Julia Exklusiv Band 255

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ÜBERRASCHUNG UNTER TROPISCHER SONNE von DONALD, ROBYN
Wow! Was für eine Frau! Als Guy Bagaton auf der Tropeninsel Sant’ Rosa die hübsche Managerin Lauren Porter kennenlernt, ist er sofort Feuer und Flamme. Wird es Guy gelingen, die Finger von Lauren zu lassen? Immerhin scheint sie bereits vergeben - an seinen Freund!

SO NAH UND DOCH SO FERN von LAWRENCE, KIM
Seit einem Jahr betreut Kindermädchen Hannah die Sprösslinge von Witwer Ethan Kemp - da schlägt er ihr plötzlich eine Vernunftehe vor. Hannah zweifelt: Soll sie den smarten Rechtsanwalt wirklich heiraten? Schließlich sind ihre Gefühle für ihn alles andere als vernünftig …

LIEBE - AUSGESCHLOSSEN!? von BROOKS, HELEN
Beim Kauf eines Landhauses schaut Millionär Jed Cannon Maklerin Tamar tief in die Augen und weiß: Diese Frau muss er haben! Gekonnt beginnt er mit der attraktiven Blondine zu flirten - doch nach einem Kuss ist Tamar kalt und abweisend. Hat sie kein Interesse an Jed?


  • Erscheinungstag 30.01.2015
  • Bandnummer 0255
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706494
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robyn Donald, Kim Lawrence, Helen Brooks

JULIA EXKLUSIV BAND 255

ROBYN DONALD

Überraschung unter tropischer Sonne

Wild klopft Laurens Herz, als sie am Strand von Sant’ Rosa dem überaus attraktiven Guy Bagaton begegnet. Wer ist dieser Fremde, der heftig mit ihr flirtet und ungeahnte Gefühle in ihr weckt? Zunächst hält Lauren ihn für einen armen Aussteiger, doch schon bald kommen der Managerin Zweifel – besonders als sie und Guy plötzlich von Paparazzi belagert werden …

KIM LAWRENCE

So nah und doch so fern

„Du bist wunderschön!“ Ethan Kemp traut seinen Augen kaum! Ist das wirklich seine unschuldige Hannah, die in ihrem heißen Party-Outfit alle Männerblicke auf sich zieht? Brennend vor Eifersucht stellt Ethan sie zur Rede, doch Hannah wiegelt ab. Was steckt hinter ihrer plötzlichen Verwandlung? Und – viel wichtiger: War es richtig, ihr die Ehe vorzuschlagen?

HELEN BROOKS

Liebe – ausgeschlossen?

Dieser Mistkerl! Tamar McKinley ist außer sich vor Wut: Playboy Jed Cannon ist schuld am Unglück ihrer Cousine. Doch Rache ist süß! Über ihren Job will die Immobilienmaklerin Kontakt zu dem gut aussehenden Millionär aufnehmen, ihm schöne Augen machen und ihn dann eiskalt abservieren. Ein toller Plan – nur leider hat Tamar die Rechnung ohne ihr Herz gemacht!

PROLOG

Guy Bagaton bemerkte ihre Anwesenheit sofort. Abrupt verabschiedete er sich von dem Barmann, mit dem er eben noch gescherzt hatte, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und ließ seinen Blick über den Sandstrand gleiten, der weiß wie Puderzucker war.

Die Frau näherte sich der Bar. Die pazifische Sonne zauberte blauschwarze Akzente in ihr Haar, als sie aus dem Halbschatten der Kokosnusspalmen trat. Versteckt hinter den halbhohen Seitenwänden der Bar konnte Guy sie unbemerkt beobachten. Ihr purpurroter Sarong entblößte ihre blassen Schultern, lange elegante Beine und ausgefallene Sandaletten. Obwohl sie äußerst zielstrebig wirkte, sah sie in Guys Augen wie eine Frau aus, die hier nur in der Sonne liegen und sich erholen wollte.

Sein Interesse war geweckt. „Wer ist das?“, fragte er den Barmann hinter vorgehaltener Hand.

Der Mann sah hoch. „Das ist Miss Lauren Porter, sie ist vor ein paar Stunden mit dem Flugzeug aus Atu gekommen und bleibt zwei Nächte.“

„Verstehe“, entgegnete Guy mit unbewegter Miene.

Als der Manager der Ferienanlage ihn eine Stunde zuvor besorgt angerufen und ihm von dem neuen Gast berichtet hatte, war Guy der Name dieser Frau irgendwie bekannt vorgekommen. Und er brauchte nicht lange, um sich zu erinnern. Einige Monate zuvor war er bei seiner Cousine Joan, einer älteren Prinzessin, die in Bayern lebte, zu Gast gewesen. Sie hätte einen guten Riecher für den neuesten Klatsch und Tratsch und obendrein eine Schwäche für gut aussehende Männer.

„Ich habe gesehen, wie du mit Marc Corbett und seiner charmanten Frau gesprochen hast“, sagte sie am Ende einer ihrer berühmten Dinnerpartys. „Ich frage mich, ob Paige weiß, dass er sich eine englische Geliebte hält.“

„Ich glaube kaum“, erwiderte Guy knapp. Er hatte Paige. Corbett als eine sehr gradlinige Frau kennengelernt, die unrettbar in ihren Mann verliebt war – einen Magnaten, der für seine ehrliche Geschäftsführung bekannt war.

„Kaum jemand weiß es! Sie sind sehr diskret und werden nie zusammen gesehen. Aber natürlich kannst du die Gerüchteküche nicht mehr zum Schweigen bringen, sobald sie Wind von der Sache bekommen hat. Sie soll Lauren Porter heißen – langbeinig, hinreißend und sehr englisch – und arbeitet in seiner Firma. Sehr clever, wie ich hörte. Sie ist jetzt schon seit Jahren in seiner unmittelbaren Nähe.“

Guy hob nur die Augenbrauen, sagte aber nichts dazu.

Die ältere Dame nickte eifrig. „Und jetzt schätzt du ihn wohl nicht mehr so sehr. Schon als Kind hattest du ein ausgesprochen starkes Ehrgefühl. Ich mag das an einem Mann. Man findet es leider heutzutage nur noch selten.“

Er lächelte nun zynisch. Wie recht Joan doch hatte! Marc Corbett hatte durch diese Information tatsächlich an Ansehen verloren.

Um sich gegen die blendende Sonne zu schützen, kniff er die Augen zusammen, während Lauren Porter auf die Bar zukam. Ihre Buchung war von der Corbett Organisation gemacht worden, also musste es dieselbe Frau sein. Was wollte sie bloß hier?

Als sie nahe genug war, dass er ihr Gesicht erkennen konnte, stockte ihm der Atem. Bezaubernd war gar kein Ausdruck! Kein Wunder, dass sie Marc Corbett an die Leine legen konnte! Eine Haut wie helle Seide, riesige blassgraue Augen, die unheimlich funkelten, und ein Mund, der mit seiner Sinnlichkeit die ganze Welt in Flammen aufgehen lassen konnte. Dazu ein perfekter Körper, der dem Ausdruck aufreizend erst eine wahre Bedeutung verlieh. Lauren Porter vereinigte in sich alle äußerlichen Voraussetzungen einer Mätresse.

Warum wollte sie ein kleines, schmuddeliges Bergdorf besuchen? Dies hatte Guy von seinem Manager erfahren, und er ging sofort davon aus, dass es mit den Geschäften von Marc Corbett zu tun haben musste.

Aber es sollte kein großes Problem darstellen, sie daran zu hindern, diese Ferienanlage zu verlassen. Modepüppchen wie sie ließen sich in der Regel relativ leicht einschüchtern. Da reichte es schon, ihr von Insekten und Blutegeln zu berichten, die ihr dort oben unweigerlich begegnen würden.

„Sie haben auch nichts weiter von Problemen gehört?“, erkundigte sich Guy unvermittelt beim Barmann.

Dieser zuckte die Achseln. „Auf Sant’Rosa wird viel geredet.“ Nervös polierte er seine Gläser. „Haben Sie denn von irgendetwas Wind bekommen?“, wollte er dann wissen.

„Nichts“, gab Guy wahrheitsgemäß zurück. „Gar nichts, leider. Aber Sie kennen mich, ich beteilige mich auch gern am Gerede.“

„Krieg“, sagte der Barmann müde und griff nach einem neuen Glas. „Wir hofften, es wäre vorbei. Aber seit dieser Priester davon anfing, John Frumm würde Nahrungsmittel, Zigaretten und so weiter aus Amerika einführen, werden die Leute nervös.“

„Das kann ich mir vorstellen. Halten Sie bitte die Augen und Ohren offen, ja?“ Guy wies mit dem Kopf zur Rezeption. „Ich werde mal hinübergehen und Bekanntschaft mit Miss Porter machen.“

Und sobald er ihr den Ausflug ins Bergdorf ausgeredet hatte, würde er sich mit der Dame an der Rezeption unterhalten. Sie kam aus einem Dorf nahe der Grenze. Vielleicht hatte sie eine Erklärung für die üblen Vorahnungen, die er hatte.

Der junge Mann grinste. „Diese Miss Porter ist hübsch, obwohl sie etwas zu dünn ist. Ich verstehe nicht, was ihr Europäer an mageren Frauen findet.“ Verständnislos schüttelte er den Kopf. „Sie ist nett und spricht mit dir, wenn du nur ihr Gepäck tragen sollst.“

Sie lächelte nicht, als Guy den Eingangsbereich betrat. Im Grunde bemerkte sie sein Erscheinen gar nicht, weil sie in ein Gespräch vertieft war.

Sein Körper dagegen regierte heftig auf ihre Anwesenheit. Ihr weich gezeichneter Mund war eine Offenbahrung – sie sah aus wie eine ungewöhnliche Ausgabe von Schneewittchen.

Ihr Körper war sehr schlank und sportlich, und sie machte insgesamt einen höchst disziplinierten Eindruck. Für Guy war es an der Zeit, mit seinem Abschreckungsmanöver zu beginnen.

1. KAPITEL

„Warum sollte es schwierig sein, in das Dorf zu gelangen?“, wollte sie gerade von der Frau an der Rezeption wissen.

Die arme Frau wich Laurens Blick aus. „Die Straße ist unwegsam, Madam.“

Auf Sant’Rosa lohnte es sich in den meisten Fällen gar nicht, überhaupt von einer Straße zu sprechen. Lauren erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie auf dem Weg hierher beinahe mit dem Minibus verunglückt wäre. Und das war der Bus vom Flughafen zur Ferienanlage gewesen!

Die Aussicht, eine noch schlechtere Strecke befahren zu müssen, war nicht gerade erfreulich. Aber was machte das schon? Auf dieser Reise war für Lauren ohnehin nichts einfach gewesen.

Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, sie hätte sich nicht darauf eingelassen, Paiges liebstes Benefizprojekt in Augenschein zu nehmen. In London hatte das nach einer einfachen Aufgabe ausgesehen. Lauren musste eben nur ihren Trip nach Neuseeland unterbrechen und ein paar Tage auf einer tropischen Insel einschieben.

Aber dann war ihr Flug nach Singapur verschoben worden, und sie hatte den Anschlussflug verpasst. Erst weit nach Mitternacht war sie auf Sant’Rosa angekommen und hatte noch auf die Morgenmaschine zur Südküste warten müssen.

Nach nur wenigen Stunden Schlaf hatte sie nun Kopfschmerzen, ihre Augen brannten, und das Lächeln fiel ihr außerordentlich schwer. Und jetzt das! Ungeduldig strich sie sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. „Was ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln?“

Immer noch vermied es die junge Frau, Lauren direkt anzusehen. „Madam, da gibt es nichts Passendes für Sie. Zudem liegt das Dorf tatsächlich sehr abseits.“

Ein Dorf, in dem sich eine Exportfabrik befinden soll, kann wohl so abgelegen nicht liegen! dachte Lauren gereizt. „Wenn das so ist, wo kann ich dann einen Wagen mieten?“, fragte sie eisig.

Nun meldete sich die tiefe Stimme hinter ihr. „Das können Sie nicht. Es gibt keine Autovermietung an der Südküste.“

Lauren versteifte sich und war sofort in Alarmbereitschaft. Diese fremde Stimme mit dem ironischen Unterton vermittelte eine typisch männliche Selbstsicherheit.

Langsam drehte sie sich um. Obwohl sie selbst recht groß war, musste sie etwas hochschauen, um einen Blick in die halb geschlossenen topasfarbenen Augen des Fremden zu werfen. Sie spürte eine ungewohnte Regung in ihrer Magengegend.

„Keine Autovermietung?“, wiederholte sie lahm.

„Lady, die nächste Autovermietung befindet sich in der Hauptstadt. Aber wie Sie ja bereits wissen, liegt die Stadt eine Flugstunde weit weg, jenseits der Gebirgskette.“

Er zog das Wort Lady in die Länge, sodass es fast wie eine Liebkosung klang.

Woher kamen diese Gedanken? wunderte sich Lauren irritiert. Mühsam nahm sie sich zusammen. „Und wie erreiche ich dann dieses Dorf?“

Weil sie den Namen des Dorfs nicht aussprechen konnte, reichte sie ihm den Zettel, den Paige ihr gegeben hatte.

Sein Gesichtsausdruck änderte sich leicht, während er das Stück Papier betrachtete, sein Tonfall aber blieb gleich. „Ich fürchte, gar nicht. Die letzten Regenfälle haben den halben Berg auf die Straße gespült.“

„Dieser Schaden wird doch wohl behoben worden sein.“

Spöttisch hob er die Augenbrauen. „Die Einheimischen sind meistens zu Fuß unterwegs. Wie Ihnen sicherlich aufgefallen sein wird, hat sich Sant’Rosa nicht gerade kopfüber in den Tourismus gestürzt. Sie bemühen sich immer noch, über den Bürgerkrieg hinwegzukommen.“

„Das weiß ich.“ Jemand sollte ihm sagen, dass seine schwarzen Haare einen Schnitt vertragen könnten, dachte sie unwillkürlich.

Ein zweiter Blick verriet ihr, dass der Schatten auf seinen Wangen und seinem Kiefer kein modischer Gag war. Dieser Mann rasierte sich nicht, weil ihm gleichgültig war, was die Leute über ihn dachten. Aber auch aus dem Augenwinkel betrachtet, musste sie zugeben, dass er mit den etwas zu langen Haaren, dem leichten Bart – und vor allem mit diesem wunderschön geformten Mund – äußerst anziehend wirkte. Irgendwo hatte sie ihn schon einmal gesehen. Oder jemanden, der ihm sehr ähnlich sah.

Aber woher sollte ich jemanden, der hier in einer Strandbar herumlungerte, kennen? dachte sie kopfschüttelnd. Er trug ein altes schwarzes T-Shirt und verwaschene Jeans, so als würde für ihn das Wort Kultur gar nicht existieren.

„Könnte ich nicht dorthin fliegen?“ Sie zeigte auf die Dame, die hinter dem Empfangstisch stand. „Miss Musi sagte mir, die öffentlichen Verkehrsmittel wären nicht verlässlich.“

Seine Augen blitzten auf. „Würde es Ihnen gefallen, auf der Ladefläche eines uralten Wagens zu reisen, ohne Sitze oder jeglichen Sonnenschutz?“

„Wenn es sein muss“, antwortete sie knapp.

„Und dann erst die Kakerlaken.“ Mit ruhiger Stimme fuhr er fort. „Großes schwarzes Ungeziefer. Es wimmelt hier nur so davon.“

In der Hoffnung, er würde ihre Gänsehaut nicht bemerken, formulierte sie eine spitze Antwort. „Ich komme schon mit der lokalen Fauna zurecht.“

„Das bezweifle ich. Wenn Sie wirklich dorthin wollen, könnten Sie es zu Fuß versuchen.“ Er ließ seinen Blick an ihr hinuntergleiten. „Aber dann sollten Sie sich besser zuerst mit Sonnenmilch eindecken.“

Wer war dieser sarkastische Neuankömmling mit den spöttischen Augen? fragte sie sich nicht zum ersten Mal. Etwa der Hotelmanager? Sie bezweifelte es, doch andererseits wunderte sie sich auf dieser nervenaufreibenden Reise über gar nichts mehr.

Sein starrer Blick machte Lauren unsicher. Gerade deshalb bemühte sie sich, ihrer Stimme einen festen Unterton zu verleihen. „Wie lange würde ich brauchen?“

„Das hängt davon ab, wie schnell Sie gehen. Halten Sie nicht zu lange an, sonst werden sich die Blutegel an Ihnen laben! Wissen Sie, wie man einen Blutegel von der Haut entfernt? Man sollte ihn zuerst am schmalen Ende packen …“

Die Dame an der Rezeption unterbrach ihn. „Mr Guy macht nur einen Scherz, Madam. Der Weg ist viel zu weit, um ihn zu Fuß zurückzulegen. Sie würden zwei Tage brauchen.“

Guy holte tief Luft. „Ihr Reiseleiter hätte Sie warnen sollen, dass diese Gegend ziemlich unzivilisiert ist.“ Er machte eine kurze Pause. „Aber das werden Sie mittlerweile wohl selbst festgestellt haben.“

„Da Sie mich überhaupt nicht kennen, werde ich diese Bemerkung einfach ignorieren!“ Sie war wütend auf sich selbst, weil sie sich so leicht von diesem Fremden provozieren ließ.

Nun ließ sie sich ihrerseits Zeit, ihr Gegenüber gründlich zu betrachten. Er schien ein testosterongetriebener, arroganter Mann zu sein, den eine wilde Aura umgab. Auf den ersten Blick machte er den Eindruck, als könnte er es mit allem und jedem aufnehmen.

Im Grunde ist er genau der Mann, der mich zu Paiges Dorf bringen könnte, dachte sie. Das heißt, wenn ich meine Instinkte ignoriere, die mich vehement vor dieser Sorte Mensch warnen!

Er sah hoch und begegnete ihrem Blick mit einem kühlen Lächeln.

Laurens Selbstbewusstsein schmolz unter dieser Haltung wie Butter in der Sonne.

Nicht mein Typ, dachte sie entschieden. Sie bevorzugte Männer, die zumindest die wesentlichen sozialen Fähigkeiten beherrschten. Doch dieser Mann hier kam ihr eher vor wie ein römischer Krieger.

Guy richtete ein paar harsche Worte an die Frau hinter dem Empfangstresen, die ihm widerwillig antwortete.

Währenddessen fühlte Lauren sich wie ein Spitzel und konzentrierte sich auf die Postkarten, die in einem Ständer auf dem Tisch angeordnet waren. Über ihr schwirrte ein Ventilator, der die schwere warme Luft in Bewegung brachte. Diese ganze Anlage lud zum Entspannen ein, und was ihr an modernem Luxus fehlte, machte sie wett durch ihre außerordentliche Schönheit und die friedliche Stimmung. Zumindest bis dieser fremde Mann aufgetaucht war, war Lauren die Hitze an diesem Ort nicht besonders unangenehm aufgefallen.

Endlich hatte die Angestellte ihre langatmigen Erklärungen beendet, unterbrochen von sorgenvollen Blicken in Laurens Richtung. Sie und der Fremde schienen zu einer Entscheidung gekommen zu sein.

Der Mann drehte sich zu ihr um. „Warum wollen Sie dieses Dorf überhaupt besuchen? Es ist nicht im Mindesten für Touristen eingerichtet. Als einziges Badezimmer fungiert ein Pool in einem Flussarm. Man kennt dort keine Menschen, die auf Sehenswürdigkeiten aus sind.“

Ungeduldig wich sie seiner direkten Frage aus. „Das ist mir klar, und ich will dort ja auch nicht bleiben, sondern nur einen Nachmittag verbringen. Das ist der eigentliche Grund, warum ich überhaupt nach Sant’Rosa gekommen bin.“

„Wieso?“

„Mir ist nicht ganz klar, was Sie das angeht.“ Lauren bemühte sich nicht, ihre Gereiztheit zu verbergen.

Doch er zuckte nur mit den breiten Schultern. „Was immer Sie für Gründe haben mögen, sie sind nicht überzeugend“, antwortete er schlicht. Kommen Sie, wir trinken etwas zusammen, und dann werde ich Ihnen die Gründe hierfür erklären!“

Will er mich jetzt anmachen? fragte Lauren sich und warf der Hotelangestellten einen misstrauischen Blick zu. Diese machte ein erleichtertes Gesicht. „Mr Guy wird Ihnen helfen können“, versprach sie und zeigte lächelnd auf den Fremden, so als könne er die Probleme der gesamten Welt lösen.

„In diesem Fall gehe ich gern etwas mit Ihnen trinken, vielen Dank“, sagte Lauren gelassen und wünschte sich dabei, sie würde wenigstens ihre normalen Kleider tragen.

Zumindest hätte es ihr geholfen, sich hinter etwas Make-up verstecken zu können. Sonnenmilch und etwas Lipgloss gaben ihr einfach nicht den Schutz, den sie unter seinem kritischen Blick haben zu müssen glaubte.

Schweigend gingen sie nebeneinander her, und Lauren gefiel nicht, wie stark die männliche Ausstrahlung dieses Fremden war. Sein Name war also Mr Irgendwas Guy. Oder Mr Guy Irgendwas. Aber sie würde ihm nicht sagen, wer sie war. Zuerst sollte er sich einmal in aller Form vorstellen.

So, als ob er ihren kritischen Seitenblick bemerkte, sah er sie plötzlich direkt an. Zwischen ihnen herrschte Hochspannung, in die zum Teil Abneigung, zum Teil Misstrauen gemischt war. Entschlossen, richtete sie ihren Blick auf die kleine Bar vor ihr. Die Ausstrahlung dieses Mannes war an diesem Ort verschwendet, dessen war Lauren sich sicher. Es gab unzählige Orte auf dieser Welt, an denen seine Präsenz wesentlich passender war als hier.

Ob er nur auf der Suche nach einer vermögenden Frau ist? fragte sie sich plötzlich. Doch ihr Instinkt sagte ihr, dass er eher der Freibeutertyp als der Heiratsschwindler war.

Energisch erinnerte sie sich daran, was ihr Halbbruder, für den sie arbeitete, von ihr erwartete. „Gehört Ihnen diese Anlage, Mr Guy?“

Überrascht zog er seine Augenbrauen zusammen. „Nein“, antwortete er knapp. „Sie gehört dem Stamm in dieser Gegend.“ Ohne sie zu berühren, führte er sie zu einem Tisch, über dem ein riesiger Sonnenschirm prangte. „Hier ist es am kühlsten, und man hat einen schönen Ausblick auf die Lagune.“

Dankbar für den Schatten, nahm sie auf einem der Stühle Platz. „Leben Sie denn hier? Ich meine, in diesem Teil von Sant’Rosa?“

„Ab und zu.“ Er nickte einem Kellner zu. „Was möchten Sie trinken?“

„Ananassaft bitte!“

Er bestellte für sie den Saft und für sich ein Bier. Ein kleiner Gecko versuchte, auf den Tisch zu krabbeln, gab aber schließlich auf. Lauren beobachtete das Tier, das blitzschnell wieder verschwand. Als sie aufsah, bemerkte sie, dass Guy sie beobachtete.

„Haben Sie keine Angst vor diesen Tieren?“, fragte er.

Ein leichter Akzent verriet ihr, dass er kein Engländer war. „Nicht vor so kleinen. Aber einige der größeren Tiere haben ein räuberisches Funkeln in ihren Augen.“

Über diese Bemerkung lachte er laut, und dieses Lachen war so sexy, dass Laurens Nerven sofort darauf reagierten.

„Sie würden trotzdem nicht beißen, nicht einmal in Notwehr“, versprach er vielsagend. „Aber Sie wären überrascht, wie viele Frauen sich selbst vor den kleinen Tieren fürchten.“

„Auch Männer, möchte ich wetten. Da wundert man sich, dass die Leute überhaupt in die Tropen fahren.“

Unwillkürlich fragte sie sich, ob sein Bart wohl kratzen würde. Sie hatte niemals einen Mann geküsst, der …

Entsetzt verbannte sie diesen Gedanken aus ihrem Kopf.

Er lehnte sich entspannt in seinen Stuhl zurück und sah sie an. „Also, warum sind Sie hier? Oder eher, warum wollen Sie unbedingt zu einem der wildesten Orte auf Sant’Rosa?“

„Meinen Sie mit ,wild‘, dass es dort gefährlich ist?“

„Es gibt dort keine Annehmlichkeiten“, erklärte er ruhig. „Und es befindet sich im Grenzbereich. Dieser Grenzbereich zwischen Sant’Rosa und der Republik steht immer etwas unter Spannung.“

„Ich dachte, der Waffenstillstand nach dem Bürgerkrieg hätte die Bedrohung einer Invasion durch die Republik gestoppt.“ Wieder zuckte er die Achseln. „Es gibt dort einen sehr charismatischen Priester, der offenbar Gefolgsleute auf beiden Seiten der Grenze hat. Seine Predigten sind ziemlich ambivalent. Sie werden diesen Konflikt vielleicht nicht genau verstehen …“

„Mir ist schon zu Ohren gekommen, was für eine Art Kult dort gepflegt wird“, unterbrach sie ihn. „Man erwartet einen Retter, der die Vorteile der westlichen Zivilisation überbringt. Aber ich wusste nicht, dass diese Menschen gewalttätig sein können.“

„Bis jetzt sind sie es auch nicht geworden. Doch in den letzten Tagen kamen Gerüchte auf, dass jemand sie mit Waffen versorgt.“

Allerdings glaubte Guy nicht so richtig daran, dass diese Waffen existierten. Trotzdem konnte jeder Insulaner eine Machete schwingen, und falls diese Insulaner sich zu einem Krieg entschlossen, könnten sie eine tödliche Armee bilden.

Er bemerkte, dass sein Gast die Stirn runzelte. Was tat sie hier eigentlich? Und warum wich sie ihm aus? Sie war von Kopf bis Fuß eine elegante, gepflegte Frau, von der man nicht mehr erwartete, als dass sie sich hier einen Erholungsurlaub gönnte.

Mit glasklaren silbernen Augen sah sie ihn an. „Handelt es sich dabei wirklich nur um Gerüchte?“

„Eigentlich schon. Gerüchte verbreiten sich auf Sant’Rosa sehr schnell. Die Menschen hier haben zehn Jahre Bürgerkrieg hinter sich, und trotz des Waffenstillstands trauen sie der Republik jenseits der Grenze nicht. Die junge Dame von eben kommt aus dem Dorf, das sie besuchen wollen. Und gerade berichtete sie mir, dass dieser Priester verschwunden ist.“

„Und ist das ein schlechtes Zeichen?“

„Eigentlich nicht“, sagte er und hoffte, dass er damit richtiglag.

Gedankenverloren beobachtete er eine Familie, die sich mit ihren Kindern und jeder Menge Strandspielzeug auf den Weg zum Wasser machte. Aus irgendeinem Grund riet sein Instinkt ihm, diese Familie und auch die Frau, die ihm gegenübersaß, in das nächste Flugzeug nach Hause zu setzen und in Sicherheit zu bringen.

Aber er wagte es nicht, diesem Impuls zu folgen. Der ortsansässige Stamm hatte sein gesamtes Barvermögen in diese Ferienanlage investiert. Ein falscher Alarm hätte eine schlechte Publicity zur Folge, und dadurch würde diesen Leuten ein immenser Verlust beschert werden.

Ihm fiel auf, dass auch Lauren Porter die kleine Familie beobachtete. Sie lächelte leicht, als eines der Kinder freudig aufkreischte. Grimmig stellte er fest, dass dieses Lächeln seine Hormone in Aufruhr brachte.

„Besteht die Möglichkeit, dass die Gefolgsleute dieses Priesters gewalttätig werden, falls kein Retter auftauchen sollte, der ihnen die Vorzüge der westlichen Zivilisation auf dem Silbertablett serviert?“, erkundigte sie sich.

„Ich bezweifle das. Sie haben gesehen, was Kämpfe anrichten können. Vermutlich würden sie sich nur in den Busch zurückziehen.“

Aber dennoch würden diese Menschen verzweifelt und frustriert sein. Der Frieden hatte ihnen nicht das beschert, wonach sie sich gesehnt hatten. Sie waren empfänglich für skrupellose Manipulation. Und wenn der versprochene Retter nicht auftauchte, könnte der Priester seine Macht dazu benutzen, das frustrierte Volk zu entschädigenden Raubzügen zu verleiten.

Sie würden sich nicht an die Mine wagen, die von privaten Sicherheitsleuten bewacht wurde. Sie würden sich ein einfacheres Ziel suchen, mit anderen Worten: die Ferienanlage.

Aber all diese Vermutungen basierten nicht auf einer gerechtfertigten Grundlage.

„Vielleicht entschließen sie sich dazu, sich einfach das zu holen, was sie erwarten“, las sie seine Gedanken.

„Es ist unwahrscheinlich. Selbst wenn sie es versuchten, wäre auch noch die Polizei da. Die Ferienanlage könnte rechtzeitig geräumt werden.“

In diesem Augenblick brachte der Barmann ihre Getränke. Guy nutzte die Gelegenheit, um die Frau an seinem Tisch genauer zu betrachten. Sie hatte aufreizende Brüste und aufregend runde Hüften. Diese Figur, zusammen mit den schwarzen seidigen Haaren und den grauen Augen, war gefährlich sexy. Ihr Mund war anziehender als alles, was Guy bisher gesehen hatte.

Er hob seine Bierflasche hoch. „Im Augenblick wäre es nicht sehr vernünftig, in die Berge zu fahren.“

„Was ist mit Ihnen?“, fragte sie plötzlich. „Würden Sie dorthin gehen?“

„Wenn ich müsste“, entgegnete er vorsichtig.

„Dann könnten Sie mich in das Dorf bringen?“

Auch wenn ihre Weiblichkeit ihn beeindruckte, nahm er sich vor, stark zu bleiben. „Ich werde Sie nicht dorthin bringen“, sagte er entschieden.

„Natürlich bezahle ich Sie dafür.“

„Lady“, begann er mit einem wütenden Unterton. „Ich werde nicht dorthin gehen, und Sie werden es auch nicht tun! Wenn Sie wissen wollen, wie das Leben in der Dritten Welt aussieht, kann von hier aus ein Ausflug in das nächstgelegene Dorf organisiert werden.“ Sein Tonfall war schneidend.

Ihre Wangen wurden rot, und sie biss sich leicht auf die Unterlippe.

Guy unterdrückte den Impuls, sich vorzubeugen und einen Finger auf ihre Lippen zu legen, damit sie diese nicht zu sehr malträtierte. Das könnte er selbst sehr viel besser …

Atemlos nahm er zur Kenntnis, wie sie einen Schluck von ihrem Saft nahm. Warum dachte er bei ihrem Anblick bloß sofort an Sex?

Sie stellte ihr Glas ab und sah ihn entschlossen an. „Ich will dieses spezielle Dorf und diesen Stamm besuchen, weil eine Freundin von mir dabei geholfen hat, dort eine Ölfabrik aufzubauen. Eigentlich bin ich auf dem Weg nach Neuseeland, um Ferien zu machen. Aber ich habe dieser Freundin versprochen, mir ein Bild davon zu verschaffen, wie es dort aussieht.“

Sofort dachte Guy an Marc Corbett. „Dann müssen Sie Ihrer Freundin mitteilen, dass ich Sie nicht dorthin gehen lasse.“

Ihre Reaktion auf seine Provokation enttäuschte ihn nicht. Ihr Lächeln gefror, aber trotzdem griff sie ruhig zu ihrem Glas und nahm einen Schluck. Während sie trank, brach sie den Blickkontakt nicht ab.

Guy wusste genau, was sie gerade tat. Sie benutzte ihre weibliche Anziehungskraft als Waffe. Und sein Puls reagierte sofort darauf. Normalerweise hatte er sein Verlangen sehr gut im Griff, doch dieses Mal musste er es regelrecht bekämpfen.

„Nun, darüber lässt sich diskutieren“, begann sie mit zuckersüßer Stimme und stellte ihr Glas ab. „Ich denke nicht, dass Sie die Autorität besitzen, mich von meinem Vorhaben abzuhalten.“

Guy zählte innerlich bis zehn, bevor er ihr eine Antwort gab.

„Ich werde Sie aufhalten! Und wenn ich Sie mit Handschellen an mich fesseln muss, bis ich Sie in ein Flugzeug setzen kann. Es könnte gefährlich werden, in die Berge zu gehen. Wenn Sie dafür bezahlen, werden Sie vermutlich sogar einen Führer finden, aber dann bringen Sie auch diesen in Gefahr.“

Ihre Augen waren intelligent und wachsam. Sie sah ihn lange an, bevor sie sprach. „Ja, Sie sind wirklich fest entschlossen. In Ordnung, ich werde nicht gehen.“

Seine Erleichterung überraschte ihn. Er nahm sein Bier und trank ein paar Schlucke. „Versprechen Sie mir, dass Sie die Anlage nicht verlassen werden!“

Sie wirkte wie versteinert. „Sie haben kein Recht, mir ein Versprechen abzuverlangen. Aber ich bin nicht vollkommen verblödet. Ich würde niemals jemanden in Gefahr bringen, und auch meine Freundin würde das nicht wollen. Nur wäre es mir lieber, ich könnte hier mit dem Bevollmächtigten sprechen, um mir ein vollständiges Bild zu verschaffen.“

„Das sollte kein Problem darstellen. Wenn Sie ihn kontaktieren wollen, können Sie das Mobiltelefon in meinem Büro benutzen“, bot er an.

Ihr Gesichtsausdruck war eiskalt. „Danke, aber ich werde ihn von hier aus anrufen“, entgegnete sie höflich.

„Das können Sie nicht.“ Als sie ihre Augenbrauen hob, fuhr er fort. „Nach dem Bürgerkrieg wurde jedes Dorfoberhaupt in dieser Gegend mit einem Mobiltelefon ausgestattet. Man kann sie nicht über das normale Telefonsystem erreichen.“

„Ich verstehe.“ Sie seufzte. „Es ist so wunderschön hier, wie im Paradies. Warum kann es nicht auch so friedlich sein?“

„Es geht immer um Macht und Geld“, sagte er und stand auf.

„Hat es möglicherweise auch etwas mit der Tatsache zu tun, dass es in diesem Teil von Sant’Rosa eine riesige Kupfermine gibt? Und dass dieses Gebiet mehr als fünfzig Jahre lang der Republik gehört hat?“

„Sie haben recherchiert.“

„Ich recherchiere immer“, entgegnete sie ruhig und senkte ihren Blick. Als sie wieder hochsah, wirkte sie so unschuldig, dass Guy augenblicklich misstrauisch wurde. „Interessant, dass dieser Priester den Grenzbereich genau dann destabilisiert, nachdem die internationalen Friedenstruppen abgezogen worden sind. Als Zyniker würde ich vermuten, dass die Republik darauf hofft, mit diesem Kult Unruhen zu verursachen. Danach könnte sie mit der Entschuldigung, einen weiteren Bürgerkrieg verhindern zu wollen, hier einfallen.“

Er nickte. „Das wäre eher realistisch als zynisch. Besonders weil die Armee von Sant’Rosa sehr klein ist und aus Einheiten besteht, die nach dem Krieg einander noch nicht so recht trauen. Niemand weiß, wie sie sich im Falle einer Auseinandersetzung verhalten werden.“

„Erwarten sie einen Krieg?“

„Nein.“ Er trank sein Bier aus und stellte die Flasche ab. „Kommen Sie! Wir fahren in die Stadt.“

„In die Stadt?“

„Sie wollten doch mein Telefon benutzen. Es befindet sich in meinem Büro in der Stadt.“

Lauren antwortete nicht.

„Bei mir sind Sie sicher. Ich habe einen Ruf zu wahren.“

Was blieb ihr schon anderes übrig? Achselzuckend stand sie auf und folgte ihm. Am Empfang informierte sie die Frau darüber, wohin sie gehen würde. Danach ließ sie sich aus ihrem Hotelsafe etwas Geld auszahlen.

„Wozu brauchen Sie das Geld?“, fragte Guy amüsiert und hielt ihr die Tür auf. „Ich erwarte keine Bezahlung von Ihnen, und die Läden sind jetzt schon geschlossen. Außerdem würden Sie dort ohnehin nicht viel zu kaufen finden.“

Sie schenkte ihm ihr verführerischstes Lächeln. „Sie wären überrascht“, sagte sie geheimnisvoll und ging an ihm vorbei durch die Tür.

2. KAPITEL

Auf dem Weg in die Stadt fiel Lauren auf, dass Guy bei den Einheimischen ziemlich beliebt zu sein schien. Die meisten von ihnen nickten ihm fröhlich zu und grüßten ihn mit einem breiten Grinsen. Die Stadt selbst lag an der Hauptstraße, die zu der Mine und auch zum Flughafen führte.

„Hier ist mein Büro“, verkündete Guy und parkte den Geländewagen direkt vor einem imposanten Gebäude.

Ihr entging nicht, dass er die Straße und auch die Hauseingänge im Auge behielt, während sie den Bürokomplex betraten. Offenbar wusste er, wie er mit eventuellen Bedrohungen umzugehen hatte. Seine Selbstsicherheit rief Ängste in ihr hervor, die sie sich bis jetzt nicht gestattet hatte.

Das Büro war ein riesiger gepflegter Raum, der mit großen Stahlschränken ausgestattet war.

„So hält man sich das Ungeziefer vom Leib“, erklärte Guy, nachdem er ihren prüfenden Blick bemerkt hatte.

Nach einer Weile hatten sie endlich das Oberhaupt des Dorfes am Telefon. Lauren sprach ein paar Minuten lang mit ihm und hatte Mühe, seinem holprigen Englisch zu folgen. Der Häuptling erzählte ihr stolz vom Ölertrag, der in Neuseeland zu Seife und anderen Kosmetikartikeln verarbeitet wurde. Und er berichtete von der Lehrkraft, die in das Dorf gekommen war, nachdem die Schule erbaut worden war.

„Mir ist zu Ohren gekommen, es wäre zu diesem Zeitpunkt keine gute Idee, das Dorf zu besuchen“, sagte Lauren.

„Nicht gut, Madam“, gab der Häuptling ernst zurück. „Es laufen gerade zu viele üble Gestalten herum. Kommen Sie nächstes Jahr wieder, wenn die Wogen sich geglättet haben!“

„Falls es mir möglich ist“, versprach sie.

„Ich würde gern noch mit ihm sprechen“, sagte Guy neben ihr.

Lauren reichte ihm das Telefon und ging zum Fenster hinüber, um auf die Straße hinunterzusehen. Außer zwei Hunden, die einen Machtkampf austrugen, war niemand zu sehen. Die einfachen Häuser wirkten in der tropischen Umgebung irgendwie deplatziert.

Guy stellte dem Mann am Telefon offenbar eine Menge Fragen, aber Lauren konnte die Sprache nicht verstehen. Stattdessen fiel ihr auf, dass er ausgesprochen breitschultrig, kräftig und muskulös war. Er strahlte sowohl eine mentale als auch eine physische Kraft aus.

Nachdem er das Gespräch beendet hatte, steckte er das Mobiltelefon in seine Tasche. „Es scheint alles ruhig zu sein. Der Häuptling erzählte mir, dieser Priester wäre mit seiner Familie in die Berge gegangen. Dort hat es wohl einen Todesfall gegeben.“

„Dann können wir ja wieder durchatmen“, verkündete sie fröhlich und bemerkte erst jetzt, wie angespannt sie gewesen war.

„Ich habe meinen Atem nicht angehalten“, erwiderte er trocken und öffnete ihr die Tür.

Ohne sich umzublicken, trat Lauren in die heiße Mittagssonnen. „Ich bin froh, dass ich Paige wenigstens von der Nussölverarbeitung berichten kann“, erklärte sie. „Es ist großartig, dass die Dorfbewohner ein verlässliches Einkommen erwirtschaften können, ohne dabei ihre Wälder zu roden. Trotzdem hätte ich mir selbst gern ein Bild gemacht.“

Guy schloss die Tür zum Bürogebäude ab. „Wie sind denn nun Ihre weiteren Pläne?“

„Ich werde so bald wie möglich nach Neuseeland weiterreisen. Vielleicht kann ich sogar schon morgen einen Flug bekommen.“

Zu ihrer Überraschung schloss Guy die Tür wieder auf. „Darauf würde ich nicht wetten. Es gibt nur zwei Flüge am Tag, den Flug nach Valano nicht mitgerechnet, der zweimal in der Woche geht.“

„Wo ist Valano? Ich habe nie davon gehört. Ist es eine Stadt auf Sant’Rosa?“

„Nein. Es ist eine Inselgruppe im Süden.“

„Klingt nach dem Ende der Welt.“

„Oder dem Paradies, je nachdem, wie man es betrachtet.“ Sein Spott war unüberhörbar. „Aber unbeschreiblich schön.“ Er betonte das letzte Wort etwas zu lange.

Ihr wurde heiß, und sie musste sich um Fassung bemühen. Inständig sehnte sie sich nach dem Ferienhaus ihres Halbbruders in Neuseeland, das einsam, gemütlich und friedlich dort auf sie wartete. Bis vor Kurzem hatte sie sich nichts mehr gewünscht, als so schnell wie möglich dort zu sein. Was war geschehen?

Energisch riss sie sich zusammen und folgte Guy schweigend. Erst zurück im Büro verlor sie die Geduld. „Wen rufen Sie an?“, fragte sie schnippisch, als er erneut eine Nummer in sein Handy eintippte.

„Der letzte Flug nach Atu ist bestimmt schon weg, aber dort sollte noch jemand zu erreichen sein, ich werde Ihnen den nächsten Flug buchen.“

Es ärgerte sie etwas, dass er so erpicht darauf war, sie loszuwerden. „Haben Sie vielen Dank!“

Wenige Sekunden später sprach Guy mit einem Mann namens Josef, der sich mit ihm ebenfalls in der Landessprache unterhielt. „Morgen Nachmittag geht Ihr Flug“, informierte Guy sie, nachdem er das Gespräch beendet hatte.

„Sehr freundlich von Ihnen“, murmelte sie.

Er grinste breit. „Es war mir ein Vergnügen. Nachdem hier bereits alles geschlossen ist, könnten wir zurück zur Hotelanlage fahren und dort zu Abend essen. Oder ich nehme Sie mit nach Hause und koche etwas für Sie.“

„Fahren wir zur Anlage“, sagte Lauren schnell und merkte erst dann, dass er einen Scherz gemacht hatte. Seine Augen funkelten amüsiert, und sofort fragte sie sich, warum sie sich auf dieses Abendessen einließ.

Am nächsten Morgen würde sie abfliegen. Warum sollte sie sich noch mit einem Mann treffen, der sie vollkommen durcheinanderbrachte? Er war ihr viel zu selbstherrlich und dominant. Doch seit sie ihm begegnet war, fühlte sie sich, als wären all ihre Sinne geschärft worden.

Sie hatten absolut nichts gemeinsam. Immer wieder fragte sie sich, was sie an ihm eigentlich so anziehend fand. Aber ein Abend in seiner Gesellschaft sollte kein großes Risiko darstellen. Im Grunde verdiente jede Frau, sich einmal mit einem Freibeuter zu amüsieren. Dennoch wollte sie klarstellen, dass sie an amourösen Verwicklungen keinerlei Interesse hatte.

„Ich habe allerdings heute Abend nicht viel Zeit. Während der letzten vierundzwanzig Stunden habe ich nur zwei Stunden Schlaf abbekommen, und das macht sich langsam bemerkbar.“

Guy verstand diese Andeutung nur zu gut, und sein Grinsen wurde breiter. „Sobald Sie gähnen, werde ich Sie zu Ihrem Zimmer bringen.“

Sein charmanter Tonfall ließ sie aufhorchen. Sie durfte sich nicht auf einen Flirt mit einem solchen Mann einlassen: Immerhin hatte sie sich ein erfolgreiches, angenehmes Leben in Diskretion und Disziplin aufgebaut. Sie durfte nicht zulassen, dass die Tropen ihre magische Kraft auf sie ausübten!

Auf halbem Weg zur Hotelanlage regte Guy wieder eine Unterhaltung an. „Es wäre eine Schande, die Südküste zu verlassen, ohne unsere Hauptattraktion gesehen zu haben.“

„Was da wäre?“

„Ein Wasserfall.“

Lauren verstummte. Vielleicht war es die milde Abenddämmerung, die den Vollmond ankündigte, aber irgendein Impuls verdrängte plötzlich ihren gesunden Menschenverstand.

„Einverstanden“, stimmte sie zu und bereute diese Worte im selben Augenblick.

Guy bog ab und lenkte den Wagen zwischen dunklen Baumreihen hindurch. Er bewältigte die Unebenheiten der Wege mit beneidenswertem Geschick. Lauren klammerte sich an ihren Sitz und sah sich voller Unbehagen um. Die hereinbrechende Nacht hatte die üppige Vegetation in eine dunkle fesselnde Welt verwandelt.

Ich bin ja wohl verrückt geworden, auf Guys Herausforderung einzugehen, dachte sie. Und eine Herausforderung war es definitiv gewesen.

Er parkte hinter einem riesigen Baum. Den Rest des Wegs mussten sie zu Fuß zurücklegen. Schon nach wenigen Schritten hörte Lauren ein sanftes Plätschern. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie sah einen gigantischen schimmernden Schleier unter dem Sternenhimmel. Das Wasser stürzte zwischen den Steinen von einer Felswand hinunter.

„Es ist atemberaubend“, flüsterte sie. „Kaum zu glauben, dass wir uns so dicht an der Küste befinden.“

Der breite Pool am Ende des Wasserfalls ergoss sich über einen weiten Felsvorsprung, bevor er in einem schmalen gewundenen Fluss ins Meer führte. Die federartigen Blätter der Kokosnusspalme umsäumten die weiße sandige Bucht.

Dieser Anblick weckte in Lauren eine wilde Sehnsucht, die sie nie zuvor erlebt hatte. Sie lechzte danach, die Fesseln der Zivilisation abzustreifen und sich der gewaltigen Verführung des Pazifiks zu ergeben.

„Danke, dass Sie mir das gezeigt haben“, sagte sie beeindruckt. Als er nicht antwortete, sah sie ihn fragend an.

Guy betrachtete sie schweigend. Seine Gesichtszüge zeichneten sich scharf im Mondlicht ab, und Lauren begann leicht zu zittern.

Ihr Mund wurde trocken, und sie wandte sich ab, um den glänzenden Wasserfall zu betrachten. Er war ein funkelndes Farbenspiel aus Gold, Silber und Kupfer.

„Da hat man den Mond schon so oft aufgehen sehen, und trotzdem bin ich jedes Mal wieder aufs Neue fasziniert. Allerdings habe ich noch nie etwas wie das hier gesehen. Es sieht wie ein goldener Vorhang aus, so als würde das Wasser von hinten beleuchtet werden.“

Lächelnd nahm er ihren Arm und ging mit ihr zum Ufer hinunter. Seine Nähe beunruhigte sie, denn sie spürte förmlich, wie ihre Kontrolle nach und nach schwand.

Lauren starrte verwirrt auf das schwarze Wasser. Wie gern würde sie der Versuchung nachgeben und sich einfach zu ihm umdrehen, sich an ihn schmiegen …! Eine Bewegung von ihr würde reichen, um ihn zu einem erregenden Kuss zu verführen. Um jeden Preis musste Lauren diese brenzlige Atmosphäre durchbrechen. „Es war eine tolle Idee, mich hierher zu bringen.“

„Gern geschehen“, antwortete er ausdruckslos. „Sollen wir gehen?“

Sie nickte hastig. Kurz darauf machten sie sich auf den Rückweg zum Geländewagen. Doch nach wenigen Schritten blieb Guy abrupt stehen und lauschte. Irgendwo in der Dunkelheit bewegte sich ein Schatten.

Lauren öffnete den Mund, um zu fragen, was eigentlich los sei. Doch seine Hand, die er hart auf ihren Mund presste, unterdrückten die Worte.

Wo hast du dich da hineinmanövriert, Lauren Porter! dachte sie entsetzt.

Noch immer mit der Hand auf ihrem Mund zerrte er sie ins Dickicht und drängte sie dort gegen einen Baumstamm. Sein ganzer Körper schien nur aus angespannten Muskeln zu bestehen.

Denk nach! schoss es ihr durch den Kopf. Panische Angst überfiel sie, aber sie musste Zeit schinden und darauf hoffen, ihn in einem unerwarteten Moment überraschen zu können.

Dicht an ihrem Ohr hörte sie ihn leise sprechen. „Ich höre Stimmen, und ich weiß nicht, wer das ist.“

Sofort spitzte Lauren ihre Ohren, doch außer dem süßen Singsang des Wasserfalls konnte sie nichts hören.

„Bleiben Sie hier stehen, und machen Sie bloß kein Geräusch!“, befahl er und ließ sie los, nachdem sie zustimmend genickt hatte.

Nun hörte auch sie leise Männerstimmen, die sich ganz allmählich näherten. Adrenalin schoss in jede Faser ihres Körpers, und ihre Angst vor Guy verwandelte sich in Todesangst vor einer unbekannten Bedrohung.

Aber vielleicht waren es auch nur Dorfbewohner, die zum Angeln hinausgefahren waren. Wollte Guy einfach nur keine Zeugen für das haben, was er mit ihr vorhatte?

Sie hatte nur Sekunden, sich zu entscheiden, ob sie ihm vertrauen sollte. Pure Pragmatik half ihr dabei: Sie hatte eine größere Überlebenschance, wenn sie sich nur gegen einen Mann wehren musste. Außerdem vertraute sie ihrem Instinkt und ihrem gesunden Menschenverstand.

Die Stimmen entfernten sich wieder, aber dennoch blieben sie beide regungslos stehen. Als Guy endlich einen Schritt zur Seite trat, zitterte Lauren am ganzen Körper.

„Wer war das?“, flüsterte sie.

Mit einer ungeduldigen Handbewegung brachte er sie zum Schweigen und sah auf das Meer hinaus. Lautlos schob er ein paar Zweige und Blätter zur Seite, um besser sehen zu können.

„Dort!“, raunte er kaum hörbar. „Können Sie sie sehen?“

Sie waren bereits ein ganzes Stück entfernt auf dem Weg zum Strand. Ihre halb nackten Körper waren im Mondschein deutlich zu erkennen. Es waren etwa zwanzig Männer, die so etwas wie Speere in ihren Händen trugen.

„Sind das da Kanus?“, fragte Lauren leise.

„Bananenboote mit Außenborder, aber sie werden sie heute Nacht nicht benutzen. Außerdem kommen sie aus der falschen Richtung. Sie gehen in Richtung der Ferienanlage.“ Sein Verstand arbeitete blitzschnell. „Kommen Sie, wir müssen hier weg! Steigen Sie in den Landrover, aber schließen Sie die Tür nicht, bis ich den Motor einschalte. Dann verriegeln Sie die Tür von innen und halten den Kopf unten!“

Mit klopfendem Herzen folgte Lauren seinen Anweisungen. Und während der Wagen hinter dem Baum hervorschoss, betete sie, dass ihnen auf diesem verschlungenen Pfad niemand im Weg war.

Guy musste Augen wie ein Luchs haben. Ohne die Scheinwerfer einzuschalten, raste er mit hoher Geschwindigkeit durch die Dunkelheit. Auf dem Hinweg hatte sie die exotische Vegetation um sie genossen, die sich so sehr von den ihr bekannten Wäldern unterschied. Aber nun stellte der Dschungel für sie eine unberechenbare Gefahr dar.

„Glauben Sie, sie waren auf dem Weg zu den Menschen im Kanu, oder wollten sie diese Leute angreifen?“, fragte sie atemlos.

„Keine Ahnung. Auf jeden Fall war ihr Sprechgesang eine Kriegserklärung“, entgegnete er knapp.

Lauren bekam Gänsehaut. Um auf andere Gedanken zu kommen, überlegte sie fieberhaft, wo sie Guy schon einmal gesehen hatte.

Er warf ihr einen Seitenblick zu und fluchte plötzlich in einer Sprache, die sie nicht verstand. Es klang wie Italienisch. „Helfen Sie mir, mein Hemd auszuziehen.“

„Wie bitte?“

Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Sie müssen sich etwas überziehen. Ihre Haut ist viel zu hell und auffällig. Nehmen Sie jetzt mein Hemd!“

„Aber dann sind Sie doch halb nackt.“

„Aber meine Haut ist viel dunkler als Ihre. Mich kann man im Dunkeln nicht so gut erkennen.“ Sein Grinsen war verschwunden. „Ziehen Sie das Shirt aus meiner Hose und über den Arm, der weiter von mir entfernt ist. Ich sage Ihnen dann Bescheid, wann Sie es über meinen Kopf ziehen können.“

„Vielleicht sollten wir anhalten.“

„Ich halte nicht an“, widersprach er ruhig. „Wir wissen nicht, wer hier noch unterwegs ist. Jetzt machen Sie schon!“

Lauren biss die Zähne zusammen, und ihre Finger bebten, als sie seine harten Bauchmuskeln berührte. Den einen Arm hatte sie schon befreit und wartete nun auf Guys Kommando.

„Da ist eine kurze gerade Strecke. Okay, ziehen Sie mir das Hemd schnell über den Kopf. Jetzt!“

Mit einer fließenden Bewegung hatte sie ihm das Hemd ausgezogen. Dann streifte sie es sich über und atmete sofort den maskulinen Duft seines Körpers ein, der noch an dem Stoff hing.

„Bleiben Sie geduckt, bis ich Ihnen sage, dass Sie sich wieder aufrichten können!“, wies Guy sie an. „Und bedecken Sie Ihr Gesicht mit Ihren Händen. Falls wir anhalten, bewegen Sie sich nicht, bis ich es Ihnen sage. Wenn wir wirklich anhalten sollten, dürfen Sie am besten nicht einmal atmen.“

Eiskalte Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie verkroch sich im Beifahrerfußraum und betete im Stillen, dass ihr Vertrauen in diesen Mann nicht enttäuscht wurde. „Diese Kerle waren auf dem Weg zur Ferienanlage, nicht wahr?“

Er bemühte sich gar nicht erst, die Wahrheit zu verschweigen. „Das war die Richtung, in die sie gegangen sind.“

„Wird es dort zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung kommen?“ Da er ihr keine Antwort gab, fühlte sie sich zu einem scharfen Zusatz genötigt. „Ich werde schon nicht in Ohnmacht fallen, kreischen oder eine Panikattacke bekommen!“– Wieder musste er grinsen. „Das glaube ich Ihnen aufs Wort.“ Dann verschwand das Grinsen ebenso schnell wieder. Geschickt wich er einem kleinen Tier aus, das die Straße überquerte.

Lauren stützte sich schnell ab und schnitt eine Grimasse, als ihr Ellenbogen hart auf den Boden schlug.

Mit ruhiger Stimme fuhr Guy fort. „Was ihr Führer oder ihre Anführer vorhaben, weiß ich nicht. Wenn sie die Apartments leer vorfinden sollten, nehmen sie möglicherweise mit, was sie gebrauchen können. Dann werden sie sich mit den Vorräten der Bar betrinken und wieder nach Hause gehen.“

Sie nickte. „Wie lange wird es dauern, bis wir die Anlage erreicht haben?“

„Wir sind gar nicht auf dem Weg dorthin“, entgegnete er und schaltete einen Gang hoch.

3. KAPITEL

„Was? Wieso nicht?“

„Weil ich Sie direkt zum Flughafen bringe“, gab er entschlossen zurück.

Ein paar Sekunden lang starrte Lauren ihn sprachlos an. Sein Profil war im Mondlicht deutlich zu erkennen. „Aber wir müssen die anderen warnen“, wand sie mit lauter Stimme ein.

„Sie sind mit Sicherheit gewarnt worden. Der Dschungel mag unbevölkert aussehen, aber dort lauern überall neugierige Augenpaare. Deshalb sitzen Sie im Augenblick auch auf dem Fußboden.“

Er warf einen kurzen Seitenblick auf ihr geschocktes Gesicht. „Es nützt niemandem etwas, sich Sorgen zu machen. Ich werde nicht zur Anlage zurückfahren.“

„ Aber was ist mit den Kindern?“

„Das ist nicht Ihre Angelegenheit“, sagte er ungeduldig. „Die Anlage hat direkten Kontakt mit der Polizei. Mittlerweile werden sie die Touristen wahrscheinlich schon evakuiert haben.“

„Und wenn das nicht nur ein kleiner Kriegstanz von traditionsbewussten Insulanerstämmen ist, die Betten und Fernseher im europäischen Stil haben wollen?“ Sie schrie beinahe. „Was ist, wenn sie bewaffnet sind und es auf einen Krieg abgesehen haben?“

Die Strecke wurde nun sehr kurvig, doch Guy schien auch das nicht, aus der Ruhe zu bringen … „Sobald wir Sie in Sicherheit gebracht haben, werden wir uns um alles andere hier kümmern.“

Mit aller Kraft klammerte Lauren sich am Beifahrersitz fest. Zu ihrer Verwunderung spürte sie, dass sie zwar Angst hatte, aber dennoch weit von einer Panik entfernt war. Guy war von einer solch autoritären Aura umgeben, dass sie ihm ihr Leben in jeder Situation sofort anvertrauen würde. Und langsam wusste sie sein Verhalten auch zu deuten.

„Sie wollen bleiben und kämpfen, was?“ Wieder einmal sparte er sich eine Antwort. „Warum? Sind Sie auch Insulaner?“

„Nein“, erwiderte er knapp. „Aber ich kenne diese Menschen und habe sehr viel in Sant’Rosa investiert. Halten Sie sich unten!“

Bevor sie reagieren konnte, machte er fluchend eine Vollbremsung, und der Wagen kam nach kurzem Schleudern zum Stehen.

Zusammengekauert und mit klopfendem Herzen hockte sie im Beifahrerfußraum. Über ihr hörte sie den Motor und wütende männliche Stimmen. Obwohl ihr heiß war, fröstelte sie und versuchte krampfhaft, ihren gehetzten Atem zu regulieren.

Guy antwortete mit ruhiger Stimme, die kein Anzeichen von Angst verriet. Leider konnte Lauren von dem gesamten Gespräch, das mehrere Minuten dauerte, kein einziges Wort verstehen. Sie beherrschte zwar fließend Deutsch und Französisch, aber das half ihr in diesem Teil der Welt offenbar nicht weiter.

„Okay“, sagte Guy wenig später. „Wir sind außer Sichtweite. Sie können sich wieder hinsetzen, aber halten Sie Ihren Kopf weiter unten!“

Vorsichtig streckte sie ihre verkrampften Arme. „Wer war das?“

„Eine Polizeistreife. Sie warnten davor, dass hier marodierende Banden im Busch herumlungern, deshalb werden wir kein Risiko mehr eingehen. Die Ferienanlage ist bereits geräumt worden. Die Gäste befinden sich schon am Flughafen.“

„Bin ich froh“, keuchte Lauren. „Aber Sie sagten, es gäbe vor morgen keine Flüge.“

„Josef ist der Manager, und er hat einen Piloten ausfindig gemacht, der ein Frachtflugzeug nach Valano fliegt“, erklärte Guy. „Er kann alle mitnehmen. Es wird nicht sehr bequem werden, aber wenigstens kommen Sie hier weg.“

Sie waren nun auf der Hauptstraße, und Guy konnte endlich schneller fahren.

„Das Problem ist, er will so schnell wie möglich los. Ich habe nur zwanzig Minuten, um Sie zum Flughafen zu bringen.“ Valano? überlegte sie. Die Inselgruppe, beziehungsweise die Hauptinsel dieser Gruppe?

Sie atmete tief durch. „Aber warum Valano? Könnte er uns nicht zur Hauptstadt fliegen?“

„Dieser Bereich ist aus irgendeinem Grund vom Rest der Insel abgeschnitten. Man kann niemanden mehr telefonisch erreichen. Das hat aber mit Sicherheit nichts mit dieser Angelegenheit zu tun. So etwas passiert eben manchmal.“

„Ist die Mine sicher?“

„Sie ist gut gesichert, solange sie nicht von einer Armee angegriffen wird“, antwortete Guy. „Dort gibt es einen eigenen Sicherheitsdienst, aber sie sind zu weit entfernt, um uns helfen zu können.“

Nachdem sie um eine weitere Kurve gefahren waren, gab es keine Gelegenheit mehr zum Reden. Lauren hörte plötzlich neben den lauten Motorengeräuschen mehrfach ein lautes Knallen.

Guy sagte etwas Unverständliches in seiner eigenen Sprache.

„Was war das?“, wollte sie wissen, obwohl sie die Antwort schon kannte.

„Schüsse. Und das bedeutet, wir könnten in ernste Schwierigkeiten geraten.“ Er sah kurz zu ihr runter. „Keine Sorge! Ich werde Sie in Sicherheit bringen.“

Daran zweifelte Lauren nicht. Sie befürchtete eher, dass Guy etwas zustoßen könnte. Und Ihre Sorge um Guy ging über pure Nächstenliebe weit hinaus. Das wunderte sie, denn immerhin kannte sie diesen Mann kaum.

Endlich erreichten Sie den Flughafen, und Guy half Lauren vorsichtig aus dem Wagen. „Sie haben sich hervorragend gehalten. Es tut mir leid, dass Sie das durchmachen müssen.“

Ihre Beine trugen sie nicht, und als sie in sich zusammensackte, fing Guy sie geschickt auf. Mühelos stützte er sie und führte sie in das Flughafengebäude.

Von hier aus hörten sich die Schüsse wie ein harmloses Feuerwerk an. Und in Guys starken nackten Armen fühlte Lauren sich unendlich sicher. Sie hoffte inständig, dass dort draußen niemand verletzt wurde und dass die Angreifer bereits in die Flucht geschlagen waren, wenn Guy schließlich den Flughafen verlassen musste.

Ein Flughafenbeamter wartete auf sie und redete wild gestikulierend auf Guy ein. Sie diskutierten kurz miteinander, und der fremde Mann führte sie beide eilig in eine kleine Halle.

Dort waren die Feriengäste versammelt. Einige von ihnen trugen Kinder auf dem Arm, die weinten oder einfach nur verstört vor sich hin blickten. Koffer und Taschen wurden auf eine alte Karre gestapelt, und alle Beteiligten wirkten sehr ernst und angespannt.

Der Mann wandte sich nun auf Englisch an Lauren. „Ihren Pass bitte, Madam.“

Ihre Stimme zitterte leicht. „Er ist noch in der Ferienanlage. Alle meine Papiere befinden sich dort im Safe.“

„Josef, jetzt ist nicht die Zeit für Formalitäten“, unterbrach Guy ihn barsch. „Du weißt, dass sie nicht hierbleiben kann.“

Der Pilot kam von der gegenüberliegenden Seite der Halle auf sie zugelaufen. „Guy!“, rief er grinsend. „Hätte ich mir denken können, dass du hier bist!“ Neugierig starrte er Lauren an.

Guy begrüßte den Mann und erklärte ihm kurz, was geschehen war.

Der Pilot runzelte die Stirn. „Mann, ich kann sie nicht ohne Papiere nach Valano bringen! Du weißt doch selbst, sie würden sie nicht reinlassen. Seit dieses Drogensyndikat dort versucht hat einzudringen, sind sie extrem paranoid.“

„Du wirst sie mitnehmen!“, sagte Guy mit fester Stimme. „Es gibt keine Alternative.“

Auch Josef mischte sich mit besorgtem Blick ein. „Sie kann ohne Papiere nicht nach Valano reisen.“

Der Pilot blickte in Laurens entsetztes Gesicht und wandte sich dann ab. „Dir ist doch klar, was sie mit ihr machen würden. Sie würden sie zu den Junkies und Prostituierten ins Gefängnis stecken und erst wieder rauslassen, wenn jemand für sie bürgt oder wenn sie neue Papiere bekommt. In Valano kann das Wochen dauern, weil alles zuerst nach Fiji geschickt wird. Wenn du es wärst, Guy, würde das in Ordnung gehen. Dich kennen sie, und dich lassen sie auch ohne einen Pass rein.“

„Ist schon gut“, schaltete Lauren sich ein. „Ich werde schon zurechtkommen.“

Alle drei Männer starrten zuerst sie und dann einander an. „Seien Sie vernünftig!“, brummte Guy. Ohne sein Hemd sah er selbst aus wie ein Krieger: Seine breiten, dunkel gebräunten Schultern und die kräftigen, muskulösen Arme glänzten leicht golden. „Josef, du bist doch auch Pastor?“

Erstaunt sah der Mann ihn an. „Ja. Wieso?“

„Du könntest uns trauen, und dann werde ich für sie bürgen.“

Der Pilot brach in Gelächter aus. „Ja, das würde reichen. Du kommst immer auf die besten Ideen, Guy.“ Er sah auf seine Uhr. „Aber schließt den Bund der Ehe besser so schnell ihr könnt. Ich fliege in zehn Minuten ab. Die Schüsse kommen immer näher.“

Erst jetzt fand Lauren ihre Sprache wieder. „Das ist absolut unmöglich. Ich kenne noch nicht einmal Ihren Namen.“

„Guy Bagaton“, stellte Guy sich tonlos vor. „Und Sie haben keine andere Wahl.“ Er wandte sich an den Flughafenmanager. „Gut, Josef, dann lass es uns hinter uns bringen!“

Ganz in der Nähe war eine Explosion zu hören, die jeden in der Halle zum Schweigen brachte. Danach brach Hektik aus, und die Leute stellten sich schon vor dem Ausgang auf, wobei sie die Frauen und Kinder nach vorn ließen.

„Josef, beeil dich!“, rief Guy. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Mit festem Griff packte er Lauren beim Ellenbogen und zog sie hinter sich her in das kleine Büro des Flughafenchefs.

Josef wandte sich an Lauren. „Ich bin zwar hier in meiner Kirche Pastor, aber möglicherweise wird diese Ehe außer auf Sant’Rosa nirgendwo rechtskräftig sein. Dennoch werden Sie dadurch hier ausgeflogen werden können und in Valano nicht im Gefängnis landen.“

„Nein!“, protestierte Lauren. „Das Gefängnis dort kann doch nicht so schlimm sein. Und es sollte auch keine Ewigkeit dauern, einen anderen englischen Pass zu bekommen. Woher wissen Sie überhaupt, dass ich nach der Eheschließung keine Einreiseprobleme mehr haben werde?“

„Vertrauen Sie mir“, beschwor Guy sie mit grimmiger Miene. „Man wird Ihnen dort keine Schwierigkeiten machen. Und Sie können mir glauben: Gefängnisse in den Tropen sind mehr als unhygienisch, und es könnte Wochen dauern, Ihre Papiere zu ersetzen. Vorausgesetzt, die Behörden von Valano lassen Sie überhaupt mit der britischen Botschaft in Fiji Kontakt aufnehmen. Sagen Sie jetzt nur zum richtigen Zeitpunkt Ja, ansonsten stecken Sie mitten in einem Kriegsgebiet fest. Und wenn das geschieht, bringen Sie jeden in Gefahr, der Sie da rausholen muss.“

„Dieser letzte Satz überzeugte sie schließlich. Wie betäubt ließ Lauren die kurze Zeremonie über sich ergehen und sah teilnahmslos dabei zu, wie Guy ihr seinen kleinen goldenen Siegelring an den Finger steckte. Automatisch antwortete sie, wenn sie angesprochen wurde, bis schließlich der magische Moment kam.

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen“, verkündete Josef und beschäftigte sich taktvoll mit seinen Papieren.

Guy schenkte ihr ein sinnliches Lächeln. „Hätte ich gewusst, dass ich heute heiraten werde, hätte ich mich rasiert.“

Dann senkten sich seine Lippen auf ihre. Es war kein kurzer Abschiedskuss oder ein umständlicher, gieriger Kuss. Sein Mund nahm sie auf eine unaussprechliche Art vollkommen ein und vertrieb all ihre Ängste, bis ein unerwartetes Gefühl von Freude und Leichtigkeit sich in ihrem Herzen ausbreitete.

Und da sie nicht wusste, ob sie ihn jemals lebend wiedersehen würde oder ob sie ihn überhaupt jemals wiedersehen würde, erwiderte sie seinen Kuss leidenschaftlich.

Viel zu früh ließ er sie nun los und lächelte sie an. Dann schrieb er einen Namen auf ein Stück Papier. „Mein Agent auf Valano“, erklärte er und reichte ihr den Zettel. Melde dich gleich bei ihm, und zeige ihm die Unterlagen, die Josef gerade für dich ausstellt. Er wird dich in Sicherheit bringen. Hast du Geld?“

„Nicht viel“, sagte sie hilflos und fühlte sich plötzlich traurig und einsam.

Eilig öffnete er sein Portemonnaie und gab ihr dann ein paar Scheine. „Dies sollte dir vorerst weiterhelfen.“ Er grinste. „Vielleicht reicht es sogar für einen schicken Sarong.“

„Dein Hemd!“ Mit einer Hand versuchte sie, das Hemd auszuziehen, doch er hielt ihren Arm fest.

„Behalt es an! Es verleiht dir dieses gewisse authentische Flüchtlingsaussehen.“ Seine Augen strahlten Wärme aus. „Ich melde mich bei dir, sobald ich kann.“

„Versprich es mir!“, stammelte sie, blind vor Tränen.

Lachend nahm er ihre freie Hand, küsste die Innenfläche und schloss dann die Finger darüber, um den Kuss an Ort und Stelle zu halten. „Ich halte meine Versprechen immer.“ Es klang wie ein Schwur.

„Kommen Sie, Madam!“, drängte Josef mit ernster Stimme. „Das Flugzeug steht bereit.“

„Geh jetzt!“ Ohne sich noch einmal umzudrehen, verschwand Guy in der Dunkelheit.

Etwa eine Stunde später flog Lauren über den dunklen Ozean. Nervös drehte sie den goldenen Ring an ihrem Finger und fragte sich, was wohl in diesem Augenblick auf Sant’Rosa geschah. Sie wollte lieber nicht daran denken, dass dieser Mann, den sie erst heute kennengelernt hatte, vielleicht um sein Leben kämpfen musste. Und sie versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie sich nicht innerhalb von drei Stunden Hals über Kopf verliebt hatte.

Der Deckenventilator drehte sich träge über Laurens Kopf. Sie nahm all ihre Fassung zusammen. „Also kann ich Valano noch nicht verlassen?“

Voller Bedauern schüttelte der Immigrationsbeamte den Kopf. „Leider nicht“, bestätigte er. „Es ist kompliziert, müssen Sie wissen. Sie kamen ohne Papiere hierher. Und wir haben Sie ausnahmsweise bei uns aufgenommen, weil Sie mit einem Mann verheiratet sind, der hier einen sehr guten Namen hat.“ Er klopfte auf die Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag. „Aber es dauert länger als erwartet, die Ersatzpapiere aus England zu bekommen. Und bis es so weit ist, können Sie Valano nicht verlassen, denn Ihre einzige Luftwegsverbindung zur Außenwelt ist Sant’Rosa. Und dort sagt man, man wird Ihnen nicht erlauben, ohne Pass einzureisen.“

„Meine Eltern sagten mir, mein Pass wäre vor zwei Tagen per Kurier geschickt worden.“

Seit sechs Tagen schon bemühte sie sich, dieses Problem zu lösen. Langsam war Lauren mit ihren Nerven am Ende, aber es nützte nichts, nun die Geduld zu verlieren. Jeder hatte sich ihr gegenüber ausgesprochen höflich und hilfsbereit verhalten, aber man hielt sich eben strikt an die Regeln.

Guy hatte recht behalten. Ohne Kontakt zum britischen Konsulat saß sie auf diesem reizenden isolierten Atoll fest, bis ihre Identität und Staatsbürgerschaft offiziell geklärt waren.

Möglicherweise hätte Guys Agent ihr helfen können, das Prozedere zu beschleunigen, aber er war einen Tag vor ihrer Ankunft nach Singapur geflogen. Man erwartete ihn erst in ein paar Tagen wieder zurück.

Zum Glück hatte ein Flughafenangestellter von Valano ihr eine Unterkunft bei seiner Cousine besorgt. Nun bewohnte sie einen winzigen Bungalow, der sich auf einer Korallenplattform inmitten süßlich duftender Blumen befand.

Lächelnd erhob sie sich. „Vielen Dank für Ihre Hilfe.“

„Es tut mir so leid, aber leider kann ich nicht mehr für Sie tun. Hoffentlich genießen Sie wenigstens den Aufenthalt auf unserer kleinen Insel.“ Er dachte kurz nach. „Es wäre eine Möglichkeit, mit einem der Journalisten zu sprechen, die nach Sant’Rosa wollen. Sie könnten Ihnen helfen, Ihre Familie in England zu kontaktieren.“

Oh nein, schoss es Lauren durch den Kopf. Sie war diesen Journalisten in den letzten Tagen absichtlich aus dem Weg gegangen. Immerhin war sie Marc Corbetts Halbschwester, und Marc war ein international angesehener Geschäftsmann. Sie wollte auf keinen Fall, dass jemand in ihrer Vergangenheit wühlte und die geheime jahrelange Affäre ihrer Mutter mit Marcs Vater ans Tageslicht zerrte. Erstens wäre es erniedrigend für ihre Mutter, und darüber hinaus würden derartige Veröffentlichungen ihren ohnehin gesundheitlich schwer angeschlagenen Vater hart treffen.

Um ein Lächeln bemüht, streckte sie ihm ihre Hand entgegen. „Ich mache das Beste aus meiner Zeit auf Valano. Sie sind wirklich sehr freundlich zu mir gewesen“, sagte sie aufrichtig. „Ich mache mir bloß Gedanken darüber, was gerade auf Sant’Rosa passiert.“

Mit ernster Miene schüttelte er ihre Hand. „Ja, Krieg ist etwas Schreckliches. Und es ist so traurig, die Menschen auf Sant’Rosa wieder leiden zu sehen. Aber wenn unsere Informationen stimmen, hat man die Aufständischen schon wieder hinter die Grenze gedrängt, und ihr Anführer soll tot sein.“

„Das hoffe ich“, erwiderte Lauren aufrichtig.

Ihr Bungalow verfügte nur über ein einziges mittelgroßes Zimmer, war aber dafür sehr günstig. Allerdings hatte der Anruf bei ihren Eltern so viel gekostet, dass sie jetzt kaum noch Bargeld besaß. Im schlimmsten Fall würde sie sich etwas von Guys Agent borgen müssen, wenn dieser aus Singapur zurückkehrte.

Neben ihrem täglichen Gang zur Immigrationsbehörde ging Lauren schwimmen, unterhielt sich mit den jugendlichen Töchtern ihrer Vermieterin oder machte sich mit der Umgebung auf dieser idyllischen Insel vertraut. Unglücklicherweise gab ihr dieses laue Leben viel Gelegenheit, sich die schlimmsten Gedanken über Guy Bagatons Schicksal zu machen.

„Es wird ihm schon gut gehen“, versicherte sie sich selbst. Obwohl sie ihn nicht gut kannte, mochte sie sich nicht vorstellen, dass ihm etwas Ernstes zugestoßen sein könnte.

Sie ging in der nahe gelegenen Lagune schwimmen, und das seichte Wasser war wohltuend auf ihrer Haut. Die Sonne neigte sich gen Horizont, und sie ging nach ihrem Bad im Meer lange Zeit am Strand spazieren.

Im Bungalow duschte sie sich ab, wusch sich die Haare und zog dann ihren zweiten Sarong an, der noch farbenfroher als ihr erster war. Dank der Töchter der Vermieterin kannte sie nun drei verschiedene Arten, dieses Kleidungsstück zu tragen. Während sie auf ihrem Bett saß und ihre Haare kämmte, dachte sie darüber nach, wie sie sich aus dieser misslichen Situation befreien sollte.

„Vielleicht kommt der Pass ja morgen an“, murmelte sie vor sich hin. Gedankenverloren starrte sie auf den goldenen Ring auf ihrer Hand. Vorsichtig nahm sie ihn ab und betrachtete die Gravur, die durch den Abrieb fast vollständig verschwunden war.

Es konnte ein Familienwappen sein, vielleicht eine Art Vogel. Sollte diese äußere Umrandung einen Flügel darstellen? Sie seufzte. Was immer es auch war, ganz offensichtlich bedeutete Guy dieser Ring etwas. Wenn sie also Valano verließ, würde sie das Schmuckstück bei Guys Agenten hinterlegen.

Rastlos ließ sie die Jalousien an ihren Fenstern hinunter, löste den Knoten ihres Sarongs und trat auf die Plattform hinaus, um die kühle Abendluft auf ihren nackten Schultern und Armen zu spüren.

„Was um alles in der Welt tust du hier?“, erklang hinter ihr eine vertraute Stimme.

4. KAPITEL

Erschrocken knotete sie den Sarong wieder vor ihrer Brust zusammen und wirbelte herum. Guy Bagaton stand ein paar Schritte von ihr entfernt vorm Bungalow und starrte sie an.

Erleichterung und übermäßige Freude erfassten sie bei seinem Anblick, und sie strahlte ihn glücklich an.

„Wieso wohnst du nicht im Hotel?“, fragte er.

„Ich hatte nicht genug Geld“, erklärte sie. „Dein Agent ist in Singapur und kommt erst morgen zurück.“

„Woher hast du dann Geld bekommen? Was ich dir gegeben habe, kann unmöglich für eine Woche gereicht haben.“

„Das hat es aber“, versicherte sie ihm. Dann fiel ihr der Verband an seinem Oberarm auf. „Was ist passiert?“, erkundigte sie sich entsetzt.

„Es ist nichts. Nur ein Streifschuss.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wie geht es dir?“

„Ganz gut. Woher wusstest du, dass ich hier bin?“

Sein Blick verdunkelte sich. „Ich habe eine Weile gebraucht. Doch am Ende hat mir jemand von der Einwanderungsbehörde weitergeholfen.“ Missmutig sah er sich um. „Dies ist kein geeigneter Ort für dich.“

„Bist du mit dieser Schussverletzung beim Arzt gewesen?“

„Ja. Sie haben die Wunde genäht und mir Antibiotika verabreicht. Es ist kaum mehr als ein Kratzer.“ Er hielt ihr eine kleine Plastiktüte hin, die sie verwundert betrachtete. „Schau ruhig hinein! Darin ist dein Pass.“

Hastig nahm sie ihm die Tüte ab und sah hinein. „Bist du zurück in die Ferienanlage gefahren?“, fragte sie erstaunt.

Er sah auf den Boden. „Nur kurz. Man hat sie geplündert, aber den Safe haben sie nicht knacken können.“

Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken.

„Bevor du fragst: Offenbar haben alle Mitarbeiter dort überlebt“, beruhigte er sie. „Und dein Pass ist unversehrt.“

„Ich bin dir ja so dankbar“, erwiderte sie zögernd. Er hatte ihr das Leben gerettet, und sie fühlte sich verpflichtet, im Gegenzug auch etwas für ihn zu tun.

„Komm herein. Oder nein, lass uns hier draußen sitzen bleiben. Hier ist es kühler.“ Allerdings auch nicht so privat wie drinnen. „Du siehst aus, als könntest du einen Drink vertragen. Ein Vormieter dieses Bungalows hat ein paar Dosen Bier im Kühlschrank gelassen. Ich könnte dir eine holen.“

Er lachte leise. „Du kannst wohl die geheimen Fantasien der Männer lesen.“

Diese Bemerkung ließ sie erröten. Wenig später kehrte sie mit dem Bier zurück. „Nur weil ich dir ein Bier angeboten habe?“, sagte sie beschwingt. „Du bist ja sehr leicht zufriedenzustellen.“

„Es gibt eben nichts Besseres als ein kühles Bier nach ein paar Tagen Dschungelkampf“, antwortete er spöttisch und nahm einen Schluck. „Hattest du eigentlich Probleme mit deiner Einreise hier?“

„Zuerst wollten sie mich nicht aus dem Flugzeug lassen.“ Sie nippte an ihrem Saft. „Aber die frisch ausgestellten Heiratsunterlagen und auch der Pilot haben schließlich die Überzeugungsarbeit geleistet. Der Pilot hat die Beamten letztendlich überzeugt, dass ich tatsächlich mit dir verheiratet bin.“

„Man hat hier vor Einwanderern mit zweifelhaften Motiven allergrößten Respekt. Die Menschen hier sind so arm, dass sie ihre Welt unbedingt beschützen wollen.“

„Dein Name hat mir geholfen.“ Sie wollte so gern wissen, was auf Sant’Rosa geschehen war, aber ihr Instinkt riet ihr, Guy nicht zu drängen. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dankbar ich dir bin, dass du diese Idee hattest. Ich bin hier kürzlich an einem Gefängnis vorbeigekommen, und du hattest absolut recht. Es sieht alles andere als einladend aus.“

Plötzlich hatte sie das unbändige Bedürfnis, sich in seine Arme zu schmiegen. Seine Nähe zu spüren. Ihn zu beschützen und von ihm beschützt zu werden.

„Wie lange bleibst du hier?“, fragte sie leise.

Die Stille zwischen ihnen zog sich in die Länge, sodass sie für einen Augenblick glaubte, er wäre einfach eingeschlafen.

„Es ist vorbei“, sagte er schließlich tonlos. „Der Wiederaufbau wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber die Gefolgsleute des Priesters haben sich wieder in die Dörfer zurückgezogen, und die Angreifer sind entweder getötet worden oder zurück über die Grenze geflohen. Sant’Rosa ist wieder in fester Hand.“

Das war nicht die Antwort, die sie erwartet hatte. „Es muss – fürchterlich gewesen sein“, sagte sie vorsichtig.

Er trank einen großen Schluck Bier. „Es war ziemlich schlimm. Etwa achtzig Menschen sind umgekommen, meist Dorfbewohner, die zwischen die Fronten geraten waren. Ernte wurde vernichtet, und Dörfer wurden niedergebrannt. Selbst Kinder starben – die üblichen Kriegsbilder eben.“

„Es tut mir so wahnsinnig leid“, stöhnte sie und wusste genau, dass ihre Worte in diesem Zusammenhang allenfalls lächerlich klangen.

„Wieso? Es war doch nicht deine Schuld.“

Sie stutzte. „Suchst du nach einem Schuldigen?“

Sein freudloses Lachen erschreckte sie. Er trank das Bier aus und stand auf. „Vielleicht“, antwortete er rau. „Ich sollte besser gehen. Mir ist nicht gerade nach einer Diskussion über die Ungerechtigkeit des Lebens mit einer wohlerzogenen englischen Frau.“

Sie ignorierte seinen verbitterten Kommentar. „Wohin gehst du?“, wollte sie wissen.

„Ich habe ein Zimmer im Hotel“, erwiderte er gleichgültig.

„Aber dort warten die Journalisten, die keine Gelegenheit hatten, in die Nähe des Kriegsgebiets zu kommen“, gab Lauren zu bedenken. „Auch wenn die schlimmsten Kämpfe vorbei sind, werden noch nicht alle nach Sant’Rosa gereist sein. Wann hast du zum letzten Mal etwas gegessen?“

Autor

Robyn Donald

Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich.

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