Julia Best of Band 204

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JA, ICH WILL - EIN DATE MIT DIR!
Katie braucht einen Begleiter für eine Hochzeit. Aber woher nehmen? In Fool’s Gold gibt es kaum geeignete Männer. Da arrangiert ihre Mom ein Date für sie, das zu einer wahren Überraschung wird.

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  • Erscheinungstag 31.08.2018
  • Bandnummer 0204
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710712
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Susan Mallery

JULIA BEST OF BAND 204

1. KAPITEL

„Katie, mein Schatz, du brauchst unbedingt eine Begleitung für die Hochzeit deiner Schwester.“

„Ich hatte eine Begleitung, Mom! Er ist der Bräutigam.“

„Ja, ja, ich weiß. Deine Schwester hat dir den Freund ausgespannt.“ Janis McCormick seufzte. „Und natürlich war das nicht richtig von ihr. Aber das alles ist nun schon über ein Jahr her. Du musst endlich akzeptieren, dass die beiden heiraten werden. Nicht nur unsere ganze Familie wird anreisen, sondern außerdem noch über 200 weitere Hochzeitsgäste. Glaub mir, du solltest nicht allein zu der Feier kommen. Sie würden dich und mich mit ihrem Mitleid und ihren Fragen in den Wahnsinn treiben. Bitte, Katie, tu es für mich!“ Mit flehendem Blick sah Janis ihre Tochter an.

In Augenblicken wie diesem hasste Katie es, erwachsen und vernünftig sein zu müssen. Wie gern hätte sie einen handfesten Wutanfall bekommen, doch theatralische Auftritte waren noch nie ihre Stärke gewesen – ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester. Außerdem war es schwierig, ihrer Mutter etwas abzuschlagen. Vor allem, weil Janis sie nur sehr selten um etwas bat. Sie war eine wunderbare, sehr warmherzige Mutter, die ihr noch immer einen Fünfzig-Dollar-Schein zusteckte, wenn Katie zum Essen vorbeikam. Obwohl Katie seit dem College-Abschluss auf eigenen Beinen stand und einen großartigen Job hatte.

„Mom, du weißt, dass ich dich liebe …“

„Sag jetzt bloß nicht ‚aber‘! Ich habe es schon schwer genug. Deine Schwester macht mich wahnsinnig! Seitdem sie beschlossen hat zu heiraten, muss ich mir die Haare tönen. Ich schwöre dir, dass ich von dem Tag an grau geworden bin, an dem sie das erste Hochzeitsmagazin gekauft hat. Seitdem geht es nur noch um Kleider, Deko, Blumen und Menüs. Es ist unerträglich!“

Katie lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster des kleinen Restaurants, in dem sie sich mit ihrer Mutter zum Mittagessen verabredet hatte. Draußen herrschte herrlicher Sonnenschein, und in den Blumenkästen auf der Fensterbank blühten die Geranien in leuchtenden Farben. Wie gern wäre Katie ein wenig durch die Straßen geschlendert oder vielleicht kurz ins Schwimmbad gefahren, doch stattdessen musste sie sich mit ihrer Mutter über Courtneys jüngste Planänderungen unterhalten. Es schien ihre kleine Schwester nicht im Geringsten zu irritieren, dass die Hochzeit bereits in zwei Wochen stattfinden würde.

Genauso wenig, wie es sie irritiert hatte, Katie den Freund wegzuschnappen.

Nein, sie würde nicht verbittert enden! Eifersucht war etwas für Kleingeister. Courtney war ihre Schwester und Blut nun einmal dicker als Wasser. Sollte Courtney allerdings am Morgen ihrer Hochzeit einen Riesenpickel auf der Nase haben, würde sich Katies Mitleid in Grenzen halten.

Katie räusperte sich. „Wie auch immer – selbst wenn ich es wollte, könnte ich keinen Mann zu den Hochzeitsfeierlichkeiten mitbringen, denn es gibt einfach im Moment keinen in meinem Leben.“

„Willst du damit andeuten, dass du mit niemandem ausgegangen bist, seitdem du dich von Alex getrennt hast?“

Genau genommen hatten sie sich nicht getrennt. Katie hatte Alex zum Essen mit zu ihren Eltern genommen – wie fast jeden Sonntagabend. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie den Verdacht hatte, er würde ihr an dem Abend einen Antrag machen. Da sie sich kurz zuvor bei einem Footballspiel seine Jacke geliehen und in der Tasche eine Quittung über einen Brillantring gefunden hatte, war dieser Verdacht durchaus begründet gewesen.

Katie war sich nicht sicher gewesen, ob Alex der Richtige für den Rest ihres Lebens war, aber plagten diesbezüglich nicht jede Frau leise Zweifel? Wie sollte man wissen, ob eine Beziehung ein Leben lang halten konnte?

Doch er hatte sie nicht gefragt.

Ihr gemütliches Abendessen war durch Courtneys unerwartetes Auftauchen abrupt beendet worden. Alex und Courtney hatten sich angesehen, und von dieser Sekunde an hatte Katie quasi nicht mehr existiert.

„Katie? Hast du wirklich keinen einzigen neuen Freund gehabt?“

„Nein. Ich hatte bei der Arbeit viel zu tun und außerdem keine Lust auf eine neue Beziehung.“

Ihre Mutter seufzte. „Es werden vier qualvoll lange Tage, und du wirst die Frage nach deinem Liebesleben eine Million Mal zu hören bekommen. Du musst einfach jemanden finden!“

„Tut mir leid, aber es gibt niemanden.“

„Was ist mit Howie?“

Um Himmels willen!

Am liebsten hätte Katie entnervt in die Tischplatte gebissen, denn das wäre immer noch angenehmer, als vier Tage mit Howie zusammen zu sein. „Auf keinen Fall, Mom!“

„Aber warum nicht? Er ist klug und reich und sehr unterhaltsam.“

Seine Mutter und Janis waren seit Jahrzehnten beste Freundinnen und träumten seit einer Ewigkeit davon, ihre Kinder miteinander zu verkuppeln. Das letzte Mal, als sie Howie getroffen hatte, waren er und seine Mutter in Fool’s Gold zu Besuch gewesen. Damals war er etwa sechzehn gewesen und ein so guter Schüler, dass er bereits aufs College ging. Groß, schlaksig und mit zu kurzen Hosen. Durch seine dunkle Hornbrille hatte er Katie angesehen, als sei sie ein langweiliges Insekt. Sie hatten sich nichts, rein gar nichts zu sagen gehabt.

„Hör zu Mom, ich würde dir ja gern den Gefallen tun, aber Howie … Das geht einfach gar nicht. Da lasse ich mich lieber vier Tage lang bemitleiden.“

„Ach Katie, muss ich denn wirklich die strenge Mutter herauskehren?“

Katie grinste. „Ich bin siebenundzwanzig. Die Nummer mit der strengen Mutter zieht bei mir nicht mehr.“

„Wetten doch?“ Janis seufzte. „Bitte! Ich flehe dich an. Willst du mir wirklich diesen kleinen Gefallen abschlagen? Ich möchte doch nur, dass du dich amüsierst. Im Rahmen deiner Möglichkeiten. Es sind nur vier Tage, und das Gebäude ist sehr weitläufig. Ihr werdet euch kaum sehen.“

Vier Tage gefangen in einem Luxushotel auf einem Berggipfel. Mit ihrer kompletten Familie. Wie sollte man da irgendjemandem aus dem Weg gehen?

„Er ist beruflich sehr eingespannt. Bestimmt wird er die meiste Zeit auf dem Zimmer bleiben und arbeiten.“

Katie zögerte. Nicht nur, weil sie ihre Mutter sehr gern hatte, sondern auch, weil die ständige Fragerei ihrer Familie ihr tatsächlich seit Monaten auf die Nerven ging. Ihre Verwandten verstanden nicht, dass sie immer noch Single war, während ihre Schwester es keine fünfzehn Minuten aushielt, ohne sich zu verlieben.

„Na gut“, gab sie schließlich nach. „Aber nur für die Hochzeit. Danach ist Schluss. Keine Fortsetzung!“

Ihre Mutter strahlte. „Wunderbar! Ich werde ihm gleich Bescheid sagen. Du wirst sehen, es wird eine großartige Party!“

Wunderbar? Großartig? Katie fielen eine Menge Wörter ein, um ihre Erwartungen zu beschreiben, aber diese beiden gehörten definitiv nicht dazu. Schon jetzt bedauerte sie es, sich auf den Plan ihrer Mutter eingelassen zu haben. Vier Tage mit Howie? Vor vierzehn Jahren hatten sie es kaum eine Stunde im selben Raum ausgehalten. Der einzige positive Aspekt war, dass er sie genauso verabscheut hatte wie sie ihn. Vielleicht war er ja energischer und würde seiner Mutter die Bitte abschlagen, Katies Begleiter zu sein. Dann wären alle Probleme gelöst.

„Nein Mutter, das werde ich nicht tun!“ Howard Jackson Kents Stimme klang sehr bestimmt.

„Aha.“

Ein einziges Wort. An und für sich unbedeutend, doch der Tonfall, in dem seine Mutter es sagte, ließ ihn Böses ahnen.

„Wir ignorieren also einfach, dass Janis McCormick meine beste Freundin ist?“ Sie sah ihn über seinen Schreibtisch hinweg tadelnd an.

Seine Mutter war unangemeldet bei ihm im Büro vorbeigekommen, und der Umstand, dass sie ihn genau zwischen zwei Meetings abgepasst hatte, konnte kein Zufall sein. Er würde später ein ernstes Gespräch mit seiner Assistentin führen müssen.

„Und wir ignorieren die Tatsache, dass Janis mich um Hilfe gebeten hat?“

Schade, dass sie genau das nicht tun würden. Resigniert lehnte Howard sich zurück.

„Wie wäre es, wenn du es Katie zuliebe tätest? Sie ist so eine nette junge Frau.“

Gab es einen Satz, den ein Junggeselle noch lieber hörte? Grimmig lächelte er vor sich hin.

„Katie und ich konnten uns noch nie sonderlich gut leiden.“

Auch wenn es viele Jahre her war, konnte er sich noch ziemlich genau an den Sommernachmittag erinnern. Seine Mutter hatte darauf bestanden, dass er sie zu ihrer Freundin Janis begleitete. In dem Augenblick, in dem er Katie begegnet war und diese ihn mit einem enttäuschten Seufzen angesehen hatte, hatte er seine Entscheidung sofort bereut.

Katie war rechthaberisch und arrogant gewesen. Ihr einziges Interesse galt dem Sport, und sie hatte ihn mehr als herablassend behandelt. Nun gut, er war damals ein Nerd gewesen, dem es ziemlich schwergefallen war, Kontakte zu knüpfen. Doch sie war unfreundlich und genervt gewesen und hatte ihm sogar gedroht, ihn zu verhauen. Was ihr vermutlich sogar gelungen wäre.

„Euer letztes Treffen ist eine Ewigkeit her. Bestimmt ist jetzt alles anders. Sie ist eine ganz entzückende junge Frau geworden.“

„Mhm.“

Seine Mutter richtete sich auf. Tina Kent war klein, doch Howard wusste, dass man sich von ihrer zierlichen Statur nicht täuschen lassen durfte.

„Erinnerst du dich daran, wie ich vor zehn Jahren Brustkrebs hatte?“

Howard unterdrückte ein Stöhnen. Nein, nicht schon wieder. Alles, nur das nicht.

„Du warst gerade auf dem College, und ich wollte dich nicht beunruhigen, damit du in Ruhe deinen Master machen konntest.“

Während dieses Jahres hatte er die Software entwickelt, die ihn innerhalb von drei Jahren zu einem Multimillionär gemacht hatte.

„Mom …“

Abwehrend hob sie ihre Hand. „Als du heimgekommen bist, hast du dir fürchterliche Sorgen um mich gemacht. Ich habe dir damals versprochen, wieder gesund zu werden.“ Erwartungsvoll sah sie ihn an.

„Und ich habe gesagt, wenn das stimmt, würde ich alles tun, worum du mich bittest“, ergänzte Howard pflichtbewusst.

„Nun, ich habe mein Versprechen gehalten. Jetzt bist du dran. Du wirst Katie zu der Hochzeit ihrer Schwester begleiten. Ihr verbringt vier wundervolle Tage in einem traumhaften Hotel in Fool’s Gold, und du wirst alles in deiner Macht Stehende tun, damit Katie sich wie eine Prinzessin fühlt.“

Wie hatte er sich bloß in diese unmögliche Situation gebracht? Warum konnte er nicht so sein wie die meisten seiner Freunde, die so gut wie nie mit ihren Eltern sprachen? Warum hing er so sehr an seiner Mutter? Howard kannte die Antwort, denn abgesehen von ihren Verkupplungsversuchen war seine Mutter eine außergewöhnliche Frau, mit der man über fast alles reden konnte, denn sie war nicht nur klug, sondern auch sehr schlagfertig und witzig. In diesem Moment hätte er ein wenig mehr Distanz jedoch ganz nett gefunden. Wie sollte er es vier Tage lang mit der schrecklichen Katie McCormick aushalten?

„Mom …“ Resigniert schüttelte er den Kopf. Was waren schon vier Tage? Er würde es zweifellos überleben. Außerdem war die Gegend um Fool’s Gold herum angeblich wunderschön und landschaftlich sehr reizvoll. Falls das strahlende Sommerwetter sich hielt, würde es bestimmt ganz nett werden. „Also gut. Du hast gewonnen.“

Glücklich strahlte sie ihn an. „Wunderbar! Janis war jeden einzelnen Tag meiner Krankheit für mich da. Ich bin so glücklich, dass ich mich endlich ein wenig revanchieren kann!“

„Indem du deinen eigenen Sohn verkaufst“, stichelte Howard. „Was werden die Nachbarn wohl dazu sagen?“

„Ganz einfach: Sie werden sagen, dass es höchste Zeit für dich ist, eine nette Frau zu finden.“

2. KAPITEL

Katie wartete nervös in der Lobby des Gold Rush Ski Lodge and Resort Hotels. Der lange, wenig attraktive Name ließ nicht vermuten, dass es sich um eine geschichtsträchtige, überaus luxuriöse Herberge handelte.

Das Hotel befand sich auf der Kuppe eines Hügels, sodass man einen fantastischen Blick über das Städtchen Fool’s Gold hatte. Architektonisch war es irgendwo zwischen einem viktorianischen Herrenhaus und einem schweizerischen Chalet angesiedelt, und insgesamt sah es sehr einladend und elegant aus. Das exquisite Fünf-Sterne-Restaurant war weit über die Stadtgrenzen hinaus berühmt, nicht zuletzt für seinen legendären Service. Die meist sehr wohlhabenden Gäste konnten in einer der Nobel-Boutiquen in der Eingangshalle shoppen gehen oder sich in dem erstklassigen Wellness-Bereich verwöhnen lassen.

Wäre es ihre eigene Hochzeit gewesen, dann hätte Katie sicherlich ein etwas bescheideneres Ambiente gewählt. Eine schlichte Trauung am Strand des Sees und danach ein Empfang in einem der Restaurants in der Stadt. Doch ihre Schwester war schon immer etwas extravagant gewesen, und so würde die Hochzeit eben vier Tage lang im noblen Gold Rush Ski Lodge and Resort Hotel stattfinden.

Katie hatte genau wie der Rest ihrer Familie bereits eingecheckt, und die Gäste von außerhalb würden sicher auch bald eintreffen. Es war also höchste Zeit, Howie zu finden – bevor jemand anderes es tat, denn sie mussten sich unbedingt über die Details ihrer angeblichen Beziehung absprechen.

Einen kurzen Augenblick lang überlegte Katie, ob es nicht doch besser wäre, das Täuschungsmanöver abzublasen. Die Vorstellung, die nächsten vier Tage doch nicht mit Howie zusammen sein zu müssen, war sehr verlockend. Andererseits würden die anderen Gäste sie dann für die alte Jungfer halten, die sie im Grunde auch war.

Obwohl das einundzwanzigste Jahrhundert bereits begonnen hatte und Frauen frei und unabhängig leben konnten, war es in der McCormick-Familie nach wie vor eine Katastrophe, wenn eine Frau mit knapp dreißig noch keinen Mann abbekommen hatte.

„Aber du bist doch eine Sportreporterin“, würde ihre Tante Tully wieder einmal sagen. „Da müsstest du doch massenhaft reiche und attraktive Männer treffen.“

Wenn es doch nur so einfach wäre. Katie liebte den Sport – die Wettbewerbe, die Höchstleistungen, zu denen man manchmal fähig war, die Spannung – doch die Athleten selbst fand sie nur wenig attraktiv. Vielleicht lag es daran, dass sie diese Männer in Extremsituationen erlebte. Es war vergleichbar mit einem Job in einer Restaurantküche. Wenn man jeden Tag dort arbeitete, hatte man keine Lust mehr, auswärts essen zu gehen.

Ein großer, dunkelhaariger Mann betrat die Lobby. Er war so außergewöhnlich attraktiv, dass sämtliche Frauen sich nach ihm umdrehten. Breite Schultern, lange, kräftige Beine, das blau gestreifte Hemd lässig in die Jeans gesteckt. Das Leben war einfach ungerecht! Wieso konnte Katie nicht so ein Exemplar an Land ziehen? Stattdessen stand sie hier und wartete auf Howard, den Nerd, der sich zu allem Überfluss auch noch verspätete.

Er machte irgendetwas in der Computerbranche – vielleicht hätte sie ihn per E-Mail an ihre Verabredung erinnern sollen?

„Katie?“

Der dunkelhaarige Fremde war vor ihr stehen geblieben. Ungläubig starrte Katie ihn an. Sein Gesicht war gleichmäßig, mit einem energischen Kinn und leuchtend grünen Augen hinter der modischen Brille.

Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, brachte jedoch kein Wort heraus. Konnte das wahr sein?

„H…Howie?“

Der Mann lächelte, und es war ein so verführerisches Lächeln, dass sie fast leise aufgestöhnt hätte.

„Jackson“, korrigierte er sie. „Ich nenne mich seit Jahren bei meinem zweiten Vornamen. Jackson.“

Sahneschnitte wäre ein mindestens genauso passender Name gewesen, überlegte Katie und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Er war viel größer als damals. Und kräftiger. Selbst sein Haar war perfekt.

„Howie?“, wiederholte sie ungläubig.

„Na komm schon, so sehr habe ich mich jetzt auch nicht verändert!“

Aber hallo!

„Du bist … ähm … groß geworden“, stammelte sie und hoffte, nicht so dämlich auszusehen, wie sie sich gerade fühlte.

„Genau wie du.“

Katie kräuselte ihre Nase. Nein, sie war während der letzten vierzehn Jahre eigentlich nicht mehr gewachsen. Allerdings hatte sie über zehn Kilo Gewicht verloren und gelernt, sich vorteilhaft zu kleiden und zu schminken. Obwohl sie sich nur durchschnittlich hübsch fand, beschwerte sie sich nicht, auch wenn sie es manchmal deprimierend fand, dass in ihrer Familie alle außer ihr schlank, groß und attraktiv waren. Warum musste gerade sie diese üppigen Rundungen haben?

„Naja, zumindest habe ich meinen Babyspeck verloren.“

Jackson sah sie aufmerksam an. „Deine Augen haben sich nicht verändert. Sie sind genauso schön wie damals. Ich kann mich noch gut an die Farbe erinnern.“

„Vermutlich, weil ich dich angestarrt habe.“

„Allerdings. Ich hatte furchtbare Angst, du würdest mich verhauen.“

„Du hast mich behandelt, als wäre ich eine Idiotin.“

„Ich wollte nur meine Unsicherheit überspielen. Tut mir leid. Damals war ich nun einmal so.“

„Das ist wohl der Nachteil, wenn man eine sechzehnjährige Intelligenzbestie ist.“

„Du konntest dich aber auch recht gut verteidigen.“

Katie lachte. „Ja, allerdings nur durch rohe Gewalt. Das ist eher peinlich.“

„Unsinn. Du warst beeindruckend. Und heute bist du eine berühmte Sportjournalistin?“

Hätte Katie gerade etwas getrunken, dann hätte sie sich vor Schreck verschluckt.

„Das ist völlig übertrieben. Hat meine Mutter dir das erzählt?“

Er nickte.

„Ich arbeite für die Lokalzeitung, die Fool’s Gold Daily Republic, und bin dort für die Sportredaktion verantwortlich. Das ist nicht gerade eine glänzende berufliche Karriere.“

„Du magst deinen Job. Das höre ich deutlich aus deinen Worten heraus. Und das ist die Hauptsache.“

„Stimmt.“ Sie sah in seine dunkelgrünen Augen und fragte sich, weshalb sie nicht schon viel früher auf ihre Mutter gehört und ihn getroffen hatte.

Howie … ach nein: Jackson war einfach umwerfend.

„Ich habe gehört, dass du eine erfolgreiche Computerfirma hast?“ Wieso hatte sie sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu googeln? „Du hast irgendein Programm geschrieben … für Firmen?“

Wieder lächelte er sein etwas verruchtes, sexy Lächeln. „Inventurkontrolle. Glaub mir, du möchtest die Einzelheiten nicht hören. Es ist sterbenslangweilig.“

„Wahrscheinlich hast du recht. Aber trotzdem ist es wichtig, dass sich jemand um solche Inventursachen kümmert. Bestimmt ist das total prozessoptimierend.“

Verwundert sah er sie an. „Prozessoptimierend?“

„Ich habe Sportjournalismus studiert und nicht BWL. Was weiß ich, wie man das nennt. Ich dachte, es geht immer um Prozessoptimierung. Gibt mir etwas Zeit zum Recherchieren, und ich werde dich mit meiner Sachkenntnis beeindrucken.“

„Vielleicht bin ich ja schon beeindruckt.“

Sie war sich nicht sicher, ob es an seinen Worten oder an der Art, wie er sie gesagt hatte lag, aber zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich wieder wie ein junges Mädchen. Wäre ihr Haar nur ein wenig länger gewesen, dann hätte sie es jetzt schwungvoll nach hinten geworfen. Wie gut, dass ihre Mutter sie überredet hatte, ein hübsches Sommerkleid anzuziehen anstatt wie üblich in Jeans und T-Shirt herumzulaufen. Katie hatte sogar ausnahmsweise Mascara und Lipgloss aufgetragen.

„Du bist ganz anders, als ich es erwartet hatte“, gab Jackson zu.

„Ich weiß“, erwiderte Katie und widerstand nur mühsam dem Impuls, mit den Wimpern zu klimpern. „Als meine Mutter dich als meine Aushilfsbegleitung vorschlug, war ich alles andere als begeistert. Doch ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du zugestimmt hast.“

„Gern geschehen.“

„Das sagst du jetzt. Du hast ja keine Ahnung, was dich erwartet.“ Sie lächelte vielsagend. „Vielleicht sollte ich dir die Autoschlüssel wegnehmen, bevor ich dich über die nächsten vier Tage aufkläre. Damit du nicht schreiend weglaufen kannst.“

„Ist es so schlimm?“

„Nun ja, sagen wir mal so: Meine Schwester ist nur dann glücklich, wenn alles um sie herum hochdramatisch ist. Mit Mittelmäßigkeit gibt sie sich nur ungern zufrieden. Dann ist da noch meine Tante, die sich bei solchen Gelegenheiten immer einen Spaß daraus macht, die Freunde oder Ehemänner der anderen Frauen zu verführen. Was den Bräutigam betrifft: Ich schätze, deine Mutter hat erwähnt, dass ich früher mit ihm zusammen war. Und das ist erst der Anfang.“

„Hört sich nett an.“

„Du hast ja keine Ahnung! Noch kannst du verschwinden.“

„Kein Problem. Ich schaffe das schon. Oder zweifelst du etwa daran?“

Nein, Katie hatte nicht den geringsten Zweifel, dass Jackson mit jeder Situation fertig werden würde. Und sie fand die Aussicht, die nächsten Tage mit ihm zu verbringen, ausgesprochen verlockend.

„Du solltest jetzt einchecken. Warst du während der letzten Jahre in Fool’s Gold?“

„Nein. Nicht seit unserem letzten Zusammentreffen.“

„Aber du bist doch in Sacramento aufgewachsen, also ganz in der Nähe.“

„Mich hat’s nach dem College in die andere Richtung gezogen, an die Ostküste.“ Interessiert sah er sich in der Lobby um. „Dieses Hotel ist unter Skifahrern ziemlich berühmt.“

„Fährst du auch Ski?“

„Ein wenig. Es gefällt mir sehr, aber leider bin ich nicht besonders gut.“

„Geht mir genauso. Aber es ist einfacher als Snowboarding. Ich probiere gern neue Sportarten aus, auch wenn ich bis jetzt keine gefunden habe, in der ich richtig gut bin.“

Sie gingen langsam auf die Rezeption zu. „Im Winter gibt es hier einige sehr gute Pisten. Um diese Zeit sind natürlich keine Wintersport-Touristen hier, sodass das Hotel sich auf Hochzeitsgesellschaften und Themenwochenenden spezialisiert hat. Das Konzept ist ziemlich erfolgreich; aus dem ganzen Land kommen Gäste, die etwas erleben oder Wellnessurlaub machen wollen.“

„Offenbar kennst du dich ziemlich gut aus. Arbeitest du nebenbei in der Tourismusbranche?“

Katie lachte. „Ich lebe in dieser Stadt. Da bekommt man zwangsläufig mit, was hier oben im Hotel passiert.“

„Du bist also in Fool’s Gold aufgewachsen und immer hiergeblieben? Hattest du nie den Wunsch, woanders zu leben?“

Katie schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Ich bin zum Studieren ans Ashland College gegangen, doch obwohl es mir dort sehr gut gefallen hat, konnte ich es kaum erwarten, wieder zurückzukommen. Fool’s Gold ist einfach mein Zuhause.“

Aus ihren Worten klang Zufriedenheit. Jackson hatte in Sacramento eine glückliche Kindheit verlebt, und auch an der Ostküste, während seines Studiums am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, hatte er sich sehr wohlgefühlt. Doch als er einen Ort für seine Firmengründung suchte, hatte es ihn wieder nach Westen gezogen. Kalifornien war einfach ein ganz besonderer Flecken.

Inzwischen lebte er in Los Angeles, doch auch wenn er die Stadt sehr mochte, empfand er nicht dieses Gefühl von Heimat, das Katie ganz offensichtlich verspürte.

Sie war vollkommen anders, als er es erwartet hatte. Offen und selbstbewusst und voller Energie. Sie schien rundum zufrieden zu sein, und in ihren blauen Augen erkannte er Intelligenz und Humor. Ihre Figur war üppig. So verführerisch üppig, dass ihm der Atem stockte. Ihre Art zu gehen konnte man nur als erotisch bezeichnen, und sein Körper reagierte unmissverständlich auf ihren sexy Gang.

Mit sechzehn hatte er eine Heidenangst vor ihr gehabt, doch nun, vierzehn Jahre später, war sie eine wandelnde Versuchung. Natürlich würde er nicht darauf eingehen. Ein Flirt mit der Tochter der besten Freundin seiner Mutter war völlig indiskutabel. Abgesehen davon, dass die beiden Mütter ihre Beziehung mit Argusaugen überwachen würden, war Jackson klar, was passieren würde, sollte er Katie das Herz brechen.

Schade eigentlich, überlegte er mit leisem Bedauern.

„Die Familienmitglieder sind alle auf dem gleichen Gang“, erklärte Katie gerade. „Ich habe dafür gesorgt, dass du so weit wie möglich von ihnen entfernt untergebracht wirst. Wir wollen schließlich nicht, dass Tante Tully sich nachts in dein Zimmer schleicht.“ Schelmisch lächelte sie ihn an. „Du bist noch jung genug, um bleibende Schäden davonzutragen, falls sie dich vernascht.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich Lust habe, sie kennenzulernen.“

„Keine Angst, ich beschütze dich.“

Schnell checkte er ein und bekam einen altmodischen Schlüssel.

„Da geht’s entlang.“ Katie wies auf die Fahrstühle. „Und heute Abend wird es ernst. Die Feierlichkeiten beginnen mit einer Party.“

„Parties sind toll.“

„Es ist eine Themenparty. 50er Jahre. Ich habe schon ein Kostüm in dein Zimmer bringen lassen.“

Eine Kostümparty? Offenbar hatte seine Mutter ihm einige entscheidende Details verschwiegen. „Hört sich super an“, log er.

Lachend tätschelte Katie seinen Arm. „Mach dir keine Sorgen. Die Jungs tragen nur ein kurzärmliges weißes Shirt und Jeans. Falls du zufällig Slipper dabei hast, wäre dein Auftritt perfekt.“

„Mit weißen Socken, nehme ich an.“

„Das wäre großartig.“

Er spürte ihre warme Hand auf seiner Haut, und es gefiel ihm. Sehr sogar. Am liebsten hätte er sie ebenfalls berührt. Sein Blick wanderte zu ihrem Mund. Ihre Lippen waren voll und schön geschwungen – genau wie der Rest von ihr. Katie war der Inbegriff von Üppigkeit.

„Ich bin viel schlechter dran als du, denn ich muss einen albernen Petticoat tragen. Mit einem Twinset. Grauenhaft!“

Eine interessante Vorstellung, fand Jackson, dem es nicht gelang, seinen Blick von ihrem Gesicht zu lösen. Normalerweise fand er den Retro-Look nicht sonderlich attraktiv, doch er hatte den Verdacht, dass Katie ihm heute Abend ziemlich gut gefallen würde.

„Wir sollten jetzt unsere Geschichte abstimmen“, schlug Katie leise vor.

Verwundert sah er sie an. Ihre Pupillen waren ein wenig geweitet, und sie schien etwas aufgeregt zu sein. Zum Anbeißen.

„Ich meine, wie wir zusammengekommen sind“, fügte sie hinzu.

„Am besten bleiben wir möglichst nah an der Wahrheit. Unsere Mütter haben uns verkuppelt.“

„Gut. Sagen wir, vor einem halben Jahr?“

„In Ordnung. Seitdem sind wir unzertrennlich.“ Er grinste. „Natürlich war ich etwas erstaunt, als du gleich am ersten Abend mit mir schlafen wolltest, aber als perfekter Gentleman konnte ich die Einladung wohl nicht ausschlagen.“

Mit großen Augen sah sie ihn an und runzelte dann die Stirn. „Wie bitte? Du warst derjenige, der schon nach fünf Minuten vollkommen verrückt nach mir war. Du hast mich regelrecht verfolgt! Im Grunde bin ich nur aus Mitleid mit dir ausgegangen, weil ich befürchtete, dass du sonst völlig durchdrehen würdest.“

Jackson lachte charmant. „Wir wäre es, wenn wir uns in der Mitte treffen? Es war bei uns beiden Liebe auf den ersten Blick.“

„Okay. Auch wenn mir die Vorstellung, dass du verrückt nach mir warst, besser gefällt.“

Sie hatte ja keine Ahnung, wie wenig nötig war, um genau das zu bewirken. Nur mit Mühe konnte er dem Drang widerstehen, sie anzufassen, denn er hätte zu gern gewusst, ob ihr ganzer Körper so warm und weich war wie ihre Hände.

Sie gingen zum Fahrstuhl, doch noch bevor sie ihn erreicht hatten, stürmte eine etwa fünfzigjährige Frau auf sie zu. Jackson erkannte die beste Freundin seiner Mutter sofort.

„Hallo Janis! Schön, dich wiederzusehen.“

„Howie“, begrüßte sie ihn kurz.

Er zuckte zusammen. Da seine Mutter darauf bestand, ihn weiterhin Howie zu nennen, kannte Janis ihn natürlich auch nur unter diesem Namen.

„Es ist eine Katastrophe passiert!“, wandte Janis sich an Katie.

„Nur eine? Das geht doch noch.“

„Fordere bitte das Schicksal nicht heraus!“ Janis holte tief Luft. „Es geht um die Torte. Genau genommen um die Konditorin. Anscheinend werden die Dekorationen im Vorfeld einer Hochzeit hergestellt und dann am Hochzeitstag auf die frisch gebackene Torte gesetzt. So ganz genau hab ich das alles nicht verstanden.“

„Und wo liegt jetzt das Problem?“

„Die Konditorin hatte einen Autounfall. Keine Angst, sie hat überlebt, doch ihre beiden Arme sind gebrochen. Ich will ja nicht herzlos erscheinen, aber hätte das nicht an einem anderen Tag passieren können? Die Torte befand sich auch im Auto und ist natürlich hinüber. Wir haben also die Dekorationen, die schon gestern geliefert wurden, aber keine Torte und niemanden, der sich um die Fertigstellung kümmern könnte.“

Janis klammerte sich an Katies Arm. „Ich halte das alles nicht mehr aus! Deine Schwester ist vollkommen hysterisch und dein Vater ist mir auch keine Hilfe. Außerdem muss ich ständig neu angekommene Verwandte begrüßen, und zu allem Überfluss schleicht Tante Tully bereits um einen der Hotelpagen herum. Du musst mir helfen!“

„Warum habe gerade ich so eine unmögliche Familie?“ Resigniert sah Katie ihre Mutter an.

„Das ist kein bisschen hilfreich“, tadelte Janis sie, wobei ihre Stimme mit jedem Wort schriller wurde.

„Tut mir leid. Bestimmt finden wir eine andere Konditorin.“

„Und wie? Wir sind mitten in der Hochzeitssaison. Sie sind alle ausgebucht. Ich fürchte, das hier ist ein Wink des Schicksals. Die Hochzeit wird eine Katastrophe – ich spüre es genau!“

„Mom, bitte beruhige dich!“

„Ich kann nicht …“

Jackson holte sein Mobiltelefon heraus. „Vielleicht kann ich euch helfen. Ich habe eine Freundin, die eine Catering-Firma betreibt. Sie hat schon öfter Hochzeitstorten gemacht, und ich bin mir sicher, dass ich sie überreden kann, einzuspringen.“

Janis sah ihn an. „Bitte mach mir keine falschen Hoffnungen, Howie. Das wäre ja zu schön, um wahr zu sein.“

„Ich rufe sie sofort an.“

Er suchte in seiner Kontaktliste nach Ariel. Sekunden später war sie am Apparat. Jackson begrüßte sie und erklärte ihr die Situation.

„Aber es ist nicht etwa deine eigene Hochzeit?“, erkundigte Ariel sich argwöhnisch.

„Nein. Die Hochzeit einer Freundin. Ich bin nur übers Wochenende hier und fahre dann wieder nach L.A.“

Sie zögerte. „Eigentlich habe ich keine Zeit, aber da heute ein Kunde abgesagt hat, könnte ich morgen früh da sein. Ich brauche allerdings die Hotelküche.“ Sie nannte einen Preis, der ihn erstarren ließ, doch Janis nickte unbekümmert.

„Also abgemacht. Wir sehen uns dann morgen.“

Als er aufgelegt hatte, umarmte Janis ihn überschwänglich. „Du hast mein Leben gerettet!“

„Es ist doch nur eine Torte. Du tust ja so, als hätte ich dich aus einem brennenden Haus getragen.“

„Genauso erleichtert fühle ich mich auch!“ Sie legte theatralisch eine Hand auf ihre Brust. „Ich kann wieder atmen! Zumindest bis zur nächsten Katastrophe. So Kinder, jetzt geht in eure Zimmer und macht euch für die Party fertig. Ich brauche erst einmal einen Drink.“

Grinsend sah Jackson ihr nach und drückte dann auf den Fahrstuhlknopf. Katie blickte ihn skeptisch an. „Ariel ist also eine Exfreundin von dir?“

„Woher weißt du das?“

„Männer haben normalerweise nicht die Nummer eines Cateringservice’ in ihrer Kurzwahlliste.“

„Unsinn. Sie ist in meinem ganz normalen Telefonbuch.“

„Trotzdem hatte ich recht.“

Die Türen öffneten sich, und sie traten ein. Katie drückte den Knopf für die vierte Etage.

„Und – war es schlimm? Die Trennung, meine ich.“

„Eigentlich nicht. Genau genommen war es ganz einfach. Sie hat mich verlassen. Zuerst fühlte ich mich grässlich, aber das ging schnell vorüber.“ In der Tat war er so schnell über das Ende der Beziehung hinweg gewesen, dass er rasch eingesehen hatte, wie wenig zukunftsträchtig die Beziehung gewesen war.

„Glückwunsch. Das ist auf jeden Fall besser, als monatelang in Liebeskummer zu versinken.“

Er musterte sie prüfend. „Bist du eher der Liebeskummer-Typ?“

„Hm, es gab ein, zwei Mal in meinem Leben deprimierende Episoden, aber insgesamt neige ich nicht so dazu.“

Der Fahrstuhl hielt an, und sie stiegen aus. Katie zeigte Jackson den Weg zu seinem Zimmer.

„Meins ist gleich gegenüber.“

Grinsend sah er sie an. „Ich hoffe, ich bin hier vor dir sicher.“

„Wenn du vor vierzehn Jahren schon so gewesen wärst wie heute, hätte ich nie damit gedroht, dich zu verhauen.“

„Wäre ich vor vierzehn Jahren so gewesen wie heute, dann hätte ich mir gewünscht, dass du es versuchst.“

Sekundenlang sahen sie sich in die Augen. Schließlich wandte Katie den Blick ab. „Die Party fängt in einer Stunde an. Am besten machst du dich jetzt fertig. Mach dich auf das Schlimmste gefasst.“

„Ich bin nicht so leicht zu verunsichern. Außerdem hast du versprochen, mich zu beschützen.“

„Du solltest darum beten, dass Tante Tully dich in Ruhe lässt.“

„Ich werde schon mit ihr fertig.“

„Warte es ab …“ Mit einem Lächeln auf dem Gesicht ging Katie in ihr Zimmer.

3. KAPITEL

Irgendwie sah dieses 50er-Jahre-Kostüm gar nicht so übel aus, dachte Katie, als sie sich im Spiegel betrachtete. Natürlich ließ der Rock ihre ohnehin nicht sehr langen Beine noch ein wenig kürzer erscheinen – was für jemanden aus einer Familie mit fast ausschließlich großen, schlanken Menschen nur schwer zu ertragen war –, doch ihre Taille wurde durch den Petticoat sehr vorteilhaft betont. Übermütig drehte sie sich ein paar Mal im Kreis.

Ihr schulterlanges Haar hatte sie mit einer quietschgelben Schleife zu einem kecken Pferdeschwanz zusammengebunden. Dazu trug sie eine falsche Perlenkette, um den Retro-Look perfekt zu machen.

Ein energisches Klopfen an ihrer Tür ließ sie zusammenzucken.

Sie riss die Tür auf und sah Jackson beeindruckt an. Er trug eine Jeans und hatte die Ärmel seines engen weißen T-Shirts hochgerollt. Sein dunkles Haar war mit Pomade nach hinten gekämmt, was nicht nur sehr sexy, sondern auch verwegen aussah. Eine ausgesprochen verlockende Kombination.

„Die West Side Story ist der Lieblingsfilm meiner Mutter“, erklärte Katie lachend. „Du siehst wie ein perfekter Jet aus.“

Jackson musterte sie von Kopf bis Fuß mit so unverhohlenem Interesse, dass Katie eine Gänsehaut bekam.

„Sehr hübsch. Ich mag den Rock.“

Sie drehte sich einmal im Kreis. „Ja, nicht wahr, er ist großartig. Ich habe noch nie vorher einen Petticoat getragen.“

„Du siehst aus wie …“

„Ein braver Backfisch? Oder besser wie eine alte Jungfer?“

„Nein, wie das Mädchen, mit dem man zum Abschlussball gehen möchte.“

Sie freute sich über das Kompliment, gab sich jedoch Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. „Dann habe ich ja alles richtig gemacht.“

Schnell steckte sie ihren Lipgloss und den Zimmerschlüssel in ihre Tasche und trat zu ihm auf den Gang.

Während sie auf den Fahrstuhl warteten, lehnte Jackson sich lässig an die Wand und sah sie unschlüssig an.

„Händchen halten? Küssen? Ständiges Aneinanderkleben? Wie wollen wir der Welt und vor allem deiner Familie zeigen, dass wir unzertrennlich sind?“

Sex, dachte Katie. Sie sollten Sex haben, um den Eindruck eines glücklichen Pärchens zu vervollständigen. Sie hätte absolut nichts dagegen.

„Tja, ein wenig Körperkontakt sollte schon da sein. Courtney und Alex können keine Minute die Finger von einander lassen, aber ehrlich gesagt finde ich d5as manchmal schon etwas peinlich.“

„Einverstanden.“

Er sah sie eindringlich an, ganz so, als würde er über eine Sache angestrengt nachdenken. Langsam machte er sie nervös. Wo blieb nur der Fahrstuhl?

Sekundenlang sagte keiner von ihnen etwas. Dann trat Jackson auf Katie zu, nahm zärtlich ihr Gesicht in die Hände und strich mit den Lippen über ihren Mund.

Sein Kuss kam unerwartet, er war gleichzeitig sanft und leidenschaftlich. Eine Hitzewelle stieg in Katie auf, und am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen. Doch er war schon wieder einen Schritt zurückgetreten; seine Hände umfassten allerdings noch immer ihr Gesicht, und er streichelte sanft ihre Wangen.

„Wir mussten uns schließlich eine Generalprobe zugestehen“, erklärte er grinsend. Katie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass noch weitere Trainingseinheiten folgen würden.

Als sie gerade vorschlagen wollte, die Übung zu wiederholen, öffneten sich die Türen des Fahrstuhls. Leider war es Tante Tully, die sie hocherfreut begrüßte.

„Katie!“, rief die ältere Frau überschwänglich und trat auf den Gang. „Ich habe dich schon überall gesucht!“ Dann bemerkte sie Jackson und strahlte ihn an. „Hallo, mein Süßer! Ich bin Katies Lieblingstante, und wir beide teilen uns immer alles.“

Jackson trat erschrocken einen Schritt zurück. Katie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.

Tully war die Schwester ihres Vaters; eine mollige, kleine, sehr lebhafte Frau mit blondiertem Haar, die sich kleidete wie eine Zwanzigjährige. Bestenfalls. Nur ihr Schmuck zeigte, dass sie sehr reich geheiratet hatte. Mehrmals. Im Augenblick war Tully auf der Suche nach Ehemann Nummer sechs.

Verheiratet oder nicht – Tully liebte die Männer. Alle Männer. Selbst diejenigen, die verheiratet oder mit anderen Frauen zusammen waren. Sie war der Mittelpunkt einer jeden Party, vertrug eine Menge Alkohol und ignorierte konsequent die Grenzen, die andere Menschen ihr aufzeigten. Katie liebte und fürchtete sie gleichermaßen.

Jackson schien sich von dem Schrecken erholt zu haben und streckte ihr seine Hand entgegen.

„Sie müssen Tante Tully sein. Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Na los jetzt!“, forderte Tante Tully ihn auf. „Sie gehören nun zur Familie. Da erwarte ich mehr als ein Händeschütteln.“

Zögernd kam er näher und nahm sie widerstrebend in den Arm. Doch Tante Tully war für zurückhaltende Gesten nicht zu haben. Beherzt zog sie ihn an sich, drückte ihren Busen an seine Brust und gab ihm einen schmatzenden Kuss auf den Mund. Katie wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken.

Schnell löste Jackson sich aus der Umarmung.

Besitzergreifend legte Katie ihren Arm um Jacksons Taille. „Tante Tully, er gehört mir! Du bekommst ihn nicht!“

Tully verzog schmollend ihren Mund und sah Katie herausfordernd an. „Bist du sicher? Ich kaufe dir ein Auto. Den neuen Lexus Hybrid.“

„Danke, aber die Antwort ist Nein.“

„Willst du Geld?“

Jackson räusperte sich. „Ms. McCormick, ich fühle mich sehr geschmeichelt, aber …“

Ungeduldig unterbrach Tully ihn. „Das haben Sie nicht zu entscheiden. Ich verhandle mit Katie. Also?“

„Nein, Tante Tully. Wirklich nicht!“

„Na gut. Dann muss ich mir halt einen anderen Mann suchen. Hat der Bräutigam zufällig einen Bruder?“

„Nein“, antwortete Katie und war sehr stolz auf sich selbst, weil sie der Versuchung widerstanden hatte, Tante Tully Alex selbst vorzuschlagen. Es wäre zwar nur gerecht gewesen, wenn jemand Courtney den Mann wegnähme, doch im Augenblick wäre es für zu viele Menschen eine Katastrophe. Abgesehen davon bestand die geringe Möglichkeit, dass ihre Schwester Alex wirklich liebte.

Der Fahrstuhl hielt erneut in ihrer Etage an, und Tully stieg ein.

„Wir nehmen den nächsten“, erklärte Katie, die annahm, dass Jackson sich gern einen Moment erholen wollte. „Wir sehen uns dann auf der Party!“ Leise schloss sich die Tür.

Jackson lehnte sich an die Wand. „Das war also Tante Tully.“

„Ich habe versucht, dich zu warnen.“

„Sie wollte mich kaufen!“

„Ich weiß.“

„Sie hat dir ganz ernsthaft Geld angeboten!“

„Sie steht nun mal auf Männer.“

„Aber sie könnte vom Alter her meine Mutter sein.“

„Versuch einfach, nicht mehr daran zu denken.“

Er schüttelte den Kopf. „Jetzt verstehe ich, weshalb du unbedingt eine Begleitung für diese Familienfeier haben wolltest.“

„Nur ein Teil meiner Familie ist so schräg. Meine Eltern beispielsweise sind ganz entzückend. Und Courtney ist sehr hübsch.“ Am liebsten hätte Katie hinzugefügt, dass es ausgesprochen nett wäre, wenn Jackson darauf verzichten könnte, sich in Courtney zu verlieben, doch sie widerstand dem Impuls. Es würde sowieso nichts nützen. Wenn es passieren sollte, dann würde es auch passieren.

„Also ist Tully die Schlimmste von allen?“

Katie lachte. „Ja, ganz bestimmt. Die anderen Mitglieder meiner Familie werden sich darauf beschränken, peinliche Fragen zu stellen. Zum Beispiel seit wann wir schon zusammen sind und ob du ernsthafte Absichten hast.“

„Sie wollen dich also unter die Haube bringen?“

„Ja, das ist seit Jahren ihr gemeinsames Ziel. Man sollte ja annehmen, dass es reicht, einen tollen Job und viele nette Freunde zu haben, aber das stimmt nicht. Manchmal beneide ich euch Männer. Ihr müsst euch diese Sticheleien nie anhören.“

„Da irrst du dich. Meine Mutter erklärt regelmäßig sehr deutlich, dass sie endlich Enkelkinder haben möchte. Aber ich ignoriere sie einfach.“

Gut für ihn, wenn er das so einfach konnte, überlegte Katie und drückte auf den Fahrstuhlknopf.

„Warum bist du noch nicht verheiratet? Oder gehörst du etwa zu den Männern, die sich nicht festlegen wollen? Bist du ein eingefleischter Junggeselle?“

„Nein. Mir gefällt die Vorstellung, eines Tages eine Frau und Kinder zu haben. Aber als ich noch jünger war, hatte ich leider nur wenig Erfolg bei den Mädchen.“

Sie sah ihn an, betrachtete seine breiten Schultern, die leuchtend grünen Augen und seinen sexy Mund. „Auch auf die Gefahr hin, dass du dir etwas darauf einbildest – ich denke nicht, dass dieses Problem immer noch besteht.“

„Nein. Heute besteht die Schwierigkeit darin, die richtige Frau zu finden.“

„Wonach suchst du denn?“

Wieder sah er ihr sekundenlang tief in die Augen. Als wollte er …

In diesem Augenblick öffneten sich die Fahrstuhltüren erneut.

„Katie, mein Schatz. Da bist du ja!“ Katies Mutter kam leicht taumelnd auf sie zu.

Katie sah ihren Vater entsetzt an. „Sie hat einen Schwips!“

„Meinst du?“ Ihr Vater hielt Jackson die Hand hin. „Hallo! Ich bin Mike McCormick.“

„Jackson Kent. Ich bin der Sohn von Tina.“

„Ich weiß.“ Er legte einen Arm um seine Frau. „Deine Mutter hatte zwei Martinis“, erklärte er leichthin.

Katie zuckte zusammen. „Um Himmels willen! Normalerweise ist sie schon nach einem beschwipst! Auch wenn sie dann immer sehr charmant ist, finde ich nicht, dass heute ein passender Anlass für zwei Martinis ist.“

Sie stiegen ein, und die Türen schlossen sich wieder.

Janis tätschelte ihrem Mann die Wange. „Jetzt tu nicht so, als würde es dich stören. Wir wissen doch beide, dass du es magst, wenn ich ein bisschen angeheitert bin. Dann kriegst du mich eher rum.“

„Mom!!!“ Entsetzt hielt Katie sich die Ohren zu. „Bitte hör auf! Ich will so etwas nicht hören!“

Janis sah ihre Tochter nachsichtig an. „Du solltest dich darüber freuen, dass deine Eltern immer noch Sex haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass unsere Ehe in Ordnung ist. Du möchtest doch nicht, dass wir uns scheiden lassen, oder?“

„Soll ich ein Lied singen, damit du sie nicht mehr hören kannst?“, schlug Jackson grinsend vor.

„Du findest das also lustig?“ Katie war nun fuchsteufelswild. „Wie würdest du es finden, wenn deine Eltern dir über ihr Intimleben berichteten?“ Sie sah ihre Mutter wütend an. „Das hier ist Courtneys Hochzeit! Reiß dich gefälligst zusammen!“

„Schon gut, Kleines. Ich wollte ja nur sagen, dass der Sex immer besser wird, je älter man ist. Früher mussten wir immer darauf achten, dass ihr Kinder uns nicht überrascht habt. Ich mag gar nicht an all die Nachmittage denken, an denen wir versucht haben, uns unter der Dusche zu lieben und ständig eine von euch an die Tür geklopft hat. Mami hier und Mami da. Kannst du mal … Darf ich ein Eis … Wo ist mein Taschenrechner? Es war furchtbar. Einmal dachte ich, wir hätten vergessen, die Tür abzuschließen, und ich hätte deinem Vater vor Schreck fast in sein bestes Stück gebissen.“

Die Türen öffneten sich und Katie stürmte aus dem Fahrstuhl. Sie musste fort, einfach nur fort, und die grässlichen Bilder aus ihrem Kopf bekommen. „Kleine Kätzchen und Eiskrem“, murmelte sie. „Oder London. Ich denke einfach an London.“ Sie blieb stehen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Was für ein Albtraum!

Plötzlich spürte sie, wie jemand sie in den Arm nahm und an sich zog. Die mitfühlende Geste wurde allerdings durch Jacksons glucksendes Lachen abgeschwächt.

„Falls es dich beruhigt: Dein Vater wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken.“

„Nein, das beruhigt mich nicht. Wie konnte sie nur so etwas sagen?“

„Naja, sie ist betrunken.“

„Trotzdem.“ Katie schüttelte sich und presste ihr Gesicht an seine Schulter. „Das war widerlich. Natürlich freut es mich, dass sie glücklich verheiratet sind, aber Eltern sollten nie, wirklich niemals, in Gegenwart ihrer Kinder über ihr Sexleben sprechen!“

„Du brauchst eine Ablenkung, um auf andere Gedanken zu kommen.“

„Ich brauche eine Gehirnwäsche!“

„Katie?“

Fragend blickte sie zu ihm hoch. Im selben Augenblick küsste er sie.

Seine Lippen waren herrlich weich, und sein Kuss, erst unglaublich zärtlich, dann immer leidenschaftlicher, ließ ihre Knie weich werden.

Er hielt sie fest an sich gedrückt, und Katie konnte sich keinen Ort auf der Welt vorstellen, an dem sie gerade lieber wäre als hier in seinen starken Armen. Sanft streichelte er über ihren Rücken und umfasste dann wie selbstverständlich ihren Po, um sie noch näher an sich heranzuziehen. Selbst durch den Petticoat hindurch spürte sie seine Hitze und sein Verlangen.

Sein Kuss wurde immer fordernder, und Katie schlang ihre Arme um seinen Hals und gab sich ganz und gar dem köstlichen Augenblick hin.

Er raubte ihr den Atem, wie es schon seit langer Zeit kein Mann mehr getan hatte. Viel zu lange. Fast hätte sie vergessen, wie gut es sich anfühlte, begehrt zu werden. Und zu begehren.

Im Hintergrund hörte sie Stimmen, doch sie ignorierte sie. Sie wollte Jackson küssen. Küssen und noch viel mehr. Alles andere war unwichtig. Am liebsten hätte sie für den Rest ihres Lebens eng umschlungen mit ihm hier in der Lobby gestanden.

Leider waren seine Fähigkeiten als Gedankenleser nicht so gut entwickelt wie die als Liebhaber, denn nach einer Weile ließ er sie los und trat einen Schritt zurück.

„Und? Geht es dir nun besser?“

Katie zuckte zusammen. „Hast du das nur getan, um mich abzulenken?“

„Teilweise.“

Na wunderbar. Da hatte sie ihre erste erotische Begegnung seit ungefähr einem Jahr, und für ihn war es lediglich eine Mitleidsbekundung gewesen.

Jacksons Mund verzog sich zu dem Katie nun schon wohlbekannten sexy Lächeln. „Aber ich habe es auch getan, weil ich es wollte.“

4. KAPITEL

Am nächsten Tag quälte Katie sich frühmorgens aus dem Bett, um im Fitnessraum des Hotels ein wenig zu trainieren, bevor der eigentliche Hochzeitstrubel begann. Schlaftrunken stolperte sie durch die Hotelhalle – ungekämmt, in einer alten Jogginghose und mit einer kleinen Wasserflasche bewaffnet. Sie rechnete nicht damit, so früh jemanden zu treffen, und ging davon aus, dass sie den Fitnessraum für sich allein haben würde.

Umso erstaunter war sie, Jackson auf einem der Ergometer zu sehen. Im Gegensatz zu ihr sah er auch völlig verschwitzt noch unglaublich gut aus. Er hatte Kopfhörer im Ohr und schaute während des Trainings offenbar gerade die Nachrichten auf dem großen Flachbildfernseher. Bis jetzt hatte er sie noch nicht bemerkt.

Nach dem albtraumhaften Auftritt ihrer Mutter und dem atemberaubenden Kuss in der Hotellobby war der Rest des Abends vergleichsweise unspektakulär verlaufen. Tante Tully hatte freundlicherweise Abstand gehalten, auch wenn sie Jackson immer wieder aufreizende Blicke zugeworfen hatte.

Keiner von Katies Verwandten war durch zu hohen Alkoholkonsum negativ aufgefallen – doch das Wochenende hatte ja auch gerade erst angefangen. Katie ging zu dem zweiten Ergometer.

Wegen Jackson den Fitnessraum zu verlassen kam für sie nicht infrage. Nicht bei ihrer genetischen Veranlagung zur Molligkeit. Wenn sie nicht sehr auf ihr Essen und auf regelmäßige Bewegung achtete, ging sie auf wie ein Hefekloß. Sollte Jackson übernächtigte, verschwitzte Frauen unattraktiv finden, war das sein Problem.

Nachdem sie auf das Gerät geklettert war, studierte sie die Bedienungsanleitung. Zum Glück war es ein Modell, das sie aus ihrem Fitnessstudio bereits kannte. Sie wählte ihr Lieblingsprogramm und schummelte bei der Gewichtsangabe nur um fünf Kilo, bevor sie den Startknopf drückte und sich mental auf den kommenden Schmerz einstellte.

Neben ihr nahm Jackson die Kopfhörer ab. „Guten Morgen!“, begrüßte er sie erfreut.

Auch er war weder geduscht, noch hatte er sich rasiert oder auch nur gekämmt. Warum zum Teufel sah er trotzdem so umwerfend aus? Das Leben war einfach ungerecht!

„Hi!“

„Du bist also eine Frühaufsteherin.“

„Ich muss hart dafür arbeiten, meinen BMI im zweistelligen Bereich zu halten.“

Jackson sah sie von oben bis unten an und schüttelte dann den Kopf. „Unsinn. Du siehst großartig aus!“

Sofort lief Katie rot an. Zum Glück würde es ihm nicht auffallen, denn sie war wegen der sportlichen Anstrengung sowieso schon rot im Gesicht. „Danke. Aber du irrst dich. Du hast mich doch damals gesehen. Ich habe nicht vor, es noch einmal so weit kommen zu lassen.“

Jackson runzelte die Stirn. Er konnte sich noch gut daran erinnern, dass er Katie als Teenager beunruhigend attraktiv gefunden hatte. Auch wenn sie ihn verhauen wollte. Verklemmt und eigenbrötlerisch, wie er damals gewesen war, hatte er allerdings keine Möglichkeit gehabt, anders als mit Spott und Ablehnung zu reagieren.

Heute war er nicht mehr verklemmt, und dennoch fiel es ihm schwer, nicht auf ihre üppigen Brüste zu starren. Ihm war klar, dass die enge Trainingshose seine Gedanken sofort verraten würde, wenn er sich dazu hinreißen ließ, sie genauer zu betrachten.

„Deine Sorgen sind völlig unbegründet“, erklärte er ihr.

„Du hast gut reden. Du warst ja nie fett.“ Ihre blauen Augen blitzten. „Aber es ist schon okay. Ich trainiere nun seit über zwölf Jahren und habe mich so sehr daran gewöhnt, dass es mir fast schon Spaß macht.“

Grinsend sah er sie an. „Das ist also dein Ziel? Spaß zu haben?“

„Möchte das nicht jeder?“

„Bist du deshalb Sportreporterin geworden? Weil du selbst ständig Sport treibst?“

Katie trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. „Sport hat mich schon immer interessiert. Wahrscheinlich ist mein Dad schuld daran. Meine Mutter erzählt immer, dass er mir früher keine Gutenacht-Geschichte, sondern die Sportseite der Zeitung vorgelesen hat. Ich habe mich also zwangsläufig für Fußball und Baseball interessiert.“

„Und spielst du auch selbst?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich wünschte, ich wäre gut in einer der Mannschaftssportarten. Ausprobiert habe ich sie alle, aber ich war nur mittelmäßig begabt. Leider bin ich weder sonderlich koordiniert noch schnell. Du hast ja gestern Tante Tully getroffen – figurmäßig komme ich nach ihr. Und so habe ich beschlossen, mich der theoretischen Seite des Sports zu widmen und lieber darüber zu schreiben, als selbst aktiv zu sein. Deshalb bin ich nach Ashland aufs College gegangen.“

„Wo du Sportjournalismus studiert hast.“

Ihre blauen Augen leuchteten. „Du hast es dir gemerkt.“

Nicht nur das. Er konnte sich an fast jedes Wort erinnern, das sie gesagt hatte. Sie war der Typ Frau, bei dem man sich nicht vorstellen konnte, irgendetwas zu vergessen.

„Du bist die erste Sportjournalistin in meinem Bekanntenkreis“, erklärte er leichthin. „Und an erste Male erinnere ich mich immer ziemlich gut.“

Sie lachte. „Du bist unmöglich! Was ist mit dir? Bist du schon einmal auf ein Klassentreffen gegangen, um mit deiner Karriere anzugeben?“

Er schüttelte sich. „Nein danke! Eher würde ich einen Ausflug in die Hölle machen.“

„Du solltest es dir noch mal überlegen. Du wärst sicher der Typ, der das größte Aufsehen erregt. All die Mädchen, die dich früher verschmäht haben, würden dir heute zu Füßen liegen.“

„Vielleicht möchte ich gar nicht, dass sie mir zu Füßen liegen.“

„Würde dir das nicht gefallen? Rache für vergangene Demütigungen?“

„Nein. Sie sind mir gleichgültig.“ Nachdenklich sah er sie an. „Was ist mit dir? Hast du Rachegelüste? Wenn ja, wäre dieses Wochenende die passende Gelegenheit.“

Katie wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn.

Selbst verschwitzt und knallrot im Gesicht sah sie noch gut aus, überlegte er. Ihr Haar war zerzaust und schweißnass, und ihre Brüste hoben und senkten sich unter dem engen T-Shirt. Genau so sollte ein Tag anfangen. Jeder Tag.

„Ich zitiere dich: Nein danke. Alex interessiert mich nicht mehr. Er hatte seine Chance und hat sie nicht genutzt. Selbst schuld.“

„Der Mann muss ein Vollidiot sein.“

Katie lächelte ihn so hinreißend an, dass Jackson immer heißer wurde.

„Du bist ja ein wahrer Charmeur. Courtney kann ein richtiges Miststück sein, aber wenn man die Vorgeschichte kennt, versteht man vieles besser. Als Kind war sie sehr krank. Krebs. Alle Familienmitglieder haben sie wie ein rohes Ei behandelt und furchtbar verwöhnt. Selbst als sie wieder gesund war, hatten wir alle das Gefühl, sie könnte jeden Augenblick einen Rückfall haben und sterben. So hat sie sich von klein auf daran gewöhnt, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Und das ist immer so geblieben. Sie wurde eine außergewöhnlich hübsche und selbstbewusste Frau, der die Männer reihenweise nachliefen. Bestimmt wird sie eines Tages erwachsen und hört auf, sich für den Nabel der Welt zu halten.“ Katie seufzte, da sie sich da selbst nicht so sicher war, dann fuhr sie fort: „Und um der Wahrheit genüge zu tun: Ich glaube, Alex liebt sie wirklich. Deshalb würde ich den beiden niemals die Hochzeit verderben. Dies hier ist ihr großes Wochenende, und ich möchte, dass es eine schöne Erinnerung wird.“

Obwohl er sein Pensum längst absolviert hatte, trainierte Jackson weiter, bis auch Katie fertig war. Dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg in ihre Zimmer.

Als Jackson Katie in der Hotelhalle gerade fragen wollte, ob sie gemeinsam frühstücken würden, zupfte ihn jemand am Ärmel.

„Jackson? Hallo!“

Er drehte sich um und erkannte Ariel. Seine Exfreundin war schlank und schön wie immer mit ihrer rotblonden Mähne und den hellgrünen Augen, die ihn stets an Frühlingsgras erinnert hatten. Obwohl sie ohne Zweifel sehr attraktiv war, hatte er nicht lange gebraucht, um über die Trennung hinwegzukommen.

„Ariel!“, begrüßte er sie und wandte sich dann an Katie.

„Katie, das ist Ariel. Die Konditorin, von der ich dir erzählt habe.“

Katie sah von Jackson zu Ariel und wieder zu Jackson und lächelte gequält. „Prima. Wir sind sehr erleichtert, dass du kommen konntest. Hast du schon einen Blick in die Küche geworfen? Der Küchenchef hat versprochen, dir eine Ecke freizuräumen, damit du in Ruhe arbeiten kannst. Vielen Dank noch einmal für deine kurzfristige Hilfe.“

Ariel wandte ihren Blick nicht von Jackson ab. „Kein Problem. Der Auftrag hier gibt mir die Möglichkeit, noch etwas Persönliches zu regeln.“ Dabei sah sie ihm tief in die Augen. Schließlich drehte sie sich doch zu Katie um. „Nein, die Küche habe ich noch nicht inspiziert.“

„Wie wäre es, wenn ihr zwei euch gleich darum kümmert?“, schlug Jackson vor, dem Ariels Benehmen seltsam vorkam. Nahm sie es ihm übel, dass er sie angerufen hatte? Aber dann hätte sie doch absagen können. Frauen waren immer so kompliziert.

„Natürlich“, stimmte Katie zu. „Zur Küche geht es hier entlang.“

Ariel war eine dieser Frauen, die jeden Mann sofort in ihren Bann zogen – und jede Frau einschüchterten. Vor allem, wenn man wie Katie verschwitzt und völlig fertig war, konnte der Vergleich mit einer Schönheit wie Ariel nur deprimierend sein.

Sie zeigte Ariel die frisch gebackene Torte, die das Küchenpersonal am Abend zuvor vorbereitet hatte, und machte sie mit André, dem Küchenchef, bekannt. Danach ging sie zurück in die Lobby, um sich endlich einen Kaffee zu besorgen.

Als sie den ersten Schluck trank, schloss sie die Augen und sog genüsslich das Aroma ein. Es war nicht so, dass sie das Koffein brauchte, um wach zu werden. Nein, es ging vielmehr um das allmorgendliche Ritual, das sie an die gute alte Zeit erinnerte, in der es keine ehemaligen Nerds gab, die sie mit einem Kuss völlig aus der Fassung brachten. Und erst recht keine Sexgöttinnen, die sich als Exfreundinnen von eben diesen aufregenden Männern erwiesen.

Dabei hatte es so gut angefangen. Katie war wirklich sicher gewesen, dass zwischen ihr und Jackson die Chemie stimmte und er tatsächlich Interesse an ihr hatte. Vielleicht war das auch so gewesen. Doch sie wusste, dass sie gegen eine Konkurrentin wie Ariel keine Chance hatte. Auch wenn es im Moment – noch – kein Wettstreit war. Aber hätte Jacksons Exfreundin nicht ein kleines bisschen … normaler sein können?

Sie füllte sich ihren Kaffeebecher noch einmal auf und machte sich auf den Weg zum Fahrstuhl. Als die Türen sich öffneten, kam ihre Schwester Courtney heraus. Obwohl es noch früh am Morgen war, trug Courtney ein schickes Sommerkleid und war perfekt gestylt. Ihr langes Haar glänzte, und das Make-up war wie immer makellos.

„Katie!“ Entsetzt sah sie ihre Schwester an. „Was um Himmels willen ist passiert?“

„Nichts. Ich war im Fitnessraum.“

„Du siehst furchtbar aus! Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Dein Gesicht ist ja ganz rot.“

„Das passiert eben, wenn ich trainiere“, erwiderte Katie betont fröhlich und schlängelte sich an Courtney vorbei, um auf den Fahrstuhlknopf zu drücken.

„Ich weiß ja, dass du wegen deines Gewichts viel Sport machen musst, aber du solltest wirklich darauf achten, in der Öffentlichkeit nicht so herumzulaufen. Alex sagt auch immer …“ Courtney brach ab und lächelte entschuldigend. „Und, hast du gut geschlafen?“

Katie überlegte kurz, ob sie nachhaken und herausfinden sollte, was Alex immer sagte. Dass sie morgens nicht besonders gut aussah? Dass sie nach dem Aufstehen verknittert war und strähniges Haar hatte? Doch sie entschied sich dagegen, denn es wäre ja ohnehin nicht zu ändern.

„Sehr gut. Danke. Und du?“

Anstatt zu antworten, legte Courtney ihre Hand auf Katies Arm. „Ich weiß, dass das hier sehr schwierig für dich sein muss.“

Einzuschlafen? Eigentlich nicht. Sie schlief eigentlich immer sehr gut. „Was soll schwierig für mich sein?“

„Mich mit Alex zu sehen.“

„Ich hatte über ein Jahr Zeit, mich daran zu gewöhnen.“

„Ich weiß. Aber nun wird es ernst. Wir heiraten. Und ich weiß, dass du auch davon geträumt hast, ihn zu heiraten.“

„Das ist lange her“, beruhigte Katie sie und hoffte inständig, dass der Fahrstuhl endlich kommen würde. „Es geht mir gut. Wirklich.“

„Mom musste für dich eine Begleitung engagieren.“

Katie schnappte nach Luft. „Jackson arbeitet nicht für einen Escort-Service! Und natürlich wird er nicht dafür bezahlt. Man kann also wohl kaum von engagieren sprechen.“ Ihre Mutter, der neuerdings fast alles zuzutrauen war, hatte ihm doch wohl hoffentlich kein Geld angeboten? „Er ist ein alter Freund der Familie.“ Oder so ähnlich.

„Trotzdem.“ Courtney sah sie mitleidig und gönnerhaft an. Eine Mischung, die nicht gerade dazu beitrug, dass Katie sich besser fühlte.

„Es ist wirklich schrecklich, dass es den meisten Männern nur auf Äußerlichkeiten ankommt“, klagte Courtney mitfühlend. „Ich könnte das nicht aushalten. Du musst dich sehr einsam fühlen.“

Sollte sie sich gleich umbringen oder später? Oder vielleicht lieber Courtney? Während Katie noch überlegte, kam zum Glück der Fahrstuhl. Ohne ein weiteres Wort stürmte sie hinein und wartete verzweifelt darauf, dass die Türen sich schlossen. Sie würde auf jeden Fall schon zum Mittagessen Wein trinken!

5. KAPITEL

Katie schüttelte ihre Locken und besprühte sich das Haar zum dritten Mal mit reichlich Haarspray. Sie würde heute Abend darauf achten müssen, nicht in die Nähe einer Kerze zu kommen.

Da inzwischen alle Gäste angekommen waren, war das Abendessen die erste offizielle Veranstaltung des Hochzeitswochenendes, und entsprechend förmlich musste die Garderobe sein. Katie hatte sich eigens für diesen Anlass ein Cocktailkleid schneidern lassen, das zwar nicht ganz billig gewesen war, doch nach einem prüfenden Blick in den Spiegel fand sie, dass die Investition sich gelohnt hatte.

Bei optimalen Lichtverhältnissen und zusammen mit ihren High-Heels konnte man sie heute fast als groß und schlank bezeichnen.

Wenn man bedachte, wie furchtbar der Tag begonnen hatte, konnte der Abend eigentlich nur ein voller Erfolg werden.

Genau genommen war der Tag auch gar nicht so schlecht gewesen – abgesehen vom frühen Morgen. Sie hatte den Vormittag damit verbracht, die nach und nach eintreffenden Hochzeitsgäste zu begrüßen. Mittags war sie mit Jackson, der freundlich und zuvorkommend wie immer gewesen war, essen gegangen. Sie hatten das Glück gehabt, nicht mit Courtney an einem Tisch sitzen zu müssen, und auch die gertenschlanke, attraktive Ariel war nicht aufgetaucht. Im Grunde war also alles sehr erfreulich gewesen.

Als Katie gerade aus dem Bad kam, klopfte jemand an ihre Tür. Das musste Jackson sein! Sofort klopfte ihr Herz ein wenig schneller. Er war pünktlich wie immer.

Tatsächlich stand ihr Begleiter vor der Tür; wie gewohnt umwerfend attraktiv. Diesmal trug er einen dunklen, perfekt geschnittenen Anzug mit einem weißen Hemd und einer grauen Krawatte.

„Bin ich ordentlich genug angezogen?“, erkundigte er sich. „Ich habe extra meinen Smoking mitgebracht.“

„Du siehst großartig aus“, beruhigte Katie ihn und überlegte im Stillen, dass gut aussehende, pünktliche Männer mit eigenem Smoking ziemlich rar gesät waren. „Ich werde alle Hände voll zu tun haben, dich vor Tante Tully zu beschützen.“

„Dafür wäre ich dir in der Tat sehr dankbar. Beim Mittagessen habe ich allerdings bemerkt, dass sie offenbar ein reges Interesse am Vater des Bräutigams entwickelt hat – was ich sehr beruhigend fand.“

„Na, das wäre ja ganz reizend und würde die Stimmung sicher auflockern.“ Katie nahm sich vor, umgehend ihre Mutter über diese Entwicklung zu informieren.

Auch wenn sie ihrer Mutter die Indiskretion im Fahrstuhl noch nicht verziehen hatte. Nach wie vor fand Katie es vollkommen inakzeptabel, Details über das Sexualleben ihrer Eltern mitgeteilt zu bekommen.

„Wie geht’s dir mit all dem Trubel?“, erkundigte Jackson sich.

Katie vergewisserte sich, dass der Schlüssel in ihrem perlenbesetzten Handtäschchen war, und zog dann die Tür hinter sich zu.

„Alles in Ordnung. Ich zähle die Stunden, bis das hier vorbei ist. Wie sieht es bei dir aus?“

„Es ist ja nicht meine Familie. Aber schon jetzt, nach nur einem Tag, habe ich beschlossen, meine eigene Hochzeit ganz einfach und ohne viel Trara zu feiern. Und nur einen Tag lang.“

„Da bin ich vollkommen deiner Meinung. Dieser Hochzeitsmarathon ist die Hölle – es kommt mir vor, als würde es niemals vorübergehen.“

Wegen der großen Anzahl an Gästen musste das Abendessen im kleinen Ballsaal des Hotels stattfinden. Hier würde am Samstag auch die Trauungszeremonie sein. Für den anschließenden Empfang war der große Ballsaal reserviert.

Schon als sie sich dem Saal näherten, hörte Katie fröhliches Gelächter und das Aneinanderklirren von Gläsern. Sie holte tief Luft, um sich für den Abend mit ihrer anstrengenden Verwandtschaft zu wappnen.

Als sie gerade den Raum betreten wollte, hielt Jackson sie zurück.

„Ich wollte dir noch sagen, dass du heute einfach bezaubernd aussiehst“, sagte er leise und sah ihr tief in die Augen.

Katie bemerkte, dass er schöne, lange Wimpern hatte und sein Blick vollkommen aufrichtig war. Obwohl sie sich immer gewünscht hatte, größer zu sein, musste sie zugeben, dass es sich gar nicht so schlecht anfühlte, zu einem Mann wie Jackson aufzusehen.

„Danke. Du bist sehr nett.“

Er runzelte die Stirn. „Wie bitte?“

„Du bist wirklich nett.“

Sein Blick wurde finster. „Ich sage dir, dass du toll aussiehst, und du beleidigst mich?“

Obwohl er sich Mühe gab, ernst auszusehen, bemerkte Katie, dass sein Mund verräterisch zuckte. Als würde er mühsam ein Grinsen unterdrücken.

„Das ist wirklich unverschämt! Ich werde gehen.“

Katie konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „Jackson, bitte warte! Es tut mir leid. Du bist nicht nett.“

Abwartend sah er sie an. „Im Gegenteil.“ Sie zögerte einen Moment und fuhr dann mit leiser Stimme fort. „Du bist einer von den bösen Jungs. Genau die Art Mann, vor der meine Mutter mich immer gewarnt hat.“

„Viel besser.“ Er klang unverschämt zufrieden. „Vergiss das nicht.“

Dann zog er sie in seine Arme und küsste sie. Katie schlang die Arme um seinen Hals und seufzte zufrieden. Gerade als sie seinen Kuss leidenschaftlich erwidern wollte, wurden sie unterbrochen.

„Da seid ihr ja endlich!“ Innerhalb von einer Sekunde wurde Katie wieder auf den Boden der Tatsachen geschleudert. Vorbei waren die Erregung und die Vorfreude auf einen intimen Moment mit Jackson. Stattdessen ging der Albtraum dieses Wochenendes weiter.

„Katie, mein Schatz! Komm und gib mir einen Kuss!“

Katie löste sich aus Jacksons Armen und lächelte die zierliche alte Dame an, die auf sie zugeschlurft kam. „Nana!“, rief sie und ging der alten Frau entgegen, um ihr einen Begrüßungskuss auf die faltige Wange zu geben.

„Mein liebes Mädchen! Lass dich mal anschauen!“

Katie ließ sich von allen Seiten betrachten.

„Sehr gut, du hast abgenommen. Wir alle haben jahrelang befürchtet, dass du ein Moppelchen bleiben könntest. Gut, dass wir uns geirrt haben.“ Nana Marie wandte sich an Jackson.

„Und wer sind Sie?“

„Jackson Kent. Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Jackson, das ist Nana Marie. Sie ist …“ Katie schüttelte den Kopf und sah die alte Dame fragend an. „Nana, wie sind wir eigentlich verwandt?“

„Das sind wir gar nicht, mein Schätzchen. Ich war eine Freundin deiner Großmutter.“

Nana lächelte Jackson an. „Sie sind sehr attraktiv. Wir freuen uns alle so sehr, dass Katie endlich einen Mann gefunden hat. Sie hat fürchterlich gelitten, als Alex sie sitzen ließ, um mit Courtney durchzubrennen. Ausgerechnet mit Courtney. Das Mädchen hat ungefähr so viel emotionale Intelligenz wie eine Pellkartoffel. Unsere Katie ist da ganz anders!“

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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