Weihnachten im Bett des Milliardärs

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Der Unternehmer Aidan Kavanagh ist verwirrt: Was macht seine unvergessene College-Liebe Emma in seiner abgeschiedenen Heimatstadt Silver Glen? Plötzlich kreuzen sich ständig ihre Wege. Obwohl zehn Jahre und eine bittere Trennung hinter ihnen liegen, ergreift die Leidenschaft für Emma erneut Besitz von Aidan. Aber warum gibt sie sich seinen Zärtlichkeiten jetzt so bereitwillig hin? Schließlich wollte sie damals einen anderen heiraten. Ist es nur Sex, oder fühlt auch sie die Liebe wieder erwachen? Kann Aidan es wagen, Emma wieder in sein Herz zu lassen?


  • Erscheinungstag 29.11.2016
  • Bandnummer 1953
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723217
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Mrs. Maeve Kavanagh sowie Mr. und Mrs. W. H. Larin laden hiermit herzlich am Samstag, den 20. Dezember zu den Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit ihrer Kinder Dylan Edward und Mia Elaina ein. Die Trauung findet in der Kapelle in Silver Glen statt.

Aidan Kavanagh starrte auf die cremefarbene Karte. Bewundernd schüttelte er den Kopf. Das musste man seiner Mutter lassen – dieses Mal hatte sie ihn wirklich schachmatt gesetzt. Sie wusste genau, dass Aidan das Städtchen Silver Glen im Bundesstaat North Carolina zur Weihnachtszeit mied wie der Teufel das Weihwasser. Doch Maeve spekulierte offenbar darauf, dass Aidan niemals die Hochzeit seines Bruders verpassen würde.

Vor Kurzem hatte bereits sein ältester Bruder Liam geheiratet. Die Hochzeit war ein großes gesellschaftliches Ereignis in Zoes Elternhaus in Connecticut gewesen – für Aidan ein Katzensprung von New York aus. Dieses Mal hatte er leider nicht so viel Glück.

Dabei liebte er Silver Glen – allerdings nur außerhalb der Weihnachtszeit. Damit verbanden sich zu viele dunkle Erinnerungen für Aidan. Stattdessen besuchte er seine große und liebenswerte Familie zu anderen Gelegenheiten: Ostern, Muttertag, Unabhängigkeitstag – und natürlich im Oktober, wenn die Herbstfärbung der Bäume in den Bergen einfach zauberhaft war.

Aber Dezember? Nein. In den letzten zehn Jahren war er nur ein einziges Mal zu dieser Jahreszeit dort gewesen, und das auch nur, weil einer seiner Brüder im Krankenhaus gelegen hatte. Sowohl seine Mutter als auch seine Geschwister hatten ihn behandelt wie ein rohes Ei. Alle waren sich zu sehr des Unglückes bewusst, das immer noch auf Aidan lastete. Er hatte sein Bestes gegeben, so zu tun, als wäre alles in Ordnung – als ob es ihm gelungen wäre, mit seinem Leben weiterzumachen.

Bedauerlicherweise hatte sich niemand von seiner aufgesetzten Weihnachtsfröhlichkeit täuschen lassen – Aidan selbst am wenigsten. Die traurige Wahrheit blieb nun einmal, dass er den Dezember schrecklich fand. Dabei ging es ihm ansonsten wirklich ausgezeichnet. Sein Leben lief bestens, und Aidan hielt sich für einen glücklichen Menschen. Dennoch trug er eine Schuld mit sich herum, von der nicht einmal seine Familie etwas wusste.

Er warf die verstörende Einladung auf den Tisch, stand auf und streckte sich. Von seinem Bürofenster aus hatte er freie Sicht auf den Hudson River, von der Freiheitsstatue bis hin zur George Washington Bridge. Aidan liebte New York City. Es pulsierte vor Leben, und selbst nachts um drei konnte man Bagel mit Räucherlachs kaufen, ohne dabei irgendwie aufzufallen. Am meisten liebte er jedoch die Anonymität. Niemand kümmerte sich darum, woher er kam oder was er vorhatte. In New York hatte Aidan endlich wieder das Gefühl, frei atmen zu können.

In Silver Glen hatte er eine äußerst idyllische Kindheit verlebt – zumindest bis zum Tod seines Vaters, der gestorben war, als Aidan noch ein Teenager gewesen war. Und die bezaubernde Stadt in den Bergen würde auch immer seine Heimat bleiben. Doch als Aidans Welt mit einundzwanzig plötzlich in Trümmern gelegen hatte, ertrug er den Gedanken nichts länger, dass in einer Kleinstadt jeder alle Geheimnisse des anderen kannte.

Seine Rettung war der Umzug nach New York gewesen. Mit dem Geld seiner Familie als Startkapital hatte er ein äußerst erfolgreiches Immobiliengeschäft gegründet. Mit seiner charmanten Art verhalf er den Reichen und Schönen zu ihren neuen Traumwohnungen in Manhattan.

Der Signalton seines Handys erinnerte ihn an einen Termin, der gleich anstand. Er setzte sich und nahm einen Füller in die Hand. Nachdenklich drehte er den schweren Goldzylinder zwischen den Fingern hin und her. Auf der ledernen Schreibunterlage lag noch immer unscheinbar die Einladung. Er las sie ein zweites Mal, doch das ungute Gefühl in der Magengegend wollte einfach nicht verschwinden.

Der 20. Dezember. Das bedeutete, er würde mindestens am Wochenende vorher anreisen müssen, weil seine Mutter bestimmt eine Reihe gesellschaftlicher Veranstaltungen vor der Hochzeit geplant hatte. Anschließend würde er wohl oder übel bis zum 25. Dezember dableiben müssen, um mit seiner Familie Weihnachten zu feiern. Das bedeutete fast zwei volle Wochen – aus seiner Sicht beinahe eine Ewigkeit.

Er sah auf den Terminplaner. Im Dezember gab es noch nicht viele Einträge. Nicht einen einzigen, um ehrlich zu sein. Niemand suchte ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit nach einer neuen Immobilie. Aidans Klienten waren viel zu sehr damit beschäftigt, exklusive Partys zu geben, Zeit mit ihren verwöhnten Kindern zu verbringen und Reisen an tropische Urlaubsorte zu planen. Das wiederum bedeutete unglücklicherweise, dass Aidan tun und lassen konnte, was er wollte.

Oder – wie in seinem Fall – was er eben nicht wollte.

Einen Augenblick lang musste er an die Vergangenheit denken und sah die beiden jungen Frauen vor sich, die in seinem Leben eine Rolle gespielt hatten. Beide schön und bezaubernd, lebensfroh und humorvoll. Und beide hatte er verloren.

Wieder einmal verspürte er das vertraute Gefühl, eine Mischung aus Schuld und Bedauern darüber, dass er nie bekommen würde, wonach er sich sehnte. Absolution. Eine Frau und eine eigene Familie.

Wenn er Weihnachten in Silver Glen verbrachte, würde er sich Erinnerungen stellen müssen, die er lieber mied, obwohl es im Grunde gar nicht möglich war. Sie begleiteten ihn überallhin. Das wirklich Schmerzhafte daran, nach Hause zurückzukehren, war, dass andere Menschen seine Erinnerungen teilten. Und dieses Mitleid seiner Familie gefährdete seinen mühsam errichteten emotionalen Schutzschirm.

Er wollte sich nicht von ihrer Liebe heilen lassen. Das hatte er nicht verdient. Außerdem wünschte er sich, überhaupt nichts fühlen zu müssen. Aber seine Familie kannte seine wunden Punkte und durchschaute seine gespielte Gleichgültigkeit.

Aidan Kavanagh war ein charmanter Mann, der sich nur dafür interessierte, lukrative Geschäfte abzuschließen. Sein wahres Ich schirmte er sorgfältig vor allen anderen Menschen ab, um sie von sich fernzuhalten. Drei Mal hatte er in seinem Leben geliebt und diese Liebe auch wieder verloren und war jetzt ein für alle Mal fertig mit Gefühlen.

In Silver Glen hingegen, besonders während der Feiertage, würde er wieder er selbst sein müssen – der junge Mann, der Spaß am Leben gehabt und mit naiver Unschuld nach dem Glück gegriffen hatte. Im Schoß seiner Familie würde er dazu gezwungen sein, sich seinen verletzlichen Seiten zu stellen.

Konnte er das wagen, ohne dabei auf der Strecke zu bleiben?

Wie verführerisch erschien ihm mit einem Mal die herrliche Anonymität der großen Stadt, die einen wie ein schützender Schild umgab und vor Schmerzen bewahrte. Natürlich liebte Aidan seine Familie aus ganzem Herzen, aber darüber hinaus hatte er nichts zu bieten. Liebe bedeutete nun einmal Schmerz, und wie hieß es so schön? Gebranntes Kind scheut das Feuer.

Vorsichtig lehnte Emma Braithwaite sich auf der antiquierten Trittleiter vor, um ins Schaufenster ihres Geschäftes greifen zu können, das sie gerade liebevoll dekorierte. Sie zupfte noch ein Stück Dekostoff zurecht, als auf der Straße eine Frau vor dem Fenster stehenblieb und ihr zuwinkte. Unwillkürlich musste Emma lächeln, als sie durch die Beschriftung der Schaufensterscheibe, auf der in goldenen Lettern Silver Memories stand, Maeve Kavanagh erkannte. Sie war nicht nur das Oberhaupt ihrer Familie, sondern auch Mutter von sieben sexy, verführerisch männlichen Söhnen, allesamt künftige Erben des beträchtlichen Familienvermögens.

Die Vorfahren von Maeves Ehemann hatten einst eine Silbermine in den Bergen entdeckt und Silver Glen zu einem florierenden Städtchen gemacht. Ein dunkles Kapitel in der Familiengeschichte kam, als Reggie Kavanagh, Maeves Mann, plötzlich wie besessen von der Idee war, diese Mine wiederzufinden. Eines Tages brach er zu einem Ausflug in die Berge auf, von dem aus er nie wiederkehrte.

Doch das gehörte schon längst der Vergangenheit an. Mittlerweile war Maeve eine energiegeladene Dame in ihren Sechzigern, die ihre Familie fest in der Hand hatte und außerdem erfolgreich das Luxushotel Silver Beeches Lodge leitete.

Die Türklingel ertönte, als Maeve das Geschäft betrat. Die ältere Frau trug ihr kastanienbraunes Haar, das nur von wenigen silbernen Strähnen durchzogen war, zu einer modischen Frisur hochgesteckt.

Rasch kletterte Emma von der Leiter und strich ihren Rock glatt.

Maeve schwenkte einen cremefarbenen Umschlag. „Ich weiß, dass die Etikette vorsieht, Ihnen das mit der Post zuzuschicken, aber ich konnte einfach nicht mehr warten. Hier. Nehmen Sie schon.“

Lächelnd kam Emma ihrer Aufforderung nach, und nachdem sie die Karte gelesen hatte, verstand sie, warum Maeve so aufgeregt war. „Noch eine Hochzeit?“

Maeve nickte zufrieden. „Und dieses Mal findet die Trauung auch hier in Silver Glen statt. Das Ganze ist ein bisschen kurzfristig, aber erst seit Kurzem wissen wir, dass am Tag nach Weihnachten die kleine Cora offiziell Dylans anerkannte Adoptivtochter sein wird. Deswegen wollen er und Mia bis dahin verheiratet sein.“

„Ich fühle mich geehrt, dass Sie mich einladen“, sagte Emma und steckte die Karte zurück in den Umschlag.

Vor einigen Wochen hatte sie Mia in dem Coffeeshop um die Ecke vom Silver Memories kennengelernt und sich seitdem mit ihr angefreundet.

„Ach“, entgegnete Maeve. „Sie gehören doch quasi zur Familie. Mia lobt Sie immer in den höchsten Tönen, und ich bin wirklich froh, dass ich Sie die letzten Monate kennenlernen durfte.“

Kurz nachdem Emma ihr Geschäft eröffnet hatte, hatte Maeve bei ihr ein paar außergewöhnliche Tische für eine Lounge in der Silver Beeches Lodge erworben. Dank Maeves begeisterter Mundpropaganda lief das Silver Memories seitdem außerordentlich gut.

Silver Glen war eine kleine, beschauliche Stadt, die sich zu einem wahren Touristenmagneten entwickelt hatte. Nicht nur wohlhabende Naturliebhaber, sondern auch Filmstars waren dem ruhigen Zauber des Bergstädtchens verfallen.

„Mia hat mir erzählt, dass Sie dieses Jahr über Weihnachten nicht zurück nach England fahren. Stimmt das?“, fragte Maeve.

„Ja, meine Mutter möchte mit ein paar Freundinnen die griechischen Inseln besuchen. Ich habe sie daher im September für zwei Wochen besucht. Ich bin nur froh, dass sie so gut über den Verlust meines Vaters hinwegkommt.“

„Dann möchte ich, dass Sie die Feiertage mit uns feiern“, sagte Maeve. „Mia würde sich auch sehr darüber freuen, wo ihre Eltern doch nur für die Hochzeit selbst kommen können. Was halten Sie davon?“

Emma wusste nicht, was sie daraufhin erwidern sollte. Es machte ihr eigentlich nichts aus, allein zu sein und ungestört vor sich hinträumen zu können. Außerdem war sie kein Mitglied der Familie und befürchtete, dass den Kavanaghs die Gegenwart einer Fremden unangenehm sein könnte.

„Ha!“ Triumphierend hielt Maeve eine Silberrassel und einen dazu passenden kleinen Becher aus den Fünfzigern hoch. „Wusste ich doch, dass ich die bei Ihnen gesehen habe!“, meinte sie. „Eine alte Collegefreundin von mir wird zum ersten Mal Großmutter. Das ist das perfekte Geschenk.“

Während Emma die beiden Gegenstände abkassierte, fragte sie sich, wie groß die Hochzeit wohl ausfallen würde. Und dann kam ihr ein anderer Gedanke, und plötzlich beschleunigte sich ihr Herzschlag.

„Können denn alle aus Ihrer Familie so kurzfristig zur Hochzeit kommen?“ Bisher hatte sie Maeve noch nicht gestanden, einen ihrer sieben Söhne ziemlich gut zu kennen.

„Das hoffe ich.“ Maeve wirkte ein wenig bedrückt. „Mein dritter Sohn, Aidan, lebt in New York. Wir sehen ihn nicht besonders oft. Und außerdem …“

Sie verstummte, und an ihrem Gesichtsausdruck erkannte Emma, dass die ältere Frau an etwas Unangenehmes dachte.

„Was denn?“, erkundigte sie sich neugierig.

„Vor einigen Jahren hatte Aidan an Weihnachten ein furchtbares Erlebnis“, verriet Maeve ihr. „Deswegen kommt er eigentlich nie zu den Feiertagen im Dezember nach Silver Glen.“

„Auch nicht für diese Hochzeit?“

„Wir hoffen sehr, dass er sich dazu durchringen kann, aber man kann nie wissen …“

Was würde Aidan wohl denken, wenn er ausgerechnet Emma im Kreise seiner Familie antraf? Seit zehn Jahren hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Als sie im Spätsommer nach Silver Glen gekommen war, hatte sie eigentlich mit ihm sprechen und einen Schlussstrich unter ihre schmerzhaften Erfahrungen setzen wollen. Damals hatte sie ihm sehr wehgetan, und dafür hatte sie sich entschuldigen wollen. Doch dann hatte sie feststellen müssen, dass Aidan längst nicht mehr in seiner Geburtsstadt lebte.

Es war durchaus möglich, dass Aidan überhaupt nicht mehr an früher dachte und Emma nicht mehr als eine unbedeutenden Fußnote in seinem Leben war. So, wie Maeve ihn beschrieb, schien er in der Zwischenzeit ein völlig anderer Mensch geworden zu sein.

Letzten Endes war es der Charme von Silver Glen, der Emma überzeugt hatte, in der Kleinstadt sesshaft zu werden. Trotzdem hoffte sie, sich bei Aiden entschuldigen zu können. Vielleicht würde sie dann endlich wieder Frieden für ihre Seele finden können.

Am liebsten hätte sie Maeve über Aidan ausgefragt, aber sie wusste, dass das äußerst unhöflich gewesen wäre. „Bestimmt ist ihm klar, wie viel allen diese Hochzeit bedeutet.“

Maeve hatte sich wieder gefasst. „Sie haben mir immer noch keine Antwort gegeben“, sagte sie vorwurfsvoll. „Ich muss Sie warnen, dass ich mich nur mit einer Zusage zufriedengebe.“

„Dann nehme ich Ihre Einladung von Herzen gerne an.“

„Wunderbar, meine Liebe. Ich muss gestehen, dass ich Ihrem herrlichen britischen Akzent stundenlang zuhören könnte.“

„Ich würde ja sagen, dass Sie diejenige mit dem Akzent sind“, entgegnete Emma. „Sie und der Rest von Silver Glen. Ich komme einfach nicht dahinter, wie Sie das machen.“

Lachend ging Maeve zur Tür. „Machen Sie sich nichts vor, Emma. Sie sind eine blaublütige Engländerin und hätten sich locker diesen Prinzen da schnappen können, wenn Kate nicht schneller gewesen wäre.“

Nachdem Maeve gegangen war, spürte Emma, wie aufgewühlt sie wegen der Neuigkeiten war. Natürlich hatte sie gewusst, dass früher oder später dieser Tag kommen würde. Aidan wäre früher oder später wieder hierher zurückgekehrt – wenn nicht zu Weihnachten, dann eben im Frühjahr. Der Gedanke an ein Wiedersehen erschreckte und erfreute sie gleichermaßen. Natürlich wusste sie, dass es für sie beide keine zweite Chance gab, dafür war viel zu viel Zeit verstrichen. Zweifellos hatte er sich in der Zwischenzeit verändert, bestimmt auch durch die Tragödie, von der Maeve gesprochen hatte. Doch auf jeden Fall wollte Emma loswerden, was ihr auf der Seele lag. Sie würde schon dafür sorgen, dass Aidan ihr zuhörte. Er musste einfach wissen, dass sie unsterblich in ihn verliebt gewesen und beinahe daran zerbrochen war, als er damals die Uni verlassen hatte.

Damals war er für ein Auslandssemester nach Oxford gekommen und vor einem Pub mit Emma zusammengestoßen. Lachend hatte sie damals ihre Bücher und Unterlagen wieder aufgehoben, und Aidan hatte sie zum Abendessen eingeladen. Und der Rest war Geschichte, wie man so schön sagte.

Es tat weh, sich wieder daran zu erinnern. Ob er noch aussah wie damals? Würde er denken, dass sie sich verändert hatte?

Und überhaupt – was wollte sie Aidan Kavanagh sagen, wenn sie ihn endlich wiedersah?

2. KAPITEL

Aidan hielt den Wagen vor dem imposanten Gerichtsgebäude an. Es war schon vor Stunden dunkel geworden – ein untrüglicher Hinweis darauf, dass der kürzeste Tag des Jahres unmittelbar bevorstand. Die umliegenden Häuser erstrahlten im Glanz feierlicher Weihnachtsbeleuchtung.

Obwohl Aidan auch in New York City überall mit Weihnachtsdekorationen konfrontiert wurde, hatte dieser Anblick etwas Verstörendes. Als ob es erst gestern gewesen wäre, erinnerte er sich klar und deutlich an Danielles Begeisterung, als er sie das erste Mal mit nach Silver Glen genommen hatte, um Weihnachten mit ihm und seiner Familie zu feiern. Der Anblick der weihnachtlich geschmückten Stadt und des Neuschnees hatten sie in Entzücken versetzt.

Wenigstens waren dieses Jahr die Straßen frei. Unwillkürlich musste er an die ausgelassene Schneeballschlacht denken, die er sich damals mit Danielle geliefert hatte. Sie hatte es verstanden, das Leben stets so intensiv und fröhlich zu leben wie ein Kind.

Überrascht stellte er fest, dass er wenigstens ein paar schöne Erinnerungen an ihre letzten gemeinsamen Tage hatte.

Er sah auf die Armbanduhr und stellte fest, dass er weiter musste. Obwohl Dylan und Mia ihn eingeladen hatten, bei ihnen zu wohnen, bevorzugte er die Abgeschiedenheit eines Hotelzimmers im Silver Beeches Lodge. Dann störte er wenigstens niemanden, wenn er nicht schlafen konnte.

Liam und seine Frau Zoe bewohnten zurzeit noch eine Suite im Familienhotel, während sie auf die Fertigstellung ihres Traumhauses warteten. Bestimmt würde sein älterer Bruder kein Auge zumachen, bevor Aidan nicht wohlbehalten eintraf. Als Aidan ihm mitgeteilt hatte, dass er mit dem Auto fahren würde, hatte sein Bruder ihn gefragt, warum er die Mühe auf sich nahm und nicht einfach flog wie jeder normale Mensch.

Das fragte Aidan sich inzwischen selbst. Eigentlich hatte er sich während der langen Autofahrt auf die bevorstehende Tortur vorbereiten wollen. Nun, vielleicht war das ein bisschen melodramatisch – schließlich besuchte er Silver Glen seit damals nicht zum ersten Mal. Weihnachten war er bisher jedoch nur einmal hier gewesen, und das auch nur, weil sein Bruder im Krankenhaus gelegen hatte. Hastig hatte er ihm damals ein paar Geschenke und einen Weihnachtskuchen überreicht, um anschließend umgehend die Flucht zurück nach New York zu ergreifen.

Doch dieses Mal würde er nicht so leicht davonkommen. Maeve hatte ihn bereits vorgewarnt, dass seine Anwesenheit bei verschiedenen Feierlichkeiten erwartet wurde. Sie sah ihren drittgeborenen Sohn selten genug, und da sie ihn jetzt endlich in ihrer Nähe wusste, würde sie ihn so leicht nicht wieder gehen lassen.

Aiden legte den Gang ein und fuhr langsam weiter. Beinahe erwartete er, von einem Cop angehalten zu werden, der ihn nach dem Grund für seine nächtliche Spritztour fragte. Es sah hier immer noch so aus wie bei seinem letzten Besuch.

Er fuhr Aidan an Silver Glens einzigem Kino vorbei, das den Namen Silver Screen trug. In den fünfziger Jahren hatte jemand die Idee gehabt, alle Geschäftsnamen der Stadt mit dem Zusatz Silver zu versehen – eine geniale Marketingstrategie, wie Aidan fand. Überhaupt liebte er diese kleine Stadt, die über zwanzig Jahre lang seine Heimat gewesen war, aus ganzem Herzen und freute sich, dass sie wirtschaftlich so gut wuchs und gedieh.

Als er ein letztes Mal wendete, um in die schmale Straße in Richtung des Berghotels einzubiegen, fiel sein Blick auf ein ihm bisher unbekanntes Geschäft mit dem Namen Silver Memories, der Auslage im Schaufenster nach offensichtlich ein Antiquitätengeschäft. Früher hatte sich dort eine Sattlerei befunden. Seltsam, dachte Aidan, dass mir das bei meinem letzten Besuch zu Thanksgiving gar nicht aufgefallen ist. Aber da war er ja auch nur vierundzwanzig Stunden in der Stadt gewesen.

Kurz darauf fuhr er die Bergstraße hinauf zum Luxusressort seiner Familie und parkte vor dem Silver Beeches Lodge. Nachdem er seine Reisetasche genommen und den Wagenschlüssel einem leicht verschlafen wirkenden Pagen überreicht hatte, schickte er seinem Bruder Liam eine kurze SMS.

Bin angekommen. Gehe ins Bett, alter Mann. Wir sehen uns morgen.

Nachdem er bei dem adrett gekleideten Empfangschef eingecheckt hatte, betrat er wenige Minuten später sein dunkles, ruhiges und angenehm frisch duftendes Zimmer im obersten Stockwerk.

Rasch schlüpfte er aus seinen Schuhen, schloss sein Smartphone an das Ladekabel an und ließ sich erschöpft bäuchlings aufs Bett fallen, wild entschlossen, erst dann wieder aufzustehen, wenn jemand ihn dazu zwang.

Emma sah kurz zu ihrer Kundin hinüber, einer älteren Dame, die ihr gelegentlich ein paar Dinge zum Kauf anbot, um ihre Rente ein wenig aufzustocken. Im Augenblick schien sie jedoch zufrieden damit zu sein, die Auslagen im Silver Memories zu bewundern, weswegen Emma sich wieder dem Bildschirm ihres Laptops zuwandte.

Sie hatte die Seite eines Onlineshops einer Londoner Designerboutique geöffnet und war einfach nicht in der Lage, sich zwischen zwei Kleidern zu entscheiden. Kurz entschlossen legte sie beide in den Warenkorb und bestellte sie mit dem Expressversand. Wenn sie Aidan gegenübertrat, musste sie gewappnet sein. Emma war in der Upperclass aufgewachsen und mit der Etikette der High Society vertraut. Deswegen machte sie sich keine Sorgen wegen der Begegnung mit der wohlhabenden Familie Kavanagh. Der Gedanke an das Wiedersehen mit Aidan hingegen ließ ihr Herz schneller schlagen.

Die Frau verließ das Geschäft schließlich, ohne auch nur eine Kleinigkeit erworben zu haben, wie Emma seufzend zur Kenntnis nahm. Würde er noch leben, wäre ihr Vater entsetzt darüber gewesen, dass seine Tochter so etwas Gewöhnliches wie einen Einzelhandel betrieb. Schließlich waren alle Braithwaites – zumindest die männlichen – Rechtsanwälte, Geistliche oder Ärzte. Die Frauen der Familie pflegten sich die Zeit mit Teegesellschaften und Treibjagden zu vertreiben, während sie ihren Nachwuchs von Kindermädchen erziehen ließen. Emma war acht Jahre alt gewesen, als sie begriff, dass ihre geliebte Baba nicht mit ihr verwandt war.

Die bittersüßen Erinnerungen abschüttelnd, bereitete Emma sich darauf vor, das Geschäft zu schließen. In der Weihnachtszeit war nach sechzehn Uhr kaum etwas los, weswegen Emma im Dezember den Antiquitätenladen selten länger offen hielt.

Durch die Schaufensterscheibe beobachtete sie, wie die Menschen im Schneegestöber über die Straße hasteten. Am liebsten wäre sie gleich in ihr behagliches Apartment hinaufgegangen, aber leider hatte sie keine Milch mehr im Haus – und Tee ohne Milch war aus ihrer Sicht einfach nicht denkbar.

Also kuschelte sie sich in ihren dicken himbeerfarbenen Wollmantel, schlang sich einen schwarzen Wollschal um den Kopf, steckte sich Schlüssel und Portemonnaie in die Tasche und wagte sich ins Freie.

Zitternd stand sie kurz darauf eine Straße weiter vor einer Ampel und wartete ungeduldig darauf, dass die Fußgänger endlich Grün bekamen. Nachdem das Signal kam, ging sie zügig los. Den silberfarbenen Wagen, der bei Rot über die Kreuzung fuhr, bemerkte sie erst, als es bereits zu spät war.

Hastig versuchte sie noch, einen Schritt zurück zu machen, aber der rücksichtslose Autofahrer streifte dennoch ihre Hüfte, sodass sie durch die Luft zurück auf den unbarmherzig harten Asphalt des Bürgersteigs geschleudert wurde.

Ungeachtet der aufgeregten Menschen, die sich um sie herum versammelten, versuchte sie erst einmal herauszufinden, was ihr alles wehtat, und es gelang ihr schließlich, sich aufzusetzen. Sie zitterte immer noch am ganzen Leib, als ein Mann neben ihr in die Hocke ging. Trotz der kalten Luft nahm sie seinen warmen, männlichen und seltsam vertrauten Duft wahr.

„Nicht bewegen“, befahl er mit sanfter Stimme und stützte sie an den Schultern ab.

Gerade noch rechtzeitig, wie Emma feststellte, denn auf einmal begann die Welt um sie herum zu verschwimmen. Sirenengeheul erklang in der Ferne.

Kurz darauf wurde sie trotz ihres schwachen Protests auf eine Trage gelegt, und sie bemerkte wie betäubt das Blut an einem ihrer Beine. Die Rettungssanitäter verloren keine Zeit, und ehe Emma sich versah, hatten sie das Krankenhaus erreicht und sie wurde in ein Behandlungszimmer geschoben. Das Schwindelgefühl wurde immer schlimmer, und sie begann sich zu fragen, ob sie möglicherweise ernsthaft verletzt war.

Eine Krankenschwester überprüfte gerade ihre Vitalfunktionen, als eine männliche Stimme erklang. „Wie geht es ihr?“ Sie erkannte die Stimme ihres Helfers.

„Sie ist bei Bewusstsein, aber wir müssen sie röntgen.“

„Es geht mir gut“, stieß Emma hervor, ohne die Augen zu öffnen. Die Schwester war wieder gegangen, trotzdem spürte Emma, dass der fremde Mann immer noch in ihrer Nähe war. Mit einem Mal fühlte sie sich sicher und geborgen, und es kam ihr beinahe so vor, als ob er auf sie aufpassen würde.

„Nicht schlafen“, wies er sie an. „Ich nehme Ihnen erstmal diesen verdammten Schal ab.“

Jetzt erst bemerkte sie, dass sie immer noch den schwarzen Wollschal trug, der verrutscht war und einen Teil ihres Gesichts verdeckte. Sie spürte, wie der Mann ihn behutsam entfernte – und dann tief Luft holte. „Was zum Teufel … Emma?“

Mühsam stützte sie sich auf einem Ellenbogen ab und richtete sich ein Stück auf, um ihren geheimnisvollen Retter anzusehen. Oh, mein Gott! dachte sie, als sie ihn erkannte. „Aidan? Ich hab dich nicht gleich erkannt … Danke für deine Hilfe. Ich bin sicher, dass alles in Ordnung ist. Du kannst jetzt wirklich gehen.“ Obwohl sie sich darum bemühte, völlig ruhig zu klingen, bemerkte sie, wie sie zu zittern begann.

Fassungslos sah er sie an. „Was machst du hier?“

Tapfer schluckte sie die Tränen herunter, die ihr in die Augen stiegen. So hatte sie sich ihr Wiedersehen nun wirklich nicht vorgestellt. Schwer schluckte sie. „Ich lebe hier“, entgegnete sie leise.

„Soll das etwa ein schlechter Witz sein?“, fragte er wütend und klang beinahe ein wenig panisch.

Autor

Janice Maynard
Janice Maynard wuchs in Chattanooga, Tennessee auf. Sie heiratete ihre High-School-Liebe während beide das College gemeinsam in Virginia abschlossen. Später machte sie ihren Master in Literaturwissenschaften an der East Tennessee State University. 15 Jahre lang lehrte sie in einem Kindergarten und einer zweiten Klasse in Knoxville an den Ausläufern der...
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