Chefsache Leidenschaft - verliebt in den Boss 2

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HEIßER ALS DER BOSS ERLAUBT

Der neue Boss will ihre Sendung Sexy Sydney absetzen? Die hübsche Journalistin Faith ist entsetzt! Ihr Herzblut steckt schließlich darin, begeisterten Zuschauern die lustvollen Seiten der Stadt zu zeigen. Entschlossen fordert die selbsternannte Sexpertin Cash Anderson heraus, sie bei den Recherchen für die nächste Ausgabe ihrer Fernsehshow zu begleiten. Nichts lässt Faith in ihrer erotischen Expedition aus, um dem nüchternen Zahlenmenschen die Verlockungen Sydneys zu zeigen. Doch bald fragt sie sich atemlos vor Verlangen, wie weit sie selbst mit ihrem sexy Boss gehen will …

VERLIEB DICH NIE IN DEINEN BOSS!

Welche Ironie! Seit Monaten ist Ellie in ihren Chef verliebt, doch der hat sein Herz an ihre Schwester verloren. Zum Trost bietet sein Bruder Harry ihr einen Job auf seiner Trauminsel an. Ist der attraktive Playboy womöglich genau die richtige Medizin gegen Herzschmerz?

HERZ AN HERZ MIT DEM BOSS?

Das azurblaue Meer, Palmen, die sich im Wind wiegen, schneeweißer Strand und neben sich einen wahren Traummann: Jamie könnte so glücklich sein auf dieser karibischen Insel! Wenn nicht Ryan, der Mann neben ihr, ihr Boss wäre! Und sie kein gebranntes Kind: Schon einmal wurde sie enttäuscht, weil sie sich in den falschen Mann - ihren damaligen Chef! - verliebte. Das darf ihr nicht wieder passieren. Und doch: Wenn sie in Ryans Augen blickt, beginnt ihr Puls zu rasen. Aber sie kann ihm ihr Herz nicht schenken - die Gefahr ist zu groß, dass sie erneut tief verletzt wird …

ER IST DOCH MEIN BOSS!

Der weltberühmte Autor Alexander McDonald fasziniert Sabrina auf den ersten Blick. Doch auch wenn sie ab sofort bei ihm wohnt, um ihm Tag und Nacht als Assistentin zur Verfügung zu stehen, versucht sie ihre Sehnsucht nach seiner Nähe verbergen. Schließlich ist er immer noch ihr Boss! Aber dann nimmt Alexander sie mit in sein Landhaus in Frankreich. Unter der Sonne des Südens sprühen die Funken zwischen ihnen mehr denn je, und Sabrina kann nicht mehr widerstehen. Ein Fehler? Nach einer leidenschaftlichen Nacht, in der sie ihr Herz verliert, tut er, als wäre nichts gewesen …

AUF WOLKE SIEBEN MIT DEM BOSS

Erstaunt bleibt Joe an der Schlafzimmertür stehen: Eine wunderschöne Frau räkelt sich sexy auf seinem Bett - seine erste große Liebe Mirandi! Offensichtlich arbeitet sie für seine Firma, sollte etwas in seinem Apartment abgeben und hat gleich mal kess sein Bett ausprobiert. Doch ihre Entschuldigung winkt er lässig beiseite. Er hat einen Entschluss gefasst: Mirandi wird seine neue, sehr persönliche Assistentin und soll ihn auf eine Geschäftsreise an die Riviera begleiten. Heimlich wünscht er sich nur eins: dass sie da weitermachen, wo sie das letzte Mal aufgehört haben …

HEIßES RENDEZVOUS MIT DEM BOSS

Schon lange wünscht sich Sophy, einmal Nein sagen zu können - aber wie soll ihr das bei einem derart attraktiven Mann gelingen? Charmant und unwiderstehlich sexy empfängt sie der reiche Weingutbesitzer Lorenzo Hall. Eigentlich wollte sie nur halbtags für seine Charity-Stiftung arbeiten. Da allerdings lässt er seinen Blick derart erregend über ihren Körper gleiten, dass sie prompt Ja dazu sagt, ihm ganztags zur Verfügung zu stehen. Ein Fehler mit unabsehbaren Folgen, denn ihr mächtiger Boss kann tatsächlich aufregend sexy sein, was er ihr bei einem heißen Rendezvous beweist …


  • Erscheinungstag 04.08.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774097
  • Seitenanzahl 815
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jennifer Rae, Emma Darcy, Cathy Williams, Susanne James, Anna Cleary, Natalie Anderson

Chefsache Leidenschaft - verliebt in den Boss 2

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail: info@cora.de

© 2014 by Jennifer Rae
Originaltitel: „Sex, Lies & Her Impossible Boss“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN TEMPTED
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 052015 - 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Ivonne Senn

Abbildungen: g-stockstudio / Thinkstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733701499

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Als ihr Telefon das erste Mal piepte, war Faith Harris zu sehr damit beschäftigt, Fotos von dem winzigen BH einer Burlesque-Tänzerin zu machen, um es zu beachten. Die knallroten Stoffstückchen waren mit Diamanten im Wert von Tausenden von Dollar besetzt. Betty Boom-Boom war sehr stolz auf sie und setzte sich gekonnt in Szene, während Faith mit der Kamera drauf hielt.

„Einen Moment, Bets.“ Betty hörte auf, zu posieren, als Faith’ Handy erneut piepte. Dieses Mal zog Faith es aus ihrer Hosentasche und las die SMS.

Gehen Sie an Ihr verdammtes Telefon. CA

Faith zuckte innerlich zusammen. Er rief sie schon den ganzen Morgen über an. Sie wusste, worum es ging – was genau der Grund dafür war, warum sie auf keinen seiner Anrufe reagiert hatte. Aber jetzt war er verärgert, und sie konnte ihn nicht weiter ignorieren.

„Tut mir leid, Bets, ich muss mich hier eben um etwas kümmern.“ Faith seufzte und starrte ihr Handy an.

Cash Anderson.

Der Kern in ihrem Kirschkuchen. Die Laufmasche in ihrer Strumpfhose.

Der Mann, der sie nervte, stresste und mehr verwirrte als jeder andere.

Der anrief, um sie zu feuern. Er hatte seinen Job erst vor vier Wochen übernommen, es in der Zeit aber schon geschafft, die Produzenten zu enttäuschen, die Werbeabteilung zu nerven und die gesamte Redaktion mit seinen ständigen Änderungswünschen in den Wahnsinn zu treiben. Und jetzt hatte er sie und ihre Fernsehsendung Sexy Sydney auf dem Kieker. Eine Sendung, die sie in den letzten zwei Jahren langsam aufgebaut und die ihr den Ruf einer ehrlichen, zum Nachdenken anregenden Journalistin eingebracht hatte. Eine Sendung, die er jetzt einstellen wollte.

Faith atmete durch die Nase ein und durch den Mund aus. Sie musste ganz ruhig werden. Wie sagte ihr Yogalehrer immer: Sei eine Biene. Also hielt sie sich die Ohren zu, schloss die Augen und summte – genau wie Sri Sri Ravi es ihr beigebracht hatte.

„Hmmm …“, machte sie.

Sie würde ihren Job verlieren. Da sie keine Ersparnisse hatte, würde sie aus ihrer Wohnung ausziehen müssen. Nur wohin? Als sie nach Australien gezogen war, um sich ihren Traum zu erfüllen, hatte sie die meisten ihrer Freunde in England zurückgelassen. Hier hatte sie erst wenige Freundschaften geknüpft – sie hatte ihre ganze Zeit ihrer Arbeit gewidmet.

„Hmmm …“

Sie würde wieder nach Hause ziehen müssen. Zu ihrer verärgerten Mutter und ihrem enttäuschten Vater und den faulenzenden Brüdern, die sie unaufhörlich wegen ihres Jobs aufziehen würden.

„Hmmm …“

Dann würde sie anfangen, zu viel zu trinken. Und zu rauchen. Und herrenlose Katzen bei sich aufzunehmen. Da sie allergisch gegen Katzen war, würde sie vermutlich den ganzen Tag niesen und schniefen und wegen des Zigarettenrauchs und der Katzen nicht mehr atmen können und den Löffel abgeben. Ihr Tod würde lange unentdeckt bleiben, bis ihren Eltern irgendwann der seltsame Geruch auffiel, der aus ihrem Zimmer kam.

„Hmmm … verdammt … hmmmm …!“

Dann wäre sie tot und der verdammte Cash Anderson endlich glücklich.

Sie nahm die Hände von den Ohren. Es hatte keinen Zweck, dem länger auszuweichen. Mit angehaltenem Atem wählte sie Cashs Nummer.

„Das wurde auch langsam Zeit. Wo waren Sie? Und wo sind Sie jetzt?“, dröhnte seine Stimme durchs Telefon.

„Ich führe ein Interview mit Betty Boom-Boom. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich den ganzen Tag unterwegs sein werde.“

„Vergessen Sie Betty Boom-Boom. Ich brauche Sie hier.“ Die Härchen in Faith’ Nacken stellten sich auf. Sein Ton war schroff und fordernd. Er erinnerte sie an den Direktor ihres Internats. Unnachgiebig. Hart. Ein Mann, der keinerlei Verständnis für seine Mitmenschen aufbrachte und ihr, dem einsamen, verlorenen Mädchen damals geraten hatte, sich „ein dickeres Fell zuzulegen“. Und das hatte sie – weshalb sie sich von Cash nicht herumschubsen lassen würde.

„Ich kann wirklich nicht. Ich muss noch die Fotos machen …“

„Faith. Ich erwarte Sie in zwanzig Minuten in meinem Büro.“ Er legte auf. Zwanzig Minuten. Bei einer Fahrtstrecke von fünfundvierzig Minuten. Sie schloss die Augen, atmete noch einmal tief durch und fragte sich nicht zum ersten Mal, worauf zum Teufel sie sich da nur eingelassen hatte. Noch vor wenigen Jahren hatte sie ihre Zukunft so klar vor sich gesehen. Die Welt bereisen und Auszeichnungen als Journalistin einheimsen. Davon träumte sie, seitdem sie sieben gewesen und aufgrund ihres starken Akzents, ihrer ungebändigten Haare und ihres auffälligen Verhaltens an der neuen Schule oft ausgelacht worden war. Sie hatte gelernt, sich unsichtbar zu machen und sich einen Panzer zuzulegen, der sie auch heute noch schützte. Sexy Sydney war ihr Baby. Sie hatte das Konzept für die Sendung zu ihrer Zeit in Newcastle beim Fernsehen erarbeitet, doch dort hatte man sie dafür nur ausgelacht. Das war jetzt zwei Jahre her und seitdem hatte sich einiges verändert. Ihre Träume waren wahr geworden – und nun wollte Cash Anderson ihr das alles wieder wegnehmen.

„Es tut mir leid, aber ich muss los, Bets.“

Das Blut rauschte wie ein Wasserfall in Faith’ Ohren. Cash ließ kurz seine weißen Zähne aufblitzen. Er hatte ein Lächeln, das sein Gesicht erhellte und kleine Fältchen um seine Augen zauberte, was ihn jünger und sogar ein wenig sexy aussehen ließ, und ein dummes Herz dazu verleiten könnte, ihm zu vertrauen. Was man aber nicht durfte. Vor allem nicht, wenn sich auch der Chef von Apex TV im Raum befand.

„Faith, Ihre Sendung ist sehr beliebt, das weiß ich. Aber ich würde gerne ein paar andere Sachen ausprobieren“, erklärte ihr Cash mit einschmeichelnder Stimme und sah sie an.

Sie schaute ihm in die Augen und reckte das Kinn.

„Zum Beispiel was?“, fragte Gordon Grant, der Chef des Senders, ein zu braun gebrannter Amerikaner Mitte sechzig.

„Zum Beispiel Sport. Ich möchte eine neue Sendung einführen, die sich mit australischen Sportlerlegenden befasst.“

Faith stöhnte laut auf.

„Sie stimmen dem nicht zu, Miss Harris?“ Gordon lächelte, und das Weiß seiner Zähne blendete sie für einen Moment. Sein Blick glitt über ihr Gesicht an ihrem Hals entlang und landete direkt da, wo ihr Blusenknopf immer wieder aufging. Sie legte ihre Hand darauf und straffte die Schultern.

„Richtig, das tue ich nicht.“ Sie warf Cash einen Blick zu. Er runzelte die Stirn. „Ich finde, es gibt schon genügend Sportsendungen im Fernsehen.“

„Aber die Australier lieben Sport. Das ist Teil unserer Kultur“, warf Matty Harbinger, der Sportreporter, ein. „Cricket, Tennis, Fußball … Wir kriegen davon einfach nicht genug.“

„Wovon die Australier nicht genug kriegen können, ist Sex, Matty. Studien zeigen, dass Australier interessierter an Sex sind als alle anderen Länder, aber dennoch hinter den meisten zurückliegen, was die sexuelle Befriedigung angeht.“ Wieder schaute sie zu Cash, der versuchte, sie mit seinem Blick zu erdolchen.

Die Art, wie er da stand und sie ansah, brachte ihr Blut zum Kochen. Er sah wirklich gut aus. Groß und breitschultrig, ganz der ehemalige Rugbyspieler. Die Muskeln, die sich unter seinem Hemd abzeichneten, zeigten, dass er immer noch trainierte. Er war hochgewachsen und schlank und einfach perfekt. Abgesehen von seinem linken Auge, in dem sich ein winziger grüner Fleck in die ansonsten braune Iris gestohlen hatte. Das hier war jedoch nicht der richtige Augenblick, um an so etwas zu denken. Immerhin stand ihre Karriere auf dem Spiel und jeder im Raum schaute sie an, als wäre ihr eine zweite Nase gewachsen.

„Die australische Öffentlichkeit braucht meine Show“, schloss sie mit höherer Stimme als gewollt. Sie räusperte sich und ließ ihren Blick zu Gordon schweifen, der sie anlächelte – oder eher angaffte, um genau zu sein.

„Wirklich?“ Er drehte sich zur Seite und schaute Cash an. „Nun, Anderson, Miss Harris sollte es wohl wissen. Sie ist immerhin unsere Sexpertin.“ Er lachte über seinen eigenen Witz. Genau wie Matty und die anderen Kollegen im Raum. Faith wusste, was man über sie dachte. Die übersexualisierte Journalistin, die über Fetische, Orgien und polyamouröse Ehen berichtete. Sie kannte alle Spitznamen, die man ihr gab. Aber das machte ihr nichts aus. Sie war eine gute Reporterin. Eine Frau, die keine Angst davor hatte, über Sex und Beziehungen und Liebe zu reden. Und sie schämte sich nicht für das, was sie tat. Sie war es allerdings leid, sich in jedem Meeting verteidigen zu müssen. Der Stuhl schrammte über den Holzfußboden, als sie aufstand.

„Die Australier möchten etwas über Sex und Liebe und Beziehungen erfahren. Sie wollen wissen, wie sie ihre Ehen retten können. Sie möchten wissen, dass sie keine Freaks sind und ihre Sexualität erforschen können, ohne das Gefühl zu haben, etwas Falsches zu tun. Und sie sind es leid, erwachsenen Männern dabei zuzusehen, wie sie mit ihren Bällen spielen.“

Ein unangenehmes Schweigen senkte sich über den Raum. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Felicity – die Produzentin der Frühstückssendung – lachte und hielt sich schnell die Hand vor den Mund. Faith atmete schwer. Ihre Brüste hoben und senkten sich unter ihrer Bluse. Cash schaute sie einfach nur an, die Stirn immer noch gerunzelt, die Miene unlesbar. Dann fühlte sie den Luftzug, als der nächste Knopf an ihrer Bluse aufsprang und allen Anwesenden den Blick auf ihren BH freigab.

„Verdammt noch mal!“, rief sie, bevor sie ihre Bluse zusammenraffte, sich noch einmal umschaute und dann aus dem Konferenzraum floh.

Als er auf ihren Tisch zukam, war Faith gerade dabei, ihren Kaffeebecher in eine Kiste zu packen. Er erkannte den Becher. Er war mit roten Kussmündern bedeckt und normalerweise mit schwarzem Tee gefüllt. Tee, der immer kalt wurde, bevor sie ihn austrank.

„Was tun Sie da, Faith?“

„Wonach sieht es denn aus? Ich packe.“

Er entschied sich, anzubeißen. Faith stimmte nie mit ihm überein und widersprach ihm, wo sie nur konnte. Das sollte ihn eigentlich stören, tat es aber nicht. Von all den Mitarbeitern, die er in den letzten Wochen kennengelernt hatte, war Faith diejenige, die ihn am meisten interessierte. Sie war klug und nahm kein Blatt vor den Mund.

„Warum?“

„Weil ich gehe. Sie wollen mich ja offensichtlich nicht mehr haben. Sie verstehen nicht, was ich hier tue, und deshalb suche ich mir einen Sender, in dem man meine Arbeit zu schätzen weiß.“ Ihre Augen glitzerten verdächtig. Faith war eine Frau, die ihre Gefühle wie ein Paar sehr hohe High Heels trug. Sie stolperte auf ihnen herum. Fiel ab und zu hin. Stand sich selbst im Weg. Was einer der Gründe war, warum er ihre Sendung einstellen wollte. Sie hatte ihren Biss verloren und war zu sehr in ihre Themen involviert.

„Ich schätze Sie, Faith.“

„Nein, tun Sie nicht. Sie halten das, was ich tue, für sinnlos und dumm. Weshalb Sie mich durch Sport ersetzen wollen.“

Sein Blick flackerte zu ihrer Bluse. Sie hatte eine Stecknadel gefunden, um sie zu schließen, trotzdem sah er den Ansatz ihrer Brüste. Er erinnerte sich an die Schleifen auf ihrem BH und musste schwer schlucken. Sie passte zu dem Namen ihrer Sendung: Sexy Sydney. Aber sie würde auch zu etwas anderem passen. Dem Wetter vielleicht.

„Ich will nicht, dass Sie gehen, Faith. Wir finden etwas anderes für Sie. Sie sind eine gute Reporterin.“

„Und was? Soll ich etwa demnächst als Wetterfee arbeiten? Mir die Haare blond färben und albern kichern, während ich auf einen von Westen kommenden Wind zeige, der mir den Rock hoch bläst?“

Cash unterdrückte ein Lachen. Faith war lustig. Und schlagfertig und klug. Er fragte sich, warum sie sich nicht weiterentwickeln wollte. Warum hielt sie so an einer Sendung fest, die nicht mehr funktionierte? Und an einem Thema, das niemanden interessierte? Denn jeder wusste doch, dass es Liebe nicht wirklich gab. Alle außer Faith, die glaubte, ein paar Handschellen im Schlafzimmer würden einen Unterschied machen.

„Ich bin sicher, dass wir etwas anderes finden, was Sie gerne machen würden.“

„Was ich gerne mache, ist Sexy Sydney. Ich habe Fans. Menschen lieben meine Reportagen.“ Sie war engagiert, das musste er ihr lassen. Und manchmal war ihre Sendung – auch das musste er zugeben – schlicht brillant. Aber in letzter Zeit war ihr die Leichtigkeit abhanden gekommen. Sie hatte letzte Woche sogar vor laufender Kamera geweint, als sie eine Sexarbeiterin interviewt hatte. Sie war einfach zu emotional. Gut, ihrer Facebookseite nach zu urteilen hatte sie wirklich eine große Fangemeinde. Sie schien die meisten Menschen irgendwie in ihren Bann zu ziehen. Aber er gehörte nicht zu diesen.

„Es ist nur Sex, Faith.“

Wenn Blicke töten könnten … Er erkannte, dass ihre Augen gar nicht braun waren, wie er gedacht hatte. Sie waren von einem tiefen Dunkelblau. Eine ungewöhnliche Farbe, die ihn an das Meer bei Nacht vor den Fenstern seines Apartments erinnerte, wenn der Wind blies und die Wellen gegen die Klippen brandeten.

„Es gibt nicht einfach ‚nur Sex‘, Cash.“

Ihre entschlossene Miene entlockte ihm ein Lächeln. Er hatte auch mal gedacht, dass Sex mehr sei als nur Sex. Doch inzwischen wusste er es besser. Schnell schob er diese Gedanken beiseite. Er wollte nicht mal daran denken, was Sex noch sein könnte.

„Sex ist Sex. Die körperliche Vereinigung von zwei Menschen, die scharf sind und sich zufällig am gleichen Ort befinden.“

Ihre Lippen verzogen sich zu einem O. Rosige, volle Lippen. Er biss sich auf die Unterlippe und trat von einem Fuß auf den anderen. Ihre milchige Haut bekam immer diesen entzückenden rosafarbenen Schimmer, wenn er sie neckte. Aber noch nie zuvor war ihm aufgefallen, was für volle Lippen sie hatte.

„Das glauben Sie wirklich, oder? Dass Sex nur Sex ist?“

„Ja. Das glaube ich wirklich.“ Denn Liebe existierte nicht. Nur Lust und gegenseitige Anziehung. Diese Einstellung hatte ihm in den letzten neun Jahren gute Dienste geleistet. „Es ist an der Zeit, dass Sie loslassen, Faith. Entwickeln Sie sich weiter. Man kann nie wissen – bestimmt finden Sie etwas, worin Sie richtig gut sind. Die Nachrichten vielleicht.“

„Ich bin gut im Sex!“ Ihre Stimme hallte genau in dem Moment durch das Büro, in dem alle ihre Telefonate beendet hatten und Totenstille herrschte. Mit weit aufgerissenen Augen und tiefroten Wangen erstarrte sie, als ein paar der Kollegen anfingen zu lachen.

Sie würden lernen müssen, härter zu werden, wenn sie in diesem Geschäft Erfolg haben wollte. Er hatte auch Zurückweisungen erfahren, war täglich lächerlich gemacht und zensiert worden. Er wollte nicht, dass sie aufgab. In diesem Sender wimmelte es nur so vor Idioten. Deshalb steckte er ja auch in solchen Schwierigkeiten. Und darum hatte man Cash gerufen. Faith war eine der wenigen, die er behalten wollte. Doch dazu musste sie lernen, für sich einzustehen.

Cash beugte sich so weit vor, dass seine Lippen sich gefährlich nah an ihrem Ohr befanden. Ihr köstlicher Duft stieg ihm in die Nase. Berauschend. Sexy. Mit der tiefen, rauen Stimme, die er immer nutzte, wenn er verärgert war, sagte er: „Als Ihr Sendeleiter muss ich darauf bestehen, dass Sie mir diese Aussage beweisen.“ Aber er war nicht verärgert. Er war … etwas anderes.

Faith’ Herz schlug heftig in ihrer Brust. Sie war es nicht gewohnt, einem anderen Menschen so nah zu sein. Schon gar nicht einem Mann. Was vermutlich der Grund dafür war, dass ihr Herz so pochte und sich kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Er würde es herausfinden. Wenn er zu tief grub, würde er ihr Geheimnis entdecken.

„Das ist sexuelle Belästigung, Mr Anderson.“

Cash erstarrte. Schaute sie an. Das Lächeln auf seinem Gesicht war verschwunden. Er zog sich ein Stück zurück. Sie spürte die Kälte seines Blickes, als er ihn über ihr Gesicht gleiten ließ.

„Wenn ich Sie sexuell belästigen wollte, Harris, würde ich es richtig tun. Auf meinem Tisch. Während Sie meinen Namen schreien.“

Die Kälte in seinen Augen half nicht, Faith’ Herzschlag zu beruhigen. Er war immer noch zu nah. Und nun schlug er auch noch etwas vor, was sie schon viel zu lange nicht mehr gemacht hatte – schon gar nicht mit einem gut aussehenden Mann.

Faith versuchte die Bilder loszuwerden, die ungewollt vor ihrem inneren Auge aufstiegen.

„Wenn Sie auch nur den Hauch einer Ahnung hätten, was ich tagtäglich tue, Cash, würden Sie erkennen, dass ich sehr wertvolle Arbeit leiste.“ Sie reckte ihr Kinn.

„Okay.“ Endlich trat er einen Schritt zurück.

„Was?“ Verwirrt versuchte sie, ihm in die Augen zu schauen, doch er hatte den Blick gesenkt und fing an, die Manschetten seines Hemdes aufzuknöpfen. Dann rollte er die Ärmel auf und enthüllte muskulöse, braun gebrannte Unterarme, von denen sie den Blick nur schwer losreißen konnte.

„Okay. Zeigen Sie mir, inwiefern Ihre Arbeit relevant ist. Beweisen Sie mir, dass Sex nicht nur Sex ist, und Ihre Sendung wird nicht eingestellt.“

„Ich soll es Ihnen beweisen?“

„Ja. Zeigen Sie mir Sexy Sydney. Überzeugen Sie mich.“

Ihn überzeugen? Einen Mann, der glaubte, Sex wäre nur Sex? Einen Mann, der seit seiner Ankunft in Australien vor vier Wochen mit über zwanzig prominenten Frauen in Verbindung gebracht worden war? Das war unmöglich. Aber auch ihre einzige Chance, die Sendung zu behalten. Also griff sie zu.

„Gut. Morgen früh um sechs hole ich Sie ab.“

„Wunderbar. Dann habe ich vorher noch ausreichend Zeit, eine Runde zu surfen.“ Er lächelte, und zum ersten Mal verlockte sie sein Lächeln nicht dazu, ihm zu vertrauen. Im Gegenteil. Er sah aus wie der weiße Hai: blitzende Zähne, die nur darauf warteten, sich in ihr Fleisch zu graben. Das hier würde ein Kampf auf Leben und Tod werden. Die einzige Möglichkeit, ihre Sendung und damit ihren Traum am Leben zu erhalten war, diesen Kampf zu gewinnen. Und dafür würde sie bis zum Äußersten gehen.

2. KAPITEL

Um sechs Uhr am Morgen sah Sydney anders aus. Ruhiger. Als Faith vor zwei Jahren hierhergezogen war, hatte die Stadt fremd und seltsam auf sie gewirkt. Alles war so hell und sonnig und strahlend. Die Menschen lächelten zu viel. Die Australier, das hatte sie schnell erkannt, arbeiteten, um zu leben – und nicht umgekehrt. Daran hatte sie sich erst einmal gewöhnen müssen. Manchmal irritierte es sie immer noch. Doch als die Sonnenstrahlen von den Wellen auf die Fähren abstrahlten, die durch den Hafen fuhren, musste sie zugeben, dass Sydney ihr langsam ans Herz wuchs.

Was sie am meisten liebte, war, dass man hier alles erreichen konnte. In dieser Stadt war nichts tabu. Das war so anders als das Leben in dem kleinen Dorf auf dem Land, in dem sie aufgewachsen war, und definitiv weit entfernt von dem steifen Internat, auf dem sie zehn lange Jahre verbracht hatte. Hier schien sie mit ihren verrückten Ideen wesentlich besser hinzupassen.

Faith hielt den Wagen an. Da sie keinen freien Parkplatz sah, parkte sie in zweiter Reihe, stieg aus und schrieb eine SMS an Cash.

Ich bin da.

Sie sah nur die Rückseite des Gebäudes, in dem sich sein Apartment befand, das ganz oben lag. Wo sollte ein Mann wie Cash Anderson auch sonst wohnen? Er verbrachte vermutlich sein ganzes Leben damit, auf Leute wie sie herabzuschauen – Leute mit nur einem Hauch von Talent aber einer Menge Entschlossenheit. Langsam war sie es leid, sich den Launen von Menschen wie ihm beugen zu müssen.

Seitdem sie in Sydney war, hatte sie endlich angefangen, sich anders zu fühlen. Nicht mehr wie die Verliererin, über die alle lachten. Sie war schon immer eine Außenseiterin gewesen. Zu Hause, in der Schule, in allen Jobs, die sie nach ihrem Collegeabschluss vor vier Jahren angenommen hatte. Doch hier, an diesem seltsamen Ort, hatte ihre Faszination mit Liebe, Beziehungen und Sex ein Zuhause gefunden. In Australien hatte sie Fans – echte Fans. Sie erhielt Briefe von Frauen, die sich dafür bedankten, dass sie ihnen gezeigt hatte, wie sie neuen Schwung in ihre Ehe bringen konnten. Von jungen Mädchen, die erklärten, sie wäre der Grund, warum sie endlich anfingen, sich und ihren Körper zu respektieren. Und von Männern, die so froh waren, dass sie nun wussten, wie sie ihren Freundinnen Vergnügen bereiten konnten. Echte Menschen mit echten Problemen.

Sie half den Menschen. Was mit ein Grund war, warum ihr die Sendung so wichtig war. Sexy Sydney musste ein Erfolg werden. Sie musste dafür sorgen, dass sie auf Sendung blieb. Denn mit der Show war sie jemand – ohne hingegen würde sie wieder im Meer der Unbekannten versinken.

Ihr Handy piepte.

Was tragen Sie?

Was sie trug? Faith’ Wangen wurden heiß. Vielleicht verwechselte er sie und glaubte, sie wäre eine aus seinem Harem; eine der zwanzig Frauen, mit denen er offensichtlich in letzter Zeit im Bett gewesen war. Ausschließlich für Sex, wie er immer betonte. Sie entschied, ihn ein wenig zu veräppeln.

Es ist schwarz und heiß und mit lauter Lederbändern versehen.

Sie konnte ein triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken. Er würde schön enttäuscht sein, wenn er herunterkam und sah, dass sie hier nur in Jeans und T-Shirt wartete.

Ihr Auto ist mit Lederbändern versehen? Sind Sie Batman oder was?

Faith runzelte die Stirn. Was? Ihr Handy klingelte, und sie ging ran.

„Ich habe gefragt, was Sie fahren. Den gelben Käfer oder die rote Klapperkiste.“

„Die rote Klapperkiste. Ich dachte, Sie hätten gefragt, was ich trage …“

Wie immer, wenn es um Cash ging, färbten sich ihre Wangen tiefrot. In letzter Zeit hatte sie sich immer öfter dabei ertappt, ihn beeindrucken zu wollen, um ihren Job zu behalten – doch je mehr sie das versuchte, desto öfter machte sie sich vor ihm lächerlich.

„Sie tragen etwas heißes Schwarzes aus Leder? Na, wer macht sich jetzt der sexuellen Belästigung schuldig?“ Sie hörte sein Lachen und sah ihn auf sich zukommen. Sein dunkles Haar war an den Seiten kurz und oben etwas länger und schimmerte in der Sonne. Der Wind drückte ihm sein weißes Hemd an die Brust, was die Muskeln darunter betonte. Er wirkte heute etwas lässiger. Das Hemd steckte nicht in der Hose, er sah entspannt aus und ein kleines bisschen sexy.

Faith biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte ihn nicht sexy finden. Weil er ihr Boss war. Weil er ihre Träume zerstören wollte. Und weil sie seit zu vielen Jahren keinen Sex mehr gehabt hatte und so verzweifelt war, dass sie an manchen Tagen kurz davor war, sich dem nächstbesten Mann an den Hals zu werfen.

Sex war etwas, worüber Faith berichtete, aber nichts, was sie regelmäßig praktizierte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal mit jemandem intim gewesen war. Wobei, doch, das konnte sie. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken.

„Das ist weder Leder noch schwarz“, schalt er sie und ließ seinen Blick von ihrem Kopf zu ihren Zehen wandern. Ihr wurde ganz heiß.

„Ich dachte, Sie hätten die SMS jemand anderem schicken wollen.“

„Warum sollte ich eine SMS, die für jemand anderen bestimmt ist, an Ihre Nummer schicken?“ Er lachte leise, bevor er die Beifahrertür öffnete. „Steigen Sie ein, Harris. Wir haben zu arbeiten.“

Peinlich berührt setzte sie sich hinters Lenkrad. So hatte der Tag nicht anfangen sollen. Sie hatte einen Plan. Einen Plan, ihm zu zeigen, dass ihre Arbeit wichtig war und es bei Sex um mehr ging als nur um Sex. Doch um das zu tun, musste sie professionell wirken und durfte sich nicht von ihm aus der Ruhe bringen lassen.

„Sie sehen nett aus.“ Sein Blick fing ihren auf, bevor er aus dem Fenster schaute. Sie hob die Augenbrauen und startete den Motor ihrer „Klapperkiste“, wie er das Auto genannt hatte. Den Wagen hatte sie sich kurz nach ihrer Ankunft in Sydney gekauft, als sie feststellte, dass in Australien jeder ein Auto zu haben schien.

„Was meinen Sie mit nett?“

„Nett. Angenehm. Bezaubernd.“ Sie spürte seinen Blick auf sich. „Brauchen Sie ein Wörterbuch?“

„Was stimmt nicht mit meinen Klamotten?“

Cash seufzte. „Nichts. Ich sagte doch, Sie sehen nett aus. Warum sind Sie mir gegenüber immer so defensiv, Harris? Warum gehen Sie gegen alles an, was ich sage?“

„Das tue ich doch gar nicht.“

„Und Sie tun es schon wieder.“

Wirklich? Das war ihr gar nicht aufgefallen. Es lag bestimmt nur daran, dass normalerweise alles, was er sagte, falsch war.

„Als Sie sagten, ich sähe nett aus, dachte ich, Sie meinten … etwas anderes.“

„Was hätte ich denn anderes meinen sollen?“

„Nun ja, als Sie fragten, was ich trage, meinten Sie eigentlich, was ich fahre.“

„Das war ein Fehler der Autokorrektur auf meinem Handy. Sie stellen sich mit Absicht schwierig an.“

Sie stellte sich nicht schwierig an. Sie versuchte, professionell zu sein. Durchatmen, beruhigen und noch mal von vorne anfangen, sagte sie sich.

„Es tut mir leid, Cash. Ich hatte nur nicht erwartet, dass Sie etwas … Nettes sagen würden.“

„Warum nicht?“

„Weil Sie nie etwas Nettes sagen.“

Cash wurde still, und Faith fluchte innerlich. Ihn zu beleidigen war kein guter Anfang. Wieso fiel ihr das alles nur so schwer? Sie erinnerte sich an eine Reportage, die sie vor ein paar Wochen gemacht hatte, und in der es darum ging, wie man seine Wünsche im Schlafzimmer erfüllt bekam. Sprich leise. Sei ehrlich. Sieh deinem Partner in die Augen und frage ihn nach seinen Fantasien. Wenn das für Sex funktionierte, könnte es auch in dieser Situation funktionieren. Faith räusperte sich.

„Cash, mich würde interessieren, was Sie wollen. Wie kann ich Ihnen helfen, meine Arbeit zu verstehen?“

Sie merkte, dass er sie anschaute, und umfasste das Lenkrad fester. Er hatte sie schon öfter so eindringlich angesehen. Als wenn er versuchte, ihre Gedanken zu lesen. Dieser Blick brachte sie immer aus dem Gleichgewicht, doch solange sie ihn nicht erwiderte, war sie sicher.

„Was ich will?“

„Ja. Ich möchte wissen, was ich tun kann, um Ihren Eindruck zu widerlegen, dass meine Arbeit keinen Wert hat.“

„Keinen Wert?“

Er hielt inne, und Faith spürte, wie ihr ein Schweißtropfen vom Nacken den Rücken hinunterlief. Ihr Auto, das wie alle australischen Wagen einen Spitznamen hatte, wenn auch keinen sonderlich originellen – sie nannte es einfach Red –, hatte keine Klimaanlage und draußen herrschten bereits knapp vierzig Grad.

„Ich habe nie gesagt, dass Ihre Sendung keinen Wert hat. Einige der Geschichten, über die Sie berichten, müssen definitiv erzählt werden. Ihr Problem ist, Sie lassen sich zu sehr darauf ein. Sie wollen, dass alle glauben, was Sie glauben – nämlich, dass Liebe die Antwort auf alles ist.“

„Das stimmt nicht.“

„Doch, tut es. Sie sind emotional zu engagiert. Journalisten müssen eine gewisse Distanz zwischen sich und dem Thema, über das sie berichten, wahren. Nur so kann Objektivität entstehen.“

Faith holte tief Luft. Sie brauchte keinen Vortrag über Objektivität. Wenn er nur wüsste, wie weit entfernt sie von den Themen war, über die sie berichtete.

„Manchmal muss man nah rangehen. Nur so erfährt man die Wahrheit.“

„Die Werbekunden mögen diese Nähe aber nicht. Sie mögen es leicht und lustig.“

„Aber das wollen meine Zuschauer nicht. Sie wollen, dass ich mich einbringe. Sie wollen mehr wissen.“

Er seufzte frustriert. „Menschen sind nicht an Liebe und Beziehungen und allem anderen, worüber Sie berichten, interessiert.“

So ein Unsinn, dachte sie. Natürlich sind sie das. Liebe war die Triebfeder der Welt.

„Was ist mit meiner Reportage über Online-Dating? Oder dem Bericht über das eigene Körperempfinden und die Tatsache, dass Frauen abhängig von ihrer Körperform unterschiedlich wahrgenommen werden?“

Cash atmete hörbar ein. Faith warf ihm einen Blick zu, schaute zurück auf die Straße und dann wieder zurück zu ihm. Sie wollte eine Antwort haben.

„War das die Sendung, in der Sie nackt waren?“

„In der ich …? Was?“ Faith sah gerade rechtzeitig wieder nach vorne, um einer Frau auszuweichen, die mit ihrem Hund die Straße überquerte. „Ja, war es, aber darum ging es nicht.“

Sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass er grinste.

„Ich habe mich ausgezogen, um zu zeigen, dass Frauen sich ihrer Körper nicht schämen müssen. Und ich war nicht komplett nackt – mein Intimbereich war mit Blättern bedeckt.“

„Ihr Intimbereich?“

„Ja, der Teil, den man den Leuten nicht zeigen will.“

„Ich zeige meinen Intimbereich gerne.“

Faith verdrängte die Vorstellung von Cashs Intimbereich sofort wieder. Professionell und einnehmend. So wollte sie wirken.

„Da bin ich mir sicher. Ich hingegen behalte mir das für ausgewählte Menschen vor.“

„Wirklich?“

Faith hielt den Blick fest auf die engen, gewundenen Straßen Sydneys gerichtet, als Cash sich auf die Mittelkonsole stützte und ein Stück näher rückte. Er roch nach Strand und etwas, das nur er war. „Wie viele ‚Auserwählte‘ durften Ihren Intimbereich denn schon sehen, Faith?“

„Wie viele?“

„Ja. Wie viele.“

„Sie meinen, eine Zahl?“, stotterte sie. Diese Unterhaltung war definitiv nicht professionell.

„Ja. Eine Zahl.“

Sein Atem strich warm über ihre Schulter. Sie spürte ihn durch den dünnen Stoff ihres T-Shirts. Ihre Haut prickelte. Seine Lippen mussten sehr nah sein. Nicht mehr viel, und er würde über ihre Haut lecken können …

Alles in Faith spannte sich an. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich.

„Ich finde nicht, dass die Zahl relevant ist.“

„Ich schon. Sie sind die selbst ernannte Sexpertin hier. Ich würde gerne wissen, woher Sie Ihre Expertise beziehen und wie Ihre persönlichen Erfahrungen aussehen.“

Ihr Mund war mit einem Mal ganz trocken.

„Ich hatte ausreichend Sex, um zu wissen, was ich tue.“

„Wirklich?“

Die Luft im Auto war drückend. Faith rollte ihr Fenster herunter. Sie brauchte dringend frische Luft.

„Das ist interessant. Denn ich würde gerne wissen, wie viel ‚ausreichend‘ ist. War es nur ein Partner? Oder reden wir hier von Zahlen im zweistelligen Bereich?“

Faith schwieg. Die Luft, die durchs Fenster strömte, war feucht und stickig, aber immerhin war es Luft.

„Dreistellig?“

„Nein!“ Faith war von ihrer energischen Antwort selbst überrascht. „Nein. Ich würde lieber nicht mit Ihnen darüber sprechen.“

„Warum nicht?“

„Weil Sie mein Chef sind und es … nicht professionell ist.“

Er winkte ab. „Vergessen Sie das. Die Sonne scheint, es ist ein wunderschöner Tag, und im Moment bin ich nicht Ihr Chef. Wir sind nur zwei Menschen in einem Auto, die sich miteinander unterhalten.“

Red war zwar ein großes Auto, aber irgendwie schien Cash trotzdem zu nah zu sein. Er nahm mit seinen Fragen zu viel Raum und Luft ein. Aber sie wusste, was er vorhatte – er wollte sie dazu bringen, etwas zu offenbaren, was sie nicht erzählen wollte. Sie war schon lange genug Journalistin, um die Tricks zu kennen.

„Meine Sexleben geht Sie nichts an.“

„Da widerspreche ich. Ihr Sexleben geht jeden etwas an. Schließlich haben Sie es zu Ihrem Beruf gemacht. Und genau das finde ich so interessant: Wieso haben Sie kein Problem damit, vor der Kamera darüber zu reden, sind privat aber so verschlossen wie eine Auster? Was ist in der Vergangenheit geschehen, das Sie glauben lässt, Sex wäre mehr als nur Sex? Und warum regen Sie sich jedes Mal so auf, wenn ich andeute, dass Ihre Sendung eingestellt wird?“

Ja, er war definitiv zu nah. „Ich rege mich auf, weil Australien meine Sendung braucht.“

„Nein. So ehrbar ist niemand. Menschen lassen sich von drei Dingen motivieren, Faith: Angst, Gier oder Lust. Also, was ist Ihre Motivation? Warum ist Ihnen die Sendung so wichtig?“

Faith wollte diese Fragen nicht beantworten. Sie wollte nicht mit ihm über all das reden. Doch sie konnte schlecht hier neben ihm sitzen und gar nichts sagen.

„Wenn ich eine wählen müsste, würde ich mich für Gier entscheiden. Ich möchte Erfolg haben. Ich möchte Preise als Journalistin gewinnen. Ich will, dass die Menschen wissen, wer ich bin.“

Cash schwieg einen Moment und sie spürte, wie er sie musterte. Sie warf das Haar zurück und reckte das Kinn. Es war ihr egal, was er von ihr hielt.

„Okay, ich tue mal so, als ob ich Ihnen das glaube. Aber warum Sex? Warum Liebe und Beziehungen? Warum nicht Nachrichten, Sport, Politik? Das sind die Themen, mit denen man Preise gewinnt.“

„Sport und Politik interessieren mich nicht.“

„Aber Sex und Beziehungen schon.“

„Ja.“

„Und Liebe.“

Nun drehte sie sich zu ihm um und hielt seinen Blick fest. „Ja. Liebe. Sie ist mir sehr wichtig.“ Sie schämte sich nicht. Denn es stimmte. Sie interessierte sich für Liebe. Sie dachte darüber nach – vor allem darüber, wieso sie sie einfach nicht fand. Ihre Kehle schnürte sich zu und sie biss sich auf die Unterlippe, bevor sie den Blick wieder auf die Straße richtete.

„Liebe existiert nicht, Faith.“

Er sagte das so leise, dass Faith sich fragte, ob sie sich verhört hatte.

„Natürlich tut sie das. Jeder verliebt sich mal in seinem Leben.“

„Das ist Lust. Liebe ist etwas anderes.“

„Sie haben gerade Ihr eigenes Argument widerlegt, Cash. Wenn Sie wissen, dass Lust sich von Liebe unterscheidet, erkennen Sie an, dass es Liebe gibt.“

„Vielleicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Für manche Menschen. Aber sie hält nie an, weshalb ich Lust vorziehe.“ Faith’ Magen verkrampfte sich. Das hier lief nicht gut. Wenn er nur an Lust glaubte, würde er sie feuern. Ihre Sendung basierte darauf, dass sich jeder irgendwann im Leben einmal verliebte. Schweigen senkte sich über sie herab. Faith spürte, wie ihre Karriere ihr mit jeder verstreichenden Sekunde mehr aus den Händen glitt.

„Wir treffen uns heute mit einer tantrischen Sexberaterin.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, um die Anspannung zu vertreiben, die in der Luft lag.

„Tantrasex?“, fragte Cash abwesend und verzog leicht das Gesicht. „Klingt faszinierend.“

Sie wollte ihm sagen, wie recht er damit hatte. Wie sehr es die Intimität und die gemeinsame Verbindung intensivieren konnte. Doch sie tat es nicht. Er wirkte abgelenkt, und sie spürte, dass sie ihn mit jedem Kilometer, den sie zurücklegten, mehr verlor.

„Stimmt etwas nicht, Cash? Haben Sie etwas gegen Tantrasex?“

Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. „Nein. Ich denke nur nach.“

„Worüber?“ Sie schaltete in den zweiten Gang und bog um eine Kurve.

„Über Sie und Ihre Sendung. Und über …“ Sie spürte, als er den Blick abwandte und wieder aus dem Fenster schaute. „Egal.“

Er klang ein wenig traurig. Was sie stutzig machte. Cash klang niemals traurig. Verärgert? Ja. Sauer? Auf jeden Fall. Frustriert, ungeduldig, wütend? Ja, ja, ja. Aber niemals traurig.

„Es tut mir leid.“

Er wandte sich ihr wieder zu. „Sie müssen sich nicht entschuldigen, weil Sie mir nicht in allem zustimmen. Ich mag es, dass Sie Ihre eigene Meinung haben, Fragen stellen und sich nicht einfach überrennen lassen.“

„Wo liegt dann das Problem?“

„Sie wissen, warum man mich hierher beordert hat, oder?“

„Um den Sender zu leiten.“

„Um den Sender zu retten. Es läuft nicht gut, Faith. Ich soll Einsparungen vornehmen und die Gewinne erhöhen. Aber ich bin nicht hier, um allen den Spaß zu verderben und Träume zu zerstören.“

Faith wusste, dass es dem Sender dieses Jahr nicht gut gegangen war, aber sie hatte nicht gewusst, wie schlimm es wirklich war. „Meine Sendung ist gut, Cash. Und wenn wir sie auf die Hauptsendezeit verlegen, wird sie auch mehr Werbekunden anziehen.“

„Ihre Show wird niemals auf den Hauptsendeplatz rücken, Faith. Sex ist im normalen Programm nicht akzeptabel. Sport schon. Das ist nichts Persönliches, Faith, sondern eine rein geschäftliche Entscheidung.“

Nichts Persönliches? Ihren Job zu verlieren war verdammt persönlich. Und alles, was sie in den letzten zwei Jahren erreicht hatte, schlechtzureden war es auch.

„Sie haben gar nicht vor, meine Sendung weiterlaufen zu lassen, oder? Was wir hier tun, ist reine Zeitverschwendung.“ Faith brachte das Auto mit quietschenden Reifen an einem Seitenstreifen zum Stehen. „Und wenn dem so ist, sollten Sie jetzt besser aussteigen.“

Sein Blick traf ihren und hielt ihn fest. Heiß. Herausfordernd.

„Ich habe Ihnen ein Versprechen gegeben, und das werde ich halten. Wenn Sie mich überzeugen können, dass Sex mehr als Sex ist, werde ich Ihre Show weiterlaufen lassen. Ich werde Sie sogar darin unterstützen, die Show zu einer Sendung fürs Hauptprogramm zu machen. Aber wenn ich am Ende der Woche nicht überzeugt bin, müssen Sie aufgeben.“

Faith lenkte den Wagen auf die Straße zurück und trat das Gaspedal durch. Der Einsatz war noch höher als zuvor. Aber gut. Er wollte was über Sex erfahren? Bis heute Abend würde er darin ertrinken. Natürlich nicht wörtlich. Aber heute würde sie diesem Mann beibringen, was es hieß, etwas so sehr zu wollen, dass man dafür töten würde.

3. KAPITEL

Patricia Fellows war eine Frau, von der man erwartete, dass sie in ihrer heimeligen Küche daheim Kuchen backte. Sie war rund und fröhlich und riss einen Witz nach dem anderen.

Cash warf Faith einen Blick zu. Falls sie glaubte, er würde hier ruhig im Garten dieser Frau sitzen und darauf warten, dass sie ihn durch ihre Energie zum Orgasmus brachte, war sie verrückt.

Aber er war gewillt, Faith noch einen Moment ihren Willen zu lassen. Obwohl er nicht wusste, warum. Vielleicht, weil ihm der Gedanke missfiel, sie könnte den Sender verlassen. Sie war immerhin die Einzige dort, die es schaffte, seine Aufmerksamkeit für länger als zwei Minuten zu fesseln.

Aber ihre Sendung musste gehen. Sie brachte einfach nicht das Geld ein, dass der Sender so dringend brauchte. Zugegeben, ihre Einschaltquoten waren gut, die Zuschauer mochten sie. Vielleicht musste nur am Drehbuch etwas gefeilt werden.

Stopp. Nein. Er wollte die Show doch gar nicht behalten. Sport brachte das große Geld ein. Faith hatte es irgendwie geschafft, ihm etwas zu verkaufen, was er gar nicht haben wollte. Ab sofort würde er ihr nicht mehr zuhören.

„Sie sind aber auch ein gut aussehender junger Mann“, gurrte die ältere Frau.

„Das ist mein Chef, Patricia. Cash Anderson.“

„Wenn ich so einen Chef hätte, würde ich jeden Tag mit nichts als einem schwarzen Spitzenslip bekleidet zur Arbeit erscheinen.“

Es wurde immer unangenehmer. Vor allem, weil Patricia sich jetzt über die Lippen leckte, als wäre er ein besonders saftiges Stück Fleisch.

„Tun Sie einfach so, als wäre ich nicht da.“

„Aber nein! Mit Ihrem guten Aussehen sind Sie der Star der Show.“

„Ehrlich gesagt ist Cash nur als Zuschauer hier“, sagte Faith entschieden und lächelte ihn an. „Er lernt noch.“

„Oh.“ Die Enttäuschung war Patricia anzusehen. Ihr Blick wurde merklich kühler. „Dann setzen Sie sich dorthin.“ Sie winkte ihn energisch an die Seite.

Inzwischen waren weitere Gäste angekommen. Hauptsächlich Paare mittleren Alters, die einander zu kennen schienen. Faith wurde von allen herzlich begrüßt.

Sie kommt mit der Aufmerksamkeit gut zurecht, dachte Cash. Sie beantwortete die dummen Fragen und lachte über die schlechten Witze. Als die Sitzung begann, trat sie einen Schritt zur Seite.

„Tantra bringt Harmonie in alle Bereiche eures Lebens“, begann Patricia und fing an, Seidenkaftane zu verteilen. Die Männer und Frauen schienen zu wissen, was sie damit tun sollten, denn sie fingen sofort an, sich auszuziehen und in die weiten Gewänder zu schlüpfen. Cash trat von einem Fuß auf den anderen und verschränkte die Arme vor der Brust. Das war nicht das, was er erwartet hatte.

Faith beugte sich zu ihm. „Keine Angst, wir werden nichts zu sehen bekommen.“

Er sah sie an. Sie kam noch ein Stück näher, als würde es ihn beruhigen, wenn sie ihren Arm gegen seinen drückte. Doch das Gegenteil war der Fall. Er fühlte sich unbehaglich und war sich ihrer Nähe nur zu bewusst.

Faith lächelte. Ihm fiel auf, wie sehr ihre Augen strahlten. Sie war hübsch. Viel zu hübsch. Und ein wenig verrückt. Hör einfach nicht auf sie, ermahnte er sich erneut.

Seine Aufmerksamkeit wurde von dem Kreis an Leuten angezogen, die Patricia nun anwies, sich neben den jeweiligen Partner zu setzen, sodass ihre Arme einander berührten. Genau so wie bei ihm und Faith.

Er blieb so stehen. Faith war attraktiv und hatte einen tollen Körper. Warum sollte er sie nicht ein wenig berühren? Sie waren nicht im Büro und zwischen ihnen würde nie etwas sein.

„Wir beginnen mit einer Übung für den Beckenboden. Sie verstärkt die Kraft eurer ‚Yoni‘ – dem Teil des weiblichen Körpers, der die Frau zu einem sexuellen Wesen macht“, erklärte Patricia, während sie zwischen den Paaren umherging. „Das macht es für das sexuelle Zentrum des Mannes, seinen ‚Lingam‘, wesentlich lustvoller.“

Die meisten hatten ihre Augen geschlossen, einige flüsterten miteinander – doch da ihre Beckenbodenmuskeln sicher hinter den weiten Kaftanen verborgen waren, hatte Cash kein Problem damit, zuzusehen.

„Jetzt ist es an der Zeit, uns einander zuzuwenden und dem anderen zu erzählen, was uns glücklich macht.“

Die Pärchen fingen an, miteinander zu reden, und Patricia schaute auf.

„Du auch, Faith. Ich habe dir vorab gesagt, dass du nur kommen kannst, wenn du mitmachst.“

Faith’ blaue Augen richteten sich auf ihn. „Tut mir leid“, flüsterte sie. „Aber Patricia glaubt, die anderen fühlen sich unwohl, wenn ich nicht mitmache. Normalerweise komme ich alleine her, aber da Sie nun mal dabei sind …“

„Ist schon gut. Sie können mir gerne verraten, was Sie glücklich macht.“ Seltsamerweise interessierte ihn das wirklich.

Sie schien nach einer Antwort zu suchen. „Wir sollten uns besser hinsetzen.“ Sie setzte sich im Schneidersitz ins Gras. Cash tat es ihr gleich. Da das Rugbyspielen seine Knie kaputtgemacht hatte, musste er die Beine gerade ausstrecken und erkannte zu spät, dass er sie quasi zwischen seinen Beinen gefangen hatte. Sie sah so klein aus, wie sie da saß. Ihre Haare fielen ihr offen über die Schultern und ihre helle Haut strahlte im Sonnenschein. Er spürte ein Ziehen in seinem Unterleib, doch das ignorierte er. Das hier war weder der geeignete Zeitpunkt noch der geeignete Ort. Und definitiv nicht die geeignete Frau.

„Also, was macht Sie glücklich, Cash?“

„Patricia hat gesagt, Sie sollen mitmachen, nicht ich.“ Cash wollte nicht reden. Er hatte die Neigung, zu ehrlich zu sein, und auf keinen Fall konnte er zulassen, dass Faith erfuhr, was in seinem Kopf vorging. Sie wäre schockiert, wenn sie herausfände, wie er wirklich war.

„Kommen Sie schon. Es tut auch nicht weh.“ Sie lächelte und Cash seufzte.

„Was mich glücklich macht? Surfen und ein saftiges Steak.“ Er schaute ihr in die Augen. „Stille.“

Faith’ Lippen lächelten nicht, aber ihre Augen taten es. Es waren wunderschöne Augen, die ihn so eindringlich musterten, als versuche sie, seine Gedanken zu lesen. Er rutschte unruhig hin und her, dann fühlte er ihre Hand auf seinem Knie. Die Wärme beruhigte ihn.

„Entspannen Sie sich“, sagte sie mit der leisen, nach Honig klingenden Stimme, die er so gut kannte. „Niemand hier beurteilt Sie.“

Die Sonne brannte auf seinen Rücken herab. Er rieb sich den Nacken. Sie irrte sich. Er wurde ständig beurteilt. So lief das im Leben nun einmal.

„Ich mag die Stille auch“, sagte sie dann und nahm ihre Hand fort.

Erleichtert stützte er sich hinter dem Rücken auf dem Rasen auf und beobachtete sie.

„Ich sitze einfach gerne da und höre zu, verstehen Sie?“

Das tat er nicht, aber er mochte es, ihre Stimme zu hören.

„Ich sitze gerne da und lausche dem Wind oder den Geräuschen vor meinem Schlafzimmerfenster. Manchmal stelle ich mir dann vor, ich wäre eine Katze und könnte einfach da sitzen und lauschen und mich jederzeit irgendwohin zurückziehen, wo mich keiner findet.“

„Sie wollen eine Katze sein?“ Wie kam es, dass sie ihn immer wieder überraschte?

Sie lachte, wobei sich kleine Fältchen in ihren Augenwinkeln bildeten. „Manchmal. Und Sie? Wollten Sie jemals ein anderer sein?“

Cash dachte darüber nach. Dachte an seinen Bruder. Ja. Jahrelang hatte er jemand anderes sein wollen.

„Nein.“

„Ich wünschte, ich wäre so mutig wie Sie.“ Faith’ Lächeln schwand.

„Ich bin nicht mutig.“ Er war ein Feigling, doch das wusste außer ihm niemand. Zumindest keiner außerhalb seiner Heimatstadt.

„Doch, das sind Sie. Sie sagen, was Sie sagen müssen. Tun, was Sie tun müssen. Machen sich keine Gedanken, was die Leute von Ihnen denken oder was passieren könnte. Sie sind furchtlos.“

Während sie sprach, konnte er den Blick nicht von ihr wenden. Sie faszinierte ihn, aber er schüttelte das Gefühl ab. Jeder hätte gerne, dass man so über ihn sprach. Das war nur sein Ego, das sich geschmeichelt fühlte – was auch beim letzten Mal passiert war, als er sich verliebt hatte. Sie hatte seinem Ego geschmeichelt. Doch das war neun Jahre her, inzwischen hatte sein Ego so etwas nicht mehr nötig. Er brauchte niemanden, der ihm schmeichelte, damit er sich besser fühlte. Er brauchte niemanden. Punkt.

„Ich würde das eher eigensinnig nennen, nicht mutig.“

Faith lachte, und sofort sah ihr Gesicht ganz anders aus. Wie lange war es her, dass er eine Frau zum Lachen gebracht hatte?

„Ich denke, da könnten Sie recht haben. Aber trotzdem. Ich wäre gerne selbstsicherer und mutiger.“

Sie lächelte immer noch, und er spürte, wie auch seine Mundwinkel zuckten.

„Sie sind mutig. Sie sind um die halbe Welt gereist, um eine Sendung zu machen, für die man Sie hätte auslachen können. Aber das hat Sie nicht abgehalten. Und nun sitzen Sie hier, bereit, sich mir zu beweisen.“

„Ist das mutig oder einfach nur dumm?“

„Vielleicht ein wenig von beidem. Aber Sie tun es. Sie laufen nicht weg.“ Nicht so, wie er es getan hatte.

„Danke, Cash. Das ist das Netteste, was jemals jemand zu mir gesagt hat.“

Cash sah sie fragend an. „Wirklich? Dann sollten Sie sich neue Freunde suchen.“

Dieser Scherz brachte sie nicht zum Lachen. Sie wandte den Blick ab, und obwohl ihr Körper sich nicht bewegte, spürte er, wie sie sich zurückzog.

Das Gemurmel der anderen Paare und das Singen der Vögel wurden lauter. Er hätte das nicht sagen sollen. Immer wieder passierte es ihm, dass er einfach mit dem herausplatzte, was ihm durch den Kopf schoss. Faith hatte etwas an sich, das in ihm den Wunsch weckte, mit ihr zu reden. Er glaubte wider besseres Wissen, ihr vertrauen zu können.

Gerade als er dachte, Faith würde aufstehen und weggehen, beugte sie sich vor. „Die Leute sagen normalerweise keinen netten Sachen zu mir, weil ich ihnen nur selten einen Anlass gebe.“

Was meinte sie damit? Er wollte mehr wissen, wollte mehr sagen, traute sich jedoch nicht. Vielleicht würde er sonst etwas sagen, was sie traurig machte, und heute – hier im Sonnenschein mit ihr zwischen seinen Beinen – wollte er sie nicht traurig machen.

Patricia war inzwischen bei der nächsten Übung angekommen. Die Menschen im Kreis bewegten im Sitzen ihre Hüften und hoben die Arme. Er hoffte nur, Faith erwartete nicht, dass er da mitmachte. Das hier war kein Sex, das war Gefühlsduselei.

„Im tantrischen Sex geht es darum, die Verbindung mit dem Partner zu vertiefen“, murmelte Faith leise. „Man lernt, Liebe zu machen, anstatt nur Sex zu haben.“

Ihre raue Stimme im Zusammenhang mit den Wörtern „Sex“ und „vertiefen“ brachte ihn fast um den Verstand. „Warum sollte man das wollen?“

„Weil es sich gut anfühlt, einander zu lieben, anstatt nur Sex zu haben, oder nicht?“ Ihre Frage verwirrte ihn. Faith sah ihn so eindringlich an, als erwarte sie wirklich eine Antwort. Aber nur Sex fühlt sich auch gut an, dachte er. Und fragte sich, wie er sich wohl mit Faith anfühlen würde. Wäre er schnell und leidenschaftlich oder langsam und sinnlich?

Zum Glück setzte Patricia in diesem Moment zu einer neuen Übung an und löste die Spannung, die zwischen ihnen entstanden war. Cash stützte die Ellbogen auf seinen Knien auf und vermied es, Faith anzusehen. Sie war eine von den Frauen, die Lust mit Liebe verwechselten und immer mehr wollten, als der Mann bereit war zu geben. Normalerweise hielt er sich von solchen Frauen fern. Ihm gefielen die besser, die keinerlei tiefer gehende Gefühle in ihm auslösten.

„Faith! Ich brauche dich.“ Faith’ Kopf schnellte herum, als Patricia sie rief.

„Wie kann ich dir helfen, Patricia?“, fragte sie schnell, offensichtlich erleichtert über die Ablenkung.

„Setz dich bei deinem Freund auf den Schoß. Ich brauche ein Paar, an dem ich etwas zeigen kann.“

Cash erstarrte. Sich auf seinen Schoß setzen? Faith drehte sich zu ihm um. Sie lächelte nicht.

„Das geht nicht, Patricia. Er ist mein Chef.“

„Umso besser. Diese Technik wird euch lehren, besser miteinander zu kommunizieren. Ihr werdet lernen, zuzuhören, anstatt einfach nur aneinander vorbeizureden.“

Cash fragte sich, was Faith wohl tun würde. Sie wirkte nervös, unsicher. Langsam und zögerlich kam sie näher.

„Mir ist befohlen worden, mich auf Ihren Schoß zu setzen“, sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.

„Nein, tut mir leid.“ Er schaute an ihr vorbei zu Patricia. „Dafür bin ich nicht passend angezogen.“

„Unsinn. Setz dich auf ihn, Faith.“

Faith wirkte zutiefst gedemütigt, und Cash fühlte sich schuldig. Wegen der Sachen, die er vorhin gesagt hatte. Und weil er sie dazu gebracht hatte, das hier zu tun. Sie wollte ihm doch nur beweisen, wie wichtig ihre Arbeit war; sie hatte eine faire Chance verdient. „Kommen Sie schon, Faith. Springen Sie auf. Es kann ja nicht schaden.“ Sie sah so verängstigt aus, dass er irgendetwas tun musste, um sie zu ermutigen. Also streckte er die Arme aus. „Ich beiße auch nur, wenn Sie unartig sind.“

Faith lachte nervös auf und stellte sich über seine ausgestreckten Beine.

„Bereit?“, fragte sie mit hoher Stimme.

Ihre Jeans saßen sehr eng um ihre Hüften und ihre langen Beine. Cash hob die Hände und legte sie an die Außenseiten von Faith’ Oberschenkeln.

„Bereit“, sagte er, ohne den Blick von ihr zu wenden.

Sie ging langsam in die Knie, und sein Blick glitt zu ihrem Bauch, wo zwischen T-Shirt und Jeansbund ein kleiner Streifen Haut zu sehen war. Seine Hände glitten höher und sie legte ihre Hände auf seine Schultern. Er verspannte sich unter der Bewegung. Ihm wurde am ganzen Körper heiß. Für eine Sekunde vergaß er, wo er war und spürte nur ihre Weichheit.

Ihre Brüste schoben sich in sein Blickfeld. Ihre Nippel waren aufgerichtet. Er biss sich auf die Zunge und legte seine Hände an Faith’ Hüften, um sie sanft auf seinen Schoß zu ziehen. Sie so zu halten fühlte sich richtig an. Sie senkte sich immer weiter herab, bis er ihren heißen Atem an seiner Stirn fühlte.

Dann endlich saß sie auf seinem Schoß. Sie verlagerte noch einmal das Gewicht, und ihr Atem stockte. Sein Blick wanderte zu ihrem Mund. Alles, was er spürte, war sie. Alles, woran er dachte, war sie. Sein Kopf hämmerte, in seinem Schritt pochte es. Sie holt tief Luft und hielt den Atem an, bevor sie ihn anschaute. Die Luft zwischen ihnen knisterte. Ihre Augen, die gestern noch so dunkel gewesen waren, hatten nun beinahe die Farbe des Sommerhimmels. Er schob seine Hände weiter nach oben, bis er mit der Spitze seines Daumens die Rundung ihrer Brüste berührte. Sie stieß den Atem aus und öffnete die Lippen. Er ließ seine Hand, wo sie war, direkt unter ihrer Brust.

„Ausatmen, Cash, ausatmen!“ Patricia rief etwas, doch er konnte es nicht richtig verstehen. Das Einzige, was er hörte, war Faith’ Atem, der immer schwerer wurde.

„Ausatmen“, murmelte Faith. „Sie will, dass Sie in meinen Mund ausatmen.“

„Was?“ Seine Stimme klang tief und krächzend.

„Atmen Sie aus“, flüsterte sie. „Wenn ich einatme, atmen Sie aus.“ Er tat es, ließ seinen Atem zwischen ihre geöffneten Lippen fließen. Dann atmete sie aus, und er spürte die heiße Luft in seinem Mund. Seine andere Hand wanderte auf Faith’ Rücken. Er zog sie näher zu sich heran. Mit den Fingern strich er durch ihr seidiges Haar. Er atmete wieder aus, den Blick fest auf ihre Lippen geheftet. Sie erschauerte. Etwas passierte hier. Etwas, das nicht passieren sollte. Nicht hier in Patricias Garten.

Und definitiv nicht mit Faith.

Cash bewegte die Beine. Er spürte ihre Wärme an seiner Erektion. Sie atmete wieder aus, und er sog ihre Luft ein, wollte ihr näher sein, wollte diese vollen Lippen auf seinen spüren. Er verlagerte ein wenig das Gewicht, da schoss ihr Kopf auf einmal nach oben, als wenn sie aus einem tiefen Schlaf aufgewacht wäre. Sie sprang so schnell auf, dass ihr Kopf gegen sein Kinn stieß und er Blut schmeckte, weil er sich auf die Unterlippe gebissen hatte.

„Verdammt!“ Er biss die Zähne zusammen.

„Cash, das tut mir so leid. Oh nein. Sie bluten ja.“

Cash hob eine Hand und berührte seinen Mund. Als er sie wieder wegzog, war sie voller Blut. Seine Lippe pochte.

Er stieß einen lauten Fluch aus.

„Ohje. Ich hole schnell ein Tuch“, erklärte Patricia besorgt.

„Ist schon gut, ich werde es überleben.“ Er stand auf und wischte sich das Kinn ab. Die Wunde blutete immer noch. Er fluchte erneut, aber nur im Stillen. Er hätte es wissen müssen. Verlier bloß niemals deinen Kopf, das führt nur dazu, das jemand verletzt wird.

Patricia kehrte mit einer Handvoll Taschentücher zurück, die er sich an den Mund drückte. Seine Lippe tat weh, aber sein verletzter Stolz schmerzte mehr. Faith war so schnell von ihm heruntergesprungen. Als wenn ihr auf einmal bewusst geworden war, was sie da tat und mit wem. Für einen winzigen Moment hatte er gedacht, dass sie vielleicht spürte, dass zwischen ihnen tatsächlich etwas passierte. Aber dem war nicht so. Sie hatte es nur vorgetäuscht, um ihre Sendung nicht zu verlieren.

Sein Kiefer schmerzte. Er wollte jetzt nur noch ins Büro und zu seiner Arbeit zurückkehren, und nicht weiter in fremder Leute Garten ungewollte Gedanken haben und Gefühle verspüren.

„Geht es Ihnen gut?“ Faith klang ein wenig eingeschüchtert, was so gar nicht zu ihr passte. Aber darauf würde er nicht hereinfallen. „Wollen Sie noch bleiben?“, fragte sie.

Nein, das wollte er nicht.

„Ich denke, wir sollten gehen.“ Er schaute Faith nicht an, wollte ihr Gesicht nicht sehen. Die Enttäuschung, weil ihr Plan nicht funktioniert hatte. Er rief sich in Erinnerung, dass das hier Arbeit war und Faith eine Angestellte, mehr nicht. Er wünschte nur, sein pochender „Lingam“ würde das genauso sehen.

4. KAPITEL

„Cash, es tut mir so leid.“ Sie saßen im Auto auf dem Rückweg ins Büro.

„Vergessen Sie es“, knurrte er, und ihr Herz wurde schwer. Eben auf seinem Schoß hatte sie sich vergessen. Sie hatte seine Härte gespürt und sich davontragen lassen. Hatte Gedanken gehabt, die sie nicht hätte haben sollen. Natürlich hatte er eine Erektion gehabt. Immerhin hatte eine Frau auf seinem Schoß gesessen, da hätte jeder normale Mann so reagiert. Es hatte nichts mit ihr zu tun.

Doch für einen Moment, während er in ihren Mund atmete, hatte es sich so angefühlt. Sie hatte geglaubt, er hätte es auch gefühlt. Die Spannung, die ihr Blut zum Kochen brachte, als sein Atem auf ihre Haut traf. Doch dann hatte er sich bewegt und sie hatte erkannt, dass es für ihn unbequem war und er sie loswerden wollte. Also war sie aufgesprungen – und hatte ihn verletzt.

Jemanden zu verführen hatte noch nie zu ihren Stärken gehört. Schon als Teenager hatte sie immer nur am Rand gestanden und zugeschaut, wie die anderen auf der Tanzfläche rummachten. Später war es auch nicht besser geworden. Was mit ein Grund dafür war, warum sie diesen Job brauchte. Denn nirgendwo sonst konnte sie so viel über Sex und Beziehungen lernen wie bei ihrer Sendung.

Manchmal glaubte sie, so weit zu sein, das Gelernte anzuwenden. Doch immer, wenn sie jemanden traf, den sie mochte, war derjenige mehr an einer schnellen Nummer interessiert als daran, dass sie seinen Körper mit ihrer Zunge erkundete. Was genau das war, was sie vor fünf Minuten mit Cash hatte tun wollen. Doch nun blutete er und war wütend und definitiv nicht an ihrer Zunge interessiert.

„Hören Sie, es tut mir wirklich leid, aber Sie hätten Ihren Kopf wegdrehen müssen.“

„Ich?“ Er starrte sie an, und ihr wurde ganz heiß. Gleich würde er ihr sagen, was für ein Trampel sie war. Doch stattdessen lachte er nur. „Also war mein großer Kopf an allem schuld?“

Sie schaute ihn überrascht an. Er war nicht böse. Lächelnd richtete sie den Blick wieder auf die Straße.

Er nahm die Taschentücher von seinem Mund und drehte sich zu ihr. „Wie sieht es aus?“ Seine Lippe war geschwollen und mit Blut verschmiert.

„Gut. Man sieht es kaum.“

Sie lachten wieder und fingen dann an, einander mit ihren schlimmsten Verletzungsgeschichten zu beeindrucken, bis Cash aus dem Fenster schaute und fragte: „Wo sind wir hier?“

„Thornleigh.“

„Thornleigh? Der Vorort von Sydney?“

„Ja. Hochburg der Hausfrauen und Privatschulen. Und von BDSM.“

„Sie machen Witze.“

„Nein. Hier wohnt Miss Kitty. Zu ihren Kunden zählen einige der bekanntesten Bewohner der Stadt. Prominente, Fernsehstars, Fußballspieler. Jeder mit einem dicken Konto geht zu Miss Kittys Partys.“ Faith warf ihm einen Blick zu und fragte sich, ob Miss Kittys Welt wohl eher seine wäre.

„Was sind das für Partys?“

„Ich bin erst auf einer gewesen. Da wurden Männer an Hundeleinen herumgeführt und Frauen der Hintern versohlt.“

Bei ihrem ersten Besuch war sie ein wenig eingeschüchtert und verängstigt gewesen, doch dann hatte sie erkannt, dass jeder Mensch auf seine Weise Vergnügen fand.

„Das klingt nicht sonderlich sexy.“

„Es geht dabei mehr ums Gefühl. Die Kontrolle zu haben oder sie abzugeben. Wie ich schon sagte, Sex ist nicht immer nur Sex.“

„Stehen Sie darauf?“, fragte Cash leise. Es klang, als wäre er wirklich an ihrer Antwort interessiert. Als wäre ihr Fehler von vorhin vergessen. Als ob er sie trotzdem mochte.

„Nein, aber ich versuche gerne, Beziehungen zu verstehen. Der Wunsch, dominiert zu werden oder zu dominieren, hat viel mit dem zu tun, was ein Mensch außerhalb des Schlafzimmers benötigt. Unsere Einstellung zum Sex wird von unserem Leben bestimmt – von unseren Ängsten, unserer Vergangenheit, unserem eigenen Körpergefühl.“

Er streckte die Hand nach dem Radio aus und stellte es an.

„Klingt, als wenn Sie da ganz schön viel hineininterpretieren.“ Er starrte geradeaus. „Meiner Erfahrung nach hat Sex nichts damit zu tun, wie man sich fühlt, sondern nur damit, was man will. Was üblicherweise Macht ist. Wer sie hat, wer sie haben will. Und sobald man die Macht hat, kann man andere dazu bringen, alles zu tun, was man will.“

Faith hatte mit einem Mal einen ganz trockenen Mund. „Sie schlafen mit Frauen, um Macht über sie zu erhalten?“

Sie spürte seinen Blick heiß auf ihrem Gesicht und wusste, dass er sie so eindringlich anschaute, wie er es oft tat.

„Ich habe Sex zum Vergnügen. Gefühle spielen dabei keine Rolle. So wird auch niemand verletzt.“

„Irgendjemand wird immer verletzt.“

Darauf erwiderte Cash nichts, sondern blickte einfach schweigend aus dem Fenster.

Miss Kitty war schlecht gelaunt. Es hatten viele Gäste abgesagt. Offenbar hatte in der Nähe ein Konkurrent aufgemacht, der billigere Preise bot.

„Als wären wir ein Supermarkt.“ Kitty hatte hellblaue Haare und schwarze Fingernägel, unterschied sich ansonsten aber nicht von den anderen Frauen in diesem Vorort. Sie trug Jeans und ein langes weißes Oberteil, dazu eine bunte Perlenkette.

Während der Tour durch den Dungeon im Keller des Hauses beobachtete Faith ihren Chef. Cash machte nicht den Eindruck, als fühle er sich hier wohl. Er hatte keinerlei Interesse an Seilzügen und Fesseln. Er wollte nicht einmal die beeindruckende Peitschensammlung anfassen.

„Können wir uns eine Minute alleine umschauen?“, fragte Faith. Miss Kitty verschränkte die Arme über der Brust und schaute sie an.

„Was ist mit ihm?“ Sie nickte in Cashs Richtung.

Faith zwinkerte ihr zu.

„Um den kümmere ich mich.“

Kitty nickte und ging. Die Tür fiel leise hinter ihr ins Schloss. Mit einem Mal wirkte der Raum dunkler und unheimlich still. Stille. Die hatte Cash sich vorhin gewünscht. Doch nun wirkte er so, als fühle er sich unwohl.

„Ich denke, ich habe genug gesehen.“ Er ging in Richtung Tür, aber Faith war schneller. Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm und hielt ihn zurück.

„Bitte, noch einen Moment.“ Sie musste ihn dazu bringen, zu verstehen, worum es hier ging und warum die Menschen davon erfahren sollten. „Schauen wir uns noch ein wenig um.“

In dem dämmrigen Licht wirkte Cash größer, düsterer und verärgerter. Faith erschauerte. Seine grimmige Miene sollte ihr Angst machen, doch stattdessen fühlte sie sich von ihm angezogen. Sie ließ ihn los und trat an den mit Leder bezogenen Massagetisch, der an einer Wand stand.

„Das hier ist der Peitschentisch“, erklärte sie, und er kam näher, um ihn sich anzuschauen.

„Das klingt barbarisch.“

„Hier unten geschieht nichts, was Sie nicht wollen. Es gibt Regeln, damit alle sich sicher fühlen.“

„Jemanden zum Vergnügen auszupeitschen hört sich nicht sonderlich sicher an.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust, und Faith verspürte ein Ziehen im Unterleib. Sie erkannte das Gefühl. Hatte es schon viele Male zuvor empfunden. Es war Lust. Doch die durfte sie weder hier noch für diesen Mann empfinden.

„Sicherheit hat mit Vertrauen zu tun. Wenn man jemandem vertraut, lässt man ihn Dinge tun, die man normalerweise nicht zulassen würde“, sagte sie.

„Es ist gefährlich, einem anderen Menschen zu vertrauen.“

Er trat näher an den Käfig, zu dem Faith hinübergeschlendert war, und stemmte die Hände links und rechts an den Türrahmen. Seine Nähe ließ Faith’ Herz schneller schlagen. Er wirkte immer noch groß und böse. Und überhaupt nicht sicher.

„Wenn Sie niemandem vertrauen, können Sie nie Sie selbst sein. Ist das nicht furchtbar anstrengend? Stets eine Maske zu tragen und zu versuchen, alle auf Armeslänge von sich fernzuhalten?“, fragte sie.

„Ich bin ich selbst. Und ich tue nicht so, als wäre ich jemand anderes.“

„Aber warum vertrauen Sie dann niemandem?“

Ein Schatten fiel über sein Gesicht. Seine Augen wurden dunkel, und er presste die Lippen aufeinander. „Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie zu viele Fragen stellen?“

Faith machte einen Schritt zurück, als Cash den Käfig betrat. Darin war gerade ausreichend Platz für zwei. Cash berührte sie nicht, doch sie spürte die Hitze, die von seinem Körper ausging.

„Ich bin Journalistin, das gehört zu meinem Beruf.“

„Gute Journalisten reden nicht – sie hören zu.“ Seine Stimme war gefährlich tief geworden. Er füllte den Platz mit seinem Körper und seiner Wärme und dieser Stimme. Faith fühlte sich ein wenig überwältigt. Doch irgendetwas geschah mit ihr. Hier im Halbdunkeln fühlte sie sich mutiger. Kühner. Sie hob die Hände, um die Stäbe rechts und links zu fassen, und reckte ihr Kinn.

„Jetzt höre ich zu.“ Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Seine dunklen Augen hielten ihren Blick fest, und etwas Warmes, Verwegenes stieg in ihr auf. Vertrauen. Sie vertraute ihm. Vorsichtig löste sie ihre Hände von den Gitterstäben und legte sie an seine Brust; bewegte ihre Finger, massierte ihn sanft, um ihn dazu zu bringen, sich zu entspannen.

„Wirklich?“, fragte er rau. „Hören Sie mir wirklich zu?“

Ihre Hände strichen nach oben, bis sie seinen Hals erreichten. Dieser Ort mit seinen Versprechungen von Schmerz und Abgeschiedenheit ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie wollte Cash berühren, wollte erfahren, wie er sich anfühlte. Die kleinen Härchen an seinem Nacken piksten an ihren Handflächen – ein Gefühl, das ihr durch und durch ging. Seine Augen. Sie waren so dunkel. So weich. Sie sah nichts anderes. Nur seine Augen.

„Manchmal sagen Menschen nicht immer das, was sie meinen“, murmelte sie, während ihr Atem schneller wurde. Sie spürte, wie ihre Brüste sich schwer hoben und senkten, als ihre Hand sich seinem Mund näherte. Sie wollte nur seine Lippen berühren – mehr nicht. Er hielt sie nicht auf.

Sein Blick traf ihren, und sie wusste, was er fühlte. Seine Lider waren schwer, sein Körper strahlte noch mehr Hitze ab, seine Muskeln spannten sich an. Dann berührte sie mit ihrem Daumen ganz sanft seine Unterlippe, und das Verlangen verwandelte sich in etwas anderes. Etwas Verzweifelteres. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und fürchtete und sehnte sich gleichzeitig nach dem Gefühl seiner Lippen auf ihren.

Die Berührung war flüchtig. Kaum mehr als ein Hauch. Doch ein Hauch, der Faith’ gesamten Körper erbeben ließ. Sie zog sich zurück, wagte es, ihm kurz in die Augen zu schauen, die sich langsam öffneten, als hätte er sie bei der Berührung ihrer Lippen geschlossen.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, also stellte sie sich erneut auf die Zehenspitzen und presste ihren Mund sanft auf seinen. Doch seine Reaktion hatte nichts Sanftes. Er drängte sie zurück, bis ihr Rücken gegen die Gitterstäbe gedrückt wurde. Ein kleines Keuchen entkam ihren Lippen, und für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, ihn von sich zu stoßen, denn das hier würde nicht gut enden. Doch dann traf sein heißer Atem auf ihre Lippen, und sie konnte an nichts mehr denken außer an ihn. An seine Wärme, seine Härte, seine Reaktion auf ihre Zunge, die über seine Unterlippe strich. Große Hände packten ihre Handgelenke und drückten sie gegen die Gitterstäbe. Seine Hüfte drängte sich an ihre und sie fühlte ihn – groß, stark und wütend.

„Wo hast du gelernt, so zu küssen?“, grollte er, was ihr ein kleines, triumphierendes Lächeln entlockte.

Sie hatte die Kontrolle. Er wollte sie, das spürte sie. Ihr wurde ganz schwindelig. Sie konnte ihre Hände nicht bewegen, also schob sie den Kopf vor. Sie wusste nicht, woher dieser Mut gekommen war. So hatte sie noch nie jemanden geküsst. Doch es war, als kenne sie Cash, wüsste, was er wollte. Es fühlte sich einfach richtig an.

„Es gibt vieles, was du nicht von mir weißt“, sagte sie leise und senkte den Blick auf seine Lippen. Er reagierte sofort und küsste sie mit einer Heftigkeit, die sie noch nie erlebt hatte. Seine Hände umklammerten ihre Handgelenke, seine Zähne drängten sich ein wenig zu fest gegen ihre Lippen. Das gefiel ihr. Sie wollte mehr. Sie stöhnte vor Lust wohlig auf, woraufhin er seine Zunge über ihre Lippen gleiten ließ und sie endlich … endlich richtig küsste. Tief und sinnlich.

So war sie noch nie geküsst worden. Nicht mal damals … nein, daran wollte sie nicht denken. Sondern nur an ihn. Seine Küsse, seine Lust, sein Verlangen.

Ihre Lider senkten sich langsam und ihre Gedanken verschwammen, doch als er ihre Handgelenke losließ, wurde sie abrupt in die Gegenwart zurückgerissen.

„Du vertraust den falschen Menschen, Faith.“

Sie riss die Augen auf. Er löste sich von ihr.

„Nein. Ich vertraue dir.“ Sie war wie betrunken von seinem Kuss und beugte sich vor, um seine Lippen noch einmal auf ihren zu spüren, doch er wich ihr aus. Seine Augen waren nicht mehr weich, sondern hart und kalt, und sie erkannte, dass er sie zurückstieß. Verlegenheit brannte heiß in ihr. Dann regte sich Zorn in ihr. „Du fühlst es auch, das weiß ich. Warum küsst du mich dann nicht weiter?“

„Weil ich es nicht will.“

„Das stimmt nicht. Ich sehe es in deinen Augen, wie sehr du es willst.“

„Tu ich nicht.“

Faith’ Herz schlug schneller in ihrer Brust. Sie hörte ihn, aber sie glaubte ihm nicht. In ihrem Kopf stiegen die Erinnerungen daran auf, wie seine Finger vorhin über ihren Rücken geglitten waren, wie er mit ihren Haaren gespielt hatte. Wie leidenschaftlich er sie eben noch gehalten hatte, um sie zu küssen. Er wollte sie, daran gab es keinen Zweifel. Sie erinnerte sich an den Ausdruck in seinen Augen, als sie einander in Patricias Garten in den Mund geatmet hatten. Da war etwas zwischen ihnen, das spürte sie ganz genau. Doch er behauptete das Gegenteil.

„Du hast Angst, das sehe ich. Aber die musst du nicht haben. Du kannst mir vertrauen.“

Cash schwieg. Er beobachtete sie nur. Sein Blick glitt zu ihrem Mund und zurück zu ihren Augen. Er hielt ihren Blick fest. Einen Herzschlag lang. Dann noch einen.

„Was, wenn ich keine Angst habe? Was, wenn ich einfach nur nicht interessiert bin?“

Nicht interessiert. Faith lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er empfand nicht das Gleiche wie sie. Der Käfig war mit einem Mal zu eng. Sie musste hier raus. Doch er sprach einfach weiter. „Es tut mir leid, Faith. Du willst jemanden, der dich liebt, und ich habe dir gesagt, dass ich nicht an die Liebe glaube.“

„Ich … ich …“ Das war genau, was sie wollte. Was jeder wollte. Aber im Moment wollte sie nur, dass er sie erneut küsste. „Ich dachte, ich könnte dir vertrauen. Ich dachte, du wärst nett.“

„Tja, da hast du dich leider geirrt. Ich bin überhaupt nicht nett.“ Endlich trat er zur Seite und Faith konnte sich an ihm vorbei aus dem Käfig drängen. Dann straffte sie die Schultern, öffnete die Tür vom Dungeon und lief die Treppe hinauf. Erst draußen blieb sie stehen und atmete tief die frische Luft ein.

Wieder einmal hatte sie eine Situation falsch eingeschätzt. Hatte jemandem vertraut, der ihr Vertrauen nicht verdiente. Dabei hatte sie geglaubt, endlich erkennen zu können, wenn jemand sie mochte. Doch das tat Cash nicht. Auch ihm ging es nur um Sex.

Auf dem Weg zurück zu Cashs Wohnung lief das Radio mit voller Lautstärke. Was Faith nur recht war, denn so mussten sie nicht reden.

Als sie vor seinem Haus anhielt, spannte sich alles in ihr an. Er war nicht interessiert. Die Demütigung schien sie von innen heraus zu verbrennen.

„Faith, sollen wir darüber reden, was vorhin passiert ist?“

„Nein.“ Sie bedachte ihn mit einem gezwungenen Lächeln. „Das müssen wir nicht. Alles gut. Ich habe für einen Moment die Beherrschung verloren, doch das ist vorbei.“

„Ich würde gerne darüber reden.“

„Tja, ich nicht.“ Sie packte das Lenkrad fester, versuchte jedoch, eine entspannte Miene beizubehalten. Er sollte nicht wissen, wie sehr seine Worte sie verletzt hatten.

„Ich mag es nicht, Spielchen zu spielen, Faith. Ich mag es, wenn die Dinge … einfach sind.“

„Sex ist niemals einfach, das habe ich dir doch schon versucht, zu erklären. Irgendwann wird es immer kompliziert.“

„Nur, wenn man es zulässt.“

Faith war schlecht. Sie hatte geglaubt, er wollte sie so sehr wie sie ihn. Doch da hatte sie sich geirrt. Nun würde er sie nie wieder als Profi ansehen.

„Vielleicht ist dein Problem mit meiner Sendung gar nicht der Sex“, sagte sie. „Vielleicht bist du es. Hast du darüber schon mal nachgedacht?“ Langsam machte sich Wut in ihr breit.

„Es geht hier nicht um mich. Es geht um dich und darum, dass kein Werbekunde deine dumme Sexshow unterstützen will.“

„Meine Sendung ist nicht dumm. Im Gegensatz zu dir. Du hast ein Problem mit Intimität – und deshalb ein Problem mit meiner Sendung. Du hast Angst, dass ich die Leute davon überzeugen kann, dass die Liebe existiert, während du versuchst, sie davon zu überzeugen, dass sie es nicht tut.“

„Du willst wissen, warum ich deine Sendung einstelle, Faith? Weil du nicht objektiv bist. Du willst so sehr, dass Liebe die Lösung für alle Probleme ist, dass du alles andere übersiehst. Zum Beispiel, dass es Leute gibt, die nicht in dich verliebt sind, sondern einfach nur Sex wollen.“

Faith unterdrückte das Schluchzen, das ihr über die Lippen kommen wollte. All die schlimmen Erinnerungen kamen wieder hoch. An Mr Turner. Er war älter als sie gewesen und war ihr so nett vorgekommen. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Sie hatte ihm geglaubt, ihm vertraut. Hatte mit ihm Sex haben wollen, um ihm zu zeigen, dass ihr viel an ihm lag.

Doch dann hatten die anderen es herausgefunden, und er hatte sie nicht verteidigt. Hatte zugelassen, dass man sie auslachte und ihr gemeine Spitznamen gab. Dass man sie rauswarf. Ihr Vater hatte danach ein Jahr lang nicht mit ihr gesprochen, ihre Brüder zogen sie immer noch mit der Geschichte auf. Cash hatte recht. Mr Turner hatte einfach nur Sex gewollt. Und zwar egal mit wem. Es war nie um sie gegangen.

Faith konzentrierte sich auf ihre Atmung und starrte in die Sonne, die ihr die Tränen aus den Augen brennen sollte. Cash redete einfach weiter; er schien gar nicht zu bemerken, welche Wunde er mit seinen Worten aufgerissen hatte.

„Die Entscheidung, deine Sendung einzustellen, hat weder mit dir noch mit mir, sondern einzig mit den fehlenden Einnahmen zu tun. Ende der Geschichte.“

Faith atmete tief durch. „Du tust mir leid, Cash. Dir geht es einzig ums Geldverdienen und nicht darum, gutes Fernsehen zu machen. Außerdem glaubst du nicht an die Liebe, was bedeutet, dass du das Hochgefühl nicht kennst, das einen erfasst, wenn man sich komplett in einem anderen Menschen verliert, oder den tiefen Schmerz, wenn man von jemandem, den man liebt, betrogen wird.“

„Woher willst du wissen, was ich schon gefühlt habe oder nicht?“ Seine Worte waren ein tiefes Grollen. Eine Warnung, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte, den sie aber ignorierte.

„Ich weiß genau, was du fühlst. Nämlich nichts. Du bist einer dieser Männer, die ständig nehmen, aber niemals etwas geben. Ein Egoist, der glaubt, bestimmen zu können, was Menschen denken und fühlen, nur weil du es so willst.“ Jegliche Logik hatte Faith jetzt im Stich gelassen. Sie versuchte, so viele Worte wie möglich zu finden, die sie auf ihn abfeuern konnte. Sie wollte, dass er sich wehrte. Dass er etwas empfand, denn so kühl und gefasst, wie er da saß, fühlte sie sich nur noch mehr gedemütigt.

Eine Weile herrschte Schweigen.

„Du hast nicht den Alleinanspruch darauf, verletzt worden zu sein, Faith“, sagte Cash schließlich. „Das ist uns allen schon passiert. Nur haben wir anderen einen Strich darunter gezogen, während du weiter nach Antworten suchst, die du niemals finden wirst.“

„Ja, ich suche nach Antworten. Denn ich will wissen, warum. Nur darum mache ich das hier alles.“

„Warum was?“

„Warum … warum …“ Ihr Herz tat ihr weh und ihre Augen brannten. „Ich will wissen, warum du nicht zugeben kannst, dass du mich magst.“

„Du willst, dass ich dich anlüge? Dass ich sage, ich hätte dich vorhin gerne geküsst? Das kann ich nicht, Faith. Ich lüge nicht. Niemals.“

„Du bist ein grausamer Mann, Cash.“

„Warum? Weil ich dich nicht mag? Warum kümmert es dich überhaupt? Nicht alle Menschen mögen dich, Faith. Gewöhn dich dran.“

„Nein. Du hast so getan, als wärst du gewillt, zuzuhören und mir eine Chance zu geben, aber das bist du nicht. Dein Kopf ist genauso verschlossen wie dein Herz, und das macht aus dir einen seelenlosen Menschen. Einen Menschen, der nicht lieben kann. Niemand könnte dich je lieben, Cash. Du hast eine schwarze, leere Seele, und wenn dir dein Herz je gebrochen wurde, dann hast du es verdient.“

Schweigen senkte sich über sie herab. Ein Seitenblick verriet ihr, dass ihre Worte ihn getroffen hatten. Doch die erhoffte Erleichterung wollte sich nicht einstellen. Stattdessen empfand sie Scham. Schmerz. Sie spürte, dass sie eine alte Narbe bei ihm aufgerissen hatte.

Cash atmete tief ein und aus. Dann drehte er den Kopf und schaute aus dem Fenster. „Vielleicht habe ich das verdient“, sagte er leise.

Faith wollte etwas sagen, sich entschuldigen, ihn fragen, wer ihm das Herz gebrochen hatte, doch sie tat es nicht. Sie war zu verwirrt, zu beschämt.

„Ich denke, es ist besser, wenn wir es dabei bewenden lassen.“ Cash griff nach dem Türgriff.

„Nein!“ Sie würde nicht wieder verlieren. Nicht dieses Mal. „Du hast gesagt, ich habe eine Woche, um zu beweisen, dass Sex mehr als nur Sex ist. Eine Woche.“ Ihr Magen zog sich zusammen, als seine Augen ihren Blick auffingen. Diese Augen, die sie vorhin noch so weich und liebevoll angesehen hatten. Sie wusste, dass er während ihres Kusses etwas gefühlt hatte, doch offensichtlich wollte er das nicht, und sie würde nicht darum betteln.

Er wandte als Erster den Blick ab und nickte. „Okay. Eine Woche.“

5. KAPITEL

Cash massierte sich den Nasenrücken. Der heutige Tag war die reinste Katastrophe gewesen. Das Treffen mit Grant war nicht gut verlaufen. Sein Budget war erneut radikal gekürzt worden. Außerdem hatten Grant seine neuen Ideen fürs Frühstücksfernsehen nicht gefallen. Er hatte zwei Wochen, um ein neues Konzept auf die Beine zu stellen.

„Hier sind die Einschaltquoten, um die Sie gebeten hatten.“ Lesley legte die Papiere auf seinen Schreibtisch und wandte sich zum Gehen. „Oh, und Faith wartet im Konferenzraum auf Sie.“

Für einen Moment schien sein Herz stillzustehen.

„Danke, Les.“

Er hatte zwei ganze Tage versucht, nicht an Faith zu denken. Und zumindest die letzten paar Stunden war es ihm gelungen. Doch den Rest der Zeit war sein Magen ein einziger Knoten gewesen. Es war nur ein Kuss, sagte er sich. Ein einfacher Kuss. Er hatte schon viele Frauen geküsst. Die meisten davon hatte er sofort wieder vergessen. Doch der Kuss mit Faith war unvergesslich. Die Art, wie sie ihn gelockt und gereizt hatte. Sich zurückgezogen hatte, nur um ihm kurz danach sanft in die Unterlippe zu beißen. Ein heißer Blitz schoss ihm in den Unterleib.

Er wollte Faith nicht. Er mochte Faith nicht. Das hatte er ihr auch gesagt, und sie hatte genau so darauf reagiert, wie er es erwartet hatte. Sie war traurig geworden. Sie hatte geglaubt, es hätte mehr zu bedeuten, doch da irrte sie sich. Der Kuss bedeutete gar nichts. Genauso wenig wie ihre Worte. Er hatte keine Angst. Ja, vielleicht war seine Seele schwarz, aber das lag nur daran, dass er früher Menschen vertraut hatte. Seine Arbeit verletzte ihn nie. Wenn er arbeitete, hatte er die Kontrolle. Bei der Arbeit hatten Gefühle keinen Platz, genauso wenig wie alter Schmerz oder blaue Augen, die sich ihm in die Seele brannten, ihm stumm Vorwürfe machten, ihm das Gefühl gaben, ein Mistkerl zu sein.

In dem Käfig hatte pure Lust von ihnen Besitz ergriffen. Genauso wie in Patricias Garten. Mehr nicht. Und wenn er dieser Lust nachgeben würde, wäre das nur Sex, wie er es ihr gesagt hatte. Doch Faith könnte das niemals akzeptieren. Seinem Verlangen nach ihr nachzugeben wäre die Folgen nicht wert. Denn seine Priorität bestand nun einmal darin, den Sender wieder auf Kurs zu bringen. Nur so konnte er irgendwann in die USA zurückkehren, wo er hingehörte. Nicht hier in dieses Land mit all seinen Erinnerungen und einer dunkelhaarigen Versuchung, die ihn Dinge tun lassen wollte, von denen er tief in seinem Inneren wusste, dass er sie nicht tun sollte.

Seufzend erhob er sich aus dem Sessel. Er wollte das Gespräch mit Faith hinter sich bringen. Sobald sie wieder stritten, würden seine Gefühle für sie sich garantiert in Luft auflösen. Dann könnte er weiter versuchen, ihr diese alberne Sendung auszureden und sie vielleicht im Frühstücksfernsehen unterzubringen. Sie wäre eine gute Moderatorin für den Morgen. Fröhlich, witzig, unterhaltsam. Süßer Akzent und ein noch süßerer Hintern. Perfekt.

„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn, als er den Konferenzraum betrat. Ihre Stimme klang wie flüssige Schokolade. Er ging zu dem Stuhl am Kopf des Tisches und schüttelte das warme Gefühl ab.

„Guten Morgen, Faith. Was haben Sie diese Woche für mich?“ Er war zum Sie zurückgekehrt, um wieder eine professionelle Distanz zwischen ihnen zu schaffen.

„Ich würde gerne eine Sendung über die sieben Lieblingssexfantasien von Frauen machen. Wir haben eine Onlinebefragung durchgeführt, und ich würde die Ergebnisse von einigen Schauspielern vorführen lassen. Dazu plane ich Interviews mit verschiedenen Experten, um herauszufinden, was Frauen daran so scharf finden.“

Cash schluckte hart. „Und was schlagen Sie vor, wer in dieser Sendung Werbung schalten soll?“

Faith Lächeln verschwand. „Wie bitte?“

„Wir brauchen Werbeeinnahmen, um die Sendung zu finanzieren. Welcher unserer führenden Werbekunden wird seinen Namen für eine Sendung hergeben wollen, in der es um Peitschen und Knebel geht?“

Ihr Blick verdüsterte sich. „Die Werbung ist nicht mein Problem.“

„Stimmt. Es ist meins. Was bedeutet, das Konzept ist nicht gut. Denken Sie sich etwas anderes aus.“ Cash erhob sich und wandte sich zum Gehen.

„Kondomhersteller, Buchverlage, Dessousfirmen … Ich könnte einige Kunden nennen, die gewillt wären, ihren Namen mit meiner Sendung in Verbindung zu bringen. Und nur fürs Protokoll, Peitschen und Knebel haben es nicht in die Top sieben der Frauenträume geschafft.“

Er sah sie an. Das hätte er besser nicht getan. Ihre Augen hatten wieder die Farbe des Sommerhimmels angenommen. Sie wirkten herausfordernd. Und unglaublich sexy. Sein Blick wanderte kurz zu ihren weichen, vollen Lippen. Hitze breitete sich in seinem Körper aus.

„Welche sind denn dann die Top-Fantasien?“ Er wusste, er hätte das nicht fragen sollen, aber nachdem er zu lange auf ihre Lippen geschaut hatte, wollte er jetzt die Worte aus ihrem Mund hören.

Faith zögerte eine Sekunde und presste die Lippen fest aufeinander. Dann warf sie einen Blick in ihre Notizen und eine leichte Röte stieg in ihre Wangen. „Das werden Sie dann ja sehen.“

Oh nein, nicht schon wieder. Er hatte hier die Kontrolle, nicht sie. „Ich möchte wissen, was das Programm beinhaltet, bevor ich es abnicke. Und Faith …“

Sie schaute auf, und sein Herz fing an zu rasen.

„Das wird Ihre letzte Sendung sein.“

Er wollte ihr Gesicht nicht sehen. Wollte nicht die Enttäuschung in ihren Augen sehen. Er wollte einfach nur den Raum verlassen und das Gefühl ignorieren, das sich in ihm ausbreitete – das Gefühl, achtlos die Träume eines anderen Menschen zu zerstören.

„Ich bin kurz weg, Les.“ Er ließ seiner Sekretärin keine Zeit, ihn mit weiteren Problemen zu belästigen, sondern ging einfach an ihr vorbei zum Aufzug, der ihn ins Erdgeschoss bringen würde.

Den Kopf gegen den kühlen Spiegel an der Rückwand gelehnt, dachte er nach. Es war nicht seine Schuld. Faith’ Sendung brauchte mehr Werbekunden, doch dazu müsste die Sendung leicht und locker sein. Stattdessen ging Faith immer tiefer. Das Interview mit der Prostituierten war das Schlimmste gewesen. Sie hatte so lange nachgehakt, bis die arme Frau schließlich zugab, dass sie sich nur nach Liebe sehnte. Faith hatte geweint, die Frau hatte geweint, und die Getränkefirma, die einen Halbjahresvertrag abgeschlossen hatte, hatte diesen sofort gekündigt. Warum hörte sie ihm nur nicht zu? Warum tat sie nicht einfach, was er wollte?

Für einen flüchtigen Moment schloss er die Augen. Erinnerte sich an die Szene im Garten, als sie auf seinem Schoß gesessen hatte, unter seiner Berührung erschauert war, in seinen Mund geatmet hatte. Sie hatte den Eindruck erweckt, mehr von ihm zu wollen. Ihn zu wollen. Doch sie war auch nur eine Frau, die ihm gab, wonach er sich sehnte, um ihn damit zu ihrem Vorteil zu manipulieren. Sie hatte ihm etwas vorgespielt, um ihre Sendung behalten zu können, das wusste er. Genau wie mit dem Kuss. Sie kannten einander ja kaum – deshalb konnte sie auf keinen Fall all das fühlen, was sie vorgab zu empfinden. Aber ihre Augen. Die hatten so ernsthaft ausgesehen. Als wenn sie überhaupt nicht an die Sendung gedacht hatte, sondern nur an ihn und sich und daran, was sie gerade taten.

Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich, und Cash trat hinaus in den Sonnenschein. Er lief einfach drauf los und versuchte, durchzuatmen, doch mitten in der Stadt war das nicht leicht. Einen Moment lang wünschte er sich zurück auf die Farm. Wo er auf der Ladefläche eines Pick-ups auf der Weide sitzen und nachdenken könnte. Keine Ablenkung, keine Menschen, keine Geräusche außer dem Blöken der Lämmer. Hier in der Stadt war er nie allein. Irgendjemand wollte immer etwas von ihm – seine Aufmerksamkeit, seine Zeit. Aber die Farm hatte er vor neun Jahren verlassen, und seitdem auch nur selten den Wunsch verspürt, zurückzukehren. Vor fünf Jahren, auf der Beerdigung seines Vaters, hatte er es dort kaum ein paar Tage ausgehalten. Warum hätte er auch länger bleiben sollen? Charlie und Jess hatten die Farm besser im Griff, als er es je gekonnt hätte.

Cash wandte sich in Richtung Park. Das war der einzige Ort, den er kannte, an dem er einfach nur sitzen und die Augen schließen und so tun konnte, als wäre er nicht in der Stadt.

Bei seinen Besuchen auf der Farm war er Charlie und Jess ab und zu über den Weg gelaufen. Doch nicht ein einziges Mal hatte er mit Jess gesprochen. Und sie auch nicht mit ihm. Sie hatte nur Augen für Charlie. Den Superstar. Den Mann, der die Farm vor dem Bankrott gerettet hatte.

Alle liebten Charlie. Und erst als Cash angefangen hatte, Rugby zu spielen, war man auf ihn aufmerksam geworden. Er hatte sogar ein paar Jahre für die australische Nationalmannschaft gespielt – aber sobald Charlie in ihr Team eingetreten war, hatte Cash sich mit einem Platz auf der Bank zufriedengegeben müssen. In dem Sommer hatte er Jess kennengelernt. Sie hatte seinem jugendlichen Ego geschmeichelt und ihm das Gefühl gegeben, dass er vielleicht doch besser war als Charlie. Bis Charlie nach Hause gekommen war.

Das war jetzt Jahre her, und Charlie hatte lange nicht mehr daran gedacht. Er hatte seine Entscheidungen nie bereut. Doch nun hatte Faith angefangen, ihm Fragen über Liebe und Beziehungen und Vertrauen zu stellen. Cash fand eine leere Bank, setzte sich und schloss die Augen, um ihre Worte zu vergessen. Doch sie gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Niemand könnte dich je lieben, Cash.

Er atmete aus und öffnete die Augen. Er hatte ihr gesagt, dass er sie nicht küssen wollte, damit sie gar nicht erst auf die Idee käme, dass sie ihn manipulieren könnte. Denn darum ging es doch bei dem Kuss. Um Kontrolle. Er hatte hier das Sagen, und deshalb würde er diesen Kuss einfach vergessen. Diesen umwerfenden, unglaublich erotischen Kuss, der ihm zu den unmöglichsten Zeiten wieder in den Kopf kam. So wie jetzt.

Aber genauso, wie er Charlie und Jess und die Farm aus seinen Gedanken verdrängt hatte, indem er sich auf seine Arbeit konzentrierte, so würde er auch Faith verdrängen. Er würde sie vergessen. Ihre tief ausgeschnittenen Oberteile und das seidige Haar und ihr Lächeln, das ihr gesamtes Gesicht erstrahlen ließ. Seine Arbeit hatte ihn in den letzten neun Jahren nicht im Stich gelassen. Er hatte sich nach oben gearbeitet. Alle hörten auf ihn, und zum ersten Mal war Charlie nicht in letzter Sekunde dazugekommen und hatte allen Ruhm für sich beansprucht.

Cash stand auf. Er musste ins Büro zurück – die Telefone standen garantiert nicht still.

„Er ist der größte Idiot auf der Welt.“ Faith sah zu, wie Betty Boom-Boom letzte Hand an ihr Make-up legte.

„Vielleicht hat er recht, Faith. Vielleicht ist das hier zu viel für die Leute da draußen. Er muss immerhin einen Sender führen.“

„Schlag dich ja nicht auf seine Seite.“

„Tue ich ja gar nicht.“ Betty sah sie aus ihren mit schwarzem Kajal umrahmten Augen an. „Ich meine nur, du weißt nicht, was sonst noch in seinem Leben los ist. Vielleicht erhält er Druck von oben. Es kann sein, dass das alles überhaupt nichts mit dir zu tun hat.“

Faith verschränkte die Arme. Nein, er war einfach ein Idiot. Der allerdings küssen konnte wie kein Zweiter. Und braune Augen hatte, die direkt in ihre Seele schauten und mochten, was sie dort sahen. Aber nein, er mochte sie nicht.

„Warum können Menschen nicht einfach sagen, was sie meinen?“

„Weil die meisten von uns verletzt wurden und Angst davor haben, dass es noch einmal geschieht.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Cash Anderson je verletzt wurde. Er ist immer so kontrolliert und ein meisterhafter Manipulator. Deshalb hat man ihn ja auch aus Amerika zurückgeholt. Er ist der Mann, der jeden dazu bringt, nach seiner Pfeife zu tanzen.“

„Das ist irgendwie komisch, findest du nicht?“ Betty legte knallroten Lippenstift auf. „Er hatte da drüben eine so erfolgreiche Karriere und vermutlich zig Millionen verdient. Warum sollte er zurückkommen, um diesen winzigen Sender in Australien auf Vordermann zu bringen?“

„Ich weiß nicht – vielleicht hatte er in Amerika schon alle Frauen durch.“

Betty lachte und schlug mit einem federbesetzten Fächer nach Faith. „So zynisch kenne ich dich ja gar nicht, Faith. Du bist doch sonst immer so optimistisch. Siehst nur das Gute in den Menschen, vertraust jedem.“

„Ich vertraue nicht jedem.“

„Doch, tust du wohl. Du solltest ein wenig mehr Zeit hier verbringen, dann würdest du erkennen, dass einige Menschen dein Vertrauen nicht verdient haben.“

Faith dachte über Bettys Worte nach. Es stimmte, sie war eine Optimistin. Und sie wurde gerne gemocht. Aber ging das nicht jedem so? Von Cash hingegen wollte sie nicht mehr gemocht werden. Nach dem Kuss hatte sie stundenlang über ihn nachgedacht. Sich gefragt, was er wohl von ihr hielt. Doch als er sie bei ihrem Treffen im Konferenzraum wieder gesiezt hatte, wusste sie, dass er keinen einzigen Gedanken an sie verschwendet hatte. Er dachte nur an Werbeeinnahmen und ans Geldverdienen. Aber nicht an sie. Also würde sie auch nicht mehr an ihn denken.

Was nicht so leicht war, wenn sein Gesicht ständig vor ihrem inneren Auge auftauchte. Die Worte, die er gesagt hatte, hallten in ihr nach. „Sie sind mutig, Faith.“ Und wie er ihr in den Mund geatmet hatte. Seine Hände auf ihrem Rücken. Seine muskulöse Brust. Die leidenschaftliche Weise, mit der er ihre Handgelenke während des Kusses festgehalten hatte. Als wolle er sie nie wieder loslassen.

„Ich geh mal ein wenig an die frische Luft, Bets – ruf mich einfach, wenn du fertig bist.“

Faith wollte nicht zwischen den halb nackten Frauen sitzen und ihrem Geplapper zuhören. Sie wollte nachdenken. Darüber, dass Cash sie erst so küssen und danach behaupten konnte, er würde sie nicht mögen. Dabei hatte es sich so angefühlt, als hätte er sie genauso gerne wie sie ihn. Das war ihr seit der Geschichte mit Mr Turner nicht mehr passiert. Sie küsste nur Männer, die mehr für sie empfanden als umgekehrt. Das war sicherer. So lief sie nicht Gefahr, verletzt zu werden.

Das Klingeln ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken. Ein Blick auf das Display ließ ihr Herz schneller schlagen.

„Ich bin gerade bei der Arbeit“, sagte sie anstatt einer Begrüßung.

„Wo sind Sie? Ich brauche Sie hier im Büro. Wir müssen Ihre Sendung vorziehen – ich habe morgen Abend einen freien Slot.“ Cash klang ungeduldig.

„Ich habe noch gar nicht richtig angefangen. Bis morgen werde ich nicht fertig.“

„Ich helfe Ihnen. Was brauchen Sie? Mattys Cricket-Sendung ist ausgefallen und ich muss den Sendeplatz irgendwie füllen.“

Natürlich – denn Matty zu helfen war wesentlich wichtiger, als eine qualitativ hochwertige Sendung zu produzieren.

„Ich bin immer noch bei der Recherche. Wir haben noch nicht mit den Dreharbeiten angefangen.“

„Kein Problem – wen soll ich anrufen? Ich helfe Ihnen bei der Organisation.“

„Mein Kameramann ist bei einem anderen Auftrag und steht mir vor morgen nicht zu Verfügung.“

„Dann übernehme ich seinen Part.“

„Nein.“

„Das war keine Frage, Faith.“

Faith klappte den Mund zu. Sie wollte nicht mit ihm reden. Sie wollte ihn nicht sehen. Und ganz sicher wollte sie ihn nicht die nächsten zwölf Stunden mit der Kamera in der Hand bei sich haben. Aber er war der Boss, und sie wollte ihren Job behalten. Also musste sie sich von ihm helfen lassen, auch wenn sie fast an ihren Worten erstickte. „Rufen Sie Miss Kitty an. Wir treffen uns dort in einer Stunde.“

6. KAPITEL

Miss Kitty führte sie in den Dungeon und schloss die Tür. Faith hatte es geschafft, zwei Schauspieler zu engagieren, die diese spezielle Fantasie, die es unter die Top sieben geschafft hatte, spielen würden. Zum Glück waren sie schon da, als Cash eintraf.

Er hatte seine Krawatte abgenommen und die Ärmel seines Hemdes aufgerollt, sodass seine gebräunten Unterarme zu sehen waren. Faith erinnerte sich nur zu gut an das Gefühl seiner Haut unter ihren Fingern. Bei der Erinnerung daran kribbelten ihre Handflächen. Sie trat einen Schritt zurück – fort von ihren Erinnerungen, von Cash und von dem verdammten Käfig, der sie zu verspotten schien.

„Okay, Kieran und Julie, ihr geht da rüber.“ Sie dirigierte die beiden spärlich bekleideten Schauspieler zu dem roten Samtsofa in der Ecke. „Wir richten nur schnell das Licht ein, dann möchte ich, dass du, Kieran, dich auf Julie legst und ihre Arme festhältst.“

Cash stellte derweil schweigend die Kamera und die Beleuchtung ein. Er schien zu wissen, was er tat.

„Ist wohl nicht das erste Mal, dass Sie ein Sexfilmchen drehen, was?“, fragte sie.

Er ignorierte die Spitze. „Doch, das schon, aber nicht mein erstes Mal hinter der Kamera. Ich habe als Kameramann angefangen.“

Faith hörte auf, die Kissen auf dem Sofa aufzuschütteln. Das hatte sie nicht gewusst. „Wirklich?“

„Ja. Für die Regionalnachrichten im Outback in Queensland. Ein Freund von mir war Reporter und hat mich eines Tages gebeten, für ihn die Kamera zu halten. Es hat mir gefallen, also habe ich es zu meinem Beruf gemacht.“

„Sie haben im Outback gewohnt?“ Cash war der typische Städter. Anzüge, perfekte Frisur, teure Schuhe. Es fiel ihr schwer, ihn sich als Cowboy auf dem Land vorzustellen. Andererseits, wenn man sein Haar ein wenig zerzauste … Sie blinzelte und versuchte, ihn sich auf einem Pferd vorzustellen. Gar nicht mal so schlecht.

„Mein Vater hatte eine Schaffarm. Ich wollte eigentlich Farmer werden, bis …“

„Bis Sie die Kamera in die Hand genommen haben.“

„Ja“, erwiderte er nur kurz und wandte den Blick ab. „Genau.“

Faith wusste, dass er nicht die Wahrheit sagte. Das erkannte sie an der Art, wie er sich verspannte und er sich an den Kabeln zu schaffen machte, um ihr auszuweichen. Irgendetwas verschwieg er ihr, doch sie wollte sich nicht dafür interessieren. Er mochte sie ja nicht einmal.

„Sollen wir weitermachen? Hiernach haben wir noch fünf weitere Einspieler zu drehen, oder?“ Seine undurchdringliche Mauer war wieder da.

„Ja, natürlich.“ Sie wandte sich an Kieran, der gerade dabei war, auf eine gelangweilt aussehende Julie zu klettern.

„Okay, Kieran, du musst aussehen, als hättest du die Kontrolle. In dieser Fantasie geht es um Dominanz. Du bist der Alpha-Mann, du willst, dass sie alles tut, was du sagst.“

Kieran sah nicht sehr nach Alpha-Mann aus. Sein Körper war toll gebaut, aber seine Haare waren zu perfekt und seine Pose wirkte zu gestellt.

„Nein, nicht so. Julie, du musst ihn ansehen, als fändest du ihn heiß. Und du musst ein wenig wilder wirken, Kieran.“ Er bleckte die Zähne, doch nun sah er aus wie in einer Zahnpastawerbung.

„Nein, nein, nein. Julie, steh mal auf.“ Sichtbar erleichtert erhob sich Julie vom Sofa und Faith nahm ihren Platz ein.

„Du bist ein Vampir, Kieran. Du willst mir in den Hals beißen, mein Blut schmecken. Spürst du die Leidenschaft?“ Faith hob die Hände und zerzauste ihm die Haare. „Schon besser. Und jetzt pack meine Handgelenke.“

Sein Griff war viel zu schlaff.

„Nein, fester.“

Kieran stieß einen frustrierten Seufzer aus.

„Ich versteh’s nicht.“

„Geh aus dem Weg“, befahl Cash mit tiefer Stimme, und bevor Faith aufstehen konnte, hatte er Kieran zur Seite geschoben und stützte sich über ihr ab.

„Da gibt es nicht viel zu verstehen, Kieran. Sie ist die schönste Frau der Welt.“ Sein Körper war so warm über ihrem. Er senkte die Hüften, bis sie ihre berührten. Faith hörte auf zu atmen. Cash war zu nah, zu groß und ein kleines bisschen zu real.

„Sie riecht nach Honig, und ihre Lippen teilen sich leicht, als könnten sie es gar nicht erwarten, von dir geküsst zu werden.“ Faith’ Lippen pulsierten. Sein Gesicht kam näher, und große Hände umfassten ihre Handgelenke und pressten sie hart auf das Sofa.

„Du willst sie“, erklärte er rau. Sein Atem strich heiß über ihr Gesicht und ihren Hals. Faith neigte den Kopf nach hinten, erlaubte ihm, nähr zu kommen. Ihre Brüste berührten seinen Oberkörper, und sofort versteiften sich ihre Nippel. „Aber du kannst sie nicht haben.“ Seine Stimme war leiser und noch tiefer geworden.

„Sie ist eine Frau, die kontrolliert werden muss. Du sollst ihr zeigen, dass du ihr Mann bist. Dass du das Sagen hast.“

Cash drückte Faith’ Handgelenke noch fester aufs Sofa, was ihr ein erschrockenes Keuchen entlockte. Cashs Blick traf auf ihren. Seine Augen waren dunkel. Weich und wunderschön. Sie sah es. Sie fühlte es. Dieses Mal hatte auch er es gespürt. Das leichte Schmunzeln in seinem Gesicht verschwand, während sie sich einen Herzschlag lang in die Augen schauten. „Sie will, dass du sie dominierst. Sie will, dass du die Verantwortung übernimmst.“

Seine Stimme war leise, und Faith vermutete, dass außer ihr niemand ihn hören konnte. So wie auch außer ihr niemand dieses Gefühl tief in ihrem Inneren spüren konnte. Ihn so über sich zu haben löste die wildesten Gedanken und Gefühle in ihr aus. Er übernahm die Verantwortung. Er half ihr, und Erleichterung überkam sie. Sie bewegte ein Bein, schlang es um seine Hüfte, und er ließ sie los, um es wieder herunterzudrücken.

„Lass nicht zu, dass sie sich eigenständig bewegt. Du hast das Sagen. Sie tut, was du willst.“ Ihre Blicke ließen einander nicht los. Der Raum vibrierte vor Spannung. Selbst Kieran und Julie blieben stumm. Faith wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wollte bleiben, wo sie war. Er war so stark und ein wenig wild. So dominant hatte sie ihn noch nie erlebt, und obwohl sie sich dafür hasste, musste sie zugeben, dass es sie anmachte.

„Streich mit deinen Fingern durch ihr Haar, lass sie denken, dass du zärtlich bist.“ Cashs Hand glitt durch Faith’ Haare. Ihre Kopfhaut kribbelte. „Dann zeig ihr, wer die Macht hat.“ Er packte eine dicke Strähne und zog leicht daran. Es tat nicht weh, aber Faith hatte das Gefühl, ihm komplett ausgeliefert zu sein. In diesem Moment hätte er alles mit ihr anstellen können. Und das fand sie erregend.

Aber das hier ist nicht meine Fantasie, erinnerte sie sich. Sie hasste es, jemandem ausgeliefert zu sein. Doch als sie Cash in die Augen schaute, sah sie darin nichts, wovor sie Angst haben müsste. Sie vertraute ihm.

Was sie auch schon beim letzten Mal getan hatte. Und das war gründlich schiefgegangen.

Der Gedanke brachte sie in die Gegenwart zurück. Sie wehrte sich gegen Cashs Griff. Einen Moment lang, das wusste sie, glaubte er, es gehörte zu dem Spiel, aber als sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorstieß, dass er sie loslassen solle, folgte er ihrer Bitte sofort. Sie rutschte unter ihm weg und erhob sich vom Sofa.

„Wenn ihr dann fertig seid“, sagte sie mit erstaunlich klarer Stimme, „bist du dran, ihn zu dominieren, Julie.“ Faith setzte sich rittlings auf einen geschockt wirkenden Cash.

Faith verstärkte den Druck ihrer Schenkel an seiner Hüfte. Sie spürte, dass er die Muskeln anspannte, und ignorierte die Hitze, die durch sie hindurch pulsierte. Mit ihren Händen strich sie über seine Brust, wobei sie seinen Blick weiter festhielt. Zufrieden nahm sie wahr, dass er sich unter ihrer Berührung anspannte und die Augen aufriss. Gott, sie hoffte so sehr, dass ihm das gerade richtig unangenehm war.

„Dieses Mal hast du die Kontrolle und er muss alles tun, was du sagst.“ Faith ließ ihre Hände über Cashs breite Schultern und hinunter zu seinen Händen wandern. Dort angekommen, erwartete sie, dass er sich vor Anspannung nicht rühren würde, doch als ihre Finger einander berührten, legte er seine besitzergreifend um ihre. So miteinander verschlungen zu sein fühlte sich falsch und gleichzeitig unglaublich richtig an. „Seine Aufgabe ist es, dich und deinen Körper zu verehren. Du musst dafür sorgen, dass er sich auf nur eine Sache konzentriert. Auf dich.“ Unverwandt sah sie Cash an. Ab und zu glitt sein Blick zu ihren Lippen, doch dann neigte sie jedes Mal leicht den Kopf, damit er ihr wieder in die Augen schaute.

„Necke ihn. Lass ihn denken, dass du nachgibst.“ Faith senkte den Kopf, sodass ihre Lippen nur wenige Millimeter von seinen entfernt waren. Seine Hände umfassten ihre fester und sein Atem ging merklich schwerer. Sie verlagerte ein wenig das Gewicht und spürte seine Erektion hart an ihrer Mitte. Seine Brust hob und senkte sich unter seinen schnellen Atemzügen und er reckte den Kopf, wie um ihr näher zu kommen. Doch sie rückte ein kleines Stück zurück, sodass sie gerade außer Reichweite war. Jetzt hatte sie die Macht. Sie fühlte sich wie eine Frau. Eine Frau, die einen Mann vollkommen unter ihrer Kontrolle hatte – und der das gefiel.

„Dann nimm es ihm wieder weg.“ Sie setzte sich schnell auf, und die Luft, die eben noch zum Schneiden dick gewesen war, klärte sich sofort. Faith ließ seine Hände los und schwang sich von Cash herunter, der immer noch genau so dalag, wie sie ihn hingelegt hatte.

„Verstehst du es jetzt, Kieran?“

Faith ging nicht einfach zurück zu ihrer Position neben der Kamera. Sie durchquerte den Raum mit hoch erhobenem Haupt.

„Danke, dass Sie mir eben geholfen haben“, sagte Faith. Kieran und Julie waren schon fort, und Cash wickelte die Kabel auf und baute die Beleuchtung ab. Faith sah die Muskeln unter seinem Hemd spielen und wandte schnell den Blick ab. Zu frisch war die Erinnerung daran, mit welcher Kraft er ihre Hände hinuntergedrückt hatte. Sie hätte sich nicht bewegen können, selbst wenn sie es gewollt hätte. Das hätte ihr eigentlich Angst machen sollen, doch es hatte sich gut angefühlt. Einfach mal nicht denken und jemand anderem die Kontrolle überlassen.

„Sie müssen das nicht alles alleine machen, das wissen Sie, oder?“, reagierte er schließlich, als Faith eine Rolle Kabel hochnahm.

„Natürlich muss ich das. Wenn ich nicht schreibe und recherchiere und alles organisiere, werden wir nie fertig.“

Cash unterbrach seine Arbeit kurz. „Sie machen das alles für jede Sendung ganz allein?“

„Ja.“

„Ich dachte, Veronica wäre Ihre Assistentin.“

„Nein, sie hilft Matty. Und diejenige, die mir bei der Recherche helfen sollte, hat den Sender verlassen. Also mache ich es alleine.“

„Warum haben Sie nie was gesagt?“

Faith zuckte mit den Schultern. Sie war es gewohnt, alleine zu arbeiten. In den letzten zwei Jahren hatte sie zu oft mitbekommen, dass Leute ganz enthusiastisch bei ihr angefangen hatten, um dann einzuknicken, sobald sie merkten, wie viel Arbeit dahintersteckte. „Weil es mir nichts ausmacht.“

„Faith, Ihre Sendung geht eine Stunde und wird wöchentlich ausgestrahlt. Das kann man alleine doch gar nicht schaffen. Sie hätten es mir sagen müssen, dann hätte ich etwas organisiert.“

Faith schaute ihn an und begegnete seinem Blick. Die Art, wie er sie ansah, gefiel ihr nicht. Es war so herausfordernd. Sie hatte das Gefühl, als wenn sie ihm eine Antwort schuldete, doch dazu war sie schon zu lange auf sich allein gestellt. „Meine Sendung wird immer pünktlich fertig und ist qualitativ hochwertig. Ich brauche keine Hilfe.“

Faith ging zur Treppe, die nach oben führte. Sie wollte nicht, dass Cash sie so anschaute. Sie war durchaus in der Lage, alles alleine zu machen. Das ging schon ihr ganzes Leben so – das Internat, das Studium, der erste Job, der Umzug nach Australien. Das alles hatte sie ganz alleine bewältigt. Sie brauchte keine Hilfe, und schon gar nicht von ihm.

Sie ging nach oben zu seinem Auto. Ein alter Kombi, der aussah, als sollte er mit Surfbrettern beladen sein. Das überraschte sie. Sie hätte ihm einen luxuriöseren Wagen zugetraut. Doch dann erinnerte sie sich an seine Enthüllung, dass er auf einer Farm aufgewachsen war, und ihr wurde bewusst, dass sie überhaupt keine Ahnung hatte, wer Cash wirklich war.

Er war ihr gefolgt und lud seine Sachen in den Kofferraum, bevor er ihr die Kabel abnahm und sie ebenfalls verstaute. Anstatt jedoch die Heckklappe zu schließen, setzte er sich und klopfte neben sich auf die Ladefläche. Faith wollte weitermachen. Sie mussten heute noch fünf andere Fantasien für die Kamera nachstellen, und außerdem wollte sie sich nicht so nah neben ihn setzen. Sie versuchte ihr Bestes, um professionell zu bleiben, doch mit jeder Sekunde, die sie mit ihm verbrachte, fiel ihr das schwerer.

„Setzen Sie sich, Faith. Entspannen Sie sich. Sie haben heute Vormittag hart gearbeitet, Sie verdienen eine Pause.“

„Ich habe keine Zeit für eine Pause. Wir müssen das hier fertigbekommen, damit es morgen auf Sendung gehen kann, wissen Sie noch?“

Cash packte einfach ihren Arm und zog sie zu sich heran. „Setzten Sie sich. Ich will mit Ihnen reden. Für die anderen fünf Fantasien haben wir noch ausreichend Zeit.“

Also setzte Faith sich. Und ignorierte das Kribbeln ihrem Magen, das seine Nähe in ihr hervorrief.

„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie zu hart arbeiten?“, fragte er.

„Nein.“

Er blickte sie erstaunt an. „Nein? Nicht mal Ihre Familie? Ihre Freunde? Vermissen die Sie denn gar nicht, wenn Sie ständig bei der Arbeit sind?“

Faith sah ihn nicht an. „Nein.“

Cash stützte seine Handflächen auf die Ladefläche, wobei er Faith’ Oberschenkel streifte. Sie rührte sich nicht, sondern hielt nur den Atem an.

„Ich würde Sie vermissen … wenn Sie mein wären.“ Faith wandte sich ruckartig zu ihm um. „Ich meine, wenn Sie und ich …“ Seine Stimme verebbte, doch sein Blick hielt sie weiter fest. Heiß. Verzweifelt.

Faith atmete schwer. Er war weder heiß auf sie noch sehnte er sich verzweifelt nach ihr. Sie las zu viel in seine Worte hinein. Schnell drehte sie sich weg, bevor sie wieder eine Dummheit begehen und ihn küssen würde. Sie beugte sich vor, um einen Zweig vom Boden aufzuheben, doch Cash hielt sie zurück. Als ihre Hände einander berührten, schaute sie auf. Er sah sie eindringlich an. „Sie müssen nicht alles alleine machen, Faith. Ich bin für Sie da.“

Diese Worte stachen ihr schmerzhaft ins Herz. Faith stand abrupt auf und stieß mit dem Kopf gegen die Kante der Kofferraumklappe.

„Au“, rief sie und betastete die schmerzende Stelle. Sie war den Tränen nahe. Ihr Kopf tat weh und ihr Herz noch mehr. Ich bin für Sie da. Es ging zwar nur um die Arbeit, aber trotzdem öffnete sich der Riss in ihrem Herzen noch ein wenig weiter.

„Lassen Sie mich mal sehen.“ Er griff nach ihr, doch sie schob ihn beiseite.

„Nein! Nein. Ich brauche Ihre Hilfe nicht. Mir geht es gut – ich kann das alleine. Sie tun wieder, was immer Sie so tun, und ich tue … was auch immer. Ich brauche Sie nicht.“„Faith …“ Er kam näher, streckte erneut die Hand nach ihrem Kopf aus, doch sie machte einen Schritt von ihm wg.

„Ich brauche Ihre Hilfe nicht.“ Ihr Kopf dröhnte. Ihre Lungen rangen um Luft. Wenn er noch eine nette, fürsorgliche Bemerkung machte, würden die Tränen, die sich bereits in ihren Augen sammelten, nur so fließen, und sie wollte nicht, dass er sie weinen sah.

„Tja, Sie kriegen sie trotzdem. Wenn Sie mich brauchen, bin ich da.“ Er lächelte, und Faith musste die Tränen krampfhaft zurückhalten. Wage es ja nicht, zu weinen, befahl sie sich.

„Mit Pflastern oder Kameras oder … was auch immer Sie sonst brauchen.“ Er sagte es so leise, so zärtlich, doch er rührte sich nicht, sondern beobachtete sie nur. „Ich bin hier.“

Faith konnte den Blick nicht abwenden. Sie wollte es, aber es ging nicht. Etwas in seiner Stimme und der Art, wie er sie anschaute, hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. Ihr Herzschlag beruhigte sich und ihr Kopf tat nicht mehr so weh.

So standen sie eine Weile voreinander. Beobachtend. Abwartend. Sie wollte seinen Blick für immer festhalten, denn gerade fühlte es sich so an, als wenn dieser alleine sie aufrecht hielt. Faith nahm die Hand von ihrem Kopf und bemerkte, dass ihre Handfläche schweißnass war und ihre Beine zitterten. Irgendetwas geschah zwischen ihnen – das konnte er doch nicht mehr leugnen, oder? Wenn sie ihm sagte, was sie jetzt gerade dachte, würde er flüchten, das wusste sie. Also hielt sie nur still seinen Blick fest, so wie er ihren festhielt.

Ein Kookaburra lachte laut. Faith blinzelte.

Der Bann war gebrochen, und Cash wandte den Blick ab.

„Wohin jetzt?“, fragte er mit rauer Stimme, während er den Kofferraum schloss.

Faith war enttäuscht. Der Moment war vorüber. Was auch immer zwischen ihnen gewesen war, war vorbei. Er war wieder ihr Chef, und sie war das Letzte, woran er dachte.

„Als Nächstes drehen wir die Schulmädchenfantasie.“

„Wirklich?“ Er drehte sich zu ihr um. „Darauf stehen Frauen auch?“

„Laut unserer Umfrage schon.“

„Okay, dann auf zur Schule.“

„Nein! Wir können keine echten Schulmädchen filmen. Darum geht es ja auch gar nicht. Sondern darum, sich als Schulmädchen zu verkleiden, während der Mann den Lehrer spielt und …“ Faith verstummte. Diese Fantasiehatte sie auf der Liste schnell übersprungen. Sie wollte nicht daran denken, doch jetzt musste sie sogar darüber reden. Vor der Kamera. Und jemanden finden, der sich als Schulmädchen verkleidete. Kieran und Julie standen leider nicht mehr zur Verfügung. Vielleicht …

„Vielleicht lassen wir diese Szene einfach aus.“

„Nein.“ Er schlug mit der flachen Hand aufs Wagendach. „Wir ziehen diese Sache durch. Also, wo drehen wir?“

„Ich weiß es nicht.“

Faith hatte absichtlich nicht über diese Fantasie nachgedacht. Irgendwie hatte sie gehofft, dass die Erinnerung dann einfach verschwinden würde.

Cash stemmte die Hände in die Hüften. „Es sollte ein Schlafzimmer sein. Und da Kieran und Julie weg mussten – müssen Sie sich wohl verkleiden.“

„Ich? Nein. Auf keinen Fall.“

„Komm Sie schon, Faith. Sie tragen in der Sendung doch immer irgendwelche verrückten Outfits.“

„Ja, aber das hier ist etwas anderes.“

„Warum?“

Weil es ein bisschen zu nah an ihrer Geschichte war.

„Einfach so.“

Cash kam näher. „Das ist Ihre letzte Sendung, Faith. Wollen Sie nicht, dass die perfekt wird?“

Faith reckte das Kinn. Er war fest entschlossen, dass das ihre letzte Sendung sein würde. Und sie war fest entschlossen, seine Meinung noch zu ändern.

„Okay, ich mach’s. Aber wo wollen wir drehen?“

Er grinste. „Dafür kenne ich den perfekten Ort.“

7. KAPITEL

Der Blick aus Cashs Apartment war noch umwerfender, als Faith ihn sich vorgestellt hatte. Es war ein großes, offenes Loft, wie man es oft in luxuriösen Urlaubsmagazinen sah. Die Einrichtung des Wohnzimmers bestand aus einem großen, L-förmigen Sofa und einem Fernseher an der Wand. Sonst nichts. Keine Dekoration. Keine Bilder. Keine Spiegel. Doch das machte nichts, denn der gesamte Raum wurde von der Aussicht aufs Meer dominiert.

„Gefällt es Ihnen?“

Faith erschrak. Cash war ihr näher, als sie erwartet hatte.

Sie zuckte mit den Schultern. „Wenn man auf so etwas steht, ist es ganz nett.“

„Und stehen Sie auf so etwas?“

„Das Einzige, was mich interessiert, ist diese Szene in den Kasten zu bekommen. Wo sollen wir drehen?“

Das Sonnenlicht strömte durch die Fenster und hüllte alles in einen sanften, perfekten Schimmer.

„Im Schlafzimmer.“

Faith erstarrte. Du bist Profi, ermahnte sie sich. Ein kleines Lächeln umspielte Cashs Mundwinkel. „Dort finden diese Lehrer-Schüler-Aktivitäten doch normalerweise statt, oder?“

Faith’ Magen zog sich zusammen. „Wo kann ich mich umziehen?“

Sie hatte nicht mitmachen wollen, hatte sogar andere Schauspieler angerufen, doch keiner von ihnen hatte Zeit gehabt. Auf dem Weg hierher hatte sie in einem Secondhandladen ein passendes Kleid gefunden. Sie würde dazu einfach ihre Haare zum Zopf binden, aber auf keinen Fall Strümpfe und Krawatte anziehen.

Cash führte sie zum Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. Schnell zog sie die Jeans aus und das Kleid über. Es war ein wenig zu eng und spannte über ihren Brüsten, doch sie schaffte es, den Reißverschluss zuzuziehen. Dann schaute sie sich im Spiegel an. Es hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der strengen Uniform aus dem englischen Internat. Das hier war ein sommerliches australisches Kleid – aber die vertrauten Karos und die blaue Farbe weckten dennoch alte Erinnerungen, sodass Faith sich einen Moment am Waschbecken festhalten musste.

„Faith, wie weit sind Sie? Wir verlieren das Licht“, rief Cash aus dem Schlafzimmer.

Sie atmete tief ein und straffte die Schultern. Es war an der Zeit, das hinter sich zu lassen. Und auch die anderen Erfahrungen, die stets in Demütigung, aber nie in sexueller Befriedigung geendet hatten. Wenn sie ehrlich war, wusste sie gar nichts über Sex. Schon gar nicht über guten Sex. Und sie hatte auch keine Ahnung, ob Sex nur Sex war oder ob er mehr sein konnte.

„Faith?“

Doch eines Tages würde sie herausfinden, was sie immer falsch machte, und dann würde sie den umwerfendsten Sex ihres Lebens haben. Und er würde etwas bedeuten, und der Mann würde sie lieben.

Nach einem letzten Blick in den Spiegel kehrte sie zu Cash ins Schlafzimmer zurück.

Der Anblick von Faith in dem sehr engen, sehr kurzen Schulkleid stellte Dinge in seinem Körper an, für die er sich schämte. Seit der Highschool hatte er nicht mehr davon geträumt, es mit einem Schulmädchen zu tun. Und damals war er immer nur wegen seines schlaksigen Körpers und seinem Cowboyhut ausgelacht worden. Doch Faith sah anders aus. Erwachsen. Wie eine Frau, die sich verkleidet hatte. Sie war kein unschuldiges Mädchen, und diese Tatsache ließ das Blut schneller durch seine Adern fließen.

„Und, wie sehe ich aus?“

Heiß. Verboten. Gefährlich. Unglaublich sexy.

„Gut“, sagte er und beschäftigte sich wieder mit der Kamera.

Finger weg, sie ist eine Angestellte, ermahnte er sich. Aber wie sie da so vor ihm stand in dem kurzen Kleid – unschuldig und verletzlich und doch gleichzeitig Herrin der Lage – überkam ihn der Drang, sie sich über die Schultern zu werfen und davonzutragen. Ihr zu helfen. Ihr das Gefühl zu nehmen, sie müsste alles alleine machen.

Eine seltsame Traurigkeit senkte sich auf ihn herab. Er wusste, wie es sich anfühlte, ganz auf sich gestellt zu sein. Zu beweisen, dass man niemanden brauchte.

Er schüttelte das Gefühl ab. Was sie tat oder nicht tat, ging ihn nichts an. Auch wenn es zwischen ihnen immer mal wieder Momente gab, in denen er glaubte, er könne ihr vertrauen, so wie in Miss Kittys Keller vorhin, durfte er doch nicht vergessen, dass er sie gar nicht kannte. Im Moment war er nur verwirrt von ihrem kurzen Rock und den großen blauen Augen. Da hätte jeder Mann die Gedanken, die ihm gerade durch den Kopf gingen.

„Wo wollen Sie mich?“, fragte sie professionell, ohne die Zweideutigkeit ihrer Frage zu registrieren.

Cash biss die Zähne zusammen. „Auf dem Stuhl am Fenster.“

„Wirklich? Wir sind hier im Schlafzimmer – ich dachte, Sie hätten mich lieber auf dem Bett.“

Cash atmete hörbar aus und sah zu, wie sie sich aufs Bett warf. Das normalerweise perfekt glatt gezogene Laken zerknitterte sofort, und sein ganzer Körper spannte sich an. Sie trug keine Schuhe und hatte ihre Beine angezogen, aber da das Kleid so kurz war, konnte er ihre Oberschenkel und den Hauch eines pinkfarbenen Höschens sehen.

„Ziehen Sie Ihren Rock runter, ich kann Ihre Unterhose sehen.“

Er wandte sich ab und spielte an einigen Kameraknöpfen herum, an denen es gar nichts herumzufummeln gab. Es gefiel ihm, wieder Kameramann zu sein. Das letzte Mal hatte er vor beinahe zehn Jahren hinter einer Kamera gestanden. Damals hatte er die Entscheidung getroffen, seine kleine Stadt zu verlassen und jemand anderes zu werden. Es hatte funktioniert. Er war jemand anderes. Erfolgreich. Wohlhabend. Mächtig. Aber er spürte auch, dass er immer noch etwas von dem kleinen Farmersjungen in sich hatte. Von diesem ungelenken Teenager, der beim Anblick eines hübschen Mädchens sofort den Kopf verlor.

„Lehnen Sie sich ein wenig zurück, dann zoome ich erst etwas heran und gehe dann in die Totale.“

„Okay.“

Als er sich wieder zu ihr umdrehte, lag Faith ausgestreckt auf dem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er hatte schon viele Frauen in seinem Bett gehabt, aber keine hatte jemals so einladend ausgesehen.

„Sie wären überrascht, wie viele Frauen sich als Schulmädchen verkleiden.“ Faith’ Moderation klang ein wenig hölzern, ihr fehlte die übliche Lebendigkeit, die ihre Sendung normalerweise auszeichnete. Cash nahm den Blick von der Kamera und schaute sie an.

„Was ist los?“

„Nichts.“ Sie klang angespannt, verärgert.

„Versuchen wir es noch einmal, und dieses Mal tun Sie so, als hätten Sie Spaß an der Sache.“

Dieses Mal hatte sie ihre Stimme unter Kontrolle, aber die Falte zwischen ihren Brauen war immer noch da.

„Einige Frauen genießen es, die freche Göre zu spielen, die nicht eher aufhört, bis man sie übers Knie legt und ihr den Hintern versohlt, was in sehr heißem Sex enden kann.“

Sie sprach immer langsamer und zog die Beine an den Oberkörper, sodass er wieder den Ansatz von pinkfarbenem Stoff erblickte.

„Das müssen wir noch mal machen. Ich kann Ihre Unterwäsche sehen.“

„Noch mal?“ Nun klang sie ernsthaft genervt. „In diesem Outfit war einmal schon zu viel.“

Cash richtete sich auf. Sie hatte die Lippen aufeinander gepresst und ihre Wangen waren gerötet. Sie wirkte überhaupt nicht glücklich. „Manchmal braucht es eben ein paar Versuche.“

„Ich wollte aber nicht mal einen.“

Vielleicht übte er zu viel Druck auf sie aus. Gerade, was Faith anging, war er bisher nicht zimperlich gewesen. Normalerweise war sie so selbstbewusst, wenn sie über Sex sprach, doch heute schien sie schwer mit sich zu kämpfen.

„Was gefällt Ihnen an dieser Fantasie nicht?“, fragte er, neugierig, was Sydneys Sexpertin so in Aufruhr gebracht hatte. Vorhin in Miss Kittys Dungeon hatte sie sich nicht so geziert.

„Was meinen Sie? Ich finde sie ganz okay, so wie alle anderen auch.“

„Nein, tun Sie nicht. Sie fühlen sich unwohl. Warum? Sie waren doch wohl nicht eines von diesen ungezogenen Schulmädchen, das eine Affäre mit einem seiner Lehrer hatte, oder?“

Als ihre Miene versteinerte, hielt Cash erschrocken den Atem an. Sie hatte was mit einem Lehrer gehabt? Sicher, er hatte sie für sexuell erfahren gehalten, aber dass sie schon als Teenager …? Vielleicht war sie deshalb an all dem so interessiert. Vielleicht hatte ein älterer Mann ihr in jungen Jahren alles beigebracht. Aus irgendeinem Grund machte ihn der Gedanke an einen älteren Mann, der auf ihren Teenager-Hintern starrte, wütend.

„Faith, tut mir leid. Ich habe nur einen Witz gemacht. Ich meinte nicht …“

„So war es nicht.“

Er musterte sie. Ihre Miene war nicht die eines sexuell befriedigten Teenagers. Er sah Traurigkeit darin und ein wenig Angst.

„Wie war es dann?“ Ihm wollte nicht einfallen, was sie gesagt hatte, wo sie zur Schule gegangen war. Irgendwo in England. Nächsten Monat war er in London. Er fragte sich, wie lange es dauern würde, den Mistkerl aufzuspüren.

In der Schuluniform sah Faith mit einem Mal sehr jung und zerbrechlich aus.

„Ich war naiv und dumm und habe etwas getan, das ich nicht hätte tun sollen.“

„Was?“ Er presste die Kiefer aufeinander.

„Er war mein Lehrer. Es war nur ein paar Mal.“

„Hat er … hat er etwas von Ihnen verlangt, was Sie nicht tun wollten?“

„Nein. Es war … ich bin ihm hinterhergerannt.“

„Wie alt waren Sie?“

„Siebzehn. Alt genug, um es besser wissen zu müssen.“

„Und jung genug, um sich von einem älteren Mann an der Nase herumführen zu lassen.“

„So war es nicht, ich war …“

„Was? Waren Sie in ihn verliebt?“ In dem Moment verstand Cash es. Sie spürte immer noch den Schmerz ihres gebrochenen Herzens. Bei ihm hatte sich dieser Schmerz in eine brennende Taubheit verwandelt. Obwohl seine Gedanken seit seiner Rückkehr nach Australien wieder öfter zu Jess wanderten, erkannte er nun, dass er nicht mehr wütend war. Er betrachtete die Traurigkeit in Faith’ Gesicht. So fühlte er sich auch. Traurig, dass die Sache dazu geführt hatte, dass er nun anders über Liebe und Sex und Vertrauen dachte.

„Ich dachte zumindest, ich wäre verliebt. Er hat mich wahrgenommen. Mir Dinge gesagt, die ich hören wollte.“ Ihre Stimme war leise, und ihr englischer Akzent kam wieder stärker zum Vorschein.

„Das ist keine Liebe. Liebe ist, wenn zwei Menschen sich umeinander kümmern – nicht, wenn einer die ganze Macht über den anderen hat.“ So wie Jess über ihn. Sie hatte gewusst, was er für sie empfand. Und das hatte sie ausgenutzt, um ihn zu manipulieren und zu bekommen, was sie wollte – die Nähe zu Charlie.

Faith sah ihm in die Augen. Ihre waren ein wenig glasig, als stünde sie kurz davor, in Tränen auszubrechen. „Ich dachte, Sie glauben nicht an die Liebe.“

Cash zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, dass Menschen denken, sie wären verliebt. Aber das ist nur ein Märchen. Ich glaube nicht an Happy Ends, und das sollten Sie auch nicht tun.“

„Warum?“

„Wenn jemand Sie liebt, dann vertrauen Sie ihm. Und wenn Sie jemandem vertrauen, werden Sie immer unweigerlich enttäuscht.“

„Nicht immer.“

„Immer. Wer hat Sie noch geliebt, Faith, außer diesem Kerl, der Sie nur ausgenutzt hat?“

„Niemand. Abgesehen von meiner Familie. Meine Eltern, meine Brüder.“

„Und haben Sie sich jemals von ihnen hintergangen gefühlt?“

Faith zögerte. „Ich fühlte mich hintergangen, als sie mich aufs Internat geschickt haben. Und meine Brüder ziehen mich heute noch damit auf, was damals passiert ist.“

„Die Menschen, die uns lieben, haben die Kraft, uns am meisten wehzutun. Deshalb versuche ich, nicht zu lieben.“

„Und deshalb ist Sex für Sie nur Sex.“

„Genau. Einfach, schlicht, unkompliziert.“

„Ohne Risiko.“

Bei ihr klang das so, als hätte er Angst. „Warum sollte man sich freiwillig in eine Situation begeben, in der man verletzt werden könnte?“

„Liebe existiert, damit man sie fühlt. Erinnern Sie sich daran, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein? Ist das nicht wundervoll?“

Ja, das war es gewesen. Zwölf Monate lang. Danach hatte es sich angefühlt, als ob ihm sein Herz bei lebendigem Leib herausgerissen worden wäre. „Es ist den Schmerz nicht wert.“

„Also gehen Sie lieber durchs Leben, ohne etwas zu fühlen, nur um den Schmerz nicht empfinden zu müssen?“

„Ich fühle nicht ‚nichts‘. Ich habe Freunde und meinen Beruf. Ich bin zufrieden.“

„Zufrieden? Das ist ein Wort, das Menschen benutzen, die Angst davor haben, ein Risiko einzugehen. Das hat keinerlei Ähnlichkeit mit Verliebtheit. Jemanden zu lieben fühlt sich an, als wenn man fliegen könnte. Genau das möchte ich erleben. Ich möchte den ganzen Tag an jemanden denken und mich unbesiegbar fühlen.“

Endlich wirkte Faith wieder mehr wie sie selbst – lebhaft, vertrauensvoll, umwerfend. „Ich möchte, dass mein Herz so voll ist, dass es jederzeit platzen könnte. Ich möchte, dass nichts, was jemand sagt, mir wehtun kann.“

„Aber Sie werden verletzt. Dieser Lehrer … Er hat Ihnen wehgetan. Und zwar sehr, wie ich aus Ihrem Verhalten schließe. War die Liebe diesen Schmerz wert?“ Sobald die Worte seinen Mund verlassen hatten, wusste er, dass er sie nicht hätte aussprechen sollen. Seine Ehrlichkeit hatte ihm bisher immer nur Schwierigkeiten eingebracht.

Faith schien über ihre Antwort nachzudenken. Sie schaute aus dem Fenster aufs Meer und sagte schließlich: „Nein. Das war es nicht.“

Er hätte jetzt eigentlich Erleichterung oder gar ein Gefühl des Triumphs verspüren müssen. Immerhin hatte er ihre Diskussion gewonnen und sie davon überzeugt, dass Liebe den Schmerz nicht wert war. Aber er fühlt sich nicht gut. Als er sah, wie all ihre Hoffnungen schwanden, fühlte er sich wieder einmal wie der größte Mistkerl der Welt.

Er ging zum Bett und setzte sich. Liebe. Das bedeutete nur, dass irgendjemandem das Herz gebrochen wurde.

„Wie ist es mit Ihnen? Wer war sie?“

Cash drehte sich zu Faith um, die ihre Beine ausgestreckt hatte und ihm nun so nah war, dass er sie berühren könnte, wenn er wollte. Sein Blick glitt über ihren Körper nach oben zu ihrem Gesicht. Er wusste, was sie meinte.

„Ein Mädchen, das auf unserer Farm gearbeitet hat. Von dem Tag an, an dem ich sie das erste Mal gesehen habe, konnte ich an niemand anderen mehr denken. Sie war wunderschön und lustig und gab den männlichen Arbeitern ordentlich Paroli. Sie war furchtlos und aufregend, und ich habe nie wieder jemanden wie sie getroffen.“

„Haben Sie sie geliebt?“

Etwas an der Art, wie Faith die Frage stellte, ließ ihn den Blickkontakt aufrechterhalten. Sie wollte es wissen, und er wollte es ihr erzählen. Ihr sagen, dass sie nicht alleine war.

„Ja, damals habe ich sie geliebt. So sehr ein Zwanzigjähriger nur lieben kann. Wir sind schnell ein Paar geworden. Sie schien meine Gefühle zu erwidern. Doch dann …“ Er hielt inne. Auf einmal kam alles wieder hoch. Der Herzschmerz, der Verrat, der Streit.

Faith neigte den Kopf und hörte interessiert zu.

„Aber dann kam mein Bruder von der Uni nach Hause und sie hat sich für ihn entschieden.“

„Sie hat Sie für Ihren Bruder verlassen? Oh Cash, das tut mir leid.“

Cash wandte sich ab. Er wollte ihr Mitleid nicht.

„Es war unausweichlich. Charlie war schon immer derjenige, mit dem alle zusammen sein wollten. Er war größer, stärker und schneller als ich. Die Leute liebten ihn einfach. Er war freundlich und offen und umgänglich. Ich war der Stillere, der sich eher zurückgezogen hat.“

„Es tut trotzdem weh, wenn sie sich für jemand anderen entscheiden.“

Ja, vor allem, wenn dieser andere der Mann war, mit dem man sich schon sein ganzes Leben lang verglich. Und den man nie in etwas hatte schlagen können.

„Man kann niemanden zwingen, einen zu lieben“, sagte er leichthin. „Sie hat mich für ihn verlassen, und sie sind immer noch zusammen und verliebt wie am ersten Tag.“

Er spürte ihre Hand auf seiner Schulter. Es fühlte sich gut an. Gut, hier bei ihr zu sein. Gut, mit jemandem zu reden, der seine Gefühle nachvollziehen konnte.

„Standen Sie einander vorher nah?“

„Sehr nah. Wir sind Zwillinge.“

„Zwillinge? Oh Cash, das muss ja furchtbar gewesen sein.“ Ihre Hände drückten fester zu. Sie hatte so schmale Finger. Seine Schultern entspannten sich ein wenig, als sie anfing, seine Muskeln zu massieren. Ihr Atem strich über seinen Nacken. Er hielt seine Hände fest auf die Knie gepresst. Er wollte sie nicht berühren. Wollte nicht an den Kuss denken, der sich immer wieder in seine Gedanken drängte. Die Weichheit ihrer Lippen. Wie ihr Daumen über seine Unterlippe gestrichen war. Wie sie geschmeckt hatte.

„Was ist danach passiert?“

Unter ihrer Berührung fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. „Wir haben uns gestritten, die Leute im Ort haben Partei ergriffen, und irgendwann wurde es so unerträglich, dass ich wegziehen musste.“

Faith’ Mund war ganz nah an seinem Ohr. Er müsste nur den Kopf ein wenig drehen, um ihre Lippen auf seinen zu spüren. „Das tut mir so leid. Ist denn jetzt alles wieder gut zwischen Ihnen?“

„Nein. Wir haben seitdem nicht mehr miteinander gesprochen. Was er getan hat, war unverzeihlich.“ Er wollte sie küssen. Sie berühren und anschauen und vergessen, dass sie eine Angestellte war. Er wollte sie. Doch als er sich umdrehte, zog sie schnell ihre Hände zurück und starrte ihn mit großen Augen an.

Sie ist diejenige, die Sie betrogen hat. Ihr Bruder hat sich nur in jemanden verliebt, in den er sich nicht hätte verlieben sollen. Das kann uns allen passieren. Aber Sie haben zugelassen, dass diese Frau sich zwischen Sie drängt und die Beziehung zu ihrem Bruder zerstört. Sie muss ja ein wahres Ass im Bett gewesen sein.“

Ja, der Sex mit Jess war gut gewesen – aber seitdem hatte er schon wesentlich besseren erlebt. „Es ging nicht nur um Sex.“

„Worum dann? Sie sagen doch immer, beim Sex geht es nur um Macht. Diese Frau scheint immer noch Macht über Sie zu haben – sie kontrolliert Sie immer noch, und dabei schlafen Sie nicht mal mehr mit ihr.“

„Jess kontrolliert mich nicht.“

„Aber die Beziehung zu Ihrem Bruder. Und alles nur, weil Sie mal Sex hatten.“

„Wir hatten nicht nur Sex. Es war mehr als das.“

„Was denn?“

„Wir waren …“ Verliebt? Damals hatte er das geglaubt, aber heute? Sie hatte geliebt, dass er aussah wie Charlie. Er hatte die Aufmerksamkeit geliebt, die sie ihm geschenkt hatte. Wie er sich in ihrer Gegenwart fühlte – stark, mächtig, interessant. Endlich einmal war er Cash gewesen, und nicht nur Charlies Bruder.

„Was waren Sie?“, holte Faith ihn in die Gegenwart zurück.

„Dumm. Naiv. Ich dachte, weil wir miteinander schliefen, wären wir auch automatisch verliebt. Doch das waren wir nicht. Wie ich schon sagte, Sex ist einfach nur Sex.“

„Nur dass es für Sie noch so viel mehr war.“

Sie hatte recht. Er hatte sich damals gefühlt, als wäre er etwas Besonderes. Und auch mit Faith würde es beim Sex nicht nur um Sex gehen. Es wäre die Antwort darauf, wie er sich im Moment fühlte. Frustriert, verärgert, machtlos. Er wollte gewinnen. Er wollte sie haben.

„Sie haben recht, Faith. Sex bedeutet immer noch mehr, und das ist das Problem. Für Ihren Lehrer war Sex ein Weg, seine kranken Fantasien auszuleben. Jess hat mit mir geschlafen, weil ich aussah wie jemand anderes. Für mich beides keine guten Argumente, um Sex zu haben.“

An ihrem Blick erkannte er, dass Faith wütend war. Und doch tat sie jetzt etwas, das ihn vollkommen überraschte. Sie rückte auf den Knien näher, bis ihre Brüste sich direkt unter seinem Kinn befanden. Er sehnte sich danach, den Kopf zu neigen und sie durch den dünnen Stoff zu küssen. Doch das tat er nicht, weil sie den Blick aus ihren blauen Augen auf ihn gerichtet hatte, und wenn sie ihn so ansah, konnte er sich nicht wegdrehen. Vorsichtig legte sie eine Hand an seine Wange.

„Das sind wirklich keine guten Gründe, um Sex zu haben. Zwei Menschen sollten miteinander schlafen, weil sie einander mögen und dem anderen ihre Gefühle zeigen wollen.“

Sie kam noch näher, und Cashs Jeans wurde langsam eng. Mit der Fingerspitze ihres Zeigefingers strich sie an seinem Mund entlang. Seine Lippen prickelten unter der Berührung. In seinem Inneren loderte ein Feuer auf, das ihn zu verschlingen drohte. Er hob eine Hand und streichelte ihre Wange so, wie sie es bei ihm tat. Ihre Haut war so weich. Als er ihre Lippen berührte, keuchte sie leise auf.

„Oder sie gehen miteinander ins Bett, weil sie scharf aufeinander sind“, murmelte er.

Ihr Atem ging schneller. Er konnte nicht länger widerstehen, sondern berührte mit seinem Mund ihre Brust und biss zart zu. Faith’ überraschtes Stöhnen feuerte ihn an. Er küsste ihre Schulter durch den Stoff des Kleides und ließ seine Hände zu ihren Oberschenkeln wandern. Langsam und vorsichtig strich er an ihren Beinen entlang. Sie rührte sich nicht. Ihre Blicke trafen sich, und Faith öffnete leicht den Mund. Sie sah so wunderschön aus, wie sie da vor ihm kniete. Er wollte sie halten, für sie sorgen, ihr versichern, dass nicht alle Männer sie schlecht behandeln würden. Vielleicht war es an der Zeit, loszulassen. Jemandem die Tür zu seinem Leben zu öffnen. Vielleicht konnte er ihr vertrauen. Ganz langsam beugte er sich vor, bis seine Lippen ihre berührten. Es war wie der erste Schluck kühlen Wassers nach Tagen in der staubigen Wüste.

Er schob seine Hand ein Stück höher, bis er gegen den Stoff ihres Slips stieß. Langsam, ohne den Blick von ihr zu lösen, ließ er seinen Finger zwischen die Spitze und ihre Haut gleiten. Sie war so heiß und bereit. Er musste sie sofort küssen. Musste ihre Lippen schmecken und sie unter sich erbeben spüren. Als sein Mund sich erneut auf ihren senkte, war es nicht vorsichtig und sanft. Sondern hart und verzweifelt und so heftig, dass sie beinahe rücklings aufs Bett fiel. Doch er fing sie auf, bevor sie sich wehtun konnte, und legte sie sanft auf die Kissen.

„Cash, ich dachte, du magst mich nicht.“ Ihre Stimme zitterte ein wenig, als wäre sie nervös.

Er konnte sich nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben. Natürlich mochte er sie.

„Ich möchte mit dir schlafen, Faith. Ich möchte dich zum Orgasmus bringen und hören, wie du meinen Namen dabei rufst.“

„Aber magst du mich?“

Etwas an der Art, wie sie das fragte, ließ ihn innehalten. Sie klang verängstigt. Verletzlich. Was, wenn er ihr wehtat?

Er küsste sie und legte in diesen Kuss all seine Gefühle, in der Hoffnung, dass sie ihn verstehen würde.

„Cash?“, hauchte sie, als er sich schließlich ein wenig zurückzog.

„Ich weiß es nicht“, sagte er an ihrer Wange.

Sie atmete tief durch, und als er erneut versuchte, sie zu küssen, wandte sie sich ab.

Verdammt. Er war wieder zu ehrlich gewesen.

„Faith, hör auf, dir Sorgen zu machen. Sieh es als Recherche an. Vielleicht könnte es in deiner nächsten Sendung darum gehen, wie man den mächtigsten Orgasmus seines Lebens bekommt. Denn ich werde – das verspreche ich dir – nicht eher aufhören, bis du ihn hattest.“

Zwischen ihren Augen tauchte eine tiefe Falte auf. Sie packte seine Oberarme und schob ihn energisch von sich.

„Ich dachte, diese Sendung sollte meine letzte sein.“ Sie setzte sich auf, und er ließ es widerstrebend zu, obwohl er sie am liebsten wieder rücklings aufs Bett geworfen hätte. Doch das würde nicht passieren. Nicht jetzt, als sie erkannte, wer er wirklich war – ein inkonsequenter Mistkerl, der sprach, bevor er nachdachte. Jemand, der es nicht verdiente, von irgendjemandem geliebt zu werden. „Willst du mir etwa sagen, wenn ich mit dir schlafe, kann ich meine Sendung behalten?“

Nun war es an ihm, verwirrt zu sein. „Nein, so etwas habe ich nie gesagt.“

„Doch. Genau das hast du gesagt. Vor ein paar Stunden hast du mich noch daran erinnert, dass das hier meine letzte Sendung wird, und jetzt, wo wir kurz davorstehen, Sex zu haben, schlägst du vor, dass ich noch eine weitere Folge drehe.“

„Das war ein Witz, Faith.“

„Ein Witz?“ Sie stand auf. Ihre Wangen waren gerötet und sie wirkte unglaublich wütend. „Ich fand das nicht sonderlich witzig. Wie konnte ich nur so dumm sein … Wie konnte ich nur denken, dass dir wirklich etwas an mir liegt, wenn du noch nicht einmal an die Liebe glaubst.“ Sie fing an, den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen. „Es ist dieses Kleid, oder? Das macht dich an. Diese Jess, sie hat dir schlimmer wehgetan, als jeder andere Mensch es gekonnt hätte. Und doch hast du nichts daraus gelernt. Du denkst immer noch, Sex wäre nur Sex, und dass es in Ordnung ist, mich so zu behandeln, als wäre ich nicht wichtig. Ich bin einfach nur eine weitere Frau, an der dir nichts liegt.“

Faith zog an dem Kleid, aber der Reißverschluss klemmte. Sie war wütend und verletzt und fühlte sich gedemütigt. Mr Turner hatte ihr gesagt, er würde dafür sorgen, dass sie in der nächsten Arbeit eine Eins bekäme. Das hatte mehr geschmerzt als alles andere. Als wenn sie wegen guter Noten mit ihm geschlafen hätte. Sie hatte es getan, weil sie ihn mochte – und nun hätte sie beinahe den gleichen Fehler mit Cash begangen.

„Faith, du machst da mehr draus, als es ist. Ich bin nur ehrlich. Ob es dir gefällt oder nicht – Ehrlichkeit ist immer besser, als zu lügen.“

„Es gibt Ehrlichkeit, und dann gibt es das, was du tust. Nämlich einfach mit allem herauszuplatzen, was dir gerade durch den Kopf geht.“

„Es tut mir leid. Ich sagte dir doch schon, ich glaube nicht an die Liebe. Und du willst sie mehr als alles andere.“

Faith hörte auf, an dem Reißverschluss zu zerren. Er hatte recht. Sie wollte Liebe. War das so schlimm? „Die nächsten beiden Fantasien kann ich alleine drehen, dafür brauche ich dich nicht. Sei heute Abend nur pünktlich im Burlesque-Club. Und Cash …“ Sie drehte sich zu ihm um und sah ihm direkt in die Augen. Der kleine grüne Fleck darin schien förmlich zu leuchten. Noch vor wenigen Sekunden war sie diesen Augen so nah gewesen. Hatte gespürt, wie sie in ihnen versank. „Du hast gewonnen. Ich glaube auch nicht mehr an die Liebe.“

8. KAPITEL

Die ausgelassen miteinander quatschenden Leute nahmen nach und nach ihre Plätze ein. Gleich würde die Show beginnen. Cash widerstand dem Drang, seinen obersten Hemdknopf zu öffnen. Es war stickig heiß hier drinnen, und er war nervös. Er hatte überlegt, gar nicht zu kommen, denn nachdem, was heute passiert war, würde Faith ihn nicht sehen wollen. Doch er hatte versprochen, ihr zu helfen, und ob sie es nun zugeben wollte oder nicht, sie brauchte ihn. Als Kameramann und als Freund. Er musste mit ihr reden, musste es ihr erklären.

Eine Blondine mit tief auf den Hüften sitzenden Jeans warf ihm unter langen Wimpern unverhohlene Blicke zu. Das hier war nicht seine Welt. Diese Bar mit ihrem nachgemachten Dekor der 1920er Jahre, den billigen Kronleuchtern und süßen Drinks war in seinen Augen nicht mehr als ein aufgemotzter Stripclub. Ein Ort, an dem verzweifelte Männer ebenso verzweifelten Frauen dabei zusahen, wie sie sich ihrer Kleidung entledigten. Nichts als Lügen.

Er erblickte Faith weiter hinten, wo sie mit einer Rothaarigen mit Sonnenbrille und kurzem Rock sprach. Er beobachtete, wie sie sich setzte. Wie sie lächelte und lachte und den Pferdeschwanz über die Schulter warf. Er hatte den ganzen Nachmittag an sie denken müssen. Er vermisste sie. Ihr Lachen und ihre Neckereien und die Augenblicke unverhüllter Verwundbarkeit. All das fehlte ihm, und doch konnte er nicht sagen, warum. Er sollte sie nicht wollen. Er sollte sie nicht mögen. Warum ging ihm dann aber ihr Ausbruch von heute nicht mehr aus dem Kopf? Ich bin einfach nur eine weitere Frau, an der dir nichts liegt. Er hatte den Schmerz in ihren Worten nicht nur gehört, sondern auch gefühlt. Er hatte sie genauso behandelt wie ihr schmieriger Lehrer damals. Er hatte sie benutzt, wie Jess ihn benutzt hatte, und dieses Wissen bereitete ihm Übelkeit.

Cash durchquerte den Raum und baute die Kameras auf. Eine würde auf die Bühne gerichtet sein und die andere auf Faith. Er schaute durch die Linse und sah Faith lachen. Er zoomte auf ihr Gesicht, ihr Lächeln, und seine Brust zog sich zusammen. Sie hatte ein wunderschönes Lächeln. Er trat einen Schritt zurück – weg von der Linse und weg von den lächerlichen Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen.

Ein lang gezogener Ton einer Trompete hallte durch den Raum, und der schnurrbärtige Gastgeber des Abends stolzierte in Fliege und kariertem Anzug auf die Bühne. Auf übertrieben komische Weise erklärte er die Bedeutung des Burlesque-Tanzes als Kunstform, und das Publikum hing förmlich an seinen Lippen.

Faith beugte sich zu der Frau mit der Sonnenbrille, um ihr etwas zuzuflüstern, und schaute sich dann um, bis sie Cash erblickte. Einen Moment erstarrte ihre Miene, bevor sie ihm ein zögerndes Lächeln schenkte, das ein inzwischen vertrautes Gefühl der Sehnsucht nach ihr in ihm weckte. Eine Sehnsucht, die schwer zu stillen war. Faith brachte ihn dazu, Dinge zu tun, die er niemals tun würde. Weckte Gefühl in ihm, die er nicht fühlen wollte. Sie provozierte ihn und lenkte ihn ab, und er hatte zu viel zu tun, um das zulassen zu können. Doch es fiel ihm unerwartet schwer, sie aus seinen Gedanken zu verbannen.

Nachdem er die Kameras angeschaltet hatte, suchte er sich seinen Weg durch die Zuschauer, bis er Faith erreichte. Sie rutschte ein Stück, damit er sich neben sie setzen konnte, doch sie sagte keinen Ton. Sie war immer noch sauer auf ihn. Und zu Recht. Er sprach zu oft einfach aus, was ihm durch den Kopf ging – selbst wenn er wusste, dass er mit seinen Worten jemanden verletzte.

Ein Gong ließ den Moderator zum Ende kommen, und Faith rutschte näher an Cash heran. Beinahe hätte er einen Arm um ihre Schultern gelegt und sie an sich gezogen. Sie hatte so eine Art, ihn anzusehen, dass er das Gefühl hatte, sie gehöre zu ihm. Aber das hier war Arbeit. Da er ihr den Glauben an die Liebe genommen hatte, war er es ihr schuldig, hier zu sein und ihr zu helfen.

„Du hast es geschafft“, flüsterte sie und klang gar nicht sauer. Wodurch er sich noch schlechter fühlte. Sie war süß und verständnisvoll wie immer und hatte es nicht verdient, so behandelt zu werden, als wenn sie ihm egal wäre. Das war sie nämlich nicht. Er riskierte einen kleinen Blick auf sie. Sie war ihm ganz und gar nicht egal.

„Ich lasse mir keine Gelegenheit entgehen, eine Frau strippen zu sehen.“

„Das hier ist kein Stripclub, sondern eine Burlesquevorstellung.“ Sie verdrehte die Augen.

Er lachte und entspannte sich ein wenig. Er mochte es, mit ihr zusammen zu sein. Und ihm gefiel, dass sie sich nicht scheute, ihm zu widersprechen. Denn damit gab sie ihm das Gefühl, zuzuhören. Als wäre er ihr wichtig.

Er fragte sich, warum sie noch immer hier war, mit ihm redete und ihm das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein. Das hatte er nicht verdient.

Ihr Rock verrutschte ein wenig, als sie die Beine übereinanderschlug, und Cash bekam ein Stück ihres wohlproportionierten Oberschenkels zu sehen. Ihm wurde ein wenig schwindelig. Pure Lust, sagte er sich. Eine körperliche Reaktion auf eine schöne Frau, mehr nicht. Er rutschte ein Stück zur Seite, doch im gleichen Moment bewegte sie sich auch und war wieder nur wenige Millimeter von ihm entfernt. Und er erkannte, dass er sie genau da haben wollte. Nicht nur, weil sie umwerfend war. Sondern weil ihm sehr wohl etwas an ihr lag.

„Ladys and Gentlemen – endlich ist es so weit. Ich präsentiere Ihnen die zauberhafte, einzigartige, umwerfende Miss Betty Boom-Boom!“

Die Zuschauer jubelten, als die Bongos einen schnellen Rhythmus anstimmten. Faith lächelte Cash an, der schnell wegschaute – auf die Bühne, auf den Kopf der Frau vor ihm, überallhin, nur nicht in Faith’ große, vertrauensvolle Augen.

Andere Instrumente setzten ein, und hinter dem Vorhang erschien ein Bein, bald gefolgt vom Rest der Tänzerin.

Faith reckte den Hals, um besser sehen zu können, wobei ihr bloßer Unterschenkel gegen sein Bein stieß. Als er sie anschaute, sah er den Puls in der kleinen Kuhle an ihrem Hals schlagen. Ihre Haut schimmerte, und er wollte sie berühren, seine Lippen auf genau diese Stelle an ihrem Hals pressen. Er wollte, dass das Lächeln von ihren Lippen verschwand und durch ein Stöhnen ersetzt wurde. Sein ganzer Körper war angespannt. Er musste sich beruhigen. Musste aufhören, jede noch so winzige Kleinigkeit an ihr zu bemerken. Er musste sich selber beweisen, dass er immer noch die Kontrolle hatte – weshalb er tat, was er nun tat.

Er beugte sich so weit vor, dass sein Atem über ihr Ohr strich, senkte die Stimme und murmelte anzüglich: „Bist du schon aufgeregt?“

Sofort veränderte sich die Atmosphäre zwischen ihnen. Faith’ Lächeln verschwand und sie wurde ganz ruhig. Aber ihr schneller Atem und wie sie krampfhaft versuchte, ihn nicht anzusehen, verrieten sie. Sein Plan war nach hinten losgegangen. Anstatt die Situation zu kontrollieren, spürte er, wie sie ihm immer mehr entglitt. Er spürte die aufgeladene Spannung zwischen ihnen in jeder Zelle seines Körpers.

Cashs Blick glitt über ihren Oberkörper und blieb kurz an der perfekten Wölbung ihrer Brüste hängen. Dann setzte er seine Reise fort, über ihren flachen Bauch und die Hüften zu ihren Beinen. Sein Kragen war mit einem Mal zu eng. Sie rutschte ein wenig näher an ihn heran, ohne den Blick von der Bühne zu nehmen. Vermutlich wollte sie ihm sagen, er solle sie in Ruhe lassen. Er hätte es verdient. Cash versuchte, sich ebenfalls auf das Treiben auf der Bühne zu konzentrieren, doch es gelang ihm nicht. Das Einzige, was ihn in diesem Saal interessierte, war Faith.

„Sieh zu“, flüsterte sie leise und rau. „Wie sie sich bewegt, wie ihre Hände und Augen dir sagen, was sie von dir will. Sie lenkt deinen Blick genau dorthin, wo sie ihn haben will.“

Er riss sich von ihren vollen roten Lippen los und schaute zur Bühne. Die Frau trug ein langes, enges, mit Pailletten besetztes Kleid. Im Gehen wiegte sie die Hüften und ließ ihre behandschuhten Finger über ihren Körper gleiten. Sein Puls beschleunigte sich. Faith’ Oberschenkel war so nah. Er wollte sein Bein ein wenig bewegen, wollte es gegen ihres drücken. Er wollte ihre Haut berühren, Erleichterung für das pochende Sehnen finden, das durch seinen Körper zog. Doch sie wollte mehr als das, und mehr konnte er ihr nicht geben. Trotzdem wollte er sie.

„Sie will, dass du bemerkst, wie weiblich sie ist. Siehst du, wie sie über die Bühne geht? Sie bewegt ihre Hüften, damit du hinschaust. Dann streicht sie mit ihren Händen über ihren Körper, ihre Brüste.“ Das Atmen fiel ihm immer schwerer, je länger er Faith’ verführerischer Stimme und ihren Worten lauschte, die wie ein Prickeln über seine Haut glitten. Er setzte sich etwas breitbeiniger hin, um Platz in seiner Hose zu schaffen. Endlich berührte sein Bein ihren Schenkel, und er hielt den Atem an. Es fühlte sich so gut an, wie er es sich vorgestellt hatte. Aufreizend. Elektrisierend.

Dieser Funke zwischen ihnen war neu für ihn. Normalerweise bemerkte er bei Frauen nur ihr Gesicht, ihre reizenden Kurven. Er wollte sie körperlich. Doch das hier war anders. Verboten. Unwiderstehlich. Er sah Faith an, um sich zu vergewissern, dass sie es auch fühlte. Sie erwiderte seinen Blick eindringlich. Ihre Zunge blitzte verführerisch zwischen ihren Lippen auf, als sie diese befeuchtete.

„Dann berührt sie ihr Gesicht, ihre Lippen. Sie will, dass du weiter hinschaust. Es bemerkst. Deshalb ist das hier die Nummer eins unter den weiblichen Fantasien. Für einen Mann zu strippen bedeutet, dass er nur an eines denkt: an dich.“

Faith biss sich auf die Unterlippe. Cash konnte sich nicht bewegen, seinen Blick nicht von ihr nehmen. Sein Körper brannte vor Verlangen nach ihr. Obwohl er wusste, dass sie ihn hassen würde, wenn er ihr nicht geben konnte, wonach sie sich sehnte, wollte er sie. Die Art, wie ihr Blick langsam zu seinem Mund glitt, ließ ihn alles außer ihr vergessen.

„Alle Frauen wollen sich begehrt und geschätzt und respektiert fühlen.“ Cash schaute ihr in die Augen. Das Blau ihrer Iris war dunkel vor Verlangen. Er spannte sich an, wartete. Faith kam näher, ihr Atem hinterließ heiße Spuren auf seinem Gesicht. Sie würde ihn küssen. Und er würde sie nicht aufhalten. Selbst wenn er tief in seinem Inneren wusste, dass er es sollte.

„Für eine Frau ist Sex niemals einfach nur Sex. Es geht immer darum, was für ein Gefühl du ihr dabei gibst.“

Abrupt zog sie sich zurück. „Und wenn du ihr das Gefühl gibst, sie zu benutzen, pass besser auf, denn es gibt nichts Schlimmeres, als es mit einer verletzten Frau zu tun zu kriegen.“

Cashs Mund wurde ganz trocken. Er hatte ihr nicht wehtun wollen. Genauso wenig, wie er etwas für sie hatte empfinden wollen. Aber es war unmöglich, sich ihr zu entziehen. Faith wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Bühne zu, und Cash wusste nicht, was er sagen sollte. Er wollte sich gerne entschuldigen, aber das wären nur Worte gewesen, und Faith hatte mehr verdient.

„Siehst du, wie sie mit den Männern spielt? Sie zeigt ihnen, was sie niemals haben werden.“

Ihr sinnlicher Mund verzog sich zu einem verführerischen Lächeln. Sie wirkte so spielerisch und sexy wie nie zuvor.

„Sie neckt und lockt und gibt ihm das Gefühl, gewonnen zu haben.“ Sie lächelte ihn an. „Dann entzieht sie sich ihm und widmet sich dem nächsten Mann. Sie hat die Macht, und alle Männer sind für sie nur Spielzeug.“

Cash hielt den Atem an. Hier ging es nicht um sie und ihn. Sie erklärte ihm gerade, wieso Sex nicht einfach nur Sex war. Sie hatte gesagt, dass sie nicht mehr an die Liebe glaubte, und das hier verriet ihm, woran sie stattdessen glaubte. An Macht. Und die hatte sie. So wie Jess sie gehabt hatte. Macht über ihn. Kälte breitete sich in ihm aus. Wieder einmal war mit ihm gespielt worden. Er hatte sein dummes Herz denken lassen, dass zwischen ihnen etwas war, und nun erklärte sie ihm, wie dumm er gewesen war.

Faith hatte einiges von den Burlesque-Tänzerinnen gelernt. Sie war eine Meisterin der weiblichen Manipulation. Sie wusste, wie sie Menschen anziehen und jemanden glauben machen konnte, mehr zu wollen. Nur um sich dann in letzter Sekunde zurückzuziehen. Doch er war zu klug, um noch einmal darauf hereinzufallen. Für einen Moment hatte er die Kontrolle verloren. Er hatte sich gestattet, zu weit vorauszudenken. Dabei wusste er, dass das falsch war. Vertraue niemandem – das war seit Jahren sein Motto, und damit war er immer gut gefahren.

„Typisch Frau, aus Betrug eine Kunstform zu machen. Alles zu versprechen, ohne es je einhalten zu wollen.“

Das Lächeln erstarrte auf ihren Lippen. „Sie verspricht gar nichts.“

„Oh doch. Sie verspricht alles.“ Kochend heiß floss das Blut durch seine Adern. Er wollte, dass sie sich genauso fühlte wie er. Enttäuscht. Wütend. Im Stich gelassen. „Aber es sind alles nur Lügen. Lügen und Betrug. Genau wie deine Sendung.“

Nun verschwand auch der letzte Anflug eines Lächelns von Faith’ Gesicht. Er hasste es, dass er ihr das angetan hatte. Vor einer Minute noch war sie heiß auf ihn gewesen, und jetzt war sie eiskalt. Doch er war wütend. Jess hatte ihn hereingelegt und ihn glauben lassen, sie wäre in ihn verliebt. Und nun tat Faith das Gleiche.

Er rückte ein Stück ab, um sie nicht mehr zu berühren. Er wollte nicht länger in ihrer Nähe sein. Er wollte an der Bar sitzen und einer langbeinigen Blondine einen Drink ausgeben. Einer Frau, die ihn nicht so verwirrte. Für die er nichts empfand.

Faith wandte den Blick ab und schaute wieder zur Bühne. „Für Frauen ist es anders, Cash. Unsere Kraft ist nicht körperlicher, sondern mentaler Natur. Wir sind euch immer zwei Schritte voraus, um uns selbst zu schützen vor Menschen, die uns wehtun wollen.“ Ihr Blick kehrte zu ihm zurück.

Cash runzelte die Stirn, wandte den Blick aber nicht ab. Irgendetwas passierte gerade. Sie forderte ihn heraus.

„Du sprichst immer davon, ehrlich zu sein“, fuhr sie fort. „Keine Lügen zu erzählen. Du willst, dass alle dich für den aufrichtigsten Mann im Raum halten. Aber du bist auch nicht anders als wir anderen. Du spielst genauso etwas vor. Tust so, als wüsstest du mehr, als du weißt, als würdest du nicht fühlen, was du fühlst. Du versteckst dich wie wir alle hinter einer Maske. Der Unterschied ist nur, du hast zu viel Angst, es zuzugeben.“

Sie hatte doch keine Ahnung, wovon sie da sprach. Er und Angst? Nichts hatte ihm jemals Angst gemacht.

Außer ihr.

„Du willst die Wahrheit wissen? Ich will dich, Faith. In meinem Bett. Jetzt gleich. Ich möchte Sex – einfach nur Sex. Und zwar mit dir.“

Faith konnte den Blick nicht von Cashs Lippen wenden. Sie sah, wie er die Worte mit diesen Lippen formte, doch das Johlen und Pfeifen der Zuschauer machte es schwer, sie zu verstehen. Sie glaubte, gehört zu haben, dass er sie wollte. In seinem Bett. Jetzt gleich.

Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Den ganzen Abend über hatte sie ihn verletzen, ihn genauso fühlen lassen wollen, wie sie sich heute Nachmittag gefühlt hatte. Benutzt und hereingelegt. Aber wenn er sie so ansah wie jetzt, als wenn er sie wirklich wahrnähme, spürte sie, wie sie dahinschmolz.

Am Nachmittag hatte er gesagt, dass er für sie da wäre, wenn sie ihn bräuchte, und sie hatte ihm geglaubt. Vor allem, nachdem er ihr von seiner Vergangenheit erzählt hatte. Doch seine Bemerkung über ihre nächste Sendung hatte sie vollkommen aus der Bahn geworfen. Jetzt wusste sie überhaupt nicht mehr, was sie denken sollte. Sex, Liebe – sie hatte keine Ahnung, worum es dabei ging, und würde es vermutlich auch nie herausfinden.

Cash berührte sie nicht, und doch spürte sie seine Nähe. Sein Körper strahlte Hitze und angespannte Erwartung aus. Plötzlich streifte sein Arm sie, als er nach dem Drink griff, der vor ihr stand. Er suchte ihren Blick und fragte stumm, ob er aus ihrem Glas trinken dürfte. Sie nickte, und er nahm einen Schluck. Seine Lippen berührten das Glas an der Stelle, wo vor wenigen Minuten noch ihre Lippen gewesen waren. Diese Geste wirkte wesentlich intimer als der Kuss, den sie geteilt hatten, oder die Art, wie er sie auf dem Bett berührt hatte. Er teilte sich mit ihr ein Getränk. Er vertraute ihr. Ließ sie wissen, dass sie zusammen waren. Doch das waren sie nicht, und sie musste endlich aufhören, ihn als jemanden anzusehen, dem etwas an ihr lag. Sie wusste, was er wollte – und vor allem, was er nicht wollte.

Sie versuchte, nachzudenken, doch in dem heißen, stickigen Club mit der sinnlichen Musik fiel ihr das schwer. Wenn sie sein Angebot annehmen würde, wäre es nur Sex. Doch „nur Sex“ gab es für sie nicht.

„Faith?“ Seine tiefe Stimme vibrierte an ihrem Ohr und sie zuckte zusammen. „Hast du mich gehört?“

Sie versuchte, sich wieder auf das Geschehen auf der Bühne zu konzentrieren. „Ja, habe ich.“

„Und was sagst du?“

Faith wandte langsam den Kopf und stellte sich seinem Blick. Vielleicht sollte sie es tun. Vielleicht war es genau das, was sie brauchte. Sie könnte ihn so benutzen, wie die anderen Männer sie benutzt hatten. Möglicherweise würde sie so endlich lernen, wie es sich anfühlte, einen Orgasmus zu haben, für den sie nicht selbst gesorgt hatte. Bei dem Gedanken überlief sie ein heißer Schauer.

Sie liebte ihn nicht – und er könnte sie niemals lieben. Es wäre eine rein körperliche Angelegenheit. Solange sie sich dessen bewusst war, wäre ihr Herz sicher. Solange sie … Die sanfte Berührung von Cashs Daumen an ihrer Wange löschte alle Gedanken in ihrem Kopf. Er war näher gerückt. Sein Blick glitt über ihr Gesicht, bevor er in ihren Augen zur Ruhe kam. Seine Augen waren so schön, so dunkel, dass sie in ihnen ertrinken könnte.

Eine leichte Schläfrigkeit breitete sich in ihrem Körper aus. Wenn er sie so ansah, konnte sie nicht mehr klar denken. Doch das musste sie. Sie hatte eine Entscheidung zu treffen. Würde diese Chemie zwischen ihnen ihr endlich Erlösung bringen – oder würde sie nur eine Wunde aufreißen, die sie vor Jahren sehr sorgfältig genäht hatte?

„Vielleicht solltest du dir eine andere suchen, die deine Vorstellung vom Leben und von der Liebe teilt.“ Sein Blick glitt zu ihren Lippen, während sie sprach, und es wurde immer schwerer, auf Distanz zu bleiben.

„Ich will keine andere. Ich will dich“, sagte er. Faith’ Wangen brannten, und sie musste sich wegdrehen. Ich will dich. Das hatte noch nie jemand zu ihr gesagt. Ein einfacher Satz, der ihr das Herz schwer machte. Er wollte sie nicht. Das war nur ein Spruch, das wusste sie. Sie rückte ein Stück von ihm ab.

„Was du brauchst, ist eine Frau, die dir beibringen kann, was du falsch machst.“

Auf seiner Stirn erschien eine tiefe Falte. „Und was du brauchst“, schoss er zurück, „ist eine Nacht mit jemandem, der dir beibringt, was du immer falsch gemacht hast.“

„Ich mache nichts falsch. Sex mit mir wird der Höhepunkt deines Lebens sein.“ Sie lächelte und versuchte, eine gewisse Leichtigkeit beizubehalten. Doch dann griff er nach ihrer Hand. Er streichelte sie nicht, sondern hielt sie einfach fest und legte seinen anderen Arm um ihre Schultern, während er ihr in die Augen schaute.

„Ich will nicht deine Tricks kennenlernen. Ich will dich kennenlernen.“

Da war wieder dieses Ziehen in ihrem Brustkorb. Sie konnte nicht mehr atmen. Ihr Magen zog sich zusammen. Sie bewegte sich leicht, sodass sein Arm von ihren Schultern rutschte, doch ihre Hand hielt er immer noch fest.

„Sag das nicht. Du hast meine Tricks noch nicht gesehen“, stieß sie mit einem gezwungenen Lächeln aus.

Aber das war ein Bluff. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, denn sie hatte noch nie in ihrem Leben guten Sex gehabt. Doch das durfte er nicht wissen.

Er legte seinen Arm wieder um ihre Schultern und zog sie näher zu sich. Er war so stark. Es wäre so leicht, ihm zu vertrauen. „Ich will dich, Faith“, murmelte er.

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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