Urlaubsflirt für Fortgeschrittene

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die Wassertropfen glitzern auf seiner gebräunten Haut, sein Körper ist durchtrainiert, und sein Lächeln ist unverschämt sexy - weiß dieser Surfer eigentlich, wie er auf Frauen wirkt? fragt sich Avery atemlos. Sie spürt ihn ganz nah, denn Jonah North hat sie aus der wilden Brandung gerettet und auf sein Surfboard gezogen. Dabei hat sie sich geschworen, in diesem Urlaub nicht zu flirten und sich nicht zu verlieben! Aber Jonah taucht immer wieder auf: Auf einem Boot - wo er sie zum zweiten Mal rettet. In lauen Strandnächten - wo er sie heiß küsst. Und in ihrem Bett?


  • Erscheinungstag 23.06.2015
  • Bandnummer 0013
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701796
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Avery Shaw spürte kaum, wie die sanfte Meeresbrise ihr das hellblonde Haar ins Gesicht wehte und die durchsichtigen Schichten ihres Kleides flattern ließ. Mit großen Augen stand sie vor der Fassade des Tropicana Nights Resort und schwelgte in warmen, schemenhaften, glücklichen Erinnerungen.

Sie hob die Hand, um ihre Augen vor der flirrenden australischen Sommersonne zu schützen und nahm den Anblick in sich auf. Die Hotelanlage war größer, als sie es in Erinnerung hatte, und beeindruckender. Ein großer weißer Kolonialbau aus einer anderen Zeit, den es an den wunderschönen Strand von Crescent Cove verschlagen hatte. Der Garten war inzwischen ziemlich verwildert, die Fassade ein wenig heruntergekommen. Aber kein Wunder nach zehn Jahren.

Die Dinge änderten sich. Avery war auch keine sechzehn mehr wie damals, als sie hier einen unbeschwerten Sommer verbracht hatte.

Ein lautes Klappern und Rattern holte Avery zurück in die Gegenwart. Auf dem geschwungenen Gehweg unter ihr zischte eine Horde gebräunter Jungs in Shorts auf ihren Skateboards Richtung Strand. Und manche Dinge ändern sich nie.

Den Geschmack von Salz und Meer auf den Lippen polterte Avery samt Louis-Vuitton-Gepäck die breite Eingangstreppe hinauf und in die Lobby. Die zwei Stockwerke hohe Decke wurde von Säulen aus falschem Marmor getragen. Gemütliche Klubsessel, gigantische Teppiche, Topfpalmen und ein Fußboden aus wunderschönen, sandfarbenen Mosaikfliesen verliehen der Lobby ihren Charme. Und neben dem Bogengang zum Restaurant verkündete eine altmodische Tafel: Gratis-Hauptgericht im Capricorn Café für jeden Gast mit Augenklappe!

Ihr Lachen hallte von den Wänden wider, denn die Lobby war leer. Merkwürdig für ein Strandhotel mitten im Sommer. Aber wahrscheinlich waren alle am Pool. Oder hielten Siesta. Und nach dem ganzen Stress in Manhattan genoss Avery die Ruhe.

Weiter drinnen zeichnete sich der lange Empfangstresen aus Kalkstein ab, in dessen Seiten Wellen gemeißelt waren. Dahinter stand eine junge Frau mit dunkelrotem Haar, das sie zu einem glatten Pferdeschwanz gebunden hatte. Das Namensschild mit Tropicana-Nights-Logo hing etwas schief an ihrem ausgeblichenen gelb-blauen Hawaii-Kostüm im Stil der Siebzigerjahre.

„Ahoi!“, empfing sie die Frau, auf deren Namensschild Isis stand. Und als sie Averys Blick auf den ausgestopften Papagei auf ihrer Schulter bemerkte, kraulte sie diesen unterm Kinn. „Diese Woche ist unser Motto Piraten und Papageien.“

„Verstehe“, sagte Avery. Jetzt ergab auch die Sache mit der Augenklappe einen Sinn. „Ich bin Avery Shaw. Claudia Davis erwartet mich.“

„Yo ho ho und ’ne Buddel voll Rum … Die Amerikanerin!“

„So ist es!“ Die Begeisterung des Mädchens war ansteckend, Jetlag hin oder her.

„Claude ist schon ganz aus dem Häuschen. Ich musste stündlich die Qantas-Website checken, um ganz sicherzugehen, dass Sie wohlbehalten landen.“

„Typisch“, meinte Avery und fühlte sich gleich viel besser.

Mit ihren langen, türkisfarbenen Fingernägeln klopfte Isis an das Schlüsselbrett. „Tja, Claude könnte überall sein. Seit ihre Eltern sich aus dem Staub gemacht haben, geht es hier drunter und drüber.“

Aus dem Staub gemacht? War das Australisch für in Rente gehen? Als Avery angerufen hatte, klang Claude, als würde sie sich freuen, das Hotel zu übernehmen, das sich seit über zwanzig Jahren in Familienbesitz befand. Sie hatte Ideen! Geniale Ideen! Die Gäste würden in Scharen kommen, wie seit Jahren nicht!

Nach einem Blick in die immer noch leere Lobby kam Avery zu dem Schluss, dass die Ideen wohl noch in der Planung waren. „Soll ich warten?“

„Oh nein“, sagte Isis und klopfte erneut an das Schlüsselbrett, „da können Sie lange warten. Gehen Sie nur auf Ihr Zimmer. Dort erwarten Sie ein paar Köstlichkeiten. Ein Mitarbeiter wird Ihnen den Weg zeigen.“

Avery sah über ihre Schulter und musste unwillkürlich an die gut gemeinten Ratschläge ihrer Freundinnen denken, sich in Australien einen heißen, durchtrainierten, jungen Kofferträger zu angeln.

Der Junge, der auf sie zukam, konnte keinen Tag älter als siebzehn sein. Aber dieser Typ mit seinem leuchtend roten Haar, einer ganzen Galaxis Sommersprossen und hängenden Schultern in Hawaiihemd, der einen schwarzen Piratenhut trug, war wahrscheinlich nicht ganz das, woran ihre Freundinnen gedacht hatten.

„Cyrus“, sagte Isis, einen drohenden Unterton in der Stimme.

Cyrus blieb stehen und blickte auf. Dann grinste er, und es war unverkennbar, dass er und Isis verwandt waren.

„Das ist Mrs Shaw“, erklärte Isis, „Claudias Freundin.“

„Danke, Cyrus“, sagte Avery und hievte ihr Gepäck auf den goldenen Kofferwagen neben der Rezeption, da Cyrus sich nicht rührte, sondern sie nur mit offenem Mund anstarrte.

„Hättest du wohl die Güte, Mrs Shaw zur Tiki-Suite begleiten?“, bat Isis schnippisch.

Averys Gepäck schwankte bedenklich, als Cyrus den Kofferwagen ans andere Ende der Lobby schob.

„Sie sind die Frau aus New York“, sagte er.

„Ich bin die Frau aus New York“, bestätigte Avery, die sich beeilen musste, um Schritt zu halten.

„Wie haben Sie Claude kennengelernt? Sie fährt doch nie irgendwohin“, sagte Cyrus, der plötzlich stehen blieb und ihr fast den Arm ins Gesicht schlug. Zu spät begriff sie, dass er ein paar alte Damen vorbeiließ, die alle dieselben grauen Frisuren und knallorangen Sarongs trugen.

Avery schlüpfte unter Cyrus’ Arm hindurch. „Claude war schon überall. Das weiß ich, weil wir zusammen dort waren. Die schönsten Reisen waren die nach Italien … Marokko. Besonders gut erinnere ich mich noch an eine Nacht auf den Malediven. Aber kennengelernt haben wir uns, als ich mit meiner Familie vor ungefähr zehn Jahren hier Urlaub gemacht habe.“

Nicht vor ungefähr zehn Jahren. Vor genau zehn Jahren. Fast auf den Tag.

„Na, kommen Sie, Cyrus“, sagte Avery und schüttelte das beklemmende Gefühl ab, das sich in ihrer Brust breitmachte. Sie hakte Cyrus unter und zog ihn weiter. „Zeigen Sie mir mein Zimmer.“

Der Junge wäre fast über seine großen Füße gestolpert.

Eine falsche Abzweigung und ein großzügiges Trinkgeld später hatte sie die ganz in weiß gehaltene Tiki-Suite endlich für sich allein. Und tatsächlich warteten dort einige Köstlichkeiten auf sie: ein Korb mit Pfirsichen, Pflaumen und Nektarinen, eine Schachtel Pralinen und eine große Flasche Rosé-Champagner.

Doch zuerst kickte Avery ihre Schuhe weg und trat auf die Terrasse, um die Meeresluft und den Duft der Zitronenbäume einzuatmen, die an ihr kleines Gartenstück grenzten. Sie hob das Gesicht zur Sonne, die hier irgendwie heißer brannte als zu Hause.

Es war dieselbe Suite, die sie vor zehn Jahren mit ihrer Familie bewohnt hatte. Ihre Mutter hatte einen Riesenaufstand gemacht, als sie feststellte, dass es hier nicht ganz so glamourös war, wie sie es sich vorgestellt hatte, aber da hatte Avery bereits Claude kennengelernt und ihre Eltern angefleht zu bleiben. Ausnahmsweise hatte ihr Vater ein Machtwort gesprochen, und Avery erlebte einen magischen, unvergesslichen Sommer.

Den letzten unkomplizierten, wunderbaren, unschuldigen Sommer ihres Lebens.

Den letzten vor der Scheidung ihrer Eltern.

Jener Scheidung, die ihre Mutter jetzt mit einer großen Jubiläumsparty feiern wollte. Avery sah sich nach der Umhängetasche um, die sie auf dem Bett abgestellt hatte, und ihr brach der kalte Schweiß aus.

Sie musste zu Hause anrufen, ihrer Mutter sagen, dass sie sicher gelandet war. Obwohl sie wahrscheinlich kaum zu Wort kommen würde, während ihre Mutter sie mit Einzelheiten zu Dekoration (blutrot), Gästeliste (exklusiv, aber umfangreich) und Live-Unterhaltung (strippende Männer) vollquatschte. Nein, nein, NEIN!

Avery schrieb eine SMS.

Bin gelandet! Sonne scheint. Strand sieht herrlich aus. Ruf dich an, wenn Jetlag nachlässt. Mach dich auf wilde Geschichten von Hinterhof-Tattoos, Kneipentouren, Killerspinnen und Nacktbaden gefasst. Hoffe, Ähnliches auch von dir zu hören. Ave xxx

Dann schaltete sie ihr Handy aus und warf es aufs Bett.

Weil sie fürchtete, dass sie es nicht schaffen würde, ihr Telefon ausgestellt zu lassen, wenn sie hier im Zimmer auf Claude wartete, zog sie einen Badeanzug an, cremte sich ausgiebig mit Sonnencreme ein, schnappte sich ein Handtuch und ging den Pazifik bestaunen.

Während sie durch das Hotel schlenderte und jedem einzelnen von Claudes – ja, Claudes! – rotgesichtigen Gästen zunickte, dachte Avery an ihre überstürzte Entscheidung, hierherzukommen, nachdem ihre Mutter zum ersten Mal die geplante Scheidungsparty erwähnt hatte.

Und jetzt war sie hier, warme Erinnerungen im Herzen, und fragte sich, warum sie nicht schon viel früher daran gedacht hatte zurückzukehren. An den Ausgangpunkt.

Denn so fühlte es sich an. Als würde sie die nächsten paar Wochen nicht nur mit ihrer besten Freundin abhängen – oder sich einen knackigen Surfer angeln, um sich abzulenken – sondern als wäre das hier ihre Chance, wieder die zu werden, die sie war, bevor ihre Familie nach Manhattan zurückgeflogen war und alles den Bach runterging. Bevor ihr Leben ein endloses Hin und Her zwischen beiden Elternteilen wurde. Ein Balanceakt.

Nie wieder hatte sie sich so behütet gefühlt, so sicher, so glücklich wie in jenem Sommer.

Das erste Bier.

Das erste Lagerfeuer am Strand.

Der erste Schwarm …

Abrupt blieb Avery stehen.

War besagter Schwarm denn nicht auch in Crescent Cove?

Claude hatte ihn erwähnt. Okay, genau genommen hatte sie über ihn hergezogen und gemeint, er sei nur hier, bis sie entschieden hatten, was aus dem Hotel werden sollte, nachdem ihre jeweiligen Eltern sich zur Ruhe gesetzt und ihnen die Verantwortung überlassen hatten. Aber das war Claudes Problem.

Avery hatte nur gute Erinnerungen an ihn. Und im Moment war er hier. Und sie war hier. Es wäre schön, ihn wiederzusehen. Eine willkommene Ablenkung von ihrem turbulenten Familienleben in New York.

Jonah North schwamm mit kräftigen Zügen und genoss das erfrischende Meereswasser auf seiner von der Sonne erhitzten Haut. Als er den perfekten Platz gefunden hatte, stemmte er sich mit den Armen rittlings auf sein Surfboard. Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, schüttelte sich das Wasser aus dem Haar und nahm die Aussicht in sich auf.

Der Ort Crescent Cove lag hinter einer Doppelreihe Palmen, die den Strand säumten, nach dem der Ort benannt war. Durch die Lücken sah man Pastellfarben aufblitzen – Hotelanlagen, Ferienunterkünfte, kleine Läden und vereinzelt Häuser von Einheimischen. Über ihm nur der Himmel, hinter und unter ihm das endlose Blau des Pazifiks. Das Paradies.

Es war schon ziemlich spät am Morgen fürs Paddeln. Zum Surfen hätte er die Küste runterfahren müssen, wo keine Korallen die Brandung bremsten, doch dazu hatte er keine Zeit gehabt. Die Wahrheit war: Er hatte nie Zeit dazu. Was für den Sohn eines Hummerfischers, der schwimmen konnte, bevor er laufen gelernt hatte, eine Schande war.

Immerhin war er jetzt hier.

Jonah schloss die Augen, neigte das Gesicht zur Sonne, sog ihre Lebenskraft in sich auf. Es war ganz still, bis auf das Geräusch seines Atems, das sanfte Schlagen der Wellen gegen seine Oberschenkel, einen Schrei …

Er riss die Augen auf, lauschte angestrengt und ließ den Blick über das gekräuselte Wasser zwischen sich und dem Strand gleiten.

Da. Ein Rufen. Keine Möwe. Keine Musik, die aus einem der Hotels herüberwehte. Ein Hilferuf.

Jeder Muskel angespannt, alle Sinne in Alarmbereitschaft, wartete er, den Blick dorthin gerichtet, von wo der Schrei gekommen war. Was konnte der Grund sein? Quallen? Nein, der Strand war um diese Jahreszeit durch ein Quallennetz geschützt.

Und dann sah er sie.

Eine Hand.

Schon lag Jonah auf dem Bauch und ruderte drauflos. Zwischendurch blickte er immer wieder auf, um zu sehen, ob noch jemand anderes zu Hilfe kam. Doch die gelben und roten Fahnen, die den von Rettungsschwimmern bewachten Strand markierten, waren weiter weg. Dieser Strandabschnitt war leer, bis auf den großen braun-weiß gefleckten Hund, der auf Jonahs Rückkehr wartete.

Jonah hielt den Blick geradeaus gerichtet und kalkulierte Entfernung und Strömungen mit jedem zurückgelegten Meter neu. Er war praktisch auf dem Wasser geboren und kannte sich damit aus. Doch er wusste auch, das Meer konnte grausam sein.

Zweifellos gehörte die Hand einem Touristen.

Das Adrenalin schoss durch seinen Körper, als er die Frau zum Greifen nah vor sich erblickte. Innerhalb weniger Sekunden hatte er sie aus dem Wasser gezogen.

Ihr Haar war so lang, dass es wie ein Seidenvorhang herunterhing, und so blond, dass es mit dem Strand im Hintergrund verschmolz. Ihre Haut war so hell, dass er von ihren schlanken Gliedmaßen fast geblendet wurde. Und sie hatte derart viel Sonnencreme aufgetragen, dass sie glitschig war wie ein Fisch und er sie kaum zu fassen bekam.

Und zwar schon, bevor sie anfing sich zu wehren. „Nein!“, prustete sie.

„Verdammt, Mädchen“, schimpfte Jonah mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich versuche, dich zu retten, aber das geht nur, wenn du aufhörst, dagegen anzukämpfen.“

Die Frau hielt kurz inne, um ihm einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. „Ich bin eine ausgezeichnete Schwimmerin“, krächzte sie. „Ich war an der Bryn Mawr im College-Team.“

Amerikanerin also, dachte Jonah, als er ihren kultivierten Akzent hörte.

„Wer’s glaubt, wird selig“, murmelte er.

Ihr Blick war tödlich. Und ihre Augen … Ein sündiges Grün, und nur das eine hatte einen braunen Klecks.

Und während er zurückstarrte, entglitt ihm ihre Hand. Zum Glück war sie schlau genug, sich am spitzen Ende seines Boards festzuhalten.

„Schätzchen“, brummte er, mit seiner Geduld fast am Ende, „ich verstehe, dass es dir peinlich ist. Aber würdest du lieber ertrinken?“

Bei dem Wort „Schätzchen“ blitzten ihre faszinierenden Augen auf. Nicht, dass es ihn kümmerte. Je eher er sie an Land brachte und wieder seinen eigenen Angelegenheiten nachgehen konnte, desto besser.

Sie schüttelte den Kopf.

„Gut. Also, bei drei stemmst du dich hoch.“ Doch als sie das Gesicht verzog und ihre helle Haut noch blasser wurde, begriff er, was los war. „Krampf?“

Sie biss sich auf die Unterlippe, was so viel wie Ja bedeutete.

Verdammt. Jonah umklammerte das Board mit den Beinen, hakte seine Ellbogen unter ihre Arme und hievte sie hoch.

Sie landete ungeschickt, ein Knäuel aus schlaksigen Gliedmaßen und Meerwasser. Nur dank seiner Erfahrung und Kraft schaffte Jonah es, sie auf seinen Schoß zu ziehen und ihre Arme um seinen Hals zu legen. Sie klammerte sich an ihm fest, während die Wellen, die sie verursacht hatten, sich langsam beruhigten.

Jonah fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis ihr auffiel, dass sie, Haut an Haut, schlüpfrig und salzig, rittlings auf ihm saß. Denn er selbst konnte an nichts anderes mehr denken, vor allem, als sie sich mit einem Arm an seiner Schulter abstützte, den anderen an seinem Nacken, ihr Bein zur Seite streckte und den Fuß beugte, um den Krampf zu lösen, die Augen genüsslich geschlossen.

Er hätte sich räuspern sollen oder sie in eine weniger kompromittierende Position bringen, doch solange sie die Augen geschlossen hielt, konnte er sie endlich in Ruhe ansehen. Hübsches Näschen, lange geschwungene Wimpern, die vom Salzwasser zusammenklebten, ein Mund wie ein Versprechen. Wenigstens war es eine schöne Frau, die ihn beim Surfen gestört hatte …

Aber eine Touristin.

Und obwohl nicht nur er, sondern die ganze Bucht von Touristen lebte, hielt er nicht allzu viel von ihnen.

„Alles okay?“, fragte Jonah.

Sie nickte. Mit flackernden Lidern sah sie ihn an und begriff endlich, dass sie ihn umschlungen hielt wie Seetang.

Die grünen Augen blitzten, der braune Fleck seltsam ungerührt. Dann schluckte sie und ließ den Blick an seiner nackten Brust nach unten gleiten. Beim Anblick ihrer vereinten Körper zuckte sie und sandte einen heißen Blitz durch seinen Körper.

„Darf ich …?“, fragte sie und versuchte, sich zu befreien.

Zähneknirschend brummte er eine Antwort. Im Grunde hatte er nichts dagegen, eine Frau im Arm zu halten. Aber hier draußen … Und dann noch eine Touristin mit Krämpfen. Außerdem war sie ganz schön patzig. Haut und Knochen. Und auf dem besten Wege, einen fetten Sonnenbrand zu bekommen. Sowieso gar nicht sein Typ.

„Das ist ja ganz nett“, sagte er betont gelangweilt, „aber könnten wir allmählich mal an Land?“

Ganz nett? Sie kommen wohl nicht oft raus, oder?“

Da hatte sie nicht ganz unrecht.

Und damit hob sie ein Bein, streifte mit dem Fuß seinen nackten Bauch und stellte ihn knapp vor seinem besten Stück aufs Board. Er rutschte ein Stück zurück und atmete tief durch. Und endlich blickten sie beide in dieselbe Richtung.

Aber das war auch nicht viel besser, denn als sich die Touristin vorbeugte, um sich am Rand des Surfboards festzuhalten, wusste er nicht mehr, wohin mit seinen Händen.

Vor allem, weil die Frau statt eines Bikinis etwas trug, das aussah wie die Spitzenuntersetzer im Haus seiner Großmutter.

„Hast du deinen Bikini verloren?“

Erschrocken sah sie an sich herunter, dann atmete sie erleichtert auf. „Nein, ich bin salonfähig.“

„Bist du sicher?“

Der nachsichtige Blick, den sie ihm über die Schulter zuwarf, der Sturm, der sich darin zusammenbraute, machte sich in seinen unteren Regionen bemerkbar.

„Dann schlage ich vor, wir paddeln los.“

Mit einem letzten mitleidigen Blick, der ihm verriet, für wie primitiv sie ihn hielt, drehte sie sich wieder um.

Jonah brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Er kannte diesen Blick. Ihn hatte schon einmal eine Frau so angesehen. Interessanterweise auch so ein Großstadtmädchen, und er fragte sich, ob es dort Kurse dafür gab – Wie ich einem Mann das Gefühl gebe, nichts wert zu sein.

Doch das hatte bei ihm schon damals nicht funktioniert. Die Leute von hier hatten ein dickes Fell. Er wollte dieses Prachtstück nur so schnell wie möglich loswerden.

„Leg dich hin“, brummte er, dann legte er sich neben sie.

„Kommt nicht infrage“, rief sie und stieß ihm den rechten Ellbogen in die Seite.

„Hör auf damit“, befahl Jonah. „Sonst gehen wir beide unter. Und diesmal kannst du dich selbst retten.“

Sie funkelte ihn böse an.

„Also“, sagte er gedehnt, „bist du ein braves Mädchen und lässt dich von mir sicher an Land bringen oder bist du lebensmüde?“

Als sie endlich antwortete, vibrierte ihre Stimme in seiner Brust. „Demut oder Tod?“

Er spürte, wie sich sein Mund gegen seinen Willen zu einem Lächeln verzog. Ihr Lächeln blitzte völlig unerwartet auf, wie Sonnenschein an einem bewölkten Tag.

„Schätzchen“, meinte er, „du bist nicht mehr in Kansas.“

Sie zog eine Augenbraue hoch und ließ den Blick zu seinem Mund wandern, bevor sie ihm wieder in die Augen sah. „New York. Ich bin aus New York, wo es leider nicht genug Männer mit deinem Charme gibt.“

Ganz schön frech. Da saß sie, tropfnass und blass und vor Schreck ein wenig zitternd, und wurde frech. Das nötigte ihm Respekt ab. Und deshalb wurde es höchste Zeit, sie endgültig loszuwerden.

Jonah hielt sich fest und strampelte auf kürzestem Weg zum Strand.

Er bemühte sich nach Kräften, den warmen, weichen Frauenkörper unter sich zu ignorieren.

Kaum waren sie nah genug am Strand, setzte er seine Füße auf den Boden und schob das Board ins Flache.

Er wollte ihr helfen aufzustehen, doch sie zog den Arm weg. Wollte keine Hilfe. Jedenfalls nicht seine.

Hull stand auf, als sie sich näherten, schüttelte sich den Sand aus dem gefleckten Fell und setzte sich wieder hin. Er traute Fremden ebenso wenig wie Jonah. Kluger Hund.

„Nächstes Mal bade lieber im Pool. Da gibt es rund um die Uhr einen Rettungsschwimmer. Soll ich dich zum Tropicana zurückbringen?“ Wahrscheinlich sollte er Claudia vor dieser Frau warnen.

„Woher kennst du mein Hotel?“, fragte besagte Frau.

Er deutete auf das Tropicana-Nights-Logo auf dem Handtuch, in das sie sich gewickelt hatte.

„Ach so“, sagte sie und wurde rot. „Natürlich. Tut mir leid. Ich wollte damit nicht andeuten …“

„Doch, wolltest du.“

Sie holte tief Luft und sah ihn unter langen Wimpern hindurch an. „Stimmt, du hast recht.“ Sie zuckte mit den Schultern, eine unerwartet bescheidene Geste. Dann sagte sie: „Aber ich kann allein gehen. Trotzdem danke für die andere Sache. Ich bin wirklich eine gute Schwimmerin, aber ich … Danke. Denke ich.“

„Gern geschehen. Denke ich.“

Für einen kurzen Augenblick blitzte wieder dieses Lächeln auf. Dann wurde sie plötzlich ganz grün im Gesicht, ihr sündiger Blick versank in seinem, sie sagte: „Luke?“ und verlor das Bewusstsein.

Jonah fing sie auf. Er hielt sie in den Armen, ließ sie auf den Sand sinken und fühlte an ihrem Hals nach ihrem Puls, der stark und regelmäßig schlug. Nicht so schlimm. Eine Mischung aus Hitzschlag und zu viel verschlucktem Meerwasser. Auch wenn sie behauptete, eine gute Schwimmerin zu sein, ein Fitness-Junkie war sie ganz offensichtlich nicht. Selbst bewusstlos war sie federleicht. Ihre Haut war warm und weich, ihre leicht geöffneten Lippen verlockend.

Er ohrfeigte sie. Sanft.

Dann etwas kräftiger.

Doch sie lag einfach da, engelsgleich. Eigentlich gefiel sie ihm so besser.

Luke, hatte sie gesagt. Er kannte einen Luke. Hatte einen Freund namens Luke. Aber der ähnelte ihm nicht. Jonahs Haar war dunkler, lockiger. Seine Augen waren grau, Lukes waren … er wusste es nicht. Und während Luke bei der erstbesten Gelegenheit aus Crescent Cove abgehauen war und nur zurückkam, wenn es nicht anders ging, würde Jonah um keinen Preis von hier weggehen. Nie wieder.

Offenbar wollte das Universum ihm etwas mitteilen, und er hatte gelernt, darauf zu hören: Wenn ein Sturm aufzieht: schwimm an Land. Wenn eine Frau sich in den Kopf gesetzt hat, dich zu verlassen: lauf ihr nicht nach. Wenn du im Fischrestaurant der einheimischen Dreadlock-Army isst: meide die Austern.

Doch er hatte keine Ahnung, was ihm das Universum mit der bewusstlosen Amerikanerin in seinen Armen sagte wollte.

Avery hatte Kopfschmerzen. Solche Kopfschmerzen, dass sie die Augen am liebsten geschlossen gelassen hätte.

„So ist es gut, Mädchen“, drang eine Stimme in ihr Unterbewusstsein. Eine tiefe, männliche Stimme.

Für einen kurzen Augenblick hoffte sie, sich auf einem Liegestuhl wiederzufinden, über ihr ein attraktiver Kellner mit Piña Colada und Kokosöl auf einem Tablett, seine dunklen Locken in der Sonne wie ein Heiligenschein …

„Komm schon, Schätzchen. Du schaffst es.“

Schätzchen? Australischer Akzent. Jetzt fiel ihr alles wieder ein.

Jetlag. Glühende Hitze. Ein erfrischendes Bad im Meer. Dann aus dem Nichts ein Krampf. In Panik versuchte sie, sich über Wasser zu halten. Eine Hand packte sie am Handgelenk. Und dann Augen, wunderschöne graue Augen.

Benommen schlug Avery ihre Augen auf.

„Braves Mädchen“, sagte die Stimme, und diesmal hatte sie ein Gesicht. Ein sehr männliches Gesicht – markantes Kinn mit Dreitagebart, ein Fächer kleiner Fältchen in den Winkeln grauer Augen unter dunklen Brauen und dichten Wimpern, ein verwegener Knick in der Nase.

Ein Kellner war er jedenfalls nicht. Und er betrachtete sie mit seinen quecksilberfarbenen Augen, als wäre sie aus den Tiefen des Meeres angespültes Strandgut. Trotzdem prickelte ihre Haut unter seinem Blick.

Wer war er dann?

Luke? Der Name hallte wie ein Echo in ihrem Kopf nach, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Konnte er es sein?

Aber nein. Von Claude wusste sie, dass Luke schon seit einer Weile in London lebte und in der Werbung arbeitete. Wenn der Typ hier in einem Büro arbeitete, würde sie einen Besen fressen.

Sie versuchte, sich aufzusetzen, doch ihr wurde sofort wieder schwindelig.

„Leg dich wieder hin“, fuhr der Mann sie an. „Sonst wird dir noch schlecht.“

Obwohl der Gedanke, noch ein wenig liegen zu bleiben, durchaus reizvoll war, tickte sie anders. Seit sie sechzehn war, sorgte sie für sich selbst.

„Ich glaube, es geht wieder“, sagte sie.

Autor

Ally Blake
Ally Blake ist eine hoffnungslose Romantikerin. Kein Wunder, waren die Frauen in ihrer Familie doch schon immer begeisterte Leserinnen von Liebesromanen.

Sie erinnert sich an Taschen voller Bücher, die bei Familientreffen von ihrer Mutter, ihren Tanten, ihren Cousinen und sogar ihrer Großmutter weitergereicht wurden. Und daran, wie sie als junges Mädchen...
Mehr erfahren