Der Duft dieser Frau

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Ihr süßer Duft - eine Mischung aus Vanille und Zimt - ist für ihn Verführung pur. Am liebsten würde Reid die bezaubernde Tina gleich auf seinem Schreibtisch vernaschen. Aber passt eine bodenständige Bäckerstochter zu dem mondänen Schiffseigner und seinem Jetset-Leben?

Erleben Sie in der zwölfteiligen Danforth Serie die Geschichten des skandalträchtigen und steinreichen Danforth Clans. Folgende Titel gehören zur Serie:

1. Der Duft dieser Frau
2. Dreißig Nächte der Versuchung
3. Heiße Hochzeit in Las Vegas
4. Wie verführt man seine Feindin
5. Wer bist du, meine Schöne?
6. Im Bann des Scheichs
7. Darf eine Nanny sexy sein?
8. Liebe - bei Tag und bei Nacht
9. Riskante Affäre - verräterische Küsse
10. Gefährlich heiße Leidenschaft
11. Heiße Schwüre - wahre Liebe?
12. Küss mich, wenn uns keiner sieht


  • Erscheinungstag 01.10.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733765712
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein eisiger Januarregen fegte über die Stadt. Blitze durchzuckten den schwarzen Himmel über Savannah. Donnerschläge erschütterten die majestätischen Eichen, die den Privatweg säumten, rüttelten an den Zweigen und Blättern und ließen die moosbedeckten Stämme erzittern.

Es war ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagte, aber wenn Abraham Danforth seine Familie zu einem Treffen rief, kamen alle.

Am Strand unterhalb des Herrenhauses Crofthaven Manor brachen sich schäumend die Wellen, doch Reid Danforth saß warm und trocken in seinem komfortablen BMW. Duke Ellington ertönte aus den Lautsprechern, vermischte sich mit dem Geräusch des Regens, der auf das Autodach prasselte, und dem Wupp-wupp der Scheibenwischer. Nach einem langen, hektischen Tag mit harten Verhandlungen mit Maximilian Paper Products, einem der größten Kunden von Danforth & Co. in Österreich, war Reid dankbar für die friedliche halbstündige Fahrt zum Haus seiner Familie.

Eine Fahrt, die gleich enden wird, dachte er, als er vor dem großen, schwarzen schmiedeeisernen Tor vorfuhr.

Er atmete tief aus, drückte auf die Fernbedienung in seinem Wagen und sah zu, wie sich das massive Tor langsam öffnete. Ein Blitz erhellte das große, im Stil des 18. Jahrhunderts gebaute Herrenhaus am Ende der Einfahrt. Der Donner grollte am Himmel wie Geschützlärm. Licht drang aus den Bleiglasfenstern des Hauses.

Reid, inzwischen zweiunddreißig, war – abgesehen von den Jahren, die er in verschiedenen Internaten verbracht hatte – hier aufgewachsen. Und dennoch beeindruckte ihn das Anwesen immer wieder aufs Neue. Crofthaven war Ende des neunzehnten Jahrhunderts von seinem Urgroßvater Hiram gebaut worden und darauf ausgelegt, die Zeit zu überdauern. Und Widerstandsfähigkeit war auch eine Eigenschaft, die seine Nachkommen auszeichnete – dafür hatte Hiram schon gesorgt.

Reid parkte zwischen zwei der drei Limousinen der Familie und stellte den Motor ab. Er blieb sitzen und lauschte dem monotonen Prasseln des Regens auf das Autodach. Er brauchte immer einen Moment, um den Wandel zwischen der realen Welt und Crofthaven zu vollziehen. Heute Abend würde sein Vater von der ganzen Danforth-Sippe absolute Aufmerksamkeit erwarten. Er wollte seine Strategie für die bevorstehende Senatorenwahl darlegen. Die Geschlossenheit und Unterstützung der Familie waren für einen erfolgreichen Wahlkampf unerlässlich.

Abraham Danforth kannte das Wort Misserfolg nicht, eine Tatsache, die den ohnehin reichen Reeder noch wohlhabender hatte werden lassen als seine Vorfahren. Reich genug, um sich aus dem Tagesgeschäft von Danforth & Co. Shipping zurückzuziehen und eine neue Karriere in der Politik zu starten.

Da er bereits spät dran war, stieg Reid schließlich aus und lief durch den strömenden Regen zur Haustür. Ein eiskalter Wind blies ihm ins Gesicht. Schnell öffnete er die riesige Eichentür und trat in das weiße Marmorfoyer. Auf einem Tisch neben der herrschaftlichen, ausladenden Treppe stand eine große Kristallvase mit weißen Rosen, deren Duft die Luft erfüllte. Dazu das himmlische Aroma nach Lammbraten und Oregano.

„Master Reid.“ Joyce Jones, Crofthavens Haushälterin, kam auf ihn zu. „Ich habe mir schon Sorgen um Sie gemacht.“

„Es ist alles in Ordnung“, versicherte Reid der Frau, die er schon sein ganzes Leben lang kannte. „Ich musste im Büro noch etwas Papierkram erledigen.“

Obwohl nie besonders herzlich, war die gut sechzig Jahre alte Haushälterin zumindest eine Konstante in Reids unsteter Kindheit gewesen. Noch heute trug sie die gleiche schwarze Uniform, die gleichen robusten Arbeitsschuhe. Selbst ihre Frisur, ein schlichter Knoten, hatte sich nicht geändert, auch wenn die braunen Haare mittlerweile von grauen Strähnen durchzogen waren.

„Ein schreckliches Wetter.“ Joyce trat hinter Reid, um ihm aus seinem nassen Trenchcoat zu helfen. Aus Gewohnheit strich sie über seine Schultern und richtete den Kragen seines Jacketts. „Martin serviert Punsch und Martinis im Salon. Ihr Vater telefoniert noch in seinem Büro. Ich werde ihm sagen, dass Sie eingetroffen sind.“

„Danke.“

Auf dem Weg zum Salon lockerte Reid seine Krawatte. An der Tür blieb er stehen. Zwei seiner Brüder, Ian und Adam, standen mit seinem Cousin Jake vor dem Kamin. Vermutlich diskutierten sie über die D&D-Coffeehouse-Kette, die sie in der Region um Savannah gegründet hatten. Neben der Bar führte Reids jüngster Bruder Marcus – der Anwalt in der Familie – mit ihrem Onkel Harold und ihrem Cousin Toby eine angeregte Unterhaltung um juristische Belange. Es ging um die Wasserrechte auf Tobys Ranch in Wyoming.

Reid dachte an seine Mutter und wünschte, sie wäre jetzt hier und könnte sehen, wie sich ihre Kinder entwickelt hatten. Obwohl er erst acht Jahre alt gewesen war, als sie starb, konnte er sich noch gut daran erinnern, wie gern sie für die Familie gekocht und in diesem Haus große Feste gegeben hatte. So manches Mal waren er und Ian die Treppe hinuntergeschlichen und hatten die vielen Menschen in ihren eleganten Kleidern beobachtet, die lachten, aßen und zu der Musik einer Band tanzten. Nie würde er die rauschende Geburtstagsfeier seiner Mutter vergessen. Deutlich hatte er das Bild vor Augen, als sein Vater mit ihr in dem silbrigen Licht der Kristalllüster im Ballsaal tanzte.

Eine Woche später war sie gestorben, und Abraham Danforth war seit dem Tag nicht mehr derselbe. Keiner von ihnen war es.

„Reid!“ Seine Schwester Kimberly riss sich von der Unterhaltung mit ihrer Cousine Imogene los. „Schau dich nur an! Du bist ganz nass!“

„Schön, dass du endlich da bist!“, rief Jake von der anderen Seite des Raums und prostete ihm mit seinem Martini zu. „Dann sind wir ja vollständig.“

„Wo ist Tante Miranda?“, fragte Reid seine Schwester, die sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn zur Begrüßung auf die Wange küsste.

„Sie bringt Dylan ins Bett.“ Kimberly lächelte, als sie Tobys dreijährigen Sohn erwähnte. „Ich habe ein Album mit Fischen mitgebracht, die ich draußen auf der Insel beobachtet und fotografiert habe, und er wollte keine Gutenachtgeschichte hören, sondern lieber die Bilder ansehen.“

„Wenn wir nicht aufpassen, haben wir noch einen Meeresbiologen in der Familie“, scherzte Reid.

„Wenn du früher gekommen wärst und gehört hättest, wie er Klavier spielt, dann würdest du das nicht sagen“, erwiderte Kimberly. „Mit zehn wird er in der Carnegie Hall auftreten.“

„Ich denke, das wird er schon mit acht.“ Imogene drückte Reid einen Wodka Martini in die Hand. „Hallo, Cousin.“

„Ah, die stolze Tante.“ Reid lächelte und küsste Imogene auf die Wange. „Was gibt’s Neues in der Welt des Investment Banking?“

„Zwei Beförderungen in sechs Monaten. Deine Krawatte sitzt nicht richtig.“ Sie zog den Knoten fest, den er gerade gelöst hatte. „Ein guter Eindruck ist alles. Apropos, wo ist Mitzi? Ihr beide gebt ein tolles Paar ab.“

„Ich habe keine Ahnung, wo sie ist“, erwiderte er trocken. „Wahrscheinlich shoppen.“

Mitzi Birmingham hatte er seit gut vier Monaten nicht mehr gesehen, zum Glück. Er war viel zu beschäftigt gewesen, wichtige geschäftliche Dinge zu regeln, um die nächsten Wochen Zeit für den Wahlkampf seines Vaters zu haben. Da blieb keine Zeit für Dates. Doch das bekümmerte ihn nicht. Wenn es um Frauen ging, schien er jede geldgierige, geltungssüchtige Frau in Savannah und im Umkreis der Stadt wie ein Magnet anzuziehen. Sobald eine Frau herausfand, dass er der Sohn von Abraham Danforth war, Direktor von Danforth & Co., und ein Penthouse bewohnte, überschüttete sie ihn entweder mit Komplimenten oder kicherte albern über alles, was er sagte, oder sie spielte neckische Spielchen. Oder schlimmer noch, sie tat alles drei.

Er wusste, dass er schon bald den warmen Körper einer Frau in seinem Bett vermissen würde, doch im Moment reichte es ihm, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.

„Reid.“

Beim Klang der tiefen Stimme seines Vaters, drehte er sich um. Nicola Granville, Abrahams neue Wahlkampfmanagerin, stand neben ihm. „Dad. Miss Granville.“

„Bitte sagen Sie Nicola. Freut mich, Sie wiederzusehen, Reid.“

Reid hatte die große rothaarige Frau einmal im Büro seines Vaters getroffen und zweimal mit ihr telefoniert. Mit ihren siebenunddreißig Jahren hatte sie sich als Imageberaterin bereits einen Namen in Politik und Wirtschaft gemacht, und so befürwortete Reid die Entscheidung seines Vaters, sie zu engagieren. Sie war attraktiv, selbstbewusst und fleißig. Sein Vater und Nicola würden ein beeindruckendes Team abgeben.

„Schön, dass du gekommen bist“, sagte Abraham in unbeteiligtem Ton.

Obwohl nicht die Spur von Verärgerung in seinem Tonfall zu hören war, kannte Reid seinen Vater gut genug, um den unterschwelligen Tadel zu hören. Aber er hütete sich, eine Entschuldigung vorzubringen.

Mit seinen fünfundfünfzig Jahren war Abraham Danforth die Idealbesetzung eines politischen Quereinsteigers. Reid hatte keine Zweifel, dass sein Vater mit seinem dichten dunkelbraunen Haar, den tiefblauen Augen, den breiten Schultern und dem berühmten Danforth-Lächeln die Wahl gewinnen würde, vor allem mit dem Wahlkampfslogan „Honest Abe“, rechtschaffener Abe, den Nicola in Anspielung auf Abraham Lincoln ersonnen hatte.

„Bitte mal herhören.“ Abrahams Aufforderung brachte die Unterhaltungen im Raum zum Erliegen. „Denen, die sie noch nicht kennen, möchte ich meine neue Wahlkampfmanagerin Nicola Granville vorstellen. Nach dem Essen wird sie die bevorstehende Kampagne und die Rolle der Familie darin erläutern.“

Während Nicola durch den Raum ging und die Familienmitglieder begrüßte, schlenderte Reid zu seinem Cousin Jake. „Wo ist Wes?“, fragte er.

„Auf einer Geschäftsreise.“ Jake zog eine Augenbraue hoch. „Hat er jedenfalls gesagt. Aber du kennst Wes.“

Reid lächelte. Wes war Jakes Zimmergenosse im College gewesen, doch für die Danforths gehörte Wesley Brooks zur Familie. Wes hatte zwar den Ruf, ein Playboy zu sein, doch Reid wusste, dass er gekommen wäre, wenn ihn nicht wichtige Gründe ferngehalten hätten.

Jake nahm einen Cracker mit Käse von einem Tablett, das Martin vorbeitrug. „Ich habe gehört, dass du für das Wahlkampfbüro ein Haus in der Drayton Street gefunden hast?“

„Nur das Erdgeschoss ist zu mieten.“ Reid trank einen Schluck Martini. „Der Eigentümer ist Ivan Alexander. Ich habe mit ihm gesprochen, aber noch keinen Mietvertrag unterschrieben. Ich treffe mich morgen mit ihm und sehe mir die Räume an. Ihm gehören auch das Gebäude und die Bäckerei nebenan. Castle Bakery.“

Jake nickte. „Sie soll sehr gut sein. Ich wollte selbst schon einmal dorthin und mir das Sortiment ansehen. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Angeboten für die Speisenkarte im D&D’s.“ Jake beugte sich vor und flüsterte: „Außerdem soll Ivan drei schöne Töchter haben.“

„Vielleicht solltest du dich um die Wahlkampfzentrale kümmern“, sagte Reid grinsend.

„Und dir den ganzen Spaß nehmen?“ Jake legte Reid die Hand auf die Schulter. „Ich denke nicht im Traum daran.“

Bevor Reid antworten konnte, rief Joyce zum Dinner. Auf dem Weg zum Esszimmer drehte sich die Unterhaltung um Wahlstrategien und Vorgehensweisen. Die kommenden zwölf Monate bis zur Wahl würden sehr arbeitsintensiv werden. Und es würden sich ihnen Hindernisse in den Weg stellen, vorhersehbare und unerwartete. Die Familie war gefordert, jedes einzelne Mitglied. Reid wusste, dass er konzentriert arbeiten und strammen Kurs halten musste, wenn er seinem Vater helfen wollte, Senator der Vereinigten Staaten zu werden.

Das Letzte, wofür ich jetzt Zeit habe, dachte Reid, sind Ivan Alexanders Töchter. Egal, wie schön sie sein mochten.

Tina Alexander liebte die Tage, an denen das Chaos, das sie Leben nannte, ruhig verlief. Tage, an denen sie nicht einen einzigen Laib Brot verbrannte oder sogar ein ganzes Blech Plunderteilchen. Die Tage, an denen alle Mitarbeiter des Familienunternehmens zur Arbeit erschienen. Tage, an denen ihre Schwester Sophia keine Männerkrise hatte und sogar rechtzeitig zu ihrer Nachmittagsschicht kam. Tage, an denen sich ihre andere Schwester Rachel nicht im Büro einschloss und am Computer über Konten und Verkaufszahlen brütete.

Tina genoss vor allem die seltenen Tage, an denen sich ihre Mutter Mariska zur Abwechslung einmal nicht in das Leben ihrer drei Töchter einmischte.

Heute jedoch war kein solcher Tag.

„Sophia war gestern Abend wieder in einem dieser Tanzlokale.“ Mariska Alexander schnaubte missbilligend, während sie die telefonisch aufgegebene Bestellung über zwei Dutzend Schokoladentörtchen verpackte. Mariska war mit ihrer aristokratischen Nase, dem energischen Kinn und dem kräftigen blonden Haar, das sie stets zu einer klassischen Frisur gesteckt hatte, die Königin der Castle Bakery.

„Sie ist erst um zwei Uhr nach Hause gekommen“, fuhr Mariska fort. „Zwei Uhr! Ohne sich telefonisch zu melden!“

Tina verschloss die Box, die sie gerade mit Plunderteilchen gefüllt hatte. Der Morgen war für sie und Jason, der hinter dem Verkaufstresen arbeitete, hektisch gewesen. Kunden mussten bedient, Aufträge ausgeführt und die Auslagen wieder gefüllt werden, bevor das Mittagsgeschäft einsetzte. Das Letzte, was Tina jetzt gebrauchen konnte, war das Klagen ihrer Mutter über die Verfehlungen ihrer ältesten Tochter.

„Du hast eine Anzeige für einen Verkäufer in die Zeitung gesetzt“, versuchte Tina, ihre Mutter abzulenken. Sie deutete mit einem Nicken auf die beiden jungen Männer, die an einem Tisch in der Ecke der Bäckerei saßen. Der mit den schwarzen, gegelten Haaren und zerrissenen Jeans schien gelangweilt, während der andere in kurzärmeligem Hemd und einer schwarzen Hose ein Buch las. „Führst du bitte die Einstellungsgespräche?“

Als hätte sie die Frage nicht gehört, deutete Mariska auf ihr Gesicht. „Sieh dir meine Augen an. Sie sind ganz rot vor Müdigkeit.“

Tina seufzte leise und schob die Schachtel mit den Plunderteilchen über den Ladentisch zu ihrer Kundin Beverly Somersworth hinüber. Jeden Donnerstag kaufte die untersetzte Sechzigjährige ein Dutzend Plunderteilchen für die Anwaltskanzlei, in der sie als Empfangsdame arbeitete.

„Sophia ist achtundzwanzig Jahre alt, Mom“, sagte Tina so geduldig wie möglich. „Du musst nicht warten, bis sie nach Hause kommt.“

„Meine Tochter ist die ganze Nacht unterwegs.“ Mariska wandte sich an Beverly. „Wie könnte ich da schlafen?“

„Ob acht oder achtundzwanzig, eine Mutter macht sich immer Sorgen um ihre Kinder“, pflichtete Beverly bei, während sie in ihrer Tasche nach dem Portemonnaie suchte. „Ich erinnere mich noch gut an die vielen Nächte, die ich im Wohnzimmer wegen meiner Elena auf und ab gelaufen bin. Gott sei Dank ist sie endlich verheiratet. Habe ich Ihnen schon die Fotos von meinen Enkeln gezeigt?“

Erst zehn Mal, wollte Tina erwidern, verkniff sich aber die Antwort. Stattdessen lächelte sie und nickte, als Beverly die Fotos hervorzog.

„Ich beneide Sie“, seufzte Mariska. „Ich glaube, ich werde nie Großmutter. Sophia geht mit zu vielen Männern aus, Rachel verbringt ihre Zeit in Museen und Kinos, und meine Tina …“, Mariska kniff ihr in die Wange, „… ist selbst noch ein Kind.“

Ich bin vierundzwanzig, verdammt noch mal, dachte Tina und biss die Zähne zusammen. Weil sie die Jüngste war, würde sie für ihre Mutter wahrscheinlich immer das Baby bleiben. Aber es war sowieso egal. Tina wusste, dass sie niemals einen Antrag annehmen könnte, denn ein Mann, der tatsächlich in diese Familie einheiraten wollte, konnte nicht richtig im Kopf sein.

Natürlich liebte sie ihre Familie. Ihre beiden Schwestern, ihre Mutter, ihr Vater und ihre Tante Yana waren alles, was sie hatte, und sie liebte sie von ganzem Herzen.

Aber sie waren alle so … raumgreifend. Ihr Vater wirkte eher wie der Geldeintreiber eines Kredithais als ein Bäcker. Mit einem einzigen Blick schaffte Ivan Alexander es, jeden Mann einzuschüchtern, der sich mit seinen Töchtern verabredete. Diejenigen, die Ivan überlebten, kamen nicht an Mariska vorbei, die zahllose Fragen zu Beruf und Familie stellte und schließlich auch die Frage, die jeden Mann in die Flucht schlug: Mögen Sie Kinder?

Die einzige Möglichkeit, jemals zu heiraten, dachte Tina, besteht darin, dass ich Kronzeugin in einem Mordprozess werde und man mich ins Zeugenschutzprogramm aufnimmt. Wenn sie dann wie durch ein Wunder ihren Mr Right fand, würde er niemals mit ihrer Familie zusammentreffen.

Etwas extrem, aber so könnte es funktionieren.

Tina bediente den nächsten Kunden, während ihre Mutter weiter die Babyfotos bewunderte. Als Beverly schließlich ging, nahm Mariska ihre Schürze ab und griff nach ihrer Tasche.

„Die Handelskammer hat zwölf Dutzend Muffins und zehn Dutzend Plunderteilchen für morgen zum Frühstück bestellt“, sagte Mariska und zog ihren Pullover unter dem Tresen hervor. „Ich gehe schnell zum Markt und hole Pekannüsse und Blaubeeren.“

Tina blickte zu den beiden jungen Männern hinüber. „Du solltest die Einstellungsgespräche führen.“

„Sei so lieb und übernimm du das, Schätzchen.“ Mariska tätschelte Tina die Wange.

„Aber …“

„Ach, und komm morgen bitte sehr früh“, unterbrach Mariska. „Wir haben eine Menge Bestellungen auszuführen, und dein Vater und ich könnten deine Hilfe gebrauchen.“

Es war keine Frage, also gab Tina sich auch gar nicht erst die Mühe zu antworten.

„Ich bin gleich zurück.“ Damit verschwand Mariska in dem Flur, der zu den Büros und dem Hinterausgang führte.

Tina blickte ihrer Mutter nach, dann seufzte sie. Es war kein Problem für sie, morgens zeitig zur Arbeit zu erscheinen. Sie würde den Abend in der Wohnung ihrer Tante Yana verbringen, die für drei Wochen verreist war. Ihr heißes Date für den Abend waren eine Katze und das Video von „Schlaflos in Seattle“.

„Entschuldige, dass ich zu spät bin, Tina.“ Sophia stürmte durch den Vordereingang in die Bäckerei. „Ich habe getankt und mir dabei einen Nagel abgebrochen, deshalb musste ich noch schnell zur Maniküre.“

Die beiden Bewerber warfen einen Blick auf Sophia in ihrem schwarzen Lederrock, dem tief dekolletierten Pullover und den hohen Stiefeln und wirkten plötzlich gar nicht mehr gelangweilt. Sophia, die sich gerade Strähnchen in ihre ohnehin blonden Haare hatte ziehen lassen, lächelte die jungen Männer an. Die beiden strafften die Schultern und zogen den Bauch ein.

Tina blickte ihre Schwester finster an, als diese hinter den Tresen kam und sich die Schürze umband. „Musst du mit jedem Mann flirten, den du siehst?“, zischte sie.

„Das tue ich doch gar nicht“, erwiderte Sophia unschuldig. „Ich habe gar keine Zeit für so viele Männer.“

Tina verdrehte die Augen über so viel Verrücktheit.

Die drei Schwestern waren so unterschiedlich, wie sie nur sein konnten. Sophia, eine wunderschöne blonde Verführerin mit grünen Augen. Rachel, eine hübsche, aber schüchterne Brünette mit braunen Augen.

Und dann bin ich da noch, dachte Tina.

Nicht so blond wie ihre Mutter, nicht so dunkel wie ihr Vater, sondern mit ihren sandbraunen Haaren und hellbraunen Augen irgendwie eine Mischung aus beiden. Sie war die kluge Tochter, die besonnene Tochter und die – diese Bezeichnung hasste Tina am meisten – verantwortungsbewusste Tochter.

Das Schlimmste aber war, dass es stimmte.

Getöse ertönte aus der Backstube, gefolgt von einer Reihe wüster Flüche auf Ungarisch. Sophia biss sich auf die glänzend rot geschminkte Unterlippe. „Ich bin gleich zurück. Ich muss Rachel etwas wegen der Rückerstattung meiner Auslagen fragen.“

„Feigling“, sagte Tina.

Das Reich des Vaters zu betreten, wenn er schlechte Laune hatte, war, als würde man sich in die Höhle eines Löwen begeben. Man konnte nicht sicher sein, ob man heil wieder herauskam.

Tina wusste, dass sie sich beeilen und die Bewerbungsgespräche führen musste, bevor der Mittagsbetrieb einsetzte. Sie legte ihre schwarze Schürze ab und blickte zu Jason, der gerade die Bestellung für einen Cappuccino und einen Schokoladenmuffin eintippte.

Der Sechsundzwanzigjährige strahlte einen jungenhaften Charme aus. Er hatte widerspenstige Haare, dunkelblaue Augen und eine athletische Figur. Junge Mädchen und Frauen fingen an, albern zu kichern und mit den Wimpern zu klimpern, wenn er sie bediente, und selbst ältere Frauen brachte Jasons gutes Aussehen völlig durcheinander.

Doch Jason hatte nur Augen für eine einzige Frau.

Seufzend richtete Tina ihre Gedanken wieder aufs Geschäft und bat den Bewerber mit den gegelten Haaren, ihr ins Büro ihres Vaters zu folgen.

Der Bürgersteig vor dem schmalen dreigeschossigen roten Backsteinhaus war vom Regen in der vergangenen Nacht noch nass, und an den waldgrünen Markisen über den großen Frontfenstern glitzerten Wassertropfen.

Reid blickte an dem „Zu vermieten“-Schild vorbei auf die leere Bürofläche. Die Räumlichkeiten waren von der Lage und Größe her genau das, wonach er gesucht hatte, und auch der Mietpreis stimmte. Ein öffentlicher Parkplatz zwei Häuser weiter und eine gute Verkehrsanbindung versüßten den Deal.

Apropos süß – Reid blickte auf das Nebengebäude. Unglaubliche Düfte wehten aus Ivan Alexanders Bäckerei zu ihm herüber.

Der Zahl der Kunden nach zu urteilen, die in den letzten Minuten gekommen und gegangen waren, lief das Geschäft sehr gut. Wenn er das Wahlkampfbüro seines Vaters neben einer gefragten Bäckerei einrichtete, würde das nicht nur viel Besucherverkehr bringen, sondern auch die Mitarbeiter und alle Freiwilligen, die am Wahlkampf beteiligt waren, wären versorgt.

Bis zum Ende des Tages wollte Reid den Mietvertrag unterschrieben haben und den Schlüssel in der Hand halten.

Eine Glocke ertönte, als er die schwere Glastür zur Castle Bakery öffnete. Der Duft von Zimt, Schokolade und frisch gebackenem Brot kitzelte seine Sinne. Reid blickte auf das sorgfältig arrangierte Gebäck, kunstvolle Torten und saftige Obstkuchen. Ihm lief buchstäblich das Wasser im Mund zusammen.

Die Bäckerei strahlt altertümlichen Charme aus, dachte er, als er die Tür hinter sich schloss. Steinfußboden, gerahmte Bilder von berühmten Schlössern in Europa. Glastische mit Bistrostühlen für die Kunden.

Allerdings waren im Moment nur zwei Tische besetzt. An einem saß ein Mann vor einer Tasse Kaffee und einem Muffin, das Handy am Ohr, an dem anderen ein Teenager, der in einem Physikbuch las.

Reid näherte sich dem Tresen und stellte sich hinter ein älteres Paar, das sich nicht zwischen Plunderteilchen mit Pflaume und Apfelkuchen entscheiden konnte.

„Entschuldigen Sie“, wandte Reid sich an den Verkäufer. „Ich bin wegen der Anzeige für …“

„Im Büro …“ Der Verkäufer deutete mit dem Daumen auf einen Flur. „Dritte Tür links. Gegenüber von Merlin.“

Merlin? Reid ging in die gezeigte Richtung, bog um eine Ecke und stand vor einer lebensgroßen Statue, die König Arthurs Zauberer darstellte. Mit Zauberhut, den Zauberstab in der Hand und in dunkelblauen Samt gekleidet, grüßte die skurrile weißbärtige Figur die Kunden, die die Toiletten aufsuchten. Reid betrachtete einen Moment lang die Statue, dann klopfte er an die Bürotür.

„Ich bin gleich bei Ihnen.“

Eine Frauenstimme, bemerkte Reid, sanft und samtig. Sofort schossen ihm äußerst erotische Fantasien durch den Kopf. Reid hoffte, dass es sich nicht um Mrs Alexander handelte. Nicht einmal in der Fantasie wollte er die Frau eines anderen Mannes begehren. Dennoch konnte er es nicht erwarten, das Gesicht zu sehen, das zu der Stimme gehörte.

Merlin schien ihn anzustarren.

„Ich bin auch nur ein Mann“, seufzte Reid, dann verschränkte er die Arme und lehnte sich gegen die Wand.

Einen Moment später wurde die Tür geöffnet, und ein junger Mann in abgewetzten Jeans und einem blauen T-Shirt kam heraus.

„Ätzende Arbeitszeiten“, murmelte er.

Reid zog die Augenbrauen hoch und sah ihm nach. Dann steckte er den Kopf durch den Türspalt. Eine Frau in einer langärmeligen weißen Bluse saß über einen kleinen, unaufgeräumten Schreibtisch gebeugt. Hellbraunes Haar, das zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden war, fiel über den schlanken Hals und eine schmale Schulter. In den schmalen Fingern hielt sie einen Stift und machte Notizen auf einem Blatt Papier.

„Ich suche …“

„Einen Moment.“ Den Blick immer noch auf ihre Notizen gerichtet, winkte sie ihn hinein. „Würden Sie bitte die Tür hinter sich schließen?“ Reid betrat das Büro und schloss die Tür. Das Gesicht der Frau konnte er kaum erkennen, also betrachtete er ihre Hände. Zarte Haut. Kurz geschnittene, gepflegte Nägel. Kein Nagellack, keine Ringe.

„Bevor ich Sie bitte, unseren Bogen auszufüllen“, sagte sie, ohne aufzublicken, „möchte ich Ihnen …“

Jetzt sah sie auf.

Wegen der großen Brille hätte Reid die Frau vielleicht nicht als schön bezeichnet, aber sie war definitiv sehr hübsch. Sie hatte eine Haut wie Porzellan, hohe Wangenknochen, große, ausdrucksstarke Augen von der Farbe eines edlen Whiskeys. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen.

„… ein paar Fragen stellen“, beendete sie nach kurzem Zögern den Satz.

Wenn auch kurz, so sah Reid dennoch die Überraschung in den Augen der Frau und hörte die leichte Nervosität in ihrer Stimme.

Der Moment war genauso schnell wieder vorbei.

„Ich bin Tina Alexander.“ Sie straffte die Schultern und streckte die Hand aus. „Danke, dass Sie gekommen sind.“

Ihr Herz schlug höher, als der Mann ihre Hand nahm, und sie hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Sie hatte schon viele Einstellungsgespräche geführt, doch kein Bewerber hatte ausgesehen wie dieser.

Und ganz sicherlich hatte noch keiner ihre Gehirnzellen gelähmt.

Sie schätzte ihn auf über einen Meter achtzig und vermutete, dass sich unter den Jeans, dem schwarzen Pullover und der Jeansjacke ein muskulöser Körper verbarg. Er sieht nicht einfach nur gut aus, dachte Tina. Seine Augen waren so tiefblau und so ausdrucksvoll, dass sie ihr buchstäblich den Atem nahmen. Die festen, sinnlichen Lippen ließen ihren Puls schneller schlagen.

Und die Tatsache, dass er immer noch ihre Hand hielt, half auch nicht, ihren Herzschlag zu beruhigen.

Sie zog die Hand zurück und deutete auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Obwohl sie sicher war, diesem Mann noch niemals begegnet zu sein, kam er ihr merkwürdig bekannt vor.

Sie schüttelte den Gedanken ab. Egal. Diesen Mann würde sie auf keinen Fall einstellen. Er würde Sophia zu sehr ablenken und, ehrlich gesagt, auch sie selbst.

Aber das konnte sie ihm natürlich nicht sagen. Besser war, er entschied selbst, dass die Stelle nicht die richtige für ihn war. Sie würde mit ein paar grundlegenden Fragen beginnen und ihn dann mit der Stellenbeschreibung entmutigen.

„Also, Mr …“ Sie zögerte, als sie merkte, dass sie nicht nach seinem Namen gefragt hatte.

„Reid Danforth“, stellte er sich vor. „Reid für Sie.“

Der Name kam ihr bekannt vor, doch sie konnte ihn nicht einordnen. Sie schrieb seinen Namen in die erste Zeile des Bewerbungsbogens.

„Reid.“ Sie schob ihre Brille mit dem Zeigefinger hoch. „Haben Sie Probleme, pünktlich zur Arbeit zu kommen oder auch schon sehr früh morgens zu arbeiten?“

Ihre Frage überraschte ihn, und so dauerte es einen Moment, bis er antwortete. „Normalerweise nicht.“

„Dürfen Sie aus Gesundheitsgründen nicht schwer heben oder körperlich arbeiten.“

Er kniff die Augen zusammen. „Nein.“

Autor

Barbara McCauley
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