In den Armen des Argentiniers

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Dem argentinischen Polochampion Nero Caracas liegen die Frauen zu Füßen. Doch er begehrt nur eine: die hinreißende, aber kühle Engländerin Amanda Wheeler. In Windsor ist sie ihm begegnet - in seiner wildromantischen Heimat Argentinien will er sie verführen...


  • Erscheinungstag 10.02.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733766832
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen Gesellschaft leiste?“

Ein Schauer lief Amanda über den Rücken, als der Mann die Stalltür öffnete und eintrat. Selbst im Schlaf hätte sie den rauen spanischen Akzent erkannt.

Außerdem gab es nur einen, der so einfach in den Guards Polo Club in Windsor hereinspazieren konnte: Nero Caracas, in Polokreisen auch als der Killer bekannt. In der Poloweltrangliste stand der Argentinier an erster Stelle, und er genoss weltweit Sonderrechte, von denen andere Spieler nur träumen konnten.

Noch dazu sah er einfach umwerfend aus. Die eng sitzende Reithose strahlte in makellosem Weiß, zugleich gaben seine zerzausten schwarzen Locken und ein dunkler Bartschatten seiner Erscheinung etwas Abenteuerliches.

Seitdem Amanda miterlebt hatte, wie Nero Caracas das Spielfeld beherrschte, begehrte sie diesen atemberaubenden Mann. Doch sie hätte nie damit gerechnet, ihm einmal so nah zu kommen.

„So, das ist also Misty“, sagte er jetzt. Seine starke Hand fuhr über die Schulter des Ponys. „Sie ist nicht besonders groß.“

„Äußerlichkeiten können täuschen“, verteidigte Amanda ihr Lieblingspony, während sie sich bemühte, mit ihren zitternden Händen weiter die schmalen Hufe zu fetten.

„Bald beginnt das Spiel.“

Wieso sagt er mir das? dachte Amanda und polierte weiter. Als Mitglied des britischen Trainerteams wusste sie ganz genau, wann das Spiel begann. Nero war Spielführer der gegnerischen Mannschaft. Nicht sie, sondern er sollte in diesem Moment ganz woanders sein.

Falls er gedacht hatte, er könnte einfach hier hereinplatzen und sie von der Arbeit abhalten, hatte er sich jedenfalls gründlich geirrt! Sie würde dem Killer die kalte Schulter zeigen.

„Ich möchte mit Ihnen über Misty sprechen.“ Nero betrachtete das Pony mit einem weiteren anerkennenden Blick.

„Jetzt ist ein schlechter Zeitpunkt“, erwiderte Amanda kühl.

„Wie Sie meinen.“ Nero zuckte mit den Schultern und nickte zum Abschied. Doch bevor er sich zur Tür wandte, fing Amanda seinen herausfordernden Blick auf.

Ärgerlich biss sie sich auf die Lippen. In ihrer finanziellen Situation war es ausgesprochen unvernünftig, es sich mit einem Mann wie Nero Caracas zu verscherzen. Durch die Rezession hatte sie einen Großteil ihrer Ersparnisse verloren, und in der Polowelt kannte jeder jeden. Ein einziger Fehler konnte ausreichen, um eine Karriere zu beenden. Aber sie würde keinen Fehler begehen!

Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. „Also gut, was wollen Sie?“

Mit einer Kopfbewegung deutete Nero auf Misty. „Ich denke, dass es besser für Ihr Pony wäre, wenn ein Mann sie reiten würde, der sie wirklich zu schätzen weiß.“

„Ich kann Ihnen versichern, dass der Kapitän des britischen Teams Misty sehr genau zu schätzen weiß.“

„Aber glauben Sie, dass auch Misty seine Art genießt, sie zu reiten?“

Musste dieser Mann jedes Wort wie eine Einladung ins Bett klingen lassen? Amanda schaute unruhig auf ihre Uhr.

„Mache ich Sie nervös?“

Sie lachte. „Sicher nicht! Ich bin nur besorgt, weil Ihre Zeit knapp wird.“

„Mein Timing ist perfekt wie immer“, versicherte Nero.

Amandas Mund wurde trocken, als er geschickt Mistys Hals liebkoste. Unwillkürlich straffte sie ihre Schultern und stellte sich zwischen ihn und den kleinen Apfelschimmel. Mit verschränkten Armen sah sie zu ihm auf.

Doch Nero ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich hätte Sie bei diesem Wettkampf lieber auf meiner Seite, Amanda.“

Sie warf ihm einen ironischen Blick zu. „Vielen Dank, aber ich fühle mich sehr wohl dort, wo ich bin.“

„Vielleicht kann ich Ihre Meinung ja noch ändern …“

„Viel Spaß bei dem Versuch!“

„Falls das eine Kampfansage sein sollte, muss ich Sie warnen, Amanda – ich gewinne immer.“

Wieso bleibt Misty nur so ruhig? dachte sie ärgerlich. Normalerweise war das Pony in der Gegenwart eines Fremden sehr nervös. Doch seit Nero den Stall betreten hatte, wirkte es ausgesprochen entspannt und zufrieden.

Sie hob trotzig ihr Kinn. „Sonst noch was?“

Als er sie mit seinen dunklen Augen anschaute, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Nero Caracas war schon fast übertrieben attraktiv.

Plötzlich wurde Amanda von einer wilden Begierde überrascht. Hastig wandte sie den Blick ab. Ihre Beine zitterten, und ihr Herz raste. Es kostete sie all ihre Kraft, sich nichts von ihren aufgewühlten Gefühlen anmerken zu lassen.

„Keine Sorge, ich gehe schon.“ Nero hob in einer Geste spöttischer Kapitulation die Hände. „Aber ich komme zurück, Misty“, raunte er dem ungewöhnlich zutraulichen Pony ins Ohr.

Amanda funkelte ihn wütend an. Sie hatte Gerüchte aufgeschnappt, dass der berühmte Argentinier vorhatte, ihr Pony zu kaufen.

Aber wieso gerade Misty? dachte sie entrüstet, das einzige Polopony, das sie von ganzem Herzen liebte.

An der Tür wandte Nero sich noch einmal um. „Sie haben gute Arbeit mit Misty geleistet, Amanda. Sie ist in einem ausgezeichneten Zustand.“

„Weil sie bei mir glücklich ist.“

Nero nickte nur selbstgefällig.

Ich werde Misty verlieren! ahnte sie plötzlich. Zurzeit gab es kein besseres Polopferd, und es war nur logisch, dass Nero Caracas es für sich ausgewählt hatte.

Aber was konnte sie schon gegen einen so mächtigen Mann ausrichten? Nur ein absoluter Dummkopf würde sich dem Argentinier in den Weg stellen und erwarten, danach noch eine Zukunft als Trainer zu haben.

Zu ihrem Entsetzen ertappte sie sich plötzlich bei dem Wunsch, mit ihren Fingern durch Neros dichte Locken zu streichen. Was, in aller Welt, war nur mit ihr los? Wirkten seine geheimnisvollen Fähigkeiten etwa auch bei ihr?

Trotzig hob sie ihr Kinn. „Möge die bessere Mannschaft gewinnen.“

„Das werden wir“, informierte sie der unbestrittene König des Spiels selbstbewusst.

„Aber ob Gewinn oder Niederlage – Misty ist nicht zu verkaufen!“, erklärte sie ihm entschlossen.

„Aber wenn Ihr Pony heute beim Spiel hält, was es verspricht – und ich bin sicher, dass es das tun wird –, werde ich Ihnen ein Angebot unterbreiten, Amanda. Nennen Sie Ihren Preis.“

„Misty hat keinen Preis, Señor Caracas“, beharrte Amanda. „Und außerdem brauche ich Ihr Geld nicht.“

Nero neigte seinen Kopf und schwieg für einen Moment. Jeder in der Polowelt wusste, dass dies nicht stimmte.

„Vielleicht brauchen Sie mein Geld nicht, chica“, sagte er spöttisch. „Aber irgendetwas brauchen auch Sie.“

Panik stieg in Amanda auf. Ein Wort von ihm würde reichen, um ihre Karriere zu zerstören.

„Entspannen Sie sich“, murmelte er. Seine raue Stimme klang sanft. „Sie arbeiten zu hart und sorgen sich zu sehr, Amanda.“ Dann zuckte er wegwerfend mit seinen breiten Schultern. „Polo ist nur ein Spiel.“

Nur ein Spiel? wiederholte sie im Stillen. Sie glaubte ihm kein Wort!

„Ich freue mich darauf, Misty in Bewegung zu erleben.“ Nero lächelte sie an, und ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Sie hatte das Gefühl, als würden seine dunklen Augen auf den Grund ihrer Seele blicken. Bevor sie etwas erwidern konnte, wandte er sich um und verließ den Stall.

Amanda stieß zitternd die Luft aus und ließ sich gegen die kalte Steinwand sinken. Konnte sie gegen Nero gewinnen? Auf jeden Fall würde sie sich von ihm nicht einschüchtern lassen!

„Geht es Ihnen nicht gut?“

Amanda zuckte zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass eine der Pferdepflegerinnen hereingekommen war und sie besorgt musterte.

„Ich … doch, doch. Alles bestens.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln.

Gleichzeitig dachte Amanda an ihren geliebten Reiterhof. Die Kinder aus dem Dorf konnten dort von klein auf den Umgang mit Tieren lernen. Doch durch einen Streit mit Nero konnte sie all das verlieren.

„Soll ich Misty zu den pony lines bringen? Die anderen Pferde sind bereits dort.“ Das Mädchen warf einen unsicheren Blick zur Stalltür.

Sie muss gesehen haben, wie Nero den Stall verlassen hat, vermutete Amanda.

„Ja, nimm sie mit“, sagte sie freundlich. „Aber lass sie keinen Moment aus den Augen!“

„Das werde ich nicht“, versicherte das junge Mädchen und nahm die Zügel. „Komm mit, Misty.“

„Das heißt … warte! Ich begleite euch.“ Amanda hatte zwar vorgehabt, sich zuerst um die anderen Ponys zu kümmern, aber das konnte sie auch bei den pony lines in der Nähe des Spielfeldes tun. Dort wurden die Pferde für ihren Einsatz bereitgehalten.

Neros unerwartetes Auftauchen im Stall hatte sie zu sehr beunruhigt, um einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen. Ein Mann wie er tat nichts ohne Grund.

Ich werde sein Feuer mit Eis bekämpfen! nahm sie sich vor, während sie die Stalltür hinter sich verschloss. Sie hatte miterlebt, wie ihr Vater seine Karriere und seinen Besitz verspielt hatte. Dabei hatte Amanda gelernt, wie wichtig es war, niemals die Kontrolle über die eigenen Gefühle zu verlieren.

Doch es ging nicht nur um Nero und ihren eigenen Stolz. Misty war mehr als nur ein Polopony für Amanda. Das kleine Pferd war ein Symbol für ihr Bestreben, den Namen ihrer Familie wiederherzustellen. Außerdem hatte Amandas Vater ihr vor seinem Tod ans Herz gelegt, sich stets gut um Misty zu kümmern.

Es war daher vollkommen unmöglich, Neros Angebot anzunehmen. Der feurige Argentinier mit dem Körper eines griechischen Gottes mochte der Traum jeder Frau sein, aber sie musste ihre Pflicht erfüllen.

„Viel Glück, Amanda!“, wünschten ihr die Pferdepfleger und Stallknechte, als sie über den Hof gingen.

„Das argentinische Team macht einen guten Eindruck“, rief ihr einer der Pferdepfleger zu. „Vor allem Nero Caracas.“ Der junge Mann kam zu ihnen und lief ein paar Schritte neben ihnen her. „Bei den letzten Spielen hat der Killer seinem Spitznamen alle Ehre gemacht.“

Amanda lächelte schief. „Großartig! Danke, jetzt bin ich schon viel ruhiger.“

Sie musste nicht daran erinnert werden, dass Polo ein brutales Spiel war. Auf den ersten Blick verkörperte Nero einen ebenso perfekten Gentleman wie seine britischen Kollegen, doch er lebte in Argentinien und trainierte seine Pferde in den endlosen, ungezähmten Weiten der Steppen.

Je eher er dorthin zurückkehrt, desto eher kann ich mich wieder entspannen, versuchte sie sich zu beruhigen, aber sie schaffte es nicht, ihre bange Vorahnung abzuschütteln.

„Ich lasse dich niemals gehen“, flüsterte sie Misty zärtlich ins Ohr, als sie das kleine Pony neben den anderen Tieren anband. Dann legte sie Misty die Arme um den Hals. „Und ich werde dich bestimmt niemals einem dahergelaufenen Wilden mit einem schwarzen Herzen wie Nero Caracas verkaufen. Lieber würde ich …“

Als ein Schluchzen in ihrer Kehle aufstieg, brach sie ab und vergrub ihr Gesicht in der seidigen grauen Mähne. Was konnte sie nur tun?

Nero Caracas gab nichts auf Gerüchte. Er bevorzugte es, sich seine eigene Meinung zu bilden, über Menschen, Tiere, Dinge – und über Amanda Wheeler.

Die Eisjungfrau nannte man sie in Polokreisen, und mit eisigen Augen hatte sie ihn auch angeschaut. Zumindest am Anfang ihres Gesprächs.

Warum, in aller Welt, versteckte Amanda ihr üppiges kastanienbraunes Haar unter einem eng anliegenden Netz? Nero musste schmunzeln, als er an die einzelne vorwitzige Strähne dachte, die sich darunter hervorgestohlen hatte.

In Pferdekreisen genoss Amanda größten Respekt, doch über ihr Privatleben war kaum etwas bekannt. Auch für ihn war sie ein Rätsel, nach ihrem kurzen Gespräch mehr als zuvor. Im Gegensatz zu den meisten Menschen hatte sie ihm keinen Honig um den Bart geschmiert, sondern ihn ganz offen herausgefordert. Zu einem Kampf, dem er nicht widerstehen konnte.

Geschmeidig schwang Nero sich in den Sattel, ergriff die Zügel und versammelte für die letzten anfeuernden Worte vor dem Spiel sein Team um sich. Heute fühlte er sich ungewohnt angespannt. Auch seine Männer schienen dies zu bemerken. Sie musterten ihn wachsam, während sie ihre ruhelosen Ponys zügelten.

„Keine Gnade!“, warnte er sein Team. „Aber geht kein Risiko für die Pferde ein. Und achtet auf die kleine Graue, die der britische Kapitän reitet! Je nachdem, wie das Spiel läuft, habe ich vor, sie für mich zu kaufen.“

Amanda hat nicht die Absicht, mir ihr Pferd zu verkaufen, fiel ihm augenblicklich wieder ein. Sie hatte ganz deutlich gezeigt, dass sie nicht einmal mit ihm darüber reden wollte. Plötzlich erschien ein Bild in seinem Kopf, wie er ganz langsam die Knöpfe ihrer Reitbluse öffnete, während sie ihn mit großen Augen anflehte, nicht aufzuhören.

Was verbirgt Amanda Wheeler unter ihrer kühlen Oberfläche? überlegte Nero. Erstaunt stellte er fest, dass er es herausfinden wollte. Zum Glück hielten seine Männer das Feuer in seinen Augen für reine Kampfeslust, und mit donnernden Hufen ritten sie davon.

Amanda ist anders, dachte Nero, während er seinen Helm aufsetzte und unter dem tosenden Beifall der Menge aufs Spielfeld ritt. Sie würde es ihm nicht so leicht machen wie ihr hübsches Pony.

Vergeblich versuchte er zu verstehen, was hinter dem kühlen Blick ihrer schönen Augen gelegen hatte. Was es Angst? Offenbar fürchtete sie, ihr Pferd zu verlieren, aber das war nicht alles gewesen. Viel interessanter fand er jedoch die Frage, warum eine so erfolgreiche und attraktive Frau ganz allein lebte. Anscheinend wollte sie es so, sonst würde sie sich nicht so streng und schmucklos kleiden.

Sie ist wirklich außergewöhnlich, dachte Nero. Amanda war eine unabhängige und mutige Frau. Sie hatte ihrem Vater bis zu seinem bitteren Ende beigestanden und versucht zu retten, was vom Familienbesitz noch übrig geblieben war.

Obwohl sie ganz offensichtlich selbst das kleinste Anzeichen von Wärme oder Humor sorgfältig vermied, musste es unter der Oberfläche der Eisjungfrau noch eine andere Seite geben. Nero hatte gehört, dass die Kinder ihres Dorfes sie heiß und innig liebten und gern ihren Reiterhof besuchten.

Nero schüttelte den Kopf, um die Gedanken an Amanda zu vertreiben. Sie konnte ihm nützlich sein. Mehr brauchte ihn nicht zu interessieren! Mit einem Griff schob er seinen Gesichtsschutz herunter. Doch sein Blick glitt unruhig über die Reihen der Zuschauer und suchte nach Amanda.

2. KAPITEL

Sie hasste ihn! Fast im Alleingang hatte Nero Caracas die britische Mannschaft vernichtend geschlagen. Trotz seines großartigen Teams machte Amanda ihn ganz allein für die Niederlage der Ponys verantwortlich, die sie trainiert hatte.

Bei der Preisverleihung durch den Prinzen hatte Nero die kleine Misty „das beste Pony des Spiels“ genannt. Aber auch diesen bittersüßen Triumph hatte der Argentinier mit einem einzigen Blick zu Amanda ruiniert – ein Blick, der deutlicher als Worte sagte: „Sie gehört mir.“

„Nur über meine Leiche!“ Amanda hatte die Worte stumm mit dem Mund geformt, doch seine Antwort war nur ein unerhört selbstbewusstes Lächeln gewesen.

Und jetzt musste sie auch noch den Abend in seiner Gesellschaft verbringen! Der Prinz hatte alle Spieler und Trainer zu einem Dinner im Schloss geladen. Eine solche Einladung durfte sie natürlich nicht einfach ablehnen.

Warum sollte sie auch? Sie hatte die Gelegenheit, mit dem Prinzen zu dinieren und das königliche Schloss von innen zu sehen! Wollte sie sich all das etwa entgehen lassen, nur um Nero Caracas aus dem Weg zu gehen?

Die Einladung ins Schloss war ein Zeichen, dass der Prinz ihre Pferdezucht schätzte und die Skandale ihre Vaters vergessen waren. Endlich konnte der Name Wheeler wieder mit Stolz ausgesprochen werden.

Außerdem werden so viele Gäste versammelt sein, dass ich sicher nicht neben dem Argentinier sitzen werde! versuchte Amanda sich zu beruhigen. Ganz bestimmt würde ihr Platz bei ihrem Team sein!

„Ich hoffe, es ist Ihnen recht, dass ich Sie neben mir platziert habe.“ Der Prinz lächelte Amanda voller Wärme an. „Aber vielleicht würden Sie ja lieber bei Ihrem Team sitzen?“

„Selbstverständlich nicht, Sir. Es ist mir eine große Ehre“, erwiderte Amanda, während sie versuchte, nicht auf Nero zu achten, der auf der anderen Seite des Prinzen saß. Die beiden Männer gingen so unbefangen miteinander um, als wären sie gute Freunde.

„Der Kapitän des Siegerteams und die Besitzerin und Trainerin des besten Ponys im Spiel – ich denke, das ist die perfekte Kombination“, plauderte der Prinz in seiner gewohnt lockeren Art.

„In der Tat, Sir“, stimmte Amanda zu und erwiderte möglichst kühl Neros amüsierten Blick.

„Seine königliche Hoheit ist – wie immer – äußerst scharfsinnig“, sagte Nero gedehnt. Er hob eine ebenholzschwarze Braue, als sein Blick Amandas traf.

Während der gesamten Fahrt zum Schloss hatte Nero darüber nachgedacht, wie Amanda Wheeler heute Abend wohl aussehen würde. Sicherlich atemberaubend!

Doch Neros Erwartungen wurden enttäuscht. Amanda trug ein schlichtes Kleid, das bestimmt auch ihrer Großmutter gefallen hätte, und ihr kastanienbraunes Haar war noch strenger zusammengebunden als sonst. Warum geizte sie nur so mit ihren Reizen?

„Also, Miss Wheeler.“ Die Stimme des Prinzen schreckte Nero aus seinen Grübeleien auf. „Ich habe nur Gutes über Sie gehört – und nicht nur, was das Training der Poloponys betrifft. Ich meine Ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.“

Amanda errötete und schwieg. Sie redete nicht gern über ihr persönliches Engagement.

„Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Ihren Wirkungskreis zu vergrößern?“, hakte der Prinz nach.

Nero schien ebenso interessiert an ihrer Antwort zu sein.

„Das lässt meine Arbeit nicht zu, Sir.“

„Nun, Sie tun Ihr Möglichstes. Das ist mehr, als die meisten Menschen auch nur versuchen“, fuhr der Prinz fort.

Amanda lächelte bescheiden. Sie war froh, als das Essen serviert wurde und das Gespräch zu anderen Themen überging. Aber warum saßen ausgerechnet sie und Nero neben dem Prinzen? Amanda hoffte nur, dass der Argentinier die Botschaft in ihren Blicken erkannt hatte: Nero Caracas, du bist hier unerwünscht.

Dabei begehrte sie diesen Mann mit fast schmerzhafter Intensität. Nero war eine Naturgewalt. Er konnte jede Frau auf der Welt haben. Doch nie im Leben durfte er erfahren, was sie für ihn fühlte! Er würde sie für naiv und unprofessionell halten.

Amanda war nur froh, dass sie ein so schlichtes Abendkleid gefunden hatte. Sie zog nicht gern die Aufmerksamkeit auf sich. Darum verhielt sie sich meist so kühl distanziert.

Amanda spürte Neros Gegenwart mit jeder Faser ihres Seins. Sie drehte den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Erst als der Prinz den Argentinier ansprach, wandte Amanda sich ab. Ihr Herz raste. Um sich abzulenken, schaute sie sich im Saal um.

An der festlich geschmückten Tafel, die länger als eine Kegelbahn war, saßen mindestens fünfzig Menschen. Fast geräuschlos kamen und gingen der königliche Butler und sein Team und servierten den Gästen.

Plötzlich musste Amanda den Impuls unterdrücken, aufzuspringen und zu tanzen. Auch wenn sie stets kontrolliert wirkte, gab es eine wilde Seite in ihr, die sich danach sehnte, ausgelebt zu werden.

Wieder sah sie zu Nero, der noch immer mit dem Prinzen plauderte. Wie elegant und selbstsicher er dabei aussieht! fiel Amanda auf. Aber kein Wunder! Sie hatte gehört, dass Nero auf seiner Ranch in Argentinien selbst wie ein König lebte.

Immer wieder kehrte ihr Blick zu ihm zurück. Schon in seiner Spielerkleidung war Nero atemberaubend attraktiv, doch in dem maßgeschneiderten Abendanzug sah er einfach umwerfend aus! Das blütenweiße Hemd und die stahlgraue Krawatte betonten seine tief gebräunte Haut und die schwarzen Locken.

Verflixt! dachte Amanda, er beobachtet mich. Rasch wandte sie ihre Aufmerksamkeit ihrem Teller zu, während sie sich über sich selbst ärgerte. Kaum saß sie mit Nero Caracas an einem Tisch, war sie nicht mehr sie selbst, sondern steif und unsicher.

Zur Hölle! Sie war eine erwachsene Frau, die mit beiden Beinen mitten im Leben stand. Entschlossen drehte sie sich zum Prinzen um. Doch bevor sie etwas sagen konnte, wandte sich dieser an Nero: „Ich bin überrascht, dass Sie noch kein Angebot für das beste Pony des Spiels abgegeben haben, Señor Caracas.“

Amanda erstarrte.

„Aber das habe ich“, erwiderte Nero. „Ich würde Misty liebend gern mein Eigen nennen, aber Miss Wheeler scheint Ihre Zweifel zu haben.“

„Zweifel?“ Der Prinz hob seine Brauen und sah Amanda an. „Señor Caracas besitzt eine Ranch in Argentinien. Dort haben die Polopferde bessere Lebensbedingungen als an jedem anderen Ort auf der Welt.“

Neros schwarze Augen funkelten belustigt, als er versuchte, Amandas versteinerten Blick einzufangen.

„Denken Sie noch einmal darüber nach, Miss Wheeler!“, beharrte der Prinz.

„Königliche Hoheit“, Amanda neigte den Kopf, als würde sie zustimmen, aber innerlich schäumte sie vor Wut. Sie würde sich nicht zwingen lassen, ihr Lieblingspony zu verkaufen. Es musste einen Ausweg aus dieser Situation geben, und sie würde ihn finden! Aufgebracht warf sie dem Argentinier einen flammenden Blick zu.

Doch mit seinen nächsten Worten nahm ihr Nero den Wind aus den Segeln. Er erzählte von seinem geplanten Projekt mit Kindern und Jugendlichen, die unter normalen Umständen keine Chance hatten, jemals in ihrem Leben auf einem Pferd zu sitzen. Amanda wusste aus eigener Erfahrung, wie Kinder im Umgang mit Tieren aufblühten.

„Ich möchte, dass die Jugendlichen die Freiheit der Steppe erleben“, erklärte Nero dem Prinzen, „und dass sie sehen, wie das Leben auf meiner Ranch abläuft.“

Das würde ich auch gern, dachte Amanda verträumt.

„Das Projekt besitzt viel Ähnlichkeit mit Ihrer Arbeit, Miss Wheeler“, wandte sich der Prinz an Amanda. „Das passt doch ausgezeichnet. Ich hatte Ihnen ja bereits vor dem Essen vorgeschlagen, Ihren Wirkungskreis ein wenig zu vergrößern. Was halten Sie davon, Nero bei seiner Arbeit in Argentinien zu unterstützen?“

Die beiden haben sich vorher abgesprochen, dachte Amanda erbost, als sie den Triumph in Neros Augen sah.

Irgendwie muss ich mich aus dieser Sache herausreden, dachte Amanda. „Sir, ich kann England leider nicht verlassen – vor allem nicht so kurz vor Weihnachten!“

Doch der Prinz lächelte nur. „Aber Weihnachten in Argentinien ist wundervoll. Denken Sie nur an den Sonnenschein! Ich werde für ein Team sorgen, das Ihre Verpflichtungen in England übernimmt.“

War das Ganze etwa bereits ohne sie entschieden worden? Noch nie in ihrem Leben war es Amanda so schwer gefallen, sich zu beherrschen. Sie biss sich auf die Zunge, um ihre Worte zurückzuhalten. Es wäre unverzeihlich, dem Prinzen zu widersprechen. Vor Verzweiflung sah sie sogar Hilfe suchend zu Nero, doch dieser hob nur eine Braue.

„Sie würden natürlich reichlich für Ihren Einsatz entschädigt werden“, teilte ihr der Prinz mit, als würde dies für sie einen Unterschied bedeuten.

Amanda zuckte beschämt zusammen. „Es geht mir nicht ums Geld, Sir.“

„Stolz ist eine großartige Sache, Miss Wheeler, aber wir alle müssen auch realistisch sein“, erwiderte der Prinz sanft. „Señor Caracas’ Gauchos blicken auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. Glauben Sie nicht, dass Sie von ihrem Wissen über die Arbeit mit Pferden profitieren könnten?“

Autor

Susan Stephens
Das erste Buch der britischen Schriftstellerin Susan Stephens erschien im Jahr 2002. Insgesamt wurden bisher 30 Bücher veröffentlicht, viele gehören zu einer Serie wie beispielsweise “Latin Lovers” oder “Foreign Affairs”.

Als Kind las Susan Stephens gern die Märchen der Gebrüder Grimm. Ihr Studium beendete die Autorin mit einem MA in...

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