Die Braut des italienischen Millionärs

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Schnell muss der Millionär Antonio eine Familie gründen! Sonst verliert er seine Firma! Doch dann trifft er die alleinerziehende Victoria und alles scheint ganz einfach: Denn auch sie braucht ihn! Ohne seine finanzielle Hilfe ist ihr Restaurant am Ende. Also: Heirat ja! Liebe nein?


  • Erscheinungstag 17.11.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520737
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Fast lautlos hielt die schwere Limousine vor der aufwendig gestalteten Restaurantfront. „Also, wie sieht der Bericht für dieses Objekt aus?“, fragte Antonio Cavelli seinen australischen Finanzberater.

Tom Roberts blätterte fiebrig in seinen Unterlagen. „Wir haben das Gebäude im letzten Sommer gekauft. Die Pächterin ist eine gewisse … Victoria Heart. Bisher lehnte sie unsere Angebote, sie auszuzahlen, rundheraus ab. Im Laufe des Jahres haben wir allerdings drastisch die Miete erhöht, sodass sie inzwischen ernsthafte Schwierigkeiten hat, ihren Laden zu halten. Ich denke, diesmal wird sie einknicken und unterzeichnen.“

Antonio hob skeptisch eine Braue. Er war gerade erst von Verona nach Sydney geflogen und noch keine zwölf Stunden in Australien. Doch was er in der kurzen Zeit über Toms Art, die hiesigen Geschäfte zu führen, mitbekommen hatte, ließ ihn ernsthaft an dessen Kompetenz zweifeln.

„Das Ganze war als unproblematischer Immobilienerwerb gedacht“, erinnerte er seinen Finanzberater jetzt kühl, „und jetzt liegen wir bereits sechs Monate hinter der veranschlagten Zeit zurück. Wie erklären Sie sich das?“

Das Gesicht seines Angestellten verfärbte sich deutlich, und immer wieder fuhr er sich mit den Fingern durchs schüttere Haar. „Es ist alles unter Kontrolle, das versichere ich Ihnen“, haspelte er nervös. „Ich weiß, es gab einige kleinere Schwierigkeiten, aber …“

Antonios Handy klingelte, und als er die Nummer seines Anwaltes aufleuchten sah, unterbrach er mit erhobener Hand Toms gestammelte Entschuldigungen. Momentan hatte er wahrlich andere Probleme zu lösen als die Übernahme eines unbedeutenden Restaurants. Tatsächlich hing die Zukunft seiner gesamten Firma an einem seidenen Faden!

Und das allein deshalb, weil es Luc Cavelli offensichtlich gefiel, auf lächerliche Weise seine letzte verbliebene Macht zu demonstrieren, um den Willen seines einzigen Sohnes zu brechen.

Antonios Mund verhärtete sich zu einer schmalen Linie. Niemand hat das Recht, mir vorzuschreiben, was ich zu tun oder zu lassen habe! dachte er mit grimmiger Miene. Absolut niemand! Am allerwenigsten der Mann, für den er nichts weiter empfand als Verachtung.

„Ricardo, wie sieht’s aus?“, fragte er scharf und wechselte vom Englischen in seine Muttersprache. „Haben Sie gute oder schlechte Nachrichten für mich?“

Das Schweigen am anderen Ende der Leitung war ihm Antwort genug.

„Ich habe alle Möglichkeiten unzählige Male erwogen, Antonio“, erwiderte der Anwalt schließlich mit hörbarem Bedauern in der Stimme. „Aber es gibt sehr wenig, was wir tun können. Vielleicht könnten wir ihn vor Gericht bringen … Viel Erfolg verspreche ich mir davon allerdings nicht. Außerdem wäre es ein gefundenes Fressen für die Presse.“

Er hielt inne, doch Antonio schwieg verbissen.

„Wenn Sie das Familienunternehmen auf diese Weise einem öffentlichen Skandal aussetzen, wird das die Kluft zwischen Ihnen und Ihrem Vater nur vergrößern, und am Ende kommt wahrscheinlich nichts dabei heraus“, führte Ricardo an. „Keine Frage, dass Sie die Firma zu dem Millionenunternehmen gemacht haben, das sie heute ist … aber Ihr Vater hält immer noch sechzig Prozent von Cavelli Enterprises in seinen Händen. Und damit kann er tun, was er will.“

In Antonios dunklen Augen glomm ein gefährliches Feuer. Der Gedanke, sich von seinem alten Herrn erpressen zu lassen, war ihm unerträglich. Ob die ganze Welt erfuhr, was er über seinen Vater dachte, war ihm egal. Doch damit automatisch den Namen seiner Mutter in die Öffentlichkeit zu bringen und womöglich die Geister der Vergangenheit heraufzubeschwören würde er niemals übers Herz bringen. Die Erinnerung an sie sollte ungetrübt bleiben.

Während heiße Wut in seinem Innern schwelte, arbeitete sein Verstand eiskalt und präzise. Diese Schlacht würde sein Vater nicht gewinnen!

Luc Cavelli mochte nominell Geschäftsführer sein, mehr aber auch nicht. Kopf und Herz von Cavelli Enterprises war Antonio. Er hatte die kleine italienische Hotelkette zu internationalem Ruhm gebracht.

Beim Gedanken, dass es ihm bisher immer – auch gegen den Willen seines Vaters – gelungen war, jeden seiner Schritte in diese Richtung durchzusetzen, lächelte Antonio zynisch.

Luc hatte auf keinen Fall expandieren wollen. Er sah sich lieber als großer Fisch im kleinen Teich, als sich gegen eine weltweite Konkurrenz zu behaupten.

Doch das hatte Antonio nicht gereicht. Mit den geerbten Firmenanteilen seiner Mutter hatte er das Familienunternehmen voller Dynamik in eine strahlende Zukunft geführt. Und nebenbei hatte er es ungemein genossen, den Glanz seines Vaters immer mehr verblassen zu sehen.

Was sollte er jetzt mit der neuen Situation anfangen?

Das Einfachste wäre, der Drohung seines alten Herrn mit dem Verkauf seiner vierzig Prozent zu begegnen, und ihn seinem Schicksal zu überlassen. Luc würde schnell feststellen, dass Cavelli Enterprises ohne Antonio untergehen würde.

Aber warum sollte er so viele Jahre harter Arbeit und Anstrengung einfach wegwerfen? Es musste auch anders gehen.

„Wir werden einen Weg finden“, murmelte er mit weniger Überzeugung als Hoffnung.

„Nun, ich sehe keinen“, erwiderte Ricardo pragmatisch. „Ich habe das Dokument auf Herz und Nieren geprüft, und an seiner Forderung gibt es nichts zu rütteln, Antonio. Wenn Sie bis zu Ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag nicht verheiratet sind und einen Erben präsentieren können, wird Ihr Vater seine Firmenanteile veräußern. Seiner Meinung nach haben Sie als einziger Sohn einfach die Pflicht, die Zukunft der Cavelli-Dynastie zu sichern. Außerdem behauptet er, sein größter Herzenswunsch sei es, Sie endlich im trauten Kreis einer eigenen Familie zu sehen.“

Antonio schnaubte hörbar. Was für ein elender Heuchler!

Das sagte ein Mann, der ihn und seine Mutter verließ, als Antonio gerade mal zehn Jahre alt gewesen war. Damals hatte Luc keinen Gedanken an Familie verschwendet! Dafür war er viel zu beschäftigt gewesen, seine Frau zu demütigen, indem er sich jede Woche mit einer anderen Geliebten am Arm in der Öffentlichkeit zeigte.

„Er scheint wirklich sehr entschlossen“, betonte Ricardo sicherheitshalber noch einmal.

„Nicht halb so sehr wie ich, ihm die Stirn zu bieten“, konterte Antonio schnell.

„Hmm …“ Einen Moment herrschte tiefes Schweigen. „Der positive Aspekt an der Sache ist natürlich der, dass er Ihnen sofort seine Anteile überschreibt, sollten Sie sich entschließen, mit seinen Wünschen konform zu gehen“, formulierte der Anwalt vorsichtig. „Das habe ich schriftlich.“

„Verstehe …“ Eine kalte Faust schloss sich um Antonios Herz. Okay, wenn sein Vater nun mal auf diesem albernen Spielchen bestand, galt es, die Bedingungen zu verschärfen. Sein alter Herr würde noch bedauern, den Versuch gemacht zu haben, ihm seinen Willen aufzuzwingen.

„Ich kann es auch kaum erwarten, mir seine Anteile einzuverleiben“, bekannte er offen, „allerdings nicht zu seinen Bedingungen.“

„Nun, leider kann ich keine andere Möglichkeit sehen. Ihr Vater besteht auf Heirat und Kind, und er wird Sie im Auge behalten. Zwei Jahre fliegen schnell vorbei …“

„Für jedes Problem gibt es eine Lösung, Ricardo“, erklärte Antonio in abschließendem Ton. „Faxen oder mailen Sie mir die betreffenden Unterlagen, sodass ich die absurde Idee meines Vaters noch einmal persönlich unter die Lupe nehmen kann. Ich rufe Sie dann später zurück.“

Antonio steckte das Handy weg, verdrängte die Gedanken an seinen Vater und konzentrierte sich wieder aufs aktuelle Geschäft. Abrupt wandte er sich erneut dem Mann an seiner Seite zu. „Wo waren wir stehen geblieben …?“, wechselte er mühelos in nahezu akzentfreies Englisch.

Tom betrachtete ängstlich Antonios hartes Profil. Verstanden hatte er kein Wort, doch das ärgerliche Funkeln in den dunklen Augen war ihm nicht entgangen, und er wusste, er musste sehr vorsichtig sein. Seinem Boss eilte der Ruf voraus, im Geschäftsleben zwar fair zu sein, aber ausgesprochen rücksichtslos, wenn jemand seinen hohen Ansprüchen nicht genügte oder ihm aus anderen Gründen missfiel.

„Ich … ich wollte nur sagen, dass ich mich bemühen werde, einen Weg zu finden, Miss Heart …“

„Ach ja, das Restaurant …“ Antonio winkte ungeduldig ab. „Das Ganze dauert schon viel zu lange, Tom. Und geradeheraus gesagt frage ich mich, ob Sie dieser Situation überhaupt gewachsen sind.“

„Sir, ich bin mir dessen sehr bewusst, dass die Angelegenheit länger als …“

„Dann sollten Sie nicht noch mehr Zeit vergeuden und lieber zur Sache kommen. Erhöhen Sie die Offerte und wickeln Sie das Geschäft endlich ab“, forderte Antonio ultimativ.

„Mit Respekt, Sir, aber das wird nicht nötig sein. Miss Hearts Weigerung, das Restaurant aufzugeben, liegt in erster Linie an ihrer Begeisterung für die Gastronomie. Und natürlich ist sie besorgt darüber, dass die Angestellten ihre Jobs verlieren würden.“

„Um Himmels willen! Dann bringen Sie die Leute eben irgendwo in meiner Firma unter!“, schlug Antonio ungeduldig vor. „Immerhin eröffnen wir in Kürze direkt nebenan ein Luxushotel. Also machen Sie sich an die Arbeit. Ich werde inzwischen einen Lunch einnehmen.“

„Hier?“, fragte Tom irritiert.

„Warum nicht? Es sieht ganz nett aus, und ich stehe direkt vor der Tür zum Restaurant. Sie fahren am besten zurück ins Büro, nehmen sich die Zahlen und Fakten noch einmal vor und bringen das Geschäft heute zu einem Ende.“

Obwohl es in der Limousine angenehm kühl gewesen war, genoss Antonio nun den leichten Windhauch in der gnadenlosen Mittagshitze. Es tat gut, sich nach dem langen Flug und der Fahrt hierher endlich wieder an der frischen Luft bewegen zu können.

Zudem ging ihm Tom Roberts gründlich auf die Nerven. Der Typ war offensichtlich doch nicht so kompetent, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Die Expansion der Hotelkette hatte sich schneller als gedacht in Richtung Australien entwickelt und Cavelli Enterprises besaß inzwischen das zehnte Hotel auf diesem Kontinent, da war es unerlässlich gewesen, so schnell wie möglich einen Mann vor Ort zu haben. Doch wie es aussah, genoss Tom seine Machtposition mehr, als es der Firma guttun konnte.

Gemächlich schlenderte Antonio über den breiten Gehweg auf das Restaurant zu und gratulierte Victoria Heart insgeheim zu ihrem Geschäftssinn. Eine bessere Lage hätte sie kaum wählen können. Das Restaurant lag direkt an einer Hauptstraße neben einem kleinen lauschigen Park und gleichzeitig dicht genug am Strand, um von einer erhöhten Terrasse die fantastische Aussicht aufs Meer genießen zu können.

Das Problem war nur, dass es quasi an dem Gebäudekomplex klebte, den er im letzten Jahr erworben hatte. Wenn er den Kopf hob, konnte er das frisch restaurierte, hochaufragende Cavelli-Hotel sehen, das zwei Blocks der Sydney Street einnahm. Keine Kosten waren gescheut worden, um diesen Platz in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.

Der Name Cavelli stand für Luxus und Eleganz, und der Neubau war bereits zwei Monate vor der offiziellen Eröffnung komplett ausgebucht. Alles war fantastisch und nahezu perfekt verlaufen.

Antonio seufzte. Miss Heart war der einzige Haken an der Sache. Ihr Restaurant musste einer Kette von Designerboutiquen und einem notwendigen Seiteneingang des Hotels weichen, daran führte kein Weg vorbei.

Nachdem er das Restaurant betreten hatte, blieb er mitten im hellen Foyer stehen und schaute überrascht um sich. Der Holzboden war auf Hochglanz poliert und entlang der Fenster standen blassgelbe bequeme Sofas, die so aufgestellt worden waren, dass man in den belaubten Park schauen konnte.

Miss Heart hatte offensichtlich einen guten Geschmack. Entwurf und Design überzeugten, und soweit er es nach seinem flüchtigen Blick beurteilen konnte, war das Restaurant gut besucht. Offensichtlich zum größten Teil Geschäftsleute, die hier ihren Lunch einnahmen. Einige wenige Tische waren noch frei.

Da niemand an der Rezeption stand, wollte Antonio schon weitergehen. Doch in diesem Moment öffnete sich eine Tür hinter dem Empfangstresen und eine junge Frau trat heraus.

„Guten Tag, Sir. Kann ich Ihnen helfen?“

„Ja, ich hätte gern einen Tisch zum Lunch.“

„Für wie viele Personen?“

„Nur für mich.“

Das strenge schwarze Kostüm und die hochgeschlossene weiße Bluse machten eine genaue Schätzung ziemlich schwer. Doch Antonio hielt die Frau trotzdem für nicht älter als Anfang bis Mitte zwanzig. Allerdings wirkte sie wie eine altmodische Gymnasiallehrerin oder Bibliothekarin Ende des neunzehnten Jahrhunderts.

Das dunkle Haar trug sie streng zurückgekämmt und in einem festen Knoten im Nacken zusammengehalten. Die schwarze Hornbrille wirkte viel zu schwer für das schmale, zarte Gesicht.

Victoria, die inzwischen den Reservierungsplan studiert hatte, schaute auf und stutzte, als sie Antonios abwägendem Blick begegnete. Zu ihrem Entsetzen fühlte sie Hitze in ihre Wangen aufsteigen. Gerade hatte sie insgeheim festgestellt, dass er Italiener sein musste, zumindest verhieß das der verdammt sexy Akzent, der ihr eine wohlige Gänsehaut machte. Und dazu sah er auch noch umwerfend aus!

Aber warum starrte er sie so unverschämt an?

„Nun, können Sie mich noch irgendwo dazwischenquetschen?“, fragte er betont herzlich.

„Vielleicht … mal sehen …“ Erneut senkte sie den Blick. Natürlich wusste sie genau, welche Tische noch unbesetzt waren, doch es konnte nie schaden, ein bisschen zu bluffen. „Ja …“, antwortete sie gedehnt und fuhr mit der Fingerspitze eine imaginäre Linie im Reservierungskalender entlang. „Sie haben Glück.“

Antonio lächelte amüsiert, und Victoria hatte das untrügliche Gefühl, er wusste genau, dass es keinen echten Platzmangel im Restaurant gab. Ein gefährlicher Mann, konstatierte sie. Unverschämt attraktiv in dem maßgeschneiderten Designeranzug, der seine kraftvolle, durchtrainierte Figur nicht verbarg – und sich seiner Wirkung sehr bewusst. Und der Blick aus seinen nachtschwarzen Augen … einfach verheerend!

Victoria riss sich zusammen. Er sollte ja nicht glauben, sie sei auch nur ein Deut an ihm interessiert. Zudem spielte er absolut nicht in ihrer Liga! Ein Mann wie er würde sich unter Garantie nur mit den schönsten und interessantesten Frauen der Welt verabreden, und dazu gehörte sie ganz gewiss nicht.

Außerdem gab es wahrlich wichtigere Dinge, die jetzt ihre Aufmerksamkeit erforderten. Zum Beispiel die Rettung ihres Restaurants. In einer Stunde musste sie in ihrer Bank erscheinen und die Kreditabteilung davon überzeugen, dass sie es schaffen würde, aus dem finanziellen Loch herauszukommen. Sonst würde sie alles verlieren …

„Ich werde jemanden bitten, Ihnen den Tisch zu zeigen.“ Hastig schaute sie sich nach ihrer Rezeptionistin Emma um, doch die war nirgendwo zu sehen. Alles in ihr sträubte sich dagegen, hinter dem sicheren Empfangstresen hervorzukommen. Dieser Mann schaute sie auf eine Weise an, die sie schrecklich unsicher und gleichzeitig sich ihrer selbst unangenehm bewusst machte. So etwas hatte sie noch nie erlebt.

„Verzeihung, es dauert nur eine Minute …“, murmelte sie mit niedergeschlagenen Augen.

„Können Sie mir nicht meinen Tisch zeigen?“, fragte Antonio ungeduldig. „Ich habe einen vollen Terminkalender.“

„Oh, ja … natürlich.“ Wütend auf sich selbst kam Victoria hinter dem Tresen hervor und bedeutete Antonio mit einer graziösen Geste, ihr zu folgen. Was war nur mit ihr los? Eine ihrer größten Stärken war ein gutes Gespür für Menschen. Ohne Probleme ging sie Tag für Tag mit den schwierigsten Gästen um. Stammgäste fühlten sich geschmeichelt und liebten es, von ihr persönlich empfangen zu werden, weil sie nie einen Namen vergaß und in der Lage war, mühelos an ein Gespräch anzuknüpfen, das sie bei ihrem letzten Besuch geführt hatten.

Antonio begutachtete sie, als sie vor ihm herschritt. Sie trug flache Absätze, die ihrem Gang nicht zum Vorteil gereichten. Aber sie hatte hübsche, zierliche Knöchel, und das bisschen, was man von ihren Beinen sehen konnte, war auch nicht schlecht.

Er ließ seinen Blick weiter an ihrem Körper hochwandern und kam nicht umhin, sein erstes Urteil zu revidieren. Ihr Outfit konnte man schwerlich als glamourös bezeichnen, aber es war von einer klassischen Eleganz, die ihn beeindruckte. Es wirkte nicht bieder, wie er zunächst geurteilt hatte, sondern … seriös und kompetent.

Für eine so junge Frau allerdings viel zu seriös, entschied Antonio. Es war, als habe sie Angst, dass ein Mann hinter diese Fassade schauen und entdecken könnte, dass sie auf ihre Art umwerfend sexy war.

Der unerwartete Gedanke irritierte ihn.

Als sie sich umdrehte und einen Stuhl für ihn zurückzog, sah sich Victoria erneut einer intensiven Musterung ausgesetzt und errötete noch heftiger als zuvor. Es war offenbar doch keine Einbildung gewesen, dass sie seinen durchdringenden Blick in ihrem Rücken gespürt hatte … vom Kopf bis zu den Füßen.

Und offensichtlich hatte er sie bereits als fades Mauerblümchen abgetan. Nicht, dass es sie überhaupt interessierte, was dieser Mann von ihr hielt! Sie hatte ohnehin keine Zeit für derartige Albernheiten, trotzdem fühlte es sich nicht gut an, und es verletzte sie ein wenig.

„Ich schicke eine Kellnerin, die sich um Sie kümmern wird.“

„Nein“, hielt Antonio sie zurück, bevor sie verschwinden konnte. „Wie gesagt, ich bin in Eile, also nehmen Sie am besten gleich meine Bestellung auf. Was empfehlen Sie mir?“

Damit hatte er sie geschickt ausgebremst, und Victoria bemühte sich, jede unsinnige Fantasie aus ihrem Kopf zu verbannen und ihre Professionalität wiederzufinden. „Wie wäre es mit einer der Spezialitäten des Hauses: Penne Arrabiata oder Cannelloni Milanese?“

Angesichts der vertrauten Gerichte konnte sich Antonio ein Lächeln nur schwer verkneifen. „Und, sind sie beide gut?“

Victoria schnitt eine kleine Grimasse. „Auf jeden Fall besser als meine italienische Aussprache“, versicherte sie reuig und brachte ihn damit zum Lachen.

„Die war gar nicht so schlecht“, behauptete Antonio charmant. „Nur das ‚r‘ müssen Sie noch eine wenig mehr über die Zunge rollen lassen.“

Er wiederholte die Namen der beiden Gerichte, und angesichts der samtenen dunklen Stimme, die im Italienischen noch weicher und verführerischer klang, fühlte Victoria ihren Widerstand dahinschmelzen. Wie brachte er es nur fertig, simple Pastagerichte wie heiße Liebesschwüre klingen zu lassen?

„Nun, ich … ich werde versuchen, das zu üben …“, versprach sie steif.

„Tun Sie das“, riet Antonio ihr gelassen und vertiefte sich in die ausliegende Menükarte, während Victoria weiter an ihrem sonst so hervorragend funktionierenden Verstand zweifelte. Dieser Mann hatte eine verheerende Wirkung auf sie. Er unterwanderte ihre Gelassenheit, verunsicherte sie und … in seiner Nähe fühlte sie sich plötzlich als Frau.

Diese verstörende Erkenntnis ließ Victoria das Blut durch die Adern rauschen.

Antonio schaute hoch und erhaschte einen Funken des verletzten Ausdrucks in ihren smaragdgrünen Augen, ehe sie ihn durch einen kühlen, professionellen Blick ersetzte.

„Haben Sie inzwischen gewählt?“ Nervös fingerte Victoria an ihrer klobigen dunklen Brille.

Sekundenlang war Antonio von jeglichem Appetit abgelenkt und dachte über den verletzten Ausdruck ihrer Augen nach, was ihn selbst verwunderte, da diese Frau absolut nicht seinem Typ entsprach. Trotzdem interessierte und faszinierte sie ihn.

„Ja“, erwiderte er und klappte die Menükarte zu. „Ich werde Ihrer Empfehlung folgen und die Penne Arrabiata nehmen.“

„Etwas zu trinken dazu?“ Sie reichte ihm die Weinkarte, die er aber verschmähte.

„Danke, nein. Nur ein Glas Wasser. Ich muss einen klaren Kopf behalten für die Geschäftsmeetings am Nachmittag.“

„Gern.“

Victoria wollte sich abwenden, doch Antonio rief sie zurück. „Eine Frage noch.“

„Ja, bitte?“

„Ist Ihre Chefin heute im Hause?“

„Meine Chefin?“

„Ja, die Besitzerin des Restaurants.“

„Sie reden gerade mit ihr.“ Jetzt war sie es, die sich über seinen verblüfften Blick amüsierte.

„Sie sind Victoria Heart?“

„Das ist richtig. Gibt es etwas Spezielles, worüber Sie mit mir reden möchten?“

„Nein, nicht wirklich …“ Sekundenlang versanken ihre Blicke ineinander, dann räusperte sich Antonio. „Ich hatte Sie mir nicht so jung vorgestellt.“

Amüsiert zog sie eine Braue in die Höhe. „Tatsächlich? Ich bin fünfundzwanzig, aber warum interessiert Sie das überhaupt?“

„Reine Neugier“, behauptete er und war direkt erleichtert, als sich sein Handy meldete. „Verzeihung, aber die Geschäfte rufen … vielen Dank noch mal für die Lunch-Empfehlung.“

Victoria wusste, sie war entlassen, und wandte sich zum Gehen. Allerdings nicht schnell genug, um nicht mitzubekommen, wie er sich meldete.

„Antonio Cavelli.“

Antonio Cavelli!

Wie erstarrt blieb Victoria stehen. Konnte das wirklich der Antonio Cavelli sein, dem das neue Luxushotel nebenan gehörte? Sie las weder Klatschblätter, noch hatte sie Zeit fernzusehen, deshalb würde sie ihn nicht einmal erkennen, wenn sie über ihn fiel. Doch irgendwo hatte sie gehört, dass der Multimillionär ebenso attraktiv wie begehrt bei den schönsten Frauen der Welt sein sollte.

Und das konnte man ihm schwerlich absprechen.

Autor

Kathryn Ross
<p>Kathryn Ross wurde in Afrika geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend in England und Irland. Eigentlich ist sie ausgebildete Therapeutin, aber die Liebe zum Schreiben war stärker, und schließlich hängte sie ihren Beruf an den Nagel. Als Kind schrieb sie Tier- und Abenteuergeschichten für ihre Schwester und Freundinnen. Mit...
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