Unersättliches Verlangen nach dir

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Ist das wirklich Ryan? Jessies bester Freund aus Kindertagen hat sich verändert: Aus dem lieben Jungen von nebenan ist ein heißer Traumtyp geworden! Beim Klassentreffen wagt sie sich mit ihm auf die Tanzfläche und schmilzt in seinen Armen dahin. Am liebsten würde sie ihrem unersättlichen Verlangen nach ihm sofort nachgeben! Doch ihre Familie verlässt sich darauf, dass Jessie ihren Verlobten Hugh heiratet, um eine alte Schuld zu begleichen. Gefangen zwischen Leidenschaft und Pflichtgefühl muss sie eine schwere Entscheidung treffen …


  • Erscheinungstag 31.08.2021
  • Bandnummer 2201
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503822
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Während sie durch den elegant geschmückten Festsaal ging, fiel Jessie Acosta auf, dass der Country Club in Falling Brook renoviert worden war. Die heutige Soiree stand unter dem Motto „Schwarz und Silber“, und die Dekoration war auf das Thema abgestimmt. Unter der Decke hingen silberne und schwarze Ballons, und auf den Tischen lagen schwarze Tischdecken und silberne Schals.

Die silbernen und schwarzen Konfettiflocken auf den Tischen verliehen dem Ganzen eine festliche Atmosphäre, die durch Vasen mit schwarzen Tulpen und silbergrauen Rosen abgerundet wurde. Gedeckt waren die Tische mit silbernen Sets und schwarzem Geschirr, und die Platzkarten mit den Namen der Gäste dieses Klassentreffens steckten in silbernen Rahmen. Das Partykomitee hatte wirklich ganze Arbeit geleistet!

Und auch Jessie selbst hatte sich ins Zeug gelegt. Für ihren strahlenden Auftritt trug sie ein paillettenbesticktes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt im Rücken, über dem sich glitzernde Träger kreuzten. Zumindest ein Paar Augen hatte sie auf sich ziehen wollen, doch ihr Freund, Hugh O’Malley, mit dem sie eine Fernbeziehung führte, war nirgends zu sehen. Sie hatte ihn gefragt, ob er aus London zurückkommen würde, um mit ihr zu der Party zu gehen, aber Hugh war auf der Arbeit zu sehr eingespannt. Also hatte sie den Abend in der Gesellschaft von Ryan Hathaway verbracht, dem Mann, der früher einmal ihr bester Freund gewesen war.

Doch vor fünfzehn Jahren hatte sich das geändert. Damals hatten ihre Eltern alles verloren. Schuld daran war der Black Crescent Hedgefonds. Vernon Lowell, der damalige CEO des Fonds, hatte Millionen Dollar seiner Kunden veruntreut – darunter auch Jessies Eltern – und war verschwunden, bevor die Polizei ihn hätte schnappen können. Nach diesem Verlust hatte Jessie alles darangesetzt, ihre Eltern glücklich zu machen und das zu tun, was von ihr erwartet wurde. Statt weiterhin ihre freie Zeit mit Ryan zu verbringen, war sie mit Hugh O’Malley ausgegangen, der aus einer der reichsten Familien der Stadt stammte, weil sie wusste, dass ihre Eltern damit zufrieden wären. Auch war ihr klar, dass ihre Eltern erwarteten, dass sie Hugh heiratete. Aber in letzter Zeit war sie mit ihrem Leben und ihrer Fernbeziehung immer unzufriedener geworden. Dann war der heutige Abend gekommen, und plötzlich sah Jessie die Welt mit ganz anderen Augen.

Nur ein paar Meter entfernt unterhielt Ryan sich angeregt mit einigen ehemaligen Klassenkameraden. Er überragte die Gruppe um mindestens einen Kopf. Schon lange war er nicht mehr der niedliche, schüchterne Junge von nebenan – leicht pummelig und mit Brille –, den sie in ihrer Jugend gekannt hatte. Der Ryan Hathaway, der ihr heute Abend begegnet war, war selbstbewusst, schlank und durchtrainiert und trug Kontaktlinsen. Von der alten Schüchternheit war keine Spur mehr zu erkennen. In dem eleganten schwarzen Anzug sah er absolut sexy aus – und das wusste er.

Jessie konnte nicht aufhören, ihn immer wieder anzustarren. Es war schon ein paar Jahre her, dass sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seine wilde schwarze Mähne trug er jetzt kurz geschnitten. Und seit wann hatte er einen Bart? Zwar nur ein leichter Bartschatten, aber das verlieh ihm etwas Geheimnisvolles und Gefährliches. Seine dunklen Augen ruhten beinahe den ganzen Abend auf ihr, und zu ihrer Überraschung stellte Jessie fest, dass ihr das gut gefiel.

Sobald sie miteinander sprachen, war es, als wären all die Jahre niemals vergangen, und sie waren wieder einfach nur Ryan und Jessie, die in seinem Baumhaus saßen und einander von ihren Träumen und Wünschen für die Zukunft erzählten. Ryan hatte es wirklich zu etwas gebracht. Er arbeitete für eine bekannte Fondsgesellschaft in Manhattan, während Jessie in einer mittelgroßen Anwaltskanzlei schuftete.

Trotzdem fand sie es erstaunlich, dass sie in derselben Stadt lebten und arbeiteten, einander aber nie begegnet waren. Aber wie auch, wenn sie sechzig Stunden die Woche schuftete? Manchmal sogar mehr. Sie wollte unbedingt Partnerin der Kanzlei werden, und dafür musste sie nun mal ordentlich ranklotzen.

„Woran denkst du gerade?“ Plötzlich stand Ryan direkt neben ihr. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatte.

„Nur daran, wie viel sich verändert hat.“ Unter ihren langen Wimpern hervor blickte sie ihn an. „Besonders bei dir.“

Seine vollen Lippen öffneten sich zu einem breiten Grinsen. Warum war ihr noch nie aufgefallen, welch traumhaften Mund er hatte?

„Ich? Ich bin derselbe gute alte Ryan wie früher.“

Jessie schüttelte den Kopf. „Das sehe ich anders. Du hast dich verändert.“

„Ist das etwa schlecht?“

Sie lächelte. „Ganz im Gegenteil.“

Einen Augenblick lang schaute er sie schweigend an, als würde er seine Optionen abwägen. Dann fragte er: „Möchtest du tanzen?“

„Liebend gern.“

In dem Moment, als Ryan sie an sich zog, lösten alle weiteren Gedanken sich in Luft auf. Jessie fühlte sich … seltsam, natürlich, denn sie hatten noch nie miteinander getanzt. Höchstens vielleicht als Kinder beim Spielen. Aber jetzt, da er sie im Arm hielt, spürte sie ganz deutlich seinen durchtrainierten Oberkörper und wie ihre Brüste sich an ihn pressten.

Ryan strahlte pure Männlichkeit aus, und Jessies Herz schlug schneller. Und als er noch näher kam und einen Oberschenkel zwischen ihre Beine schob, verlor sie beinahe den Verstand. Das war doch nur Ryan, verdammt! Bei ihm sollte sie nicht so empfinden … aber es fühlte sich trotzdem unglaublich gut und richtig an.

Sie genoss seinen Duft, seine Berührungen. Er schlang die Arme um ihre Taille, und am liebsten hätte Jessie sich augenblicklich auf die Zehenspitzen gestellt und ihn geküsst. Was war nur los mit ihr? Ryan und sie sollten Freunde sein, doch plötzlich fühlte sich alles so anders an. Sie blickte auf und schaute ihm in die Augen. Er sah sie jedenfalls nicht so an, wie Freunde das taten.

Langsam ließ er den Blick über ihr Gesicht wandern und dann auf ihren Lippen verharren. Ryan würde sie küssen – und sie wünschte sich nichts anderes. Sie wollte seinen Mund auf ihrem fühlen, denn sie wusste, nur dann hätte sie eine Chance, den Hunger zu stillen, der tief in ihr erwacht war. Erwartungsvoll fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen, und in Ryans Augen loderte pures Verlangen auf.

Er ließ die Finger in ihr schulterlanges Haar gleiten und zog ihren Kopf näher zu sich.

„Ryan!“, stieß Jessie keuchend hervor.

„Sag bloß, du willst mich doch nicht küssen“, neckte er sie.

Jessie öffnete den Mund, um Nein zu sagen, aber sie brachte das Wort nicht über die Lippen. Es wäre eine Lüge gewesen. Sie wollte, dass Ryan sie küsste, also schloss sie die Augen und machte sich auf einen unvergesslichen Kuss gefasst …

Da brach hinter ihnen ein kleiner Tumult aus.

Erschrocken blickte Jessie Ryan über die Schulter. Mit großem Trara kam Hugh in den Festsaal gestürmt.

Hugh war Jessies Traummann: eins achtzig groß und unglaublich gut aussehend. Schon als Teenager war sie in ihn verschossen gewesen. Mit seinem pechschwarzen Haar, den dunkelblauen Augen, dem markanten Kinn und dem sexy Dreitagebart war Hugh der beste Fang in Falling Brook. Er war der Mann, den Jessie heiraten sollte.

Sein maßgeschneiderter Anzug saß wie angegossen. Doch vor allem war es eine große Sache, dass er überhaupt hier war. Hugh war seit Monaten nicht mehr in den USA gewesen. Jeder an ihrer alten Highschool hatte ihn gemocht, und Jessie war da keine Ausnahme. Also warum bekam sie jetzt plötzlich weiche Knie, wenn ihr ehemals bester Freund sie in den Armen hielt?

Sofort löste Jessie sich von Ryan und trat ein paar Schritte zurück.

„Was hast du?“, fragte er und drehte sich um, um ihrem Blick zu folgen. Sofort schaute er weniger verführerisch drein und stattdessen eher verärgert.

„Also sobald Hugh hier auftaucht, ist unsere Party vorbei?“

„Ryan …“

Abwehrend hob er die Hand. „Schon okay. Ich war schließlich nur der Platzhalter für den Mann, den du wirklich willst. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest …“

Weit kam er nicht, denn Hugh stellte sich ihm in den Weg.

„Na, wenn das mal nicht Ryan Hathaway ist. Wie geht’s dir?“

„Gut.“

Ryan wollte an ihm vorbei, doch Hugh ließ das nicht zu. Stattdessen legte er demonstrativ den Arm um Jessie.

„Danke, dass du dich um meine Freundin gekümmert hast, bis ich gekommen bin. Mein Flug hatte Verspätung. Von London hierher braucht man immer eine Ewigkeit. Wie geht’s meiner Jessie?“

Sanft küsste er sie auf die Stirn.

Jessie warf einen Blick hinüber zu Ryan, der sie wütend anfunkelte.

„Ähm … gut.“

In Wahrheit kam sie sich furchtbar schäbig vor. Vor ein paar Sekunden noch war sie in Ryans Armen dahingeschmolzen, und jetzt stand ihr Freund vor ihr.

„Ich mische mich mal unter die Leute.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sich Ryan hastig zurück.

Jessie schaute ihm hinterher, und ihr schlechtes Gewissen wuchs ins Unermessliche. Wenn Hugh nicht aufgetaucht wäre …

„So schweigsam kenne ich dich ja gar nicht, Süße.“

Jessie blinzelte und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Hugh. „Ich bin nur überrascht, weil ich nicht wusste, dass du auch kommst.“

Hugh grinste breit. „Ich wollte dir eine Freude machen. Ich weiß, dass unsere Fernbeziehung in den letzten Jahren schwierig für dich war, deswegen will ich mich mehr anstrengen.“

Jessie rang sich ein Lächeln ab. „Oh … Das weiß ich zu schätzen.“

„Wirklich? Wir haben uns nämlich seit Monaten nicht gesehen, und deine Begrüßung ist ein bisschen kühl ausgefallen.“

Er zog Jessie in die Arme und gab ihr einen langen, innigen Kuss. Doch alles, woran sie denken konnte, war Ryans wütender Blick, als er gegangen war.

Wann würde er es jemals lernen? Finster starrte Ryan durch den Festsaal hinüber zu Hugh und Jessie. Zwischen den ganzen elitären Privatschülern war Hugh natürlich in seinem Element, und Jessie an seiner Seite war die perfekte Freundin, die ihn anhimmelte.

Kurz bevor Hugh aufgetaucht war, hatte die Situation noch ganz anders ausgesehen …

Bei Jessies Anblick war Ryan wie verzaubert gewesen. Ihre leicht geöffneten Lippen, der schlanke Hals und die weiche Rundung ihrer Brüste hatten ihm den Atem geraubt, und er hatte den Blick nicht von ihr abwenden können. Sie hatte ihn angeblickt wie eine Frau einen Mann anschaute, den sie küssen wollte – und genau in diesem Augenblick hätten in seinem Kopf die Alarmglocken schrillen müssen. Stattdessen hatte er ihr Verlangen ausgenutzt, hatte sie in die Arme gezogen und ihr gezeigt, wie gut sie zusammenpassen könnten. Ryan wusste, was er wollte, und endlich, endlich schien es so, als würde Jessie ihn so sehen, wie er war.

Nicht als Freund, sondern als Mann. Als einen begehrenswerten Mann.

Hatte er die Anzeichen etwa falsch gedeutet?

Unmöglich. Wenn es um Frauen ging, war er schließlich kein unbeschriebenes Blatt. Ihre Körpersprache war eindeutig gewesen, als sie sich an ihn geschmiegt und als er ihre weichen Brüste so deutlich gespürt hatte, dass er beinahe laut gestöhnt hätte.

Seit er sechs Jahre alt war und Jessie und ihre Familie in die Sycamore Street gezogen waren, war er in Jessie verliebt. Die Hathaways und die Acostas waren vom ersten Moment an sehr gut miteinander ausgekommen. Die Väter spielten im selben Country Club Golf, und ihre Mütter halfen an der Privatschule aus. Oft hatten sie sich auch bei Fußballspielen getroffen und Ryans ältere Brüder Ben und Sean oder Jessies jüngeren Bruder Pete jr. angefeuert.

Er und Jessie hatten vom ersten Moment an auf einer Wellenlänge gelegen. Stundenlang konnten sie gemeinsam Videospiele spielen oder einfach nur rumhängen und quatschen. Gern fuhren sie auch mit dem Fahrrad in die Stadt und gönnten sich ein Eis. Aber Jessie hatte in Ryan nie mehr als nur einen Freund gesehen. Und als der Black Crescent Hedgefonds den Bach hinuntergegangen war und die Familie Acosta zu den Kollateralschäden gehörte, hatte das die Situation nur noch verschlimmert. Die schweren Zeiten hatten Ryan und Jessie nicht zusammengeschweißt, ganz im Gegenteil.

„Alles in Ordnung, Ryan?“, fragte ihn ein Klassenkamerad. „Du siehst aus, als würdest du gleich explodieren.“

Ryan atmete tief durch und bemühte sich um eine neutrale Miene. „Tut mir leid. Ich habe gerade an einen Deal gedacht, den ich abschließen will.“

„Bist du sicher? Du hast Hugh mit einem richtigen Todesblick fixiert.“

Ryan gab es nicht gern zu, aber es störte ihn, dass alle so einen Aufstand wegen Hugh machten. Er war eifersüchtig, denn er musste sich mit dem Gedanken anfreunden, dass aus Jessie und ihm wohl niemals etwas werden würde. Wieder und wieder war ihm vor Augen geführt worden, dass sie sich für Hugh entschieden hatte und nicht für ihn. Heute Abend war es genauso gelaufen, und Ryan musste endlich über sie hinwegkommen. Er wollte nicht mehr ständig dem nachtrauern, was hätte sein können.

„Mir geht’s gut“, versicherte er also. „Aber ich mache mich vom Acker. Es war ein langer Abend, und ich habe alles gesehen, was ich sehen wollte.“

Ryan machte kehrt und ging hinaus in Richtung Garderobe. Egal, ob er Jessie beinahe geküsst hätte oder nicht, zwischen ihnen war es vorbei. Er wollte nicht die zweite Geige spielen, schon gar nicht neben Hugh O’Malley. Eines Tages würde er schon die Frau finden, die zu ihm passte. Aber sie war ganz bestimmt nicht in diesem Festsaal.

„Süße, ich bin so froh, dass ich gekommen bin“, sagte Hugh, als die Menge sich wieder zerstreute und sie beide allein waren. Er zog sie an sich, doch als er sie küssen wollte, drehte Jessie den Kopf zur Seite. Überrascht hob er die Augenbrauen. „Was ist denn los?“

Ihre Lippen verzogen sich zu einem zynischen Lächeln. „Was los ist? Ist das dein Ernst, Hugh? Du sagst mir nicht mal Bescheid, dass du kommst, und erwartest, dass ich dich mit offenen Armen und Freudenschreien begrüße?“

Aufmerksam ruhte der Blick aus seinen blauen Augen auf ihr. „Um ehrlich zu sein, ja. Tut mir leid, wenn ich fälschlicherweise angenommen habe, du würdest dich freuen, mich zu sehen.“

Jessie seufzte. Eigentlich sollte sie sich ja auch freuen, Hugh zu sehen, doch ihre heftige Reaktion auf Ryan war ein ernstes Problem. Sie wandte sich ab und ging hinaus auf die überdachte Terrasse. Das Partykomitee hatte auch hier Ballons und Lichterketten aufgehängt und gegen die kühle Nachtluft Heizkörper aufgestellt.

Mit zwei großen Schritten hatte Hugh sie eingeholt und drehte sie herum, sodass sie ihn anschaute. „Jessie, was geht hier vor?“

„Nichts.“ Sie schaute zu Boden.

„Wir haben uns zwar eine Weile nicht gesehen, aber ich merke doch, dass dir etwas auf dem Herzen liegt. Worum geht’s?“

Nachdem sie Ryan beinahe geküsst hatte, war Jessie klar geworden, dass sie genug davon hatte, mit Hugh das perfekte Pärchen zu spielen. Sie war es leid, einfach nur die Erwartungen anderer Leute zu erfüllen. Sie wusste, dass ihre Eltern davon ausgingen, Hugh und sie würden heiraten. Dass sie die pflichtbewusste Tochter sein würde, die sie immer gewesen war. Aber Jessie hatte ihre Meinung geändert. Wenn Hugh und sie füreinander bestimmt wären, hätte sie niemals so leidenschaftlich auf Ryan reagiert. Sie musste das Richtige tun und ihre Beziehung beenden.

„Ich kann das nicht mehr.“

„Was kannst du nicht?“

„Mit dir zusammen sein“, sagte sie schlicht. „Unsere Beziehung funktioniert einfach nicht mehr. Das ist schon so, seit du auf der anderen Seite des Ozeans lebst. Außerdem weißt du genauso gut wie ich, dass wir hauptsächlich deswegen zusammen sind, weil unsere Eltern sich das wünschen, nicht weil wir es wollen.“

„Es tut mir leid, Jessie. Ich weiß, dass ich mich in letzter Zeit stark auf meine Karriere konzentriert habe, aber du meinst doch sicher nicht ernst, was du da sagst. Schließlich habe ich nur für uns beide so hart gearbeitet – für unsere Zukunft.“

„Hugh, wir wohnen schon seit Jahren nicht mehr am gleichen Ort. Noch nicht mal im selben Land. Wie sollen wir denn eines Tages heiraten, wenn wir nie Zeit miteinander verbringen?“

Hugh fuhr sich durch die dunklen Locken. „Ich kann meinen Job jetzt nicht einfach so an den Nagel hängen. Ich habe noch mehrere wichtige Deals am Laufen. Das würde alles ruinieren, wofür ich so hart gearbeitet habe.“

„Ich weiß. Deine Karriere war dir immer wichtiger als unsere Beziehung, und genau deswegen finde ich ja, wir sollten Schluss machen.“

„Verstehe. Ich war nicht für dich da, und jetzt überlegst du, ob du unsere Beziehung weiterführen willst. Aber müssen wir denn gleich Schluss machen? Lass uns einfach eine Pause machen, und in der Zeit überlegen wir beide, was wir wirklich wollen.“

Jessie senkte den Kopf. Tränen verschleierten ihr den Blick. Sie hatte immer geglaubt, sie und Hugh würden für immer zusammenbleiben, aber nach dem, was heute Abend beinahe mit Ryan passiert wäre, war sie sich da nicht mehr so sicher. „In Ordnung.“

„Ach Süße.“ Hugh nahm sie fest in den Arm. „Es ist okay. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, und ich tue dasselbe. Ich will nur, dass du weißt, dass ich hoffe, dass es mit uns beiden klappt.“

Jessie wünschte sich, sie könnte dasselbe sagen. Aber das, was sie heute mit Ryan empfunden hatte, zeigte ihr, dass ihre Gefühle für Hugh definitiv nicht so tief waren, wie sie immer gedacht hatte. Denn wieso hätte sie sich sonst so viel von Ryan erhoffen sollen? Außerdem war ihr klar geworden, dass ihr eigenes Glück für sie an erster Stelle stehen musste und nicht, was ihre Eltern oder der Rest von Falling Brook über sie dachten.

„Können wir das mit der Pause vorerst für uns behalten?“, fragte Hugh und schaute sie unsicher an. „Ich will es nicht an die große Glocke hängen und unsere Eltern nicht beunruhigen …“

Dafür hatte Jessie Verständnis. Hugh war es schon immer wichtig gewesen, was die Leute von ihm dachten und wie er wahrgenommen wurde. Sicher glaubte er, es gäbe noch Hoffnung, dass sie wieder zusammenkommen würden. Warum auch nicht? Sie waren schließlich in ganz Falling Brook das Traumpaar.

„Natürlich. Das bleibt unter uns.“

Sie gingen wieder nach drinnen zur Party, wo sie ihren Bekannten gegenüber das glückliche Pärchen spielten. Aber tief im Inneren wusste Jessie, dass es zwischen ihnen endgültig vorbei war. Heute Abend hatte sie nicht nur gelernt, ihr Leben nicht ausschließlich nach den Erwartungen ihrer Eltern auszurichten, sondern auch, endlich das zu tun, was sie selbst für richtig hielt.

2. KAPITEL

Drei Monate später

„Schön, dich zu sehen, Ryan.“ Mit diesen Worten hatte Jessie ihn begrüßt, als er das berühmte Restaurant in der Nähe des Finanzdistrikts von Manhattan betreten hatte. Er knöpfte sein Jackett auf und nahm ihr gegenüber Platz. Sie brauchten nicht lange, um zu bestellen. Doch außer dem Wetter gab es wenig, worüber sie reden konnten.

Seit dem Klassentreffen zum zehnten Jubiläum ihres Highschool-Abschlusses hatte Ryan sie nicht mehr gesehen, und er war überrascht gewesen, als sie ihn spontan gefragt hatte, ob sie zusammen Mittag essen wollten. Jessie war so mit ihrer Arbeit beschäftigt, dass er angenommen hatte, sie würde die Mittagspause meistens einfach ausfallen lassen. Ryan hingegen legte Wert auf mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt. Vermutlich war das auf seine Zeit als pummeliger Teenager zurückzuführen, als er tagtäglich wegen seines Gewichts drangsaliert und aufgezogen worden war. Jetzt achtete er penibel darauf, nicht zuzunehmen, deswegen hatte er sich auch gegrillten Lachs mit Spinat bestellt.

Er trank einen Schluck Wasser. „Deine Einladung war eine nette Überraschung.“

Jessie seufzte schwer. „Das sollte sie eigentlich nicht sein. Wir waren doch früher so eng befreundet.“

„Ja, aber das ist lange her, Jessie.“

„Und genau deswegen will ich das wieder in Ordnung bringen“, erklärte sie.

Ryan begegnete ihrem ehrlichen und offenen Blick und konnte nicht anders, als ihr das zu glauben. Verdammt.

Hatte er sich nicht geschworen, seine Gefühle für diese Frau aufzugeben, in die er schon seit dem Stimmbruch verliebt war?

Er legte die Fingerspitzen aneinander. „Ich höre.“ Seine zurückhaltende Antwort war Absicht. Er wollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Vielleicht fühlte Jessie sich auch bloß einsam in der großen Stadt und sehnte sich nach etwas Altbekanntem.

„Hast du den Zeitungsartikel über den Black-Crescent-Skandal gelesen? Das ist mittlerweile fünfzehn Jahre her.“

Also hatte er recht gehabt. Jessie brauchte eine Schulter zum Ausweinen und jemanden, der ihr zuhörte. Früher hatte er diese Rolle nur allzu gern übernommen. Aber heute war das anders. Er war nicht mehr der naive Teenager, der bloß darauf hoffte, ein wenig Zeit mit ihr verbringen zu können. Er hatte genug davon, sich ständig zu wünschen, dass Jessie ihn endlich in einem anderen Licht sehen würde. Er war ein erwachsener Mann, und es gab eine Menge Frauen, die er anrufen konnte und die sich freuen würden, Zeit mit ihm zu verbringen.

„Ja. Ist doch dasselbe wie immer, Jessie. Warum sollte man sich darüber aufregen?“

„Für dich ist das vielleicht nicht wichtig, aber für meine Familie schon.“ Jessie klang betroffen. „Mein Vater hat niemals verwunden, dass der Black Crescent Fonds so abgestürzt ist. Als Vernon Lowell verschwunden ist, hat mein Vater seinen Job verloren, seine Freunde und seine Mitgliedschaft im Country Club. Beinahe hätten wir auch das Haus verloren, aber Mama hat es irgendwie geschafft, dass wir es behalten konnten.“

Ryan bemerkte, wie verletzt sie war. Auch er hatte sich immer gefragt, wie die Acostas es geschafft hatten, in dieser schwierigen Zeit ihr großes Haus zu behalten. Er bezweifelte, dass Mrs. Acosta in ihrem Job als Rezeptionistin bei O’Malley Luxury Motors, der Firma von Hughs Vater, so viel verdient hatte.

„Ich bin froh, dass deine Eltern das Haus behalten konnten. Sonst wären wir vielleicht keine Freunde geblieben.“

Jessie schürzte die Lippen. „Schon, aber danach war es zwischen uns trotzdem nicht mehr dasselbe, oder? Ich habe mich ziemlich aus der Freundschaft zurückgezogen.“

Das gab sie tatsächlich zu? Ryan war überrascht. Mit den Jahren hatte er zugeschaut, wie ihre Freundschaft zu einem bloßen Schatten ihrer selbst verblasst war.

„Warum hast du dich so verhalten?“

Einen Augenblick lang schwieg Jessie, dann trank sie einen großzügigen Schluck aus ihrem Wasserglas. „Als ich erfahren habe, dass Jack O’Malley das Schulgeld für Pete und mich bezahlt hat, hatte ich einfach das Gefühl, dass ich den O’Malleys etwas schuldig bin, weißt du? Wie konnte ich ihm das jemals vergessen? Seinetwegen konnten wir weiterhin zur Privatschule gehen, im Gegensatz zu vielen von unseren Klassenkameraden.“

„Ich kann ja verstehen, dass du ihm dankbar warst, Jessie, aber das war nicht der einzige Grund, und das weißt du.“

Sie hob die Augenbrauen. „Was hast du eigentlich gegen Hugh?“

„Hugh? Ich will nicht über ihn reden.“ Ryan presste die Lippen aufeinander. „Ich dachte, wir sprechen über Black Crescent und darüber, was dieser Skandal für uns bedeutet hat. Nicht nur für deine Familie, sondern auch für unsere Freundschaft.“

Jessie ging darauf ein und sprach nicht weiter über Ryans Rivalen.

„Dieser Zeitungsartikel hat alle alten Wunden wieder aufgerissen. Meine Mutter hat erzählt, dass mein Vater, nachdem er ihn gelesen hatte, vollkommen außer sich war und den Rest des Tages nicht mehr aus seinem Arbeitszimmer gekommen ist. Und dann hat Joshua Lowell auf dieser Pressekonferenz angekündigt, dass er von seinem Posten als CEO zurücktritt, damit er sein perfektes, glückliches Leben genießen kann. Wie kann er es nur wagen! Nach allem, was seine Familie uns angetan hat, hat er wirklich kein Happy End verdient.“

„Es tut mir sehr leid für deinen Vater, wirklich“, sagte Ryan. „Und ich verstehe auch, dass Black Crescent für dich ein schlechtes Image hat. Aber was wäre, wenn jemand Neues das Ruder übernehmen und frischen Wind in die Firma bringen würde? Alles besser und transparenter gestalten würde?“

Völlig perplex starrte Jessie ihn an. „Warum hörst du dich plötzlich an wie bei einem Vorstellungsgespräch?“

Ryan aß etwas Spinat und konzentrierte sich aufs Kauen. Auf dieses Gespräch freute er sich nicht gerade. Er hatte gewusst, dass er es eines Tages führen musste, aber der Tag war früher gekommen als erwartet.

„Ich habe mich um die Stelle als CEO von Black Crescent beworben. Joshua Lowell konzentriert sich ja jetzt auf seine Karriere als Künstler, also habe ich meinen Hut in den Ring geworfen.“

„Du hast was?“ Jessie gab sich keine Mühe, leise zu sprechen, und mehrere Gäste drehten sich zu ihnen um.

Ryan tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. „Kannst du bitte etwas leiser sprechen?“

„Nein, kann ich nicht!“, zischte sie. „Du machst damit den größten Fehler deines Lebens! Wie kannst du auch nur in Erwägung ziehen, für die Firma zu arbeiten, die meine Familie ruiniert hat? Ich dachte, wir wären Freunde.“

„Das sind wir auch.“

„Wie kannst du das dann tun?“

Ryan griff nach Jessies Hand, doch sie lehnte sich zurück und wich ihm aus. Das war ein harter Schlag für ihn. Er wusste, dass seine Neuigkeiten ein Schock für Jessie sein mussten, aber der neue Job wäre für ihn auch eine Möglichkeit, sich endlich von seinen Gefühlen für sie zu lösen. Wenn er für Black Crescent arbeitete, die Firma, die Jessie mehr als alles andere hasste, würde sie sich garantiert von ihm fernhalten. In ihren Augen war Black Crescent schuld an den finanziellen Schwierigkeiten ihrer Familie und daran, dass ihr Vater einfach nicht über die Vergangenheit hinwegkommen konnte.

Ihr schönes Gesicht war mittlerweile rot angelaufen. „Warum musst ausgerechnet du diesen Job machen?“

„Weil ich bestens dafür qualifiziert bin. Wer wäre besser geeignet, um den guten Ruf von Black Crescent wiederherzustellen?“

Autor

Yahrah St John

Yahrah St. John hat bereits dreißig Bücher geschrieben. Wenn sie nicht gerade zu Hause an einer ihrer feurigen Liebesgeschichten mit unwiderstehlichen Helden und temperamentvollen Heldinnen arbeitet und sie mit einem Schuss Familientragödie würzt, kocht sie gern aufwändige kulinarische Leckereien oder reist auf der Suche nach neuen Abenteuern um die Welt....

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