Wie kann ich dich erobern, Darling?

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Er gilt als der Frauenschwarm New Yorks: der sexy Mode-Erbe Kyle Hamilton. Nur für Designerin Zoe ist er ihr arroganter, verletzender Exboss, den sie meidet. Doch während der Fashion Week gerät er in ein Intrigenspiel um Macht, Liebe und Eifersucht. Wird Zoe ihm beistehen?


  • Erscheinungstag 14.05.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717414
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Das ist der Letzte, Nelson“, verkündete Kyle Hamilton, als er den großen braunen Umzugskarton durch die Tür seines im fünfzehnten Stockwerk gelegenen Apartments trug.

Sein Cousin eilte Kyle entgegen, um ihn von seiner Last zu befreiten. „Danke, dass du mich bei dir wohnen lässt. Wenn alles so läuft wie geplant, bleibe ich nicht länger als ein paar Monate.“

Kyle wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Mach dir keine Sorgen, Nelson. Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest.“

„Bist du sicher, dass ich dich nicht störe? In ein paar Wochen fängt die Fashion Week an, und ich weiß, wie beschäftigt du bist. Mom treibt ihre Angestellten seit Monaten in den Wahnsinn, damit alles für ihre Show fertig ist.“

„Typisch Tante Vanessa“, erwiderte Kyle und lächelte. Vanessa Bonnard Hamilton war eine bekannte Modedesignerin. Bevor sie unter dem Namen Bonnard ihr eigenes Label gegründet hatte, war sie kurzzeitig für die Firma seines Vaters, Roger Hamilton Designs, beschäftigt gewesen.

Kyle schob sich an einem Stapel Umzugskartons vorbei in die Küche, wo er mehrere Flaschen Wasser aus dem Kühlschrank holte, bevor er zurück ins Schlafzimmer ging. Nelson Hamilton hatte bereits angefangen, die ersten Kartons auszupacken.

Kyle reichte seinem Cousin eine der Flaschen. „Ich gehe für ein paar Stunden in die Firma. Ich bin noch nicht ganz zufrieden mit der neuen Kollektion.“

„Ich dachte, es wäre alles schon fertig.“

„Im Großen und Ganzen ja, aber irgendwas fehlt noch. So geht es mir jedes Mal vor der Fashion Week.“

Kyle ging zur Tür. „Auf dem Küchentresen liegen Prospekte von verschiedenen Restaurants mit Lieferservice. Falls du Hunger hast und nicht rausgehen magst, bestell dir einfach was.“

Bevor Nelson etwas erwidern konnte, war Kyle schon zur Tür hinaus.

Kyle freute sich, dass sein Cousin in den nächsten Monaten seine großzügig geschnittene Vierzimmerwohnung mit ihm teilen würde. Nelson war vor einigen Jahren nach Los Angeles gezogen, um dort sein Glück als Schauspieler zu versuchen, war dann im Sommer jedoch wieder zurück nach Philadelphia gegangen. In regelmäßigen Abständen fuhr er zu Vorsprechterminen nach New York. Kyle selbst hatte Nelson vorgeschlagen, dauerhaft nach New York zu kommen.

Wegen einer Familienfehde zwischen seiner Mutter und dem Rest des Hamilton-Clans wollte Nelson gerade nicht in seinem Elternhaus in Philadelphia wohnen. Daher hatte er keinen Moment gezögert, Kyles großzügiges Angebot anzunehmen.

Während die anderen New Yorker sich den Feierlichkeiten anlässlich des Labour Days hingaben, fuhr Kyle zu den Büros von Roger Hamilton Designs im historischen SoHo-Bezirk. SoHo war eines der angesagtesten Viertel in Manhattan, das Künstler und andere Menschen, die das alternative Leben suchten, anzog. Hier fand man viele kleine Boutiquen und interessante Läden.

Kyle erreichte die Firmenräume und deaktivierte die Alarmanlage, bevor er das menschenleere Büro betrat und die Tür hinter sich zuzog. Alle Angestellten von RHD genossen das lange Wochenende. Denn Kyle hatte darauf bestanden, dass sich alle freinahmen, weil er allein besser arbeiten konnte.

Kyle holte ein Kleid aus seiner Schutzhülle hervor und legte es vor sich auf den Mahagonitisch in seinem weiträumigen Büro. Kritisch betrachtete er das Kleidungsstück, bevor er ein Stück transparenten Chiffon holte, den er als Kragen um den Halsausschnitt des Kleides drapierte.

Er lächelte zufrieden, als er den Stoff an den entsprechenden Stellen mit Stecknadeln festheftete und anschließend wieder behutsam in die Schutzhülle gleiten ließ. Eines nach dem anderen holte er die Kleider der aktuellen Kollektion hervor und unterwarf sie einer kritischen Betrachtung. Hier kürzte er einen Saum, dort fügte er ein Detail hinzu. Die neue Frühlings-/Sommerkollektion musste auf der Fashion Week einschlagen wie eine Bombe. Alles andere wäre inakzeptabel. Wenn es nach Kyle ginge, würde die Fashion Show von RHD dieses Jahr den Maßstab für die gesamte Branche setzen.

Kyle war mit seinen vierunddreißig Jahren der älteste Sohn von Lila und Roger Hamilton. Er ging davon aus, dass er RHD irgendwann selbst führen würde, und so setzte er alles daran, seinen Eltern zu beweisen, dass er ein würdiger Nachfolger war. In den letzten drei Saisons hatte Kyle fantastische Kritiken für seine Kreationen erhalten und war sogar mit einer der renommiertesten Auszeichnungen der Branche zum Designer des Jahres gekürt worden.

Kyles Großeltern väterlicherseits hatten früher eine Textilreinigungskette in Philadelphia besessen, Kyles Vater Roger wollte jedoch einen anderen Weg einschlagen. Roger zog nach New York und machte sich dort nach kurzer Zeit einen Namen als Designer. Schon bald nach seinem Umzug traf er Lila Eustace, die anfing, als Model für ihn zu arbeiten. Innerhalb weniger Jahre gelang es Roger, die Firma RHD zu einem großen Namen aufzubauen, und auch Lila begann, für die Marke zu designen. Schließlich folgte Kyle dem Vorbild seiner Eltern. Er hatte sich nichts Geringeres vorgenommen, als ihren Erfolgskurs fortzusetzen und das Unternehmen weiter auszubauen.

Es war kurz nach sechs Uhr abends, als Kyle schließlich das Gebäude verließ. Als er hinter sich zwei Frauen aufgeregt tuscheln hörte, grinste er amüsiert. Ihm war bewusst, dass er mit seinen ein Meter neunzig und dem durchtrainierten Körper eine gewisse Wirkung auf die Damenwelt ausübte.

Kyle pfiff leise vor sich hin, als er die Wagentür öffnete und auf dem Fahrersitz Platz nahm. Wenn Nelson sich noch nichts bestellt hatte, würde Kyle mit ihm zu Abend essen. Der Gedanke, dass sein Cousin in den nächsten Monaten bei ihm wohnen würde, erfüllte ihn mit Freude. Nelsons Anwesenheit würde das Gefühl der Einsamkeit, das ihn in den letzten Monaten häufiger überkam, hoffentlich etwas dämpfen.

Kyles Mutter machte immer wieder Anspielungen in die Richtung, dass es vielleicht an der Zeit sei, eine Familie zu gründen. Bei dem Gedanken daran musste Kyle lächeln. Natürlich fragte er sich manchmal, wie es wäre, wenn ihn jemand zu Hause erwartete. Eine Frau, die ihn liebte, die zärtlich und süß war. Kyle verbot sich diese Gedanken jedoch immer sofort, weil er sich sehr wohl klar darüber war, dass er nicht zum liebenden Ehemann taugte. Außerdem hatte er nicht die geringste Lust zu heiraten. Das Einzige, was für ihn zählte, war seine Arbeit.

„Genau wie beim letzten Mal. Sie haben uns schon wieder den Termin nach der RHD-Show gegeben.“

Seit fünfzehn Minuten hörte Zoe ihrem Boss dabei zu, wie er sich über den Tag, der ihnen für die Show auf der Fashion Week zugewiesen worden war, beschwerte. Zoe spürte, wie sie immer ungehaltener wurde.

„Jerry, es ist doch völlig egal, wann die Show von RHD stattfindet. Unsere neue Kollektion ist umwerfend.“ Sie schlug einen sanfteren Ton an. „Die Kleidungsstücke werden reißenden Absatz finden.“

Jerry seufzte und nickte dann. „Du hast wahrscheinlich recht.“

Ihr Boss, der mit einer braunen Lederhose und einem bunt gestreiften Pullover bekleidet war, begann im Raum auf und ab zu gehen, während er unaufhörlich an seinem kleinen Ziegenbärtchen zupfte.

Zoe sah ihm einen Moment lang ungerührt zu, bis sie die Arme vor der Brust verschränkte und sich in ihrem Stuhl zurücklehnte. „Wann hörst du endlich auf, ständig mit Kyle zu konkurrieren?“ Zoe hatte noch nie jemanden wie Jerry Prentice kennengelernt. Normalerweise schien er alles im Griff zu haben, doch fiel der Name Kyle Hamilton, sah Jerry plötzlich rot. Zoe fand sein Verhalten einfach nur albern.

Es war allgemein bekannt, dass Jerrys und Kyles gemeinsame Geschichte weit in die Vergangenheit zurückreichte. Ihr erbitterter Wettstreit hatte begonnen, als sie zusammen am College Modedesign studierten. Nach dem Studienabschluss hatte sich ihre Rivalität noch verschärft. Kyle fing an, im Familienunternehmen zu arbeiten, und Jerry nahm einen Job bei Guava International an – dem größten Konkurrenten von RHD.

„Kyle und ich stehen nicht in Konkurrenz“, entgegnete Jerry gereizt. „Ich kann diesen Typen und sein großes Ego einfach nicht ertragen.“

Zoe hatte ihre eigenen Probleme, wenn es um Kyle ging, aber sie war fest entschlossen, nicht darüber nachzudenken. Die Vorbereitungen auf die Fashion Week erforderten ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, und sie konnte es sich nicht leisten, ihre Energie auf den Mann zu verschwenden, der erst mit ihren Gefühlen gespielt und sie dann, ohne mit der Wimper zu zucken, einfach aus seinem Leben gestrichen hatte.

Gegen ihren Willen stieg das Bild von Kyles Gesicht in ihrem Kopf auf, und für einen ganz kurzen Moment gestattete Zoe sich, das angenehm warme Gefühl zu genießen, das auf einmal ihren Körper überflutete. Innerhalb von Sekunden wandelte es sich jedoch in kalte Wut. Zu ihrem eigenen Besten sollte sie sich lieber darauf konzentrieren, diesen Groll in sich zu bewahren.

Abrupt schob Zoe den Stuhl von ihrem Schreibtisch und erhob sich, um zu einem voll behängten Kleiderständer zu gehen. Aus den verschiedenen Outfits zog sie eines hervor. „Das hier ist unser Knüller, Jerry. Es ist die beste Arbeit, die du bisher gemacht hast.“

Ein breites Lächeln breitete sich auf Jerrys Gesicht aus. „Dem kann ich nur zustimmen.“

„Hör auf, dich mit Kyle Hamilton zu beschäftigen. Verwende deine Kreativität lieber auf deine Arbeit, anstatt dich in negativen Gedanken zu verlieren.“

„Und was ist mit dir? Hast du etwa aufgehört, an ihn zu denken?“

Zoe drehte sich zu Jerry um, sodass sie ihm ins Gesicht sehen konnte. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Kyle war mein Boss. Nicht mehr und nicht weniger.“

Jerry blickte sie an, sagte aber kein weiteres Wort.

Zoe, die das Thema damit als abgeschlossen betrachtete, holte ein dunkelrotes Kleid von dem Kleiderständer und fuhr prüfend mit den Fingern über den glänzenden Stoff. „Ich denke, dass wir noch mehr Federn für das Oberteil nehmen sollten.“

„Hm … vielleicht sollten wir auch noch ein bisschen Tüll verwenden.“

„Und Schmucksteine.“

Jerry lächelte zustimmend und nickte.

Erneut wanderten Zoes Gedanken zu Kyle Hamilton. Natürlich verstand sie, weshalb Jerry so einen Heidenrespekt vor ihm hatte. Das, was Jerry für Arroganz hielt, war tatsächlich Kyles unerschütterliches Selbstvertrauen. Kyle war ein kreatives Genie. Jerry war zwar auch sehr talentiert, aber Kyle spielte einfach in einer anderen Liga.

Zoe lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder zurück zu den Kleidern, aber die Bilder von Kyle mit seinem kurz geschnittenen schwarzen Haar, den dunkelbraunen Augen und dem unglaublich attraktiven Lächeln überfluteten sie förmlich.

„Zoe?“

„Wie?“ Innerlich schüttelte sie die Gedanken ab. „Tut mir leid, Jerry. Ich habe gerade an etwas anderes gedacht.“

„Ich wollte den schöpferischen Moment nicht stören.“

„Kein Problem.“ Zoe nahm einen Skizzenblock zur Hand und nahm einige Änderungen an einer Zeichnung vor.

Jerry kam zu ihr herüber und blickte auf die Zeichnung. „Gut, das gefällt mir.“ Dann ging er zur Tür. „Bring den Entwurf zu Martha in den Nähraum, wenn du fertig bist. Sie soll gleich damit anfangen.“

Zoe blickte nicht von ihrer Arbeit auf. Aus dem Korridor konnte sie Jerrys Stimme hören, wie er den anderen Angestellten Anweisungen gab. Wenn die Fashion Week anstand, war er noch angespannter als gewöhnlich.

Nachdem Zoe alle Änderungen vorgenommen hatte, nahm sie das Kleid und die Zeichnung und ging aus dem Büro, um alles an Martha weiterzugeben. Als Zoe aus der Tür trat, sah sie eine schlanke Frau, die nicht weit von ihrem Büro im Flur stand. Zoe seufzte irritiert.

Normalerweise verstand Zoe sich mit den meisten Menschen. Sie konnte an einer Hand abzählen, wen sie nicht mochte. Und Sasha Jones gehörte zu den Letzteren. Die Frau fühlte sich dazu berufen, jedes Geheimnis aufzuspüren und bei den Angestellten von Guava zu verbreiten, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, Zoe das Leben zur Hölle zu machen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte Sasha Zoe zu ihrer persönlichen Feindin erkoren.

„Änderst du das Kleid etwa schon wieder? Was stimmt denn nicht, Süße? Stellst du deine Arbeit infrage?“

Zoe atmete betont ruhig aus. Auch ihre Geduld hatte Grenzen. Und die waren jetzt erreicht. „Ich stelle überhaupt nichts infrage, Sasha. Aber ich hoffe, du bist nicht zu enttäuscht, dass meine Entwürfe in dieser Saison für die Show ausgewählt wurden.“

Sashas Augen blitzten vor Wut.

Zoe musste ein Lächeln unterdrücken, als sie um Sasha herumlief und weiter zum Nähraum ging. Sie konnte es sich nicht erklären, weshalb Jerry Sasha noch weiter beschäftigte. In Zoes Augen tat sie nicht viel, außer ihre Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken und Unfrieden zu stiften.

Aber es gibt Wichtigeres zu tun, als sich mit dieser Zicke zu beschäftigen, entschied Zoe und verbannte jeden weiteren Gedanken an Sasha aus ihrem Kopf.

„Was für eine Hexe!“ Sasha schäumte vor Wut. Sie hasste alles an Zoe Sinclair. Am meisten brachte es sie auf die Palme, wie begeistert Jerry von Zoes Entwürfen war. Zugegeben, Zoe Sinclair war talentiert, aber auch nicht mehr als alle anderen Designer, die bei Guava arbeiteten.

Bevor Zoe bei Guava angefangen hatte, war Sasha der unbestrittene Mittelpunkt der Angestellten hier gewesen.

Und dann hatte Zoe alles zerstört. Seitdem sie da war, hatte sich die Beziehung zwischen Sasha und Jerry vollkommen verändert. Sie beide waren sogar ein Liebespaar gewesen, bis Jerry sich zu Zoes Mentor berufen fühlte. Sehr zu Sashas Ärger.

Alles war zerstört, seit Zoe da war.

Sasha kochte innerlich, als sie ohne ein Wort an einigen ihrer Kollegen in Richtung des Nähraums stürmte, wo Zoe mit einer der Näherinnen in eine angeregte Unterhaltung vertieft war.

Eine Welle von Hass überkam Sasha bei Zoes Anblick.

Mit ihren ein Meter siebenundsiebzig überragte Zoe Sasha um fast zehn Zentimeter, und obwohl Zoe mit ihrem gebräunten Teint und ihren mandelförmigen Augen im Allgemeinen für schön gehalten wurde, fand Sasha sie einfach nur mittelmäßig.

Sasha fuhr sich mit den Fingern durch die langen, lockigen Extensions. Sie war attraktiv und wusste das auch. Ebenso wie Zoe war sie immer topmodisch gekleidet, wobei Sasha Erdtöne bevorzugte und schlichte Ketten aus Silber oder Gold trug. Zoe hingegen mochte lieber leuchtende Farben und auffällige Schmuckstücke.

Auf einmal fiel Zoes Blick auf sie. „Suchst du etwas, Sasha?“

Sasha errötete, während sie verzweifelt nach einer Ausrede suchte. „Ich … ich suche Jerry.“

„Warum gehst du nicht in sein Büro? Es liegt am anderen Ende des Gebäudes.“

Sasha sah Zoe wütend an, ohne jedoch etwas zu erwidern.

Die Näherin schien sich zu amüsieren, bis Sasha ihr einen eiskalten Blick zuwarf, der ihre Belustigung im Keim erstickte. Sasha machte auf dem Absatz kehrt.

Zoe Sinclair würde den Tag, an dem sie bei Guava International angefangen hatte, noch bereuen. Dafür würde Sascha persönlich sorgen.

Nelson war immer noch dabei, sich in seinem Zimmer einzurichten, als Kyle zurückkam.

„Tut mir leid, dass ich vorhin einfach abgehauen bin.“

„Kein Ding“, erwiderte Nelson, als er einen Stapel ordentlich gefalteter Hemden in den Schrank räumte. „Ich weiß, wie stressig die Zeit vor einer großen Show sein kann. Das habe ich live miterlebt, als ich noch bei meiner Mutter gelebt habe.“

Kyle ließ sich auf die Kante des Kingsize-Bettes sinken.

„Ich kann immer noch nicht fassen, was sie getan hat. So was macht man einfach nicht mit seiner Familie“, fuhr Nelson fort.

Kyle wusste, dass Nelson von seiner Mutter Vanessa sprach. Der Presse gegenüber hatte sie Details von der Affäre ihres Exmannes mit ihrer Schwester durchsickern lassen. Kyle hatte davon durch Harper, Nelsons Bruder, erfahren.

Harper war so angewidert von dem Verhalten seines Vaters gewesen, dass er dessen Rechtsanwaltskanzlei verlassen und sein eigenes Büro gegründet hatte. Vor Kurzem hatte er bereits ein zweites Büro in New York eröffnet.

„Hast du schon was gegessen?“

Nelson schüttelte den Kopf. „Ich wollte erst noch auspacken. Das Zimmer ist wirklich toll. Dein Apartment könnte auf der Titelseite eines Einrichtungsmagazins stehen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du es allein eingerichtet hast.“

Kyle lachte. „Um ehrlich zu sein, haben Bailey und Brianna mir ein paar Tipps gegeben.“

„Wenn ich irgendwann mal meine eigene Wohnung habe, bitte ich sie um Hilfe.“

Kyle und Nelson verließen das Apartment und gingen in ein nahe gelegenes Restaurant.

„Das ist eines meiner Lieblingsrestaurants“, erklärte Kyle, als sie in einer der Sitzecken Platz nahmen.

„Ja, ich habe schon gehört, dass das Essen hier sehr gut sein soll. Freunde von mir haben es mir erzählt, als ich das letzte Mal bei einem Vorsprechen in New York war.“

„Hast du schon was gehört?“

„Nicht nach der zweiten Runde. In ein paar Wochen habe ich noch ein Vorsprechen, aber in der Zwischenzeit muss ich dringend einen Job finden.“

„Warum arbeitest du nicht für mich?“, schlug Kyle vor. „Meine Assistentin hat aufgehört, und ich brauche einen Ersatz. Die Arbeitszeiten sind ziemlich flexibel, nur während der Fashion Week ist natürlich viel zu tun.“

Nelson grinste. „Mann, Kyle, vielen Dank für das Angebot. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte.“

„Ist doch selbstverständlich. Ich muss dich nur vorwarnen, dass die Modewelt hinter den Kulissen weniger glamourös ist, als man gemeinhin annimmt, Nelson.“

„Natürlich, ich weiß, wie es da läuft. Was meinst du, warum Mutter nie wollte, dass einer von uns in die Modebranche geht?“

„Dann wird sie vermutlich nicht erfreut darüber sein, wenn du mein Assistent wirst.“

Nelson zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, ist mir das herzlich egal. Ich bin alt genug, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen.“

Kyles Handy klingelte.

„Dein Telefon klingelt ja schon wieder. Die Kleine muss es wirklich ernst meinen.“

Kyle grinste. „Das ist dieses Mädel, mit dem ich vor einer Weile ausgegangen bin. Sie ist zur Fashion Week in New York und will mich sehen.“ Er hob sein Wasserglas an die Lippen und trank.

Nelson lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Lass mich raten. Sie ist bestimmt ein Model, oder?“

„Eigentlich ist sie Malerin. Ich hab vor ungefähr einem Jahr aufgehört, mich mit Models zu treffen.“

Nelson lachte. „Du warst schon immer ein Aufreißer.“

„Hey, ich kann nichts dafür, dass die Frauen auf mich stehen.“

„Immer noch so bescheiden wie früher“, erwiderte Nelson und lachte. „Was ist eigentlich aus der Balletttänzerin geworden?“

„Sie hat beim Harlem Dance Theater angefangen und sich dann in einen der Tänzer verliebt. Drei Monate, nachdem sie mit mir Schluss gemacht hat, hat sie den Typen geheiratet.“ Kyle nahm ein paar Pommes Frites von seinem Teller und schob sie sich in den Mund.

„Autsch, das muss wehgetan haben.“

Kyle zuckte mit den Schultern. „Es hat vor allem meinen Stolz getroffen. Ich mochte sie wirklich gern, aber ich wollte mich auch noch nicht festlegen. Das ist bisher mit allen Frauen in meinem Leben das Problem gewesen. Sie wollten alle immer sofort heiraten und Kinder kriegen. Aber das ist nicht meins. Es würde meine Kreativität komplett einschränken.“

„Ich glaube, du hast einfach noch nicht die Richtige getroffen“, stellte Nelson trocken fest.

„Ich muss meine Ziele im Auge behalten. RHD wird irgendwann mir gehören, und ich will das Unternehmen zu ganz neuen Höhen führen. Und dafür muss ich mein Leben in den Dienst der Firma stellen.“

„Willst du denn dein Leben lang Junggeselle bleiben?“

„Wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Aber ja, im Moment konzentriere ich mich nur auf RHD. Du weißt, dass viele Leute denken, ich hätte meinen Job nur, weil die Firma der Familie gehört. Ihnen ist überhaupt nicht klar, dass ich auch hart dafür gearbeitet habe, aber das ist mir egal. Diese Idioten stacheln mich nur dazu an, noch härter zu arbeiten.“

Während Kyle über die Bedeutung seiner Arbeit sprach, musste er plötzlich an die einzige Frau denken, die nicht versucht hatte, ihn in eine feste Beziehung zu zwingen.

Zoe Sinclair.

Zoe war Praktikantin bei RHD gewesen. Nachdem Kyle sie zum ersten Mal gesehen hatte, musste er sich anstrengen, nicht unentwegt an sie zu denken. Irgendwie war da eine Anziehungskraft zwischen ihnen, aber Kyle ließ es nie so weit kommen, dass sich etwas Ernstes zwischen ihnen hätte entwickeln können.

Manchmal überkam ihn immer noch ein Gefühl des Bedauerns, weil Zoe bei RHD aufgehört hatte und er die Zusammenarbeit mit ihr vermisste. Insgesamt war Kyle jedoch davon überzeugt, dass Zoes Entscheidung das Beste für alle Beteiligten gewesen war.

Denn insgeheim wusste Kyle auch, dass ihn die Vorstellung an das, was zwischen ihnen hätte passieren können, völlig durcheinanderbrachte.

Zoe Sinclair war fraglos eine Ablenkung, die Kyle nicht gebrauchen konnte.

2. KAPITEL

Zoe ließ sich auf die Couch ihres Wohnzimmers sinken und griff nach der Fernbedienung. Himmel, ich muss mich ablenken. Ich sollte endlich aufhören, an ihn zu denken, dachte sie. Immer wieder erschien das Bild von Kyle Hamilton in dem schwarzen Rollkragenpullover und den schwarzen Jeans, die inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden waren, vor ihrem inneren Auge.

„Warum kann ich bloß nicht aufhören, an ihn zu denken?“, flüsterte sie.

In den letzten Jahren war Zoe für jeden Moment dankbar, in dem sie nicht an Kyle denken musste. In letzter Zeit schien es ihr jedoch unmöglich, auch nur einen Gedanken zu fassen, ohne dass sein Bild in ihr aufstieg. Wahrscheinlich lag es an der Fashion Week, dem Stress, den die langen Arbeitstage mit sich brachten. Ihr Selbstschutz schien völlig außer Kraft gesetzt zu sein. Wenn sie an Kyle dachte, schienen sich ihre Gedanken im Kreis zu drehen. Sie musste endlich damit aufhören. Musste die Gefühle, die er immer noch in ihr weckte, endlich ersticken und ihre Selbstkontrolle wiedergewinnen.

Vor fünf Jahren hatte Zoe bei RHD aufgehört und bei Guava International angefangen. Seitdem hatte sie nichts mit Kyle zu tun gehabt, abgesehen von einigen wenigen beruflichen Kontakten. Das war nicht weiter verwunderlich, da es um ihre und Kyles Beziehung nicht gerade zum Besten stand. Trotzdem hatte Zoe es geliebt, mit den Hamiltons zu arbeiten, auch wenn sie es nie zugegeben hätte. Zum Schluss sah Zoe allerdings keinen anderen Ausweg mehr, als den Arbeitgeber zu wechseln.

Wenn Zoe an den erleichterten Gesichtsausdruck zurückdachte, den Kyle gemacht hatte, als sie die Kündigung einreichte, regte sie sich auch jetzt noch auf. Zoe hatte insgeheim gehofft, dass Kyle versuchen würde, sie zum Bleiben zu überreden, aber er hatte nichts dergleichen getan. Anscheinend war es ihm vollkommen gleichgültig, ob er sie wiedersehen würde oder nicht.

Zoe versuchte, die destruktiven Gedanken abzuschütteln. Reiß dich zusammen, schalt sie sich. Beruflich läuft doch alles super. Mehrere Entwürfe von ihr würden bei der Show von Guava International auf den Laufsteg geschickt, und sie hatte hart gearbeitet, um das zu erreichen.

Wenn ich nur jemanden hätte, der sich mit mir über meine Erfolge freuen würde, dachte sie bedauernd. Als Zoe den Fashionkanal gefunden hatte, hörte sie auf zu zappen. Der Moderator interviewte gerade einen jungen Designer, dessen erste Show von einem bekannten Weinbrandhersteller gesponsert wurde. Große Häuser wie RHD und Guava International hatten das nicht nötig, und Zoe konnte sich glücklich schätzen, dort untergekommen zu sein. Sehr glücklich. Und dennoch fragte sie sich manchmal, wie sich alles entwickelt hätte, wenn sie bei RHD geblieben wäre.

Zoe seufzte leise. Sie hätte niemals bleiben können. Diese Verbindung zwischen ihr und Kyle war viel zu intensiv gewesen, und wenn sie an die Frau zurückdachte, die sie damals war, konnte sie sich selbst nicht leiden. Nein, Zoe hatte keine andere Wahl gehabt, als sich einen anderen Job zu suchen. Während ihrer Zusammenarbeit waren sie und Kyle sich nahegekommen. Zu nahe. Denn nachdem sie sich einmal geküsst hatten, war nichts mehr wie zuvor. Zoe hatte damals fraglos die richtige Entscheidung getroffen.

Aber weshalb fühle ich mich jetzt so schrecklich? fragte sie sich.

„Wir treffen uns heute Abend mit Cameron Childs und der Eventplanerin“, erklärte Kyle, während er die Einträge in seinem Kalender studierte. Nelson und Kyle saßen in seinem Büro und gingen die Termine für die nächsten Tage durch. „Anschließend kommen wir wieder hierher. Dad will jeden kennenlernen, der mit der Show zu tun hat.“

„Cameron habe ich letztes Jahr in Philly getroffen. Er war auf einer von Tante Jeanettes Wohltätigkeitsveranstaltungen.“

„Er wird die RHD-Party moderieren“, erklärte Kyle. „Außerdem müssen wir zum Lincoln Center, um zu checken, ob alles, was wir für die Show brauchen, auch wirklich geliefert wurde. Die Zelte stehen schon. Kannst du bitte die Parfümproben für die Präsenttaschen zum Empfang bringen? Die werden alles vorbereiten.“

Nelson, der sich alles auf seinem iPad notiert hatte, blickte auf und nickte. „Klar, wird sofort erledigt.“

Als sie schließlich aus dem Gebäude traten, um ins Childs Hotel zu fahren, wartete draußen schon ein Wagen auf sie. Im Childs Hotel würde die Party von RHD stattfinden.

Der Wagen hielt am Eingang des Hotels, wo sie ausstiegen und in die Lobby gingen. Dort wurden sie von Roberta Dallard, der Eventplanerin des Hotels, bereits empfangen. Roberta bat sie, ihr nach oben ins Restaurant zu folgen.

Cameron Childs hatte bereits an einem der elegant eingedeckten Tische Platz genommen. Als sie sich dem Tisch näherten, erhob er sich, um ihnen die Hand zu schütteln. „Guten Tag, die Herren.“

Die Männer warteten, bis Roberta Platz genommen hatte, dann setzten auch sie sich.

„Roberta, könnten Sie uns bitte auf den neuesten Stand bringen, was die Vorbereitungen angeht?“

„Selbstverständlich“, erwiderte sie und lächelte. „Die Tischdecken wurden inzwischen angeliefert und sind in einwandfreiem Zustand. Ich habe jede einzelne persönlich inspiziert.“

Roberta berichtete von weiteren Details, und Kyle bemerkte, dass Cameron Childs, ganz entgegen seiner sonstigen Art, abgelenkt wirkte. Seltsam für jemanden, der selbst ein nicht unbedeutender Sponsor von RHD war und eigentlich interessiert am Erfolg der Firma sein sollte. Was mag der Grund sein? fragte Kyle sich.

„Es läuft also alles nach Plan“, fasste er zusammen, als Roberta ihren Bericht beendet hatte. „Dann kann Mom sich endlich entspannt zurücklehnen.“

Cameron lachte. „Lila hat mich diese Woche schon zweimal angerufen.“

„Das wundert mich nicht. Sie ist eine absolute Perfektionistin.“

„Tu doch nicht so …“, warf Nelson grinsend ein, „… als ob du weniger perfektionistisch wärst.“

Dem konnte Kyle nicht widersprechen. „Roberta, bitte stellen Sie sicher, dass der Florist die Blumengestecke nicht früher als eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung liefert. Ich möchte vermeiden, dass sie länger als nötig rumstehen und welk werden.“

Autor

Jacquelin Thomas

Jacquelin Thomas ist eine preisgekrönte Bestsellerautorin und hat bereits mehr als fünfundfünfzig Bücher veröffentlicht. Wenn sie nicht schreibt, liest sie viel, nimmt an Sportevents teil und verwöhnt ihre Enkelkinder. Jacquelin lebt mit ihrer Familie in North Carolina.

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