Luke. Du willst es vielleicht nicht hören, aber Vanessa Grant ist sauber. Arbeitsverhältnis, Fingerabdrücke, Adoptionsurkunde, alles passt ins Bild. Sieben Jahre hat sie in einem Pflegeheim gelebt, dann wurde sie adoptiert, hat die Highschool abgeschlossen und ist aufs College gegangen. Alles belegt. Zugegeben, sie sieht Nicole Brooks sehr ähnlich, aber sie hat bereits als Lehrerin an der Schule gearbeitet, als du mit Nicky zusammen warst. Wir haben die Fotos aus ihrem Jahrbuch von damals gesehen. Sie ist es nicht.“

Schweigend schloss Luke die Augen. War so eine Verwechslung möglich? Nein, er hatte sie doch aus der Nähe gesehen. Er war sich sicher. „Garrett, wie viele Grundschullehrer werden zum Ziel eines Sprengstoffanschlags? Außer mir ist noch jemand hinter dieser Frau her, und das muss einen Grund haben.“

„Richtig, aber wenn diese Frau Nicky ist, die unter einem Pseudonym lebt, dann ist es die beste Tarnung, die ich je erlebt habe. Sie versucht nichts zu verbergen, und das tut sie bereits seit über zehn Jahren.“

„Klingt alles wasserdicht.“ Luke überlegte, wie Nicole das geschafft hatte. Nicht mal sie konnte an zwei Orten gleichzeitig sein. Hatte sie eine Komplizin? Hatte sie noch irgendeine ahnungslose Unschuldige dazu gebracht, ihr bei ihren Plänen zu helfen?

Möglich war es. Vielleicht wurde Vanessa Grant auch die ganze Zeit über von Nicole ausgenutzt, ohne es zu wissen. Und jetzt war Nicky fertig mit ihr, oder sie sah sie als Bedrohung an, die es zu beseitigen galt.

Das würde erklären, wieso jemand versuchte, eine Grundschullehrerin in die Luft zu sprengen. Es bedeutete, dass die Frau weiterhin in Gefahr war. Luke erklärte Garrett seine Theorie.

„Schon möglich. Und was wirst du jetzt tun?“

„Bin mir nicht sicher. Ich beschatte sie und warte ab, was passiert. Wenn sie Nicole ist, wird sie sich verraten. Wenn nicht, dann werden die Leute, die es auf sie abgesehen haben, es wieder versuchen, und ich erfahre, wer diese Typen sind. Vielleicht finde ich auf diesem Weg auch Nicky.“

„Sei vorsichtig, Luke. Dieser Job ist schon hart genug, wenn wir genau wissen, aus welcher Richtung die Gefahr droht.“

„Verstanden. Ich melde mich wieder.“ Er beendete das Gespräch.

Einst hatte er einen sehr erfolgreichen Software-Konzern geleitet und mehr Geld besessen, als er jemals ausgeben konnte. Dann hatte Nicky das alles zum Einsturz gebracht. Luke vermisste weder die Arbeit noch den Reichtum, doch es hatte lange gedauert, bis er sein Leben wieder geordnet hatte. Ihm gefiel sein jetziger Lebensstil, und er mochte die Arbeit mit seinen Cousins.

Nur noch ein letzter Schritt war nötig, damit er sich ganz auf die Zukunft konzentrieren konnte. Er musste Nicky den Strafverfolgungsbehörden übergeben, und wenn sie jetzt ein weiteres Leben in Gefahr gebracht hatte, so war das nur ein Grund mehr. Ob Vanessa Grant tatsächlich so unschuldig war, das würde er herausfinden.

Starr blickte Vanessa an die modrige Zellenwand. Ihr tat jeder Knochen weh, sie fühlte sich verschwitzt, schmutzig und erschöpft. Immer hieß es, sie könne bald gehen, aber jetzt saß sie bereits den ganzen Tag in dieser Zelle. Luke Berringer lief frei herum, während sie hier wie eine Kriminelle festgehalten wurde. Das alles ergab doch keinen Sinn.

Was geschehen war, kam ihr so unwirklich vor. Nur die Kratzer und Prellungen, die davon stammten, dass dieser Berringer sie aus dem Umkreis der Explosion gestoßen hatte, bewiesen ihr, dass es Wirklichkeit gewesen war. Er musste geistig gestört sein, dass er sie für die Frau hielt, die sein Leben zerstört hatte. Trotzdem hatte die Polizei ihn laufen lassen. Dieser Mann war Bodyguard? Vanessa konnte es nicht fassen.

Gab es nicht auch Menschen, die Katastrophen inszenierten, nur um jemanden zu retten und sich als Held ins Rampenlicht zu rücken? Aber dieser Mann wollte nicht mal ihren Dank, er wollte sie nur einsperren lassen. Außerdem hatte er behauptet, sie zwei hätten etwas Intimes miteinander gehabt.

Vanessa schlang die Arme um sich, damit sie nicht zu zittern anfing. Der Kerl sah sehr gut aus, aber die Art, wie er sie angesehen hatte! Das war viel zu vertraulich gewesen. Und was er gesagt hatte, war ebenso unangebracht gewesen.

Sie dachte an die Klassen und Kurse, die sie noch vorzubereiten hatte, auch wenn gerade ihr ganzes Leben in die Luft gejagt worden war. Heute Abend musste sie zum Begrüßungsabend für neue Lehrer und Schüler. Keine zwei Stunden blieben ihr, um vorher zu duschen und sich etwas Frisches anzuziehen. Sie hatte die Explosion überlebt, und jetzt wollte sie ihr Leben fortführen. War das nicht eine sehr gesunde Einstellung?

Als ihr klar wurde, dass sie überhaupt kein Zuhause mehr hatte, in dem sie duschen konnte, fing sie wieder an zu zittern. Sie hatte überhaupt nichts mehr.

Ihr blieben nichts als die Kleider, die sie trug, und der Inhalt ihrer Handtasche. Selbst ihr Auto war als Beweismittel beschlagnahmt worden.

Die kleine Zelle schien sich plötzlich zu drehen, und Vanessa setzte sich schnell auf die Pritsche. Wo sollte sie jetzt hin? Ein Hotel konnte sie sich höchstens für zwei Nächte leisten. Wie lange mochte es dauern, bis die Versicherung ihr den Schaden ersetzte? Ihr Haus, ihr Auto! War das alles überhaupt gegen einen Sprengstoffanschlag versichert? Würde die Versicherung ihr eine vorübergehende Bleibe bezahlen?

Sie musste unbedingt ihre Familie anrufen. Sie musste eine Million Dinge erledigen, aber dafür musste sie hier raus.

In ihrem Kopf drehte sich alles, bis sie tief und ruhig durchatmete.

„Hey. Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Der Detective kam auf die Zelle zu. „Tut mir leid, dass es länger gedauert hat, aber wir mussten uns erst absichern, weil Sie zwei sich gegenseitig beschuldigt haben.“

Er öffnete die Zelle und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Vanessa zögerte. Wo sollte sie hin?

Sie straffte die Schultern und verließ die Zelle. Der Detective war ein freundlicher älterer Mann. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, und Vanessa zuckte vor Schreck zurück, fuhr herum und packte aus Reflex die Hand des Detectives.

Ihr Adoptivvater hatte ihr Selbstverteidigungstechniken beigebracht, damit sie sich nie unsicher fühlte. Seit Jahren hatte sie diese nicht mehr trainiert, aber anscheinend hatte sie nichts vergessen und reagierte instinktiv, wenn sie sich bedroht fühlte.

Sie hatte eine schwierige Kindheit in verschiedenen Pflegeheimen hinter sich, und dort hatte sie gelernt, immer wachsam zu bleiben. Sobald ein Fremder sie berührte, verfiel sie in den Verteidigungsmodus, auch wenn derjenige es gut mit ihr meinte.

„Entschuldigen Sie.“ Sie zog die Hand zurück. „Ich stehe noch unter Stress.“

„Verständlich. Sie haben heute einen Schock erlitten.“ Der Detective blieb völlig ruhig und geduldig. „Ich habe trotzdem noch ein paar abschließende Fragen an Sie: Haben Sie in letzter Zeit ungewöhnliche Dinge bemerkt? Irgendwelche Belästigungen?“

All das hatte sie bereits erzählt. „Nein, es gab lediglich ein paar seltsame Anrufe. Ich dachte, das sei nur ein übler Scherz.“

„Okay. Gestatten Sie, dass wir uns Ihre Anruferliste geben lassen? Dafür brauchen wir Ihr Einverständnis.“

„In Ordnung.“ Sie hatte nichts zu verbergen.

„Danke. Das klärt sicher vieles. Wissen Sie, wo Sie heute Nacht bleiben können?“

„Mir fällt schon was ein.“

Der Detective musterte sie. „Unter den gegebenen Umständen sollten wir Sie ein paar Nächte in Schutzhaft nehmen, bis wir wissen, wer den Sprengsatz gelegt hat und warum.“

„Das geht nicht. Ich … habe alles verloren, aber ich habe immer noch einen Job. Meine Vorgesetzten erwarten, dass ich meine Kurse vorbereite, bevor der Unterricht in zwei Wochen beginnt. Es gibt so viel zu tun, da kann ich mich nicht verkriechen.“

„Ich bin sicher, unter den gegebenen Umständen hätten sie bestimmt Verständnis.“

„Es war garantiert nur eine Verwechslung. Niemand ist hinter mir her, dazu besteht überhaupt kein Grund. Ich will nicht in Schutzhaft. Auf keinen Fall.“ Sie umklammerte ihre Hände, um das Zittern zu unterdrücken. „Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass es nicht doch dieser Luke Berringer war?“

„Ich versichere Ihnen, dass er als Verdächtiger ausscheidet.“

„Und wieso ist er zufällig vor meinem Haus, wenn er nichts damit zu tun hat?“

„Wir haben seine Referenzen überprüft. Er hat einen Software-Konzern geleitet, und jetzt ist er ein gesetzestreuer Personenschützer mit eigener Firma in Philadelphia. Er wollte sie wegen einer anderen Angelegenheit sprechen. Als er durchs Fenster gesehen hat, hat er die Situation blitzschnell richtig eingeschätzt und sofort gehandelt. Es klingt vielleicht seltsam, aber ich schätze, heute ist Ihr Glückstag, Miss Grant. Wenn er Sie nicht verwechselt hätte, wären Sie jetzt vielleicht tot.“

Glückstag, genau! „Wissen Sie denn, wieso er mich sprechen wollte? Wissen Sie, mit wem er mich verwechselt hat?“

„Da müssen Sie ihn schon selbst fragen.“

Sie runzelte die Stirn und dachte an den großen muskulösen Luke Berringer. Wie kraftvoll er ihre Arme gepackt hatte! Und als sie zusammen von der Veranda gesprungen und von der Wucht der Explosion gepackt worden waren, hatte er sie im Fallen geschützt. Auf dem Fußweg hatte sie sich einen Moment an ihn geschmiegt und sich in seinen Armen sicher gefühlt.

Dieses Gefühl war schlagartig verschwunden, als er sie Sekunden später aus seinen grünen Augen eiskalt und verächtlich angesehen hatte.

Was hatte sie getan, dass er sie so zu hassen schien?

„Also schön, wenn Sie sich sicher sind …“

Sie stand auf und wollte nur noch nach draußen ins Freie.

Als Kind war sie ein paar Mal zur Polizei gebracht worden, weil sie ausgerissen war. Die Polizisten waren immer nett zu ihr gewesen, aber das hatte nichts genützt, weil Vanessa gewusst hatte, dass man sie immer wieder ins Heim zurückbringen würde.

Jetzt hier zu sein weckte alte Kindheitsängste in ihr, die erst abgeklungen waren, als sie im Alter von zwölf Jahren von ihrer neuen Familie adoptiert worden war. Wo wäre sie ohne die Grants gelandet? Bei ihnen hatte sie Rückhalt, Geborgenheit und ein Zuhause bekommen.

„Teilen Sie uns wenigstens mit, wo Sie jetzt hingehen? Haben Sie Familie oder Freunde? Oder ziehen Sie in ein Hotel?“

Auf keinen Fall wollte sie ihre Familie in dieses Chaos mit hineinziehen. Ihre Eltern hatten sich in Vermont zur Ruhe gesetzt. Vanessa musste sie gleich als Erstes anrufen, damit sie wussten, dass ihr nichts zugestoßen war, sollten sie aus den Nachrichten von der Explosion erfahren.

„Ich weiß es im Moment noch nicht genau, aber Sie haben ja meine Handynummer, wenn Sie mich erreichen wollen. Danke für alles.“ Mit einem Lächeln wandte sie sich zum Ausgang.

2. KAPITEL

Luke saß auf den Treppenstufen vor der Polizeiwache und wartete auf Nicky.

Vielleicht hatten Garrett und die Polizei recht, aber Luke wollte sich selbst überzeugen. Falls er richtiglag, bot sich ihm hier die Chance, mit der Vergangenheit abzuschließen. Wenn allerdings die Polizei recht hatte, musste er dafür sorgen, dass Nicky nicht noch einen zweiten unschuldigen Menschen zu Tode kommen ließ. Diesmal würde er ein Leben retten.

Dann sah er sie. Die Polizei ließ sie gehen, anscheinend glaubten sie ihr wirklich.

Aus der Entfernung beobachtete er sie unauffällig, ohne dass sie ihn bemerkte.

Sie war immer noch genauso schön wie damals. Selbst der schlichte Look der Grundschullehrerin verbarg ihre natürliche Schönheit nicht. Im Grunde wirkte sie dadurch noch anziehender als in dem Glamour-Look, in dem er sie vor sechs Jahren ken­nengelernt hatte. Ihre sanfte und verletzliche Rolle wirkte täuschend echt, doch Luke wusste, wie gefährlich sie war.

Er konnte sich noch genau erinnern, wie es sich anfühlte, das Gesicht in ihr langes dunkelbraunes Haar zu schmiegen. Jede Körperstelle von Nicky kannte er, und die Erregung in ihm wuchs, bis er sich wieder ins Gedächtnis rief, was sich hinter der schönen Fassade verbarg.

Sie wirkte müde und erschöpft, und das war verständlich. Offenbar war Luke nicht der Einzige, der ihr auf den Fersen war.

Kurz rang er mit seinem Gewissen, dann stand er auf. „Nicky! Ich meine, Vanessa!“ Während er sich ihr näherte, versuchte er, nicht so aggressiv zu klingen wie beim letzten Gespräch.

„J… ja?“

Sie sah sich um, als wolle sie sich versichern, dass noch andere Leute in der Nähe waren, und Luke war ein weiteres Mal verblüfft, wie ausgezeichnet sie ihre Rolle spielte. „Tut mir leid, dass ich so unfreundlich war. Vielleicht hat die Polizei es schon erklärt, aber ich habe Sie mit jemandem verwechselt.“ Er setzte ein Lächeln auf. „Ich … habe mich unmöglich aufgeführt.“

„Ja, also, danke.“

Sie wirkte immer noch misstrauisch.

„Sie haben einen anstrengenden Tag hinter sich, und ich habe alles noch schlimmer gemacht. Lassen Sie mich das wiedergutmachen, vielleicht mit einem Dinner oder so. Zumindest könnte ich Sie mitnehmen. Ihr Auto wurde doch als Beweismittel beschlagnahmt.“

„Danke, aber ich habe mir schon ein Taxi bestellt. Das muss jeden Moment kommen. Morgen kriege ich mein Auto wieder. Danke für die Entschuldigung und dafür, dass Sie mir das Leben gerettet haben. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich muss jetzt wirklich los.“

Sie wollte zum Taxi, das am Straßenrand hielt, aber Luke hielt sie am Arm fest. Im Bruchteil einer Sekunde fuhr sie herum, packte ihn und drehte ihm den Arm auf den Rücken.

Das kam für Luke zwar überraschend, doch mühelos wand er sich aus ihrem Griff und schlang die Arme um sie, sodass sie an ihn gepresst wurde. „Anscheinend hast du doch nicht alles vergessen, was ich dir beigebracht habe“, sagte er dicht an ihrem Ohr.

„Was? Ich weiß nicht, was Sie …“

„Hör mit der Show auf, wenn es ohnehin niemand mitbekommt.“ Er drehte sie zu sich herum und bemerkte verwundert, dass ihre Hand zitterte, als sie sie zum Gesicht hob.

„Sie sind wirklich verrückt, oder?“ Als der Taxifahrer ungeduldig hupte, sah sie kurz zu dem Auto hinüber. „Halten Sie sich bloß von mir fern.“

Sie wollte es also durchziehen. Na gut.

Luke zog sie eng an sich, und ihre Augen weiteten sich. Ihre Augen hatte er schon immer geliebt. „Sehen wir mal, ob ich deinem Gedächtnis auf andere Weise auf die Sprünge helfen kann.“

Der Kuss sollte nicht freundlich oder sogar sexy sein, doch sobald er sie an sich spürte, vergaß er jeden Vorsatz.

Er hielt sie fest, bis sie sich entspannte und den Kuss erwiderte. Sein Blut schien zu kochen, und er vertiefte den Kuss. Er hatte eine Erektion, und das ließ er sie spüren. Leise stöhnte sie auf, als er sie noch dichter an sich presste.

Doch so erregend es auch war, er hatte einen Plan. Langsam zog er eine Spur von Küssen ihren Hals hinab, streifte die Bluse von ihrer Schulter und küsste die zarte Haut.

Dabei warf er einen Blick auf ihr Schulterblatt.

Nichts. Die Tätowierung fehlte! Stattdessen befand sich an der Stelle ein kleines Muttermal. So etwas konnte niemand fälschen.

Nur um ganz sicher zu sein, strich er mit der Hand darüber und spürte, wie sie erzitterte. Von einer Sekunde zur anderen kühlte seine Lust ab. Was übrig blieb, war Verwirrung.

Sein kurzes Zögern reichte aus, dass sie wieder zur Besinnung kam und ihn von sich stieß.

Jetzt bemerkte er auch die Sommersprossen in ihrem Dekolleté.

Ungläubig berührte sie ihre Lippen und lief dann zu dem wartenden Taxi.

Nicky hatte keine Sommersprossen und kein Muttermal auf ihrer makellosen Haut. Diese Frau war nicht Nicky. „Vanessa, warte!“

Autor

Samantha Hunter
Bevor Samantha Hunter sich voll und ganz dem Schreiben widmete, arbeitete sie zehn Jahre als Lehrerin für kreatives Schreiben an der Universität. Ihr erster Liebesroman, Virtually Perfect, den sie 2004 fertigstellte, wurde direkt veröffentlicht. Sieben weitere Liebesromane folgten bis heute. Samantha Hunter ist mit Leib und Seele Autorin. Und wenn...
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