Verbotene Nacht mit dem Highlander

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die stolze Schottin Lianna MacKinnon ist entsetzt: Ihr Vater verlangt, dass sie Lord Rhys de Laurent heiratet, einen ihr gänzlich fremden Normannen! Schon in wenigen Tagen soll die Hochzeit im väterlichen Castle stattfinden. Also schmiedet Lianna einen gewagten Plan. Wenn sie ihre Unschuld einem anderen schenkt, wird Lord Rhys sie nicht mehr wollen. Als sie kurz darauf am Strand einem mysteriösen Highlander begegnet, weiß sie: Das ist der Mann, dem sie gehören will! Eine nie gekannte Sinnesfreude schenkt er ihr, die sie atemlos vor Lust macht. Sie ahnt nicht, dass sie in den starken Armen des verhassten Normannen liegt …


  • Erscheinungstag 19.03.2024
  • Bandnummer 397
  • ISBN / Artikelnummer 9783751526593
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Schottland, 1171

„Meine Tochter ist nicht ... wie andere Frauen.“

Erstaunt hob Rhys de Laurent die Augen und richtete sie fragend auf Alastair MacKinnon, den Chief seines schottischen Clans.

Als dieser nur gequält das Gesicht verzog, hakte Rhys nach. „Ist sie etwa von zänkischem Wesen oder von Pocken verunstaltet?“

Alistair schüttelte den Kopf. „Keineswegs, ihr Antlitz ist lieblich, wie auch ihr Wesen. Doch werdet Ihr verstehen, was ich meine, wenn Ihr erst mit ihr verheiratet seid. Sie ist, nun ja, ein wenig wunderlich.“

Im Grunde war Rhys nicht sehr erpicht auf seine Braut, der er seit seiner Geburt versprochen war. Die beschwerliche Reise zum schottischen Eiloch hatte knapp zwei Wochen in Anspruch genommen, und das Land, das so weit von der englischen Residenz seiner Familie entfernt lag, kam ihm gottverlassen und wie aus der Welt gefallen vor.

Zwar war er pflichtgemäß hierhergekommen, weil er jedem gegebenen Versprechen einen hohen Wert beimaß, war sich aber nicht sicher, ob er die von langer Hand geplante Ehe auch eingehen wollte.

Insgeheim hoffte er, den Vater der jungen Frau überreden zu können, ihre Hand in die seines jüngeren Bruders zu legen. Dieser besaß kein eigenes Land, da es zwischen ihm und seinem Vater ein Zerwürfnis gab, und Rhys glaubte, Warrick könne hier in Schottland auf den Ländereien der MacKinnons seinen Platz finden. Von dort aus konnte er Rhys zu Hilfe eilen, sollte die Familienburg derer von Laurent angegriffen werden, und ihn bei der Verteidigung der Festung unterstützen.

Zwischen Normannen und Schotten gab es seit Längerem kriegerische Auseinandersetzungen, und Rhys kannte seine Verantwortlichkeiten. Er wusste, dass die Vermählung der Tochter eines schottischen Clan Chiefs mit einem adligen Normannen von seinem Vater mit Bedacht eingefädelt worden war. Denn sie war ein wichtiger Teil einer Allianz zwischen den Völkern, die endlich zum Frieden führen sollte.

Trotzdem war ihm bei dem Gedanken, eine Unbekannte zu ehelichen, nicht wohl.

„Bevor ich einem offiziellen Verlöbnis zustimme, will ich meine Braut sehen“, verlangte er. „Das dürfte beiden Parteien mehr Sicherheit geben.“

Alistairs Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an. „Das halte ich für unklug. Lianna ließ mich wissen, dass sie keinen Normannen heiraten will.“

„Schon deshalb sollten wir uns ein wenig kennenlernen. Weiß sie erst, mit wem sie es zu tun hat, besteht die Möglichkeit, dass sie ihre Meinung ändert.“ Vor allem aber wollte er herausfinden, ob sie vielleicht besser zu seinem Bruder passte.

Der Chief wiegte zweifelnd seinen Kopf hin und her. „Ich bin sicher, sie entzieht sich der Vereinbarung durch Flucht, sobald Ihr Euch ihr als Normanne nähert. Kleidet Euch lieber wie ein schottischer Highlander und gebt ihr die Gelegenheit, Euch als Mann zu bewerten, ohne dass Politik im Spiel ist. So würdet Ihr sie als das liebenswerte freundliche Mädchen kennenlernen, das sie tatsächlich ist.“ Er schoss Rhys einen schrägen Blick zu. „Es sei denn, die Art, wie wir uns kleiden, ist Euch nicht gut genug?“

Der junge Mann überlegte kurz, gab seinem Gastgeber dann aber im Stillen recht. Es lag nahe, dass Lianna MacKinnon einen Normannen als Fremdling ablehnen würde und er den nachteiligen Eindruck, war er erst entstanden, nur schwer wieder zerstreuen konnte. Sie zu hintergehen aber gefiel ihm nicht. „Ich halte nichts davon, meine Braut anzulügen.“

„Ihr braucht ihr ja nicht zu sagen, wie Ihr heißt“, hielt Alastair dagegen. „Glaubt mir: Begegnet Ihr Lianna freundlich, wird ihr Herz sich öffnen, das voller Güte ist.“ Nachdenklich ließ er den Blick auf seinem Gegenüber ruhen. „Ich habe viel von Euch gehört, Rhys de Laurent. Ihr geltet als gerechter Mann und seid als Anführer hoch angesehen. Wäre es anders, vertraute ich Euch mein Kind nicht an.“

Rhys gab nicht viel auf die Schmeichelei, zudem ihm klar war, dass Alastair auf die Erfüllung des alten Versprechens angewiesen war. Denn nahm er Lianna nicht zur Frau, hatte er das Recht, Eiloch zurückzufordern und das Fort mit normannischen Soldaten zu besetzen. Schon sein Vater Edward de Laurent hätte dies tun können, hatte es aber aus Respekt vor seiner Mutter Margaret unterlassen. Diese war von normannischem Geblüt gewesen, hatte aber mit ihrem zweiten Gemahl, dem Schotten Fergus MacKinnon, viele glückliche Jahre in den Highlands verbracht. Sie hatte ihn sehr geliebt und nie bereut, fern Englands mit ihm zu leben.

Jetzt winkte Alastair einem seiner Männer und murmelte ihm auf Gälisch einen Auftrag ins Ohr. Rhys aber verstand jedes Wort, denn seine Großmutter Margaret hatte darauf bestanden, dass er das Schottische schon früh erlernte. Denn die MacKinnons hätten seine Stellung niemals anerkannt, wäre er ihrer Sprache nicht mächtig gewesen.

Alastair wandte sich wieder seinem Gast zu. „Heiratet Ihr meine Tochter, werdet Ihr mehr als zufrieden mit ihr sein, vorausgesetzt, Ihr versteht sie zu nehmen, wie sie ist. Da bin ich ganz sicher.“

Rhys wich seinem Blick nicht aus. „Das werde ich selbst herausfinden müssen.“

Der andere nickte. „Lianna reitet täglich aus, um hoch über dem Meer ihr Mittagsmahl einzunehmen. Ihr findet sie bei dem Dolmen, der dort schon immer steht, denn bei der uralten Kultstätte fühlt sie sich wohl. Noch einmal rate ich dringend davon ab, sie wissen zu lassen, wer Ihr in Wahrheit seid. Die Zeit dafür ist noch nicht gekommen.“

Der Mann, den er fortgeschickt hatte, trat nun mit einigen Kleidungsstücken, die denen des Chiefs ähnlich waren, wieder ins Zimmer. Dieser hielt Rhys die Sachen hin. „Zieht Euch zuerst um. Dann wünsche ich Euch Glück für die Begegnung mit meiner Tochter.“

Rhys, der ihm die Kleidungsstücke abnahm, fragte: „Was macht Euch so sicher, dass sie auch wirklich dort ist?“

Alastair seufzte. „Lianna ändert ihre Gewohnheiten nicht. Schon seit über einem Jahr nimmt sie die Mittagsmahlzeit täglich beim Dolmen ein. Verlasst Euch darauf: Ihr findet sie dort.“

Zwar wurde der junge Normanne nicht ganz klug aus den Worten des Chiefs, doch neigte er höflich den Kopf. „So sei es“, stimmte er zu. „Ich werde sie umgehend aufsuchen.“

Lianna MacKinnons Ehrgeiz bestand darin, stets alles ordentlich an seinem Platz zu haben. Kein Stäubchen fand sich in ihrem Schlafzimmer, und der schöne Bettüberwurf war fein säuberlich unter die Matratze gesteckt. Prüfend fuhr sie über die Kanten ihres Tisches und stellte zufrieden fest, dass der Finger sauber blieb. Denn die Ordnung in ihrem Zimmer war der jungen Frau ein Labsal und gab ihr Sicherheit.

Während die Zimmer ihres Vaters und ihres Bruders Sían unter dem ihren im ersten Stock lagen, befand der Wohnbereich sich im Parterre und war groß genug, um zwanzig Männern Platz zu bieten. Die strohgedeckten Häuser der Kleinbauern lagen in einem Halbkreis um das Hauptgebäude herum.

Jetzt klopfte es an die Tür, und Liannas Zofe Orna, eine ältere Person, trat ein. „Ich bringe wichtige Neuigkeiten, Lady Lianna. Gerade sitzt der Normanne mit Eurem Vater zusammen. Er hat auch Männer mitgebracht.“

Lianna brach der kalte Schweiß aus. War der Besuch der normannischen Delegation auch angekündigt, ertrug sie sogar den Gedanken an die Existenz des Mannes nicht, dem sie seit ihrer Geburt versprochen war. Denn die Vorstellung, einen Fremdling zu heiraten, nahm sie nicht hin. Es ist so weit, dachte sie zornig. Man treibt mich in die Flucht.

Zunächst aber ließ der Schmutz, den die Zofe hereintrug, sie nach Besen und Schaufel greifen.

„Nie werde ich ihn zum Gemahl nehmen, Orna, ist es mir auch vorherbestimmt“, beteuerte sie, während sie den Besen schwang. „Außerdem gibt es einen Ausweg aus meiner Zwangslage. Schließlich bin ich nicht ganz unvorbereitet.“

Sie spielte darauf an, dass sie seit Jahren jeden Penny sparte, um mit der inzwischen erklecklichen Summe Rhys de Laurent zu bestechen, damit er die Hochzeit absagte. Nie hatte sie Geld auf Kleider oder Zierrat verschwendet, da ihr nichts wichtiger war als ihre Freiheit.

Orna zog die Stirn kraus. „Damit kommt Ihr wohl nicht durch, Herrin.“

„Und ob!“, versetzte Lianna grimmig, während sie einen Lappen zur Hand nahm, sich hinkniete und den Boden wienerte. Dabei drehte sich ihr beim Gedanken daran, das Bett mit einem Fremden teilen und ihm Kinder gebären zu müssen, der Magen um. Angst überfiel sie.

Sie wusste nur, dass Rhys de Laurent in England geboren und erzogen worden war. Daher nahm sie an, er wisse nichts über die Gebräuche in ihrer Heimat und sei der gälischen Sprache nicht mächtig. Nein, dachte sie, sieht mein Vater auch keinen anderen Ausweg aus unserer Not als diese Heirat, gebe ich nicht klein bei.

„Hört Rhys de Laurent meinen Vorschlag, wird er liebend gern ohne mich nach England zurückkehren. Dann bleibt mein Vater Chief auf Eiloch, wie es sein soll.“ Eine Abänderung ihres streng geordneten Tagesablaufs war für sie schlichtweg undenkbar.

Schließlich richtete sie sich auf. „So, nun wird es Zeit für meinen täglichen Ausritt.“

Mehr denn je sehnte sie sich nach einem schnellen Ritt an der Küste entlang, wo der scharfe frische Wind ihr ins Gesicht schlagen und ihr im Rausch der Geschwindigkeit alle Sorgen von der Seele pusten würde.

„Und wenn Euer Vater Euch befiehlt, den Normannen zu treffen?“, fragte Orna stirnrunzelnd. „Dann solltet Ihr wohl hier sein!“

Die Vorstellung, ihrem Bräutigam wie ein preisgekröntes Schaf vorgeführt zu werden, erzürnte Lianna. „Das wird wohl Zeit haben“, versetzte sie und zog die Stirn kraus. Damit marschierte sie barfuß über den sauberen Fußboden zur Stirnwand, wo ihre Schuhe standen.

„Ich bitte Euch, macht keine Schwierigkeiten, Mylady. Ihr wisst doch, dass Ihr Rhys de Laurent heiraten und ihm einen Sohn gebären müsst. Eine andere Möglichkeit, hierbleiben zu dürfen, gibt es nun einmal nicht. Gott sei es geklagt! Wenn Ihr den normannischen Herrn verärgert, wird er den ganzen Stamm wegschicken. Wo sollen wir dann bloß leben?“

Lianna zögerte einen Augenblick. „Habt keine Angst, Orna. Ich verspreche Euch, eine Lösung zu finden. Niemand wird uns unser Land wegnehmen, das allein in die Hände meines Vaters gehört.“ Felsenfest war sie von der Bestechlichkeit des Normannen überzeugt.

Orna fragte zweifelnd: „Solltet Ihr Euch nicht anstrengen, den Ansprüchen Eures zukünftigen Gemahls zu genügen?“

Nein, dachte Lianna. Ein Normanne hat nichts von mir einzufordern. Laut aber sagte sie: „Ich weiß doch, wer ich bin. Nicht einmal ein Schotte hält mich für begehrenswert.“ Sie lächelte schief. „Und finden selbst meine Landsleute nichts an mir, soll ein Fremder mich lieben?“

Damit setzte sie ihr wollenes Barett auf und steckte ihre feuerroten Locken darunter fest. Diese bändigte sie an jedem Morgen mit siebenundsiebzig Strichen ihres Kamms, was sie am Abend wiederholte. „Am Nachmittag bin ich zurück.“

Damit trat sie, die Schuhe in der Hand, hinaus und stieg die Treppe hinab. Unten durchquerte sie barfuß den Versammlungsplatz und kam dabei an ihrem Bruder und seinen Leuten vorbei. Und während Sían sein Gesicht zu einem verschwörerischen Lächeln verzog und die Hand zum Gruß hob, errötete sie, weil sie die abfällige Bemerkung eines der Männer hörte.

Was für ein Glück, dass keiner von uns sie heiraten muss. Das war wirklich nicht schmeichelhaft. Aber Lianna setzte ihren Weg in stolzer Haltung fort, als habe sie nichts gehört. Zwar verpasste ihr Bruder Eachann MacKinnon einen Stoß, als trete er für sie ein, doch beschämte das spöttische Lachen der Männer sie bis ins Mark. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, zog sie die Schuhe an, stieg die Treppe hinab und trat ins Freie.

Alle halten mich für verschroben, weil ich meine festen Gewohnheiten habe und jeden Tag zur selben Stunde ausreite, dachte sie. Ich aber liebe die Regelmäßigkeit, die mir beweist, dass alles in Ordnung ist. Ausnahmen sind mir ein Gräuel, was kann ich dafür?

Sían war von anderer Wesensart und lebte spontan in den Tag hinein, über den er nicht hinausdachte. Anders als Lianna, welche Sicherheit gewann, indem sie jeden Tag durchplante, war ihr Bruder sprunghaft und so selbstsicher, dass es schon an Arroganz grenzte. Dazu war er so unordentlich, dass seine Schwester es einfacher fand, wortlos hinter ihm aufzuräumen, als sich mit ihm deswegen anzulegen.

Während sie auf ihr Pferd zusteuerte, das gesattelt und gezäumt neben dem Stall auf sie wartete, eilte ein Küchenjunge mit einem Bündel zu ihr. Sie nahm es ihm dankend ab, verstaute es in der Satteltasche und saß auf, denn sie kannte den Inhalt bereits. An jedem Tag nahm sie nichts anderes als Brot, Käse und einen Deckelkrug mit Bier mit.

Zunächst ließ sie das Pferd im Schritttempo gehen, um gewohnheitsmäßig jedes Bauernhaus mit den Augen nach eventuellen Schäden abzusuchen. Sían wollte zwar nicht, dass seine Schwester sich in das Leben der Burgleute einmischte, doch verlieh es ihrem Dasein einen unverzichtbaren Sinn, stets den Überblick zu behalten. Stets war sie informiert, welche Familien ausreichende Vorräte für den Winter besaßen und welche Hunger leiden würden. Zu wissen, wo Nachwuchs erwartet wurde oder wo es einen Todesfall gab, erfüllte sie mit heimlichem Stolz. Und machte sie Sían Meldung darüber, ließ ihr Bruder sich nicht lumpen und trug Sorge für das Wohlergehen der betroffenen Familie. Aber glaubten die Burgbewohner auch, er sei es, der die Umsicht besitze, sich ihrer anzunehmen, war es doch Lianna, die das Wohl aller im Blick hatte. Sie aber erwartete kein Lob für das, was sie als ihre Arbeit begriff, und es war ihr einerlei, was die Leute dachten.

Sobald sie die Felder erreichte, stopfte sie ihre Kopfbedeckung in die Satteltasche und trieb ihr Pferd zu schnellem Lauf an. Nun riss der Wind an ihrem roten Haar und schlug ihr ins Gesicht, welches sie ihm voll Wonne in dem köstlichen Gefühl entgegenhob, frei zu sein.

Erst als sie sich dem Meer näherte, zügelte sie ihr Reittier und lenkte es zu einem Dolmen, der seit vorgeschichtlicher Zeit an der Küste stand.

Hierher, zu dem uralten Altar der Druiden, kam sie, um in Frieden zu essen, statt sich den Klatsch und Tratsch anhören zu müssen, der unter den Burgbewohnern die Runde machte. Dieser Ort war ihre Zuflucht vor der Welt.

Jetzt aber stand ein Mann bei den Steinen, weshalb das Lächeln ihr verging. Ihr Herz schlug schneller, denn für sie war er ein Fremdkörper, der nicht hierhergehörte. Für einen Augenblick fürchtete sie, es mit einem Normannen zu tun zu haben, doch trug er Kleidung nach schottischer Art.

Lianna kannte jedes Mitglied ihres eigenen Stammes und auch des MacKinloch-Clans, der nicht weit von hier angesiedelt war. Diesen Mann aber hatte sie noch nie gesehen.

Unschlüssig näherte sie sich ihm im Schritttempo. Das braune Haar trug er kurz geschnitten, und Bartstoppeln ließen ahnen, dass seine letzte Rasur weiter zurücklag. Seine blauen Augen aber nahmen sie gefangen, denn sie waren tiefblau wie die See und von einer Schönheit, der etwas Wildes eignete.

Als sie ihm zunickte, hob er die Hand zum Gruß. Durchaus nicht verwunderlich, verwirrte die vertrauliche Geste sie über Gebühr. Da ließ sie ihr Pferd stillstehen, obwohl sie ahnte, es sei besser, zur Burg zurückzureiten.

Bleib nicht hier, drängte eine innere Stimme sie. Wer weiß, mit wem du es zu tun hast.

„Ich wünsche einen guten Tag, Mädchen. Dies hier ist wirklich ein schöner Platz.“ Er sprach Gälisch, wenn auch mit ungewöhnlichem Akzent. Lianna fragte sich, ob er vielleicht aus Aberdeen oder Oban stammte, setzte das Pferd unwillkürlich wieder in Gang und ritt näher an ihn heran.

Je länger sie den Mann ansah, desto schneller schlug ihr Herz, und der Mund wurde ihr trocken. Dabei zog sein fremdes Antlitz, das wie aus Stein gemeißelt wirkte, sie in seinen Bann. Auf unbekümmerte Art strahlte er das Selbstvertrauen eines Anführers aus, der schon viele Schlachten geschlagen hatte.

Weil er eine safrangelbe Tunika von schottischer Machart und anliegende Hosen trug, dazu ein Bonnet in den Farben des MacKinloch-Clans auf dem Kopf, machte Lianna neugierig, da er zu diesem Stamm nicht gehören konnte.

Während sie ihn fasziniert betrachtete, bemerkte sie, dass sein Hemd an der Brust ein wenig eng saß, wodurch seine kräftigen Muskeln sich durch den Stoff abzeichneten. Auch seine Schenkel strotzten nur so vor Kraft, als könnten sie die engen Hosen zum Bersten bringen.

Er sah außergewöhnlich gut aus und war so stattlich, dass der jungen Frau kein Wort einfiel, an ihn zu richten. In ihrem Kopf herrschte eine nie zuvor erlebte Leere.

„Habt keine Furcht“, sagte er. „Ich kam auf Einladung Eures Vaters.“

Unverwandt blickte sie auf den Highlander, von dessen Harmlosigkeit sie noch nicht restlos überzeugt war, neigte sie auch dazu, ihm Glauben zu schenken. Wie um sie nicht zu erschrecken, stand er bewegungslos vor ihr, als habe er es mit einem wilden Pferd zu tun.

„So seid Ihr ein Besucher?“, fragte sie lahm.

„Ich bin wegen der Hochzeit angereist“, antwortete er und neigte höflich den Kopf.

Da sie aus seinen Worten schloss, er sei ein Gast der MacKinlochs, versuchte sie, sich den Verdruss, den das Thema bei ihr weckte, nicht anmerken zu lassen. Doch entdeckte sie bei ihm keine Familienähnlichkeit mit der Sippe. Er glich niemandem, den sie kannte.

Plötzlich war ihr, als höre sie ihren Bruder: Sprich nicht weiter mit dem Fremden und fliehe! Wäre er hier, dachte sie, würde er mich zwingen, heimzureiten.

Doch gerade als sie sich sagte, ein weiterer Blick auf den Mann werde ihr schon nicht schaden, lächelte er sie an, und der Atem stockte ihr.

Denn Männer schenkten ihr kein Lächeln, niemals. Stattdessen verdrehten sie für gewöhnlich die Augen und seufzten gereizt, während Sían Entschuldigungen dafür fand, dass seine Schwester etwas seltsam war.

Vorsichtshalber wandte sie den Kopf, um sicherzugehen, dass er keine andere meinte, die womöglich hinter ihr herankam. Doch war weit und breit niemand zu sehen.

Er war der schönste Mann, der ihr je begegnet war, und ohne Zweifel galt sein Lächeln ihr, Lianna MacKinnon. Das war ein ungewöhnliches Ereignis, welches wohl nur darauf zurückzuführen war, dass er sie nicht kannte. Schließlich war sie die Frau, die verheiratet werden sollte.

Sie spürte, dass sie sich seinem Bann entziehen musste, doch befahl ihr der innere Zwang, der sie beherrschte, hier und jetzt zu essen. Normalerweise verbrachte sie hier eine verträumte Stunde am Meer, die ein wichtiges Mosaikteilchen in ihrem festgelegten Tagesablauf war. Zu wissen, wann sie geweckt wurde, wann sie ihre Mahlzeiten zu sich nahm, wann sie dem nachging, was sie Arbeit nannte, und wann sie sich schlafen legte, verschaffte ihr eine innere Sicherheit, die sie von Natur aus nicht besaß.

Doch heute war die Gleichförmigkeit ihrer Tage bereits durch die Ankunft ihres unbekannten Bräutigams empfindlich gestört worden. Und nun wurde sie durch das Auftauchen des Fremden daran gehindert, ihr ritualisiertes Mittagsmahl allein einzunehmen, wie es für sie normal war.

Dies ist mein Lieblingsplatz, dachte sie verärgert. Nicht ich, sondern er muss gehen. Vielleicht lässt er sich ja wegschicken.

„Sucht Ihr Chief MacKinnon, der mein Vater ist, findet Ihr ihn auf Burg Eiloch, unserem Wohnsitz.“ Sie zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Ihr braucht nur dem Pfad dort drüben zu folgen. Der Chief wird Euch Gastfreundschaft erweisen.“

Statt ihrer Anweisung zu folgen, wie sie erwartet hatte, zeigte der Unbekannte wenig Neigung dazu. Erst jetzt merkte sie, dass er kein Pferd bei sich hatte und fragte sich, wo er es wohl untergestellt hatte.

„Ihr scheint meine Gesellschaft nicht besonders zu schätzen“, versetzte er und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln.

Lianna, die ihm beinahe lauthals recht gegeben hätte, beherrschte sich rechtzeitig. „Wie heißt Ihr?“, fragte sie schnell.

Bevor der Highlander antwortete, lehnte er sich gegen den Dolmen, blickte erst zum klaren blauen Himmel empor und dann auf die tiefe blaugrüne See. Weit in der Ferne hing am Horizont eine Schicht Schleierwolken, die rosa erglühte, und nahebei ließ die Sonne die Meereswellen, welche unermüdlich hin und her liefen, wie gleißendes Geschmeide aufleuchten. „Nennt mich Gavin MacAllister“, sagte er dann.

Das zu hören, verwirrte sie noch mehr. „Warum dann tragt Ihr die Farben der MacKinlochs?“

„Ich musste mir saubere Kleidung geben lassen, als mein dickschädeliges Ross mich mutwillig abwarf und ich im Morast landete.“ Um seine Mundwinkel zuckte es amüsiert, dann sah er sie wie mit neu erwachtem Interesse an. „Ihr sagtet, Chief MacKinnon sei Euer Vater. So habe ich es wohl mit Lianna MacKinnon, der Braut, zu tun?“

„Ja, die bin ich, unglücklicherweise“, gab sie zurück, denn sie war es leid, sich zu verstellen. Sich vorbeugend klopfte sie ihrem Pferd den Hals.

„Ihr scheint Euch gar nicht auf die Hochzeit zu freuen?“

Angewidert verzog sie das Gesicht. „Überhaupt nicht! Oder würde es Euch gefallen, einen wildfremden Menschen zu heiraten? Mein Bräutigam kann schlechte Eigenschaften haben, vielleicht sogar grausam sein. Nein, ich will ihn nicht.“

„Was aber, wenn er ein guter Mann wäre?“ Gavin ließ nicht locker.

„Wisst Ihr denn nicht, dass er ein Normanne ist? Sicher fordert er, dass ich mich in allem ändern muss! Wie ich wohne, was ich anziehe … Alles eben.“ Die Vorstellung ließ sie frösteln. „Ich will aber bei meiner Familie bleiben, und ... nun ja, ich werde hier gebraucht.“

Schlagartig wurde ihr bewusst, dass es sich nicht gehörte, all dies einem Unbekannten anzuvertrauen, und wechselte das Thema. „Lasst uns lieber von Euch reden. So kamt Ihr nach Eiloch der Hochzeit wegen?“ Damit stieg sie ab, nahm das Bündel mit ihrem Mittagessen und breitete den Inhalt auf dem Stein aus. Zwar konnte sie mit keiner üppigen Mahlzeit aufwarten, doch war es selbstverständlich für sie, zu teilen. Und als sie ein Stück Brot abbrach und es ihrem neuen Bekannten reichte, hielt er ihre Hand fest und strich sanft mit dem Daumen über die Handfläche.

Lianna erstarrte vor Schreck, doch wurde ihr gleichzeitig heiß. Dieser Mann löste Gefühle in ihr aus, die sie nicht kannte, und sie war verwirrt.

„Ich kam, weil meine Familie mich dazu bestimmte, eine Allianz mit Eurem Clan zu schließen“, sagte er.

In Gedanken ging sie alle Namen durch, die ihr von den MacAllisters bekannt waren. Es gab eine Absplitterung des Clans weiter südlich, doch konnte Gavin auch mit Rourke MacAllister verwandt sein. Gerade wollte sie ihn dazu befragen, als er weitersprach.

„Es tut mir leid, dass Ihr zu dieser Ehe gezwungen werdet“, sagte er, ohne ihre Hand loszulassen. „Ich weiß, was es heißt, sein Leben von anderen bestimmt zu wissen.“

„Ich besitze ein Mittel, mir den Normannen vom Hals zu halten“, entgegnete sie lebhaft, indem sie ihre Hand zurückzog. „Seit Jahren spare ich jede Münze, deren ich habhaft werde, und kann Rhys de Laurent eine beträchtliche Summe für meine Freiheit bieten. Diese wird er nicht ablehnen, und alles bleibt, wie es mir lieb und teuer ist.“

Gavin warf ihr einen schrägen Blick zu. „Ist er denn nicht reich, Euer normannischer Bräutigam?“

Davon wollte sie nichts hören. „Und wenn schon! Sicher ist ihm eine Kiste mit Silber lieber als eine widerspenstige Braut. Dass er mich aus freien Stücken nehmen würde, ist sowieso ausgeschlossen.“

„Herrin, Ihr seid wunderschön“, entgegnete er. „Natürlich würde er Euch liebend gern heiraten.“

Zwar gefielen seine freundlichen Worte ihr, doch glaubte sie ihm nicht. „Ach was, der Normanne wird nicht mehr an mir finden als jeder andere auch. Ich bin nur eine gewöhnliche Frau, die einem Mann das Leben zur Hölle zu machen versteht.“

Sie war erstaunt, als er laut auflachte. „Warum sagt Ihr das, Lianna?“

Als er sie beim Namen nannte, kam ihr das auf unziemliche Weise vertraulich vor, und sie wurde misstrauisch. Was will er nur? fragte sie sich. Nie sprach ich mit einem derart gut aussehenden Highlander. Dass er Interesse für mich aufbringt, muss ein Irrtum sein.

„Ich weiß, zu welcher Sorte Frau ich gehöre“, antwortete sie deutlich reservierter, indem sie ihm etwas Käse aus dem Bündel reichte, um das Thema zu beenden. Als sie dann alles aufgegessen hatten, faltete sie das leere Tuch so penibel zusammen, dass es ein perfektes Viereck ergab.

„Wenn es Euch nun recht ist, folgt dem Pfad, der westwärts führt. Dann kommt Ihr nach Eiloch, wo Ihr meinen Vater findet.“ Erneut deutete sie in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Er wird Euch einen Schlafplatz zuweisen.“

Rhys aber hatte nicht vor, Lianna MacKinnon zu verlassen. Langsam ahnte er, dass ihr Vater recht hatte und sie von kompliziertem Wesen war. Sie schien wie besessen davon, dass nichts sich ändern dürfe. Und selbst die Art, wie sie das Tuch faltete, wirkte pedantisch.

Plötzlich wünschte er, die Sicherheit, die sie aus ihrem gemächlich dahinplätschernden Leben schöpfte, zu erschüttern. Denn es interessierte ihn, was unter der Fassade vor sich ging, die sie der Welt zeigte.

Als jetzt ein sachter Regen zu fallen begann, bedeckte Lianna ihr Haar mit einem Bonnet in Grün und Braun, Farben, die zu ihrem roten Haar hervorragend passten. Dabei störte der Regen sie keineswegs, vielmehr erwartete sie, dass ihr neuer Bekannter sie endlich allein ließ. Der aber dachte nicht daran.

„Es regnet“, stellte er überflüssigerweise fest. „Wollt Ihr nicht lieber einen Unterstand suchen?“

„Ach was, ich bin an Regen gewöhnt, der bei uns meist mehrmals täglich niedergeht.“ Noch einmal wies sie mit dem Kinn zu dem Weg hin, den sie ihm anempfohlen hatte. „Nun aber los. Ihr werdet sehen, es ist nicht weit. Auf der Burg findet Ihr Zuflucht.“

Deutlicher ging es kaum, doch war er nicht auf den Mund gefallen. „Wo ich herkomme, lassen wir Frauen niemals schutzlos zurück.“

Lianna deutete auf den Dolch an ihrer Hüfte. „Ich bin nicht schutzlos. Hättet Ihr mich angegriffen, hätte ich Euch die Kehle durchgeschnitten.“ Sie sprach mit Bedacht und war erstaunt, als er anerkennend lächelte.

„Nun gut.“ Einen Moment lang war ihr, als durchbohre er sie mit seinem Blick, doch senkte er die Augen schnell. Dann richtete er diese betont harmlos erneut auf sie. „Wenn Ihr nicht mitkommt, muss ich wohl bei Euch Wache halten.“

„Aber hier ist niemand!“, protestierte sie. „Vor wem oder was wollt Ihr mich beschützen?“

Darauf sagte er nichts, sondern zeigte auf den Dolmen. „Unter der steinernen Tafel hättet Ihr es trocken.“

Sie lachte auf. „Das wäre mir zu eng.“ Ein heiterer Funke glomm in ihren Augen auf, was Rhys sehr gefiel. Zwar unterwirft sie sich strikten Gewohnheiten, dachte er, doch sähe ich gern, was passiert, wenn ich die Ketten sprengte, die sie sich anlegt. Sie reizt mich, ganz ohne Zweifel.

Insgeheim dankte er ihrem Vater für den Rat, Lianna inkognito kennenzulernen. So begegneten sie sich, ein Mann und eine Frau am Meer, wie gewöhnliche Leute. Der Zauber, der ihrer Begegnung innewohnte, hätte sich andernfalls nicht eingestellt.

„Fällt Euch womöglich ein anderer Platz ein, wo wir Unterschlupf finden können?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. „Dazu ist sowieso keine Zeit mehr, weil ich nach dem Mittagessen immer die Burgbauern besuche. Ich muss mich jetzt sputen.“

Erneut fasste er ihre Hand und hielt sie einen Moment lang in seiner, während er ihr Antlitz betrachtete. Regentropfen liefen ihr über die Wangen und blieben wie schimmernde Perlen auf ihren Lippen hängen. Plötzlich musste er wissen, ob sie ihn anziehend fand, und eine brennende Sehnsucht packte ihn, diese Frau zu entschlüsseln. Ich will herausfinden, was sich in den Tiefen ihres Wesens verbirgt, dachte er. Sie ist mir das reinste Rätsel.

Da entschloss er sich dazu, wenigstens teilweise mit der Wahrheit herauszurücken, war es auch unvorhersehbar, wohin das führte.

„Ich bin nicht nur der Allianz wegen gekommen“, murmelte er. „Und ich bin kein einfacher Hochzeitsgast.“

Sie schien entgeistert. „Was brachte Euch dann her?“, fragte sie.

„Ich kam Euretwegen, Lianna MacKinnon. Denn mein Vater trug mir auf, Euch zu heiraten.“

Alarmiert versuchte sie, ihre Hand freizubekommen. „Aber das geht nicht! Ich ... ich kann nicht. Ich bin doch schon versprochen.“

Als er dichter herantrat und seine Hände rechts und links von ihr auf den steinernen Altar legte, sodass sie wie gefangen dastand, wurde sie rot. Beim kleinsten Anzeichen aber, dass sie fliehen wollte, hätte er sie ohne Zögern gehen lassen.

„Würdet Ihr in Betracht ziehen, jemand anderen zu heiraten, wenn Ihr nicht mit dem Normannen verlobt wäret?“, fragte er mit heiserer Stimme.

Angstvoll stemmte sie sich mit den Händen gegen seine Schultern, um ihn abzuwehren. „Ich ... weiß nicht ... wahrscheinlich nicht ...“

Da lehnte er sich vor und streifte ihre Schläfe mit dem Mund. Liannas Haut war glatt wie Seide, und ihr rotes triefendes Haar wirkte durch die Nässe dunkler. Sie war bezaubernd und faszinierte Rhys auf eine neue Weise.

„Wollt Ihr nicht lieber einen Mann wie mich heiraten?“, sprach er ihr leise ins Ohr. „Wäre das denn so furchtbar?“ Mit seinen Lippen nahm er Besitz von ihrem Mund, doch sanft, um die junge Frau, die er für unerfahren hielt, nicht zu erschrecken. Zuerst war sie so überrascht, dass sie nur still hielt. Als er aber fortfuhr, die Kontur ihrer roten Lippen rundherum mit kleinen Küssen nachzuzeichnen, begann ihr Mund unter seinem in jähem Verstehen zu zucken.

Ohne zu überlegen, schlang sie ihm die Arme um den Hals und drückte ihre Lippen von sich aus auf seine. Da strich er ihr zärtlich das Haar zurück, um sie zu ermutigen, entdeckte aber gleich, dass seiner zukünftigen Gattin eine Begabung für die Sinnlichkeit zu eigen war. Denn sie umwand ihn fester, als er ihren Körper an sich zog, wenn sie auch nicht ganz frei von Skrupeln war. „Ich sollte das nicht tun“, flüsterte sie. „Ich bin doch einem anderen Mann angelobt.“

„Und was, wenn ich dieser Mann wäre?“, fragte er, indem er mit beiden Händen ihren Rücken hinabstrich. „Würdet Ihr eine Heirat dann eher begrüßen?“

„Ich denke schon“, gab sie verzagt zurück. „Doch seid Ihr es nicht.“ Als sie versuchte, sich ihm zu entziehen, hatte sie vor lauter Aufregung rote Flecken am Hals. „Bitte versteht, dass ich mich nicht auf Euch einlassen kann, bevor der Normanne mich freigibt. Was wahrscheinlich nie geschieht.“

Schuldbewusst schloss sie die Augen. Rhys aber war nun nicht bereit, Lianna gehen zu lassen, für die er in Leidenschaft entbrannte. Vielmehr hoffte er, sie die Grenzen der Schicklichkeit vergessen zu lassen und ihr zu beweisen, dass die Unterschiede zwischen ihren Kulturen nicht unüberwindlich waren. Denn er sehnte sich nach einer glücklichen Ehe, in der die Sinnlichkeit einen festen Platz einnahm, ganz wie seine selige Großmutter Margaret sie geführt hatte.

Schon seit der Kindheit fühlte er sich von den Verantwortlichkeiten erdrückt, die sein Vater ihm aufbürdete. Edward de Laurent forderte eiserne Disziplin von seinem Sohn, damit dieser überragende Fähigkeiten heranbildete. Denn Rhys sollte einmal auf Montbrooke, dem stattlichen Familienbesitz der de Laurents in England, einen geachteten Gebieter abgeben. Dass er aber, noch ein Jüngling, einst der Willkür seiner Stiefmutter Annalisa ausgeliefert gewesen war, ahnte sein Vater nicht. Diese schlimmen Jahre führten dazu, dass Rhys sich scheute, jemals wieder der Gnade einer Frau ausgeliefert zu sein. Und deshalb kam die Hochzeit mit Lianna MacKinnon nur dann für ihn infrage, wenn sie zu seinen eigenen Bedingungen geschlossen wurde.

Zuallererst verlangte es ihn zu wissen, ob sie ihn in ausreichendem Maße begehrenswert fand. So umschloss er mit beiden Händen ihr Gesicht und sah ihr tief in die Augen, die unter seinem Blick nachgaben und einen weichen Ausdruck bekamen. Zart küsste er ihr den Regen von den Wangen und legte seine Lippen erneut auf die ihren in wachsendem Begehren. Jetzt war er entschlossen, all ihr Denken zu vereinnahmen, bis nichts Trennendes mehr Platz darin fand. All ihre Skrupel wollte er besiegen, damit sie endlich, wenn er ihr die Wahrheit enthüllte, ihre Verbindung nicht länger beklagte.

„Gavin ...“

„Schsch.“ Unvermittelt schob er eins seiner Beine zwischen ihre Schenkel und hob sie damit an, sodass sie rittlings darauf zu sitzen kam. Entgegen seiner Erwartung wehrte sie sich nicht, obwohl seine Küsse immer heißer wurden. Dabei wurde Rhys selbst von solch tiefer Leidenschaft erfasst, dass er sein taktisches Ziel aus den Augen verlor, weil er nicht mehr klar denken konnte. Und als er schließlich Liannas Zunge herausfordernd mit der seinen liebkoste, gab die junge Frau ein schwaches Stöhnen von sich und sank erschauernd an seine Brust.

Die unverstellte Lust, in die sie sich in aller Unschuld vertrauensvoll fallen ließ, raubte ihm schier den Verstand. Denn sie ließ sich gehen, packte ihn bei den Schultern und krallte sich mit den Nägeln fest. Dass sie ihm so entgegenkam, besiegte all seine Bedenken, und er dachte beglückt: Diese Frau ist mein.

Keinesfalls würde er sie, die er nun als zu ihm gehörig ansah, Warrick überlassen. Denn er konnte es kaum erwarten, bis die schöne junge Schottin nackt mit ihm im Bett lag, wo er ihr Verlangen zu seinem eigenen Entzücken anheizen und am Ende stillen würde. Und da er fühlte, wie sie an seinem Körper erbebte, begann er zu ahnen, wie wundervoll es sein werde, sie zum Höhepunkt zu führen.

Plötzlich schob sie ihn von sich, Kummer und Reue im Gesicht. „Ich darf das nicht“, flüsterte sie. „Es tut mir leid.“

„Wartet, Lianna“, bat er, denn ihm war bewusst, dass er ihr besser hier und jetzt die Wahrheit sagte.

Doch saß sie so rasch auf, dass seine Bitte sie nicht mehr erreichte. Ohne zurückzublicken, trieb sie ihr Pferd der Burg Eiloch zu. Rhys aber spürte die kalte Nässe nicht, die ihn bis auf die Knochen durchweichte. Denn sein Körper war in Aufruhr und voller Hitze, weil er Lianna MacKinnon begehrte, wie er nie eine Frau begehrt hatte.

Das Blatt hatte sich gewendet, denn er war fest entschlossen, Anspruch auf seine lang versprochene Braut zu erheben.

2. KAPITEL

Lianna wischte gerade auf allen vieren ein paar Krümel zusammen, die ihr auf dem Boden des Versammlungsraums ins Auge gefallen waren, als ihr Bruder hereinkam. „Vor mir brauchst du doch nicht niederzuknien, Schwesterherz“, scherzte er.

Lianna aber war nicht nach Lachen zumute, denn das Zusammentreffen mit Gavin MacAllister steckte ihr noch in den Knochen. Immer noch war sie fassungslos, wenn sie an sein männlich schönes Antlitz dachte. Gott helfe mir, dachte sie, mit seinen Küssen machte er mich willenlos. Zwar war Lianna schon geküsst worden, doch hatte es sich um die Mutprobe zwischen zwei Knaben gehandelt, welche in einem trockenen Schmatzer auf ihren Mund gipfelte, auf den sie gern verzichtet hätte. Gavin hingegen hatte mit seinen Küssen eine Fülle sinnlicher Gefühle in ihr geweckt, die ihr auf dem Rückweg zur Burg die Schamesröte ins Gesicht getrieben hatten.

Sie kannte es nicht anders, als dass Männer ihr wenig Sympathie entgegenbrachten und sie als Frau nicht beachteten. Auch jetzt, da sie sich erhob und den Putzlappen zu einem ordentlichen Quadrat faltete, entging ihr das abschätzige Grinsen eines ihrer Stammesbrüder nicht, der sich in der Nähe aufhielt.

„Ich glaube, Ihr habt ein Sandkörnchen liegen lassen“, machte der Mann, Robbie geheißen, sich über sie lustig. „Seht nur, dort.“ Er wies direkt neben ihr auf den Boden.

Sie ertappte sich dabei, genau dorthin blicken zu müssen, und fand sich in ihrer Zwanghaftigkeit vorgeführt. Da der Mann auflachte, warf Lianna ihrem Bruder einen flehentlichen Blick zu, dieser aber reagierte nicht darauf, zog stattdessen einen Stuhl heran und setzte sich.

„Darf ich fragen, was du heute Wichtiges entdeckt hast?“, fragte er. „Spinnweben bei den Bauern oder, Gott behüte, womöglich eine Maus?“

Robbie kicherte in sich hinein, was Lianna zu ignorieren versuchte. In Wahrheit hatte sie völlig vergessen, die Bauernhäuser zu inspizieren. Und obwohl sie Sían hätte melden müssen, dass sie einen Fremden getroffen hatte, der sich Gavin MacAllister nannte, widerstrebte es ihr, ihn ins Vertrauen zu ziehen. Was sie erlebt hatte, mochte sie mit niemandem teilen.

Stattdessen leierte sie herunter, was sie in den letzten Tagen schon berichtet hatte. „Hamish und Maire wurden zwei ihrer Rinder geraubt, und ihre Tochter Lara bekommt im Frühling ein Kind. Orna wird langsam alt und hat Schmerzen an Händen und Füßen. Und die meisten unserer Leute legten nicht genug Vorräte für den Winter an. Wir sollten besser vorbereitet sein, meine ich.“

Eine innere Stimme flüsterte ihr zu, dass sie die Münzen, die sie hortete, zum Ankauf von Vorräten für ihre Stammesverwandten verwenden sollte, doch hoffte sie inständig, sich damit die Freiheit erkaufen zu können. Sollte er sich aber als unbestechlich erweisen, wollte sie das Silber stiften.

Sían seufzte. „Alles beim Alten, wie mir scheint. Was täte ich bloß ohne deine Beobachtungen?“ Während er seinen Männern zuzwinkerte, fuhr Lianna beunruhigt fort: „Vater sagte mir, Rhys de Laurent, den ich zum Manne nehmen muss, sei mit seinen Leuten eingetroffen.“ In Erwartung seiner Antwort faltete sie die Hände, hatte ihr Bruder doch bei der Allianz viel zu verlieren. Denn sobald der Normanne Lianna heiratete, stieg dieser an die Spitze des Clans auf und erhielt die Macht des Chiefs.

Ihre Rechnung ging auf, denn Sían erstarrte bei ihren Worten. „Ach ja?“, fragte er mit kalter Stimme, indem er mit der Hand an das Heft seines Dolchs fuhr.

Lianna wagte eine Bitte. „Wirst du meinetwegen mit unserem Vater sprechen?“ Sie suchte Síans Ego zu schmeicheln. „Ich finde, dir steht es zu, Clan Chief zu werden, und keinem Fremdling.“ Dann setzte sie mit Nachdruck hinzu: „Sollte es dir gelingen, meine Hochzeit mit dem Normannen zu verhindern, werde ich dir auf ewig dankbar sein.“

„Du hast recht, ich sollte unser Volk anführen“, versetzte ihr Bruder grimmig, den die Aussicht, die höchste Stellung im Clan an einen Normannen zu verlieren, bis aufs Blut peinigte. „Unser Vater ist krank und schwach, sodass wir uns auf das Schlimmste gefasst machen müssen.“

„Sei bedankt“, murmelte sie, im Stillen tief besorgt um ihren Vater, der seit dem Sommer schon mit einem schlimmen Husten kämpfte.

„Denkt der Normanne etwa, er kann einfach unser Land stehlen, meiner Schwester ein Kind machen und alles unter sein Kommando bringen, wofür wir seit Urzeiten arbeiten? Das lasse ich nicht zu“, ereiferte Sían sich, ergriff Liannas Hand und tätschelte diese, als gelte es, seine Schwester zu beschützen. Die anwesenden Stammesbrüder wirkten ähnlich aufgebracht.

„Vielleicht kann ein Kampf vermieden werden, wenn man ihm eine andere Braut gibt“, schlug Lianna vor. „Dann wären die Voraussetzungen für eine Allianz trotzdem erfüllt.“ Dass eine junge Schottin ohne nennenswertes Vermögen einen reichen Mann erhören würde, selbst wenn er ein Normanne war, hielt sie für ausgemacht.

„Lasst uns ihm deine Zofe Orna geben“, gab Sían mit herzhaftem Lachen zurück. „Alt, wie sie ist, findet sie keinen anderen Freier mehr und hat bestimmt nichts gegen die Heirat einzuwenden.“

Lianna, die merkte, dass sie mit keinem ernsten Wort zu rechnen hatte, solange ihr Bruder mit den anderen Männern zusammensteckte, stand auf und entfernte sich ein paar Schritte. Ganz wie erhofft folgte er ihr. „Sei mir nicht böse, Schwesterherz“, lenkte er ein. „Lass uns spazieren gehen und alles in Ruhe durchsprechen.“

Sie nickte, denn sie verstand, dass er als angesehener Anführer der jüngeren Stammesbrüder in deren Gegenwart keinen Rat bei seiner Schwester suchen mochte.

Schon hatten sie schweigend eine halbe Meile zurückgelegt, als Sían endlich zu sprechen begann. „Ich merke, dass die Hochzeit mit Rhys de Laurent dir Angst einjagt.“

„Ja, das stimmt“, gab sie zu. „Das Beste wäre, dass er die Verbindung mit mir ablehnt, wenn er mich erst sieht.“ Was ihr durchaus wahrscheinlich schien, weil die meisten Männer sich über sie nur lustig machten. Niemand verstand Liannas oft ungewöhnliches Verhalten, und sie erwartete es auch nicht.

„Es kommt nicht darauf an, wie er dich findet“, gab ihr Bruder zurück. „Der springende Punkt ist, dass er niemals freiwillig die Macht über Eiloch aufgeben wird. Schließlich sind unsere Ländereien von großem Wert, und er kann das Ansehen, das er beim englischen König genießt, erheblich steigern, indem er darauf Anspruch erhebt.“

„Wenigstens muss es doch mich nicht treffen“, flüsterte sie. „Bitte überzeuge ihn, dass er dort, wo er herkommt, glücklicher wäre. Vielleicht lässt er sich ja bestechen. Ich habe über die letzten Jahre einiges Silber angespart.“

Síans Blick umwölkte sich. „Ich verstehe.“ Seufzend legte er ihr den Arm um die Schultern. „Ich werde nie zulassen, dass der normannische Bastard dich verletzt, Lianna. Darauf gebe ich dir mein Wort.“

Gern hätte sie ihm geglaubt, doch hatte sie ihre Zweifel. Denn die Übereinkunft zwischen Schotten und Normannen war getroffen worden, noch bevor sie das Licht der Welt erblickte. Auch hatte sie von der wilden Kampfkraft der normannischen Krieger gehört, die zweifelsohne in der Lage waren, den Clan zu besiegen. Dann bliebe von den strohgedeckten Häusern der Bauern nichts als Asche übrig, dachte sie traurig. Das will ich keinesfalls.

Große Furcht kam über sie, der sie sich nicht unterwerfen wollte. Und da ihr erfahrungsgemäß Ablenkung durch praktisches Tun am besten half, beschloss sie, die Wintervorräte noch einmal zu prüfen.

„Gibt es einen anderen Mann, den du lieber heiraten würdest?“, neckte Sían sie. „Hast du vielleicht ein Auge auf jemanden geworfen?“

Unvermittelt erschien das Bild Gavin MacAllisters vor ihrem inneren Auge, dessen muskulöser Körper die schlichte Tracht der MacKinlochs auf so aufregende Weise ausfüllte. Wie sehr hatte sie es genossen, als er sie umarmte, und wie wehrlos hatten seine Küsse sie gemacht!

Verwirrt blieb sie stehen, während flammende Röte sich über ihr Gesicht breitete. Ihr Bruder aber strahlte vor Neugier. „Sag schon, wer ist es, Lianna?“

Beschämt schlug sie die Hände vor die Augen, schüttelte den Kopf und drehte ihm den Rücken zu. „Da ist niemand.“

Sían lachte in sich hinein. „Ich sehe schon, du willst es für dich behalten.“ Gutmütig zauste er ihr das Haar. „Keine Sorge, ich kümmere mich darum, dass du den Normannen nicht zum Manne nehmen musst.“

„Was hast du vor?“, fragte sie beklommen. „Es wird nicht leicht sein, es ihm auszureden.“

„Zerbrich dir nicht dein Köpfchen“, versetzte er mit einem schlauen Lächeln. „Vertrau auf mich, denn ich weiß, was zu tun ist.“

Liebend gern hätte sie ihm geglaubt, vermochte es aber nicht. Denn ihr Bruder war von sprunghafter Natur, und seine Entschlüsse hingen von seiner jeweiligen Laune ab. Zwar liebte sie ihn herzlich, wusste aber, was für ein unzuverlässiger Mensch er war. Trotzdem klammerte sie sich an die Hoffnung, er werde sich für sie einsetzen.

Dabei dachte sie an ihren Vater, der womöglich nicht mehr lange zu leben hatte. Seit dem frühen Tod ihrer Mutter Davina, welche sie im Alter von acht Jahren als Halbwaise zurückgelassen hatte, war Alastair MacKinnon ihr ein wahrer Fels in der Brandung gewesen. Immer hatte er einen liebenden gütigen Vater abgegeben und ihr gegenüber sogar bedauert, dass nicht sie, Lianna, als sein erstgeborener Sohn zur Welt gekommen war. Daran zu denken wärmte ihr das Herz.

„Ich weiß, dass die Menschen unseres Stammes dir am Herzen liegen“, hatte er anerkennend gesagt. „Du merkst, was ihnen fehlt, selbst wenn sie es aus Stolz nicht zugeben.“

Damit hatte er völlig recht, doch Sían war sein Erbe. Lianna aber ehrte das Andenken ihrer Mutter, indem sie das Haus, ihr gleich, untadelig sauber und ordentlich hielt. Das brachte ihr Spott und Hohn seitens derer ein, die ihre Beweggründe nicht verstanden.

Als die Geschwister zur Burg zurückkehrten, trennten sich ihre Wege. Lianna ging schnurstracks zu den Kellerräumen, welche als Vorratslager dienten, und stieg die stabile Holzleiter hinunter. Seufzend ließ sie den Blick über die säuberlich sortierten Vorräte wandern, denn diese waren kärglich. Kam keine Hilfe von außerhalb, hatte der Stamm im Winter eine Hungerperiode zu erwarten.

Um ihrer Sorge Herr zu werden, begann sie, alles neu anzuordnen. Doch war es kalt hier unten, sodass sie froh war, als sie schließlich nach etwa einer Stunde fröstelnd wieder emporstieg. Oben traf sie auf Sían, der mit anderen Männern im Hof stand. Alle führten ihre Pferde am Zügel und trugen Waffen, doch nur ihr Bruder war mit Armbrust und Pfeilköcher ausgerüstet. Spottverse gegen die Normannen machten die Runde.

Siedend heiß fiel es ihr aufs Gemüt, dass Rhys de Laurent wohl seit Längerem ihrer Ankunft harrte. Ihren Bruder und seine Stammesbrüder aber bewaffnet zu sehen, weckte ihren Argwohn. Die Röcke raffend eilte sie auf sie zu. „Sían, was habt ihr vor? Warum steht ihr unter Waffen?“

„Wir gehen auf die Jagd, Lianna“, antwortete er lächelnd. „Du selbst beklagtest, dass es uns an Nahrung mangelt.“

Gern hätte sie ihm Glauben geschenkt, doch beunruhigte sein spöttischer Ton sie. Und weil einer seiner Freunde eine Axt am Gürtel trug, die für die Jagd auf wilde Tiere nicht taugte, begann sie eine Attacke gegen die normannische Delegation zu vermuten.

Da kam die Ahnung sie an, wie die Begleiter ihres gutgläubig angereisten Bräutigams jeden Schotten, der die Waffen gegen sie erhob, im Handumdrehen erschlugen.

„Sían, begehe keine Torheit“, flehte sie unter Atem. Im Angesicht seiner Männer mochte sie ihn nicht der Lüge bezichtigen, spürte aber, dass er nicht die Wahrheit sagte.

„Ich werde tun, was das Beste für uns alle ist“, versetzte er, wobei sein Lächeln sich zu einem höhnischen Grinsen wandelte. „Wir wollen doch kein Raubtier im Gehege dulden, nicht wahr?“

Lianna, der klar wurde, dass nur ihr Vater Sían noch zurückhalten konnte, erbleichte. Und jede Chance, Rhys de Laurent zu bestechen, war dahin, ließ ihr Bruder sich nicht vom Kampf abbringen.

„Sían, warte!“, rief sie ihrem Bruder nach, der nun aufsaß. Doch reckte er nur zum Abschied seinen Dolch in die Luft, und seine Stammesbrüder taten es ihm lachend gleich. Als aber ein Schwarm schwarzer Krähen die Schar überflog, wurde die junge Frau von einer schlimmen Vorahnung erfüllt. Wenn sie sich in den Kampf werfen, sterben sie alle.

In höchster Aufregung eilte sie zum Wohnhaus, denn der Einzige, der Sían aufhalten konnte, war ihr Vater Alastair.

Rhys de Laurent saß inmitten seiner Leute beim Feuer und sah zu, wie die goldenen Flammen an den Torfsoden leckten und züngelten. Zwar hatte Alastair MacKinnon ihm und seinen Männern sicheren Aufenthalt in seinem Haus garantiert, doch hatte Rhys lieber ein Lager aufschlagen lassen, um in Ruhe abzuwarten, wie die Dinge sich entwickelten. Zwar glaubte er nicht, dass normannische Soldaten den Highlandern wirklich willkommen waren, doch war er inzwischen entschlossen, seine schottische Verlobte tatsächlich zu heiraten. Gleich am Morgen wollte er nach Eiloch aufbrechen.

Unzählige Fragen gingen ihm durch den Sinn, auf die er noch keine Antworten hatte. Vor seinem Treffen mit Lianna MacKinnon hatte er erwartet, sie werde ihrem Ruf als einer ängstlichen Person gerecht werden. Doch war sie ihm unerwartet eigenständig erschienen, keineswegs furchtsam. Und sie hatte ihn bezaubert, sodass er nun, da er sie gekostet hatte, ihrer noch lange nicht satt war.

Dabei hatte er nur seine Neugier befriedigen wollen, als er sie küsste. Es hatte ihn gereizt, herauszufinden, ob ihr flammend rotes Haar in ihrem Wesen eine Entsprechung fand und ihr womöglich ein ungeahntes Feuer zu eigen war. Doch erwies sie sich zunächst auch als unerfahren und von der Situation überfordert, waren ihre Küsse süß und von einer Unschuld beseelt, als sei er der erste Mann, der sich ihr jemals genähert hatte. Und wie sie sich seinen Liebkosungen geöffnet hatte, ohne sich zu zieren, hatte ihn im Sturm gewonnen und ihn überzeugt, dass sie die Richtige für ihn war.

Autor

Michelle Willingham
<p>Michelle schrieb ihren ersten historischen Liebesroman im Alter von zwölf Jahren und war stolz, acht Seiten füllen zu können. Und je mehr sie schrieb, desto mehr wuchs ihre Überzeugung, dass eines Tages ihr Traum von einer Autorenkarriere in Erfüllung gehen würde. Sie besuchte die Universität von Notre Dame im Bundesstaat...
Mehr erfahren