Und immer wieder du!

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Das Gefühl seiner Lippen auf ihrer Haut, als er sie auf der Hochzeit ihres besten Freundes unvermittelt küsst … Irgendetwas Wildes, Verzehrendes ist da zwischen Samantha und Jase Moore. Etwas, das sie besser vergessen sollte! Doch schneller als gedacht trifft sie Jase wieder …


  • Erscheinungstag 17.11.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520720
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Diese Hochzeit galt als das gesellschaftliche Ereignis in Auckland. Auch wenn die Braut praktisch aus dem Nichts aufgetaucht war, sie war die Tochter eines ehemaligen Angestellten von Sir Malcolm und Lady Donovan, handelte es sich bei dem Bräutigam, dem einzigen Sohn der Donovans, doch ohne Übertreibung um den begehrtesten Junggesellen von Neuseeland.

Nach der Trauung, die in der historischen Kirche von Donovan’s Falls stattfand, hatte Sir Malcoms Witwe zu einem großen Empfang in Rivermeadows, dem edlen Familien-Landsitz aus dem neunzehnten Jahrhundert, geladen.

Samantha Magnussen hatte für diesen Anlass ein extravagantes Kostüm aus cremefarbener Seide gewählt. Ihre naturblonden Haare waren zu großen, weichen Locken frisiert worden, die lose um ihre eleganten Ohrringe schwangen. Ein riesiger pinkfarbener Hut, verziert mit hellen künstlichen Blumen, schirmte sie von der Sonne ab und verlieh ihrem hübschen Gesicht einen attraktiven Teint. Eine schmale Handtasche und teure italienische Schuhe vervollständigten das Outfit und passten farblich genau zur Kopfbedeckung.

Noch nie war es Samantha gelungen, eine natürliche Sonnenbräune zu entwickeln, aber für den heutigen Anlass hatte eine kompetente Kosmetikerin Sams Körper mithilfe von Selbstbräuner einen attraktiven goldenen Schimmer verliehen.

Ihre typisch skandinavischen, hellblauen Augen, die ursprünglich sehr glatten, feinen Haare und der recht schmale geschwungene Mund entsprachen nicht gerade dem gängigen Schönheitsideal, doch Samantha war äußerst dankbar für ihre ebenmäßigen Gesichtszüge und ihre zarte, makellose Haut. Wenn das richtige Make-up geschickt aufgetragen wurde, konnte sie als ungewöhnlich schön bezeichnet werden.

Und besonders heute wollte sie sich um jeden Preis von ihrer besten Seite präsentieren.

Während Samantha auf das Brautpaar zuging, das gemeinsam auf der obersten Verandastufe vor dem Herrenhaus posierte, unterdrückte sie ein Gefühl von Trauer und Neid, als Bryn Donovan seinen dunklen Kopf hinunter zu seiner Liebsten neigte. Diese stumme, intensive Intimität, die sein Lächeln vermittelte, hatte Samantha selbst noch nie erlebt – nicht mit Bryn, und auch sonst mit keinem Mann.

Er schüttelte noch einem Gast, der gerade seine Glückwünsche ausgesprochen hatte, die Hand, als seine frisch Angetraute sich bereits Samantha zuwandte und mit ihren braunen Augen fragend zu ihr aufsah. Zynisch überlegte Samantha, warum hochgewachsene Männer so selten eine Partnerin wählten, die sich mit ihnen auf Augenhöhe befand.

Es gab nur einen Weg, die nächsten Stunden zu überstehen: Sie musste in die Rolle einer souveränen Dame der Gesellschaft schlüpfen, und während sie ein professionelles Lächeln aufsetzte, stellte sie sich nun selbst der zierlichen, süßen Rachel vor.

„Bryn ist ein guter Freund von mir“, fügte Samantha eilig hinzu, als sie seinen Blick auf sich spürte. Ein guter Freund und mehr nicht! ergänzte sie in Gedanken. Dann legte sie eine Hand auf Bryns Schulter und hauchte einen flüchtigen Kuss auf seine trockenen Lippen. Diese Geste war an einem Tag wie heute sicherlich gestattet. Schließlich gab es genug Menschen, die ihre Freunde bei jedem Treffen auf derartige Weise begrüßten, also war es doch ganz selbstverständlich.

Hastig trat sie einen Schritt zurück, doch ihre Hand rutschte dabei etwas zu langsam von seiner Schulter über das Revers seines Anzugs, bevor sie von ihm abfiel.

„Ich gratuliere dir, mein Lieber“, sagte Samantha munter, und Bryn zog lächelnd eine Augenbraue hoch. „Ich hätte nie gedacht, dass du diesen Schritt wagen würdest. Aber selbst der höchste Baum im Wald muss wohl mal fallen, vermute ich.“ Nur nicht direkt auf mich, dachte Samantha und schluckte ihre Enttäuschung einmal mehr mühsam hinunter.

Bryn lachte auf. „Wie philosophisch!“ Dann legte er einen Arm um die schmale Taille seiner Frau und zog Rachel zu sich heran. „Ich bin ein sehr glücklicher Mann.“

Samantha hatte eine ganze Reihe gut aussehender, intelligenter Männer erlebt, die sich auf hübsche, kleine Dummchen eingelassen hatten. Allerdings konnte man Rachel wohl kaum dieser Kategorie Frau zuordnen, denn immerhin war sie Historikerin und Autorin.

Nachdenklich betrachtete Samantha die junge Frau eine Weile und erkannte in deren Augen eine Mischung aus Wachsamkeit und Unsicherheit. Das hervorstehende Kinn verriet dagegen eine gewisse energische Entschlusskraft. Vielleicht hatte Bryn tatsächlich die passende Partnerin in Rachel gefunden. „Wohl zu recht“, murmelte Samantha. „Aber weiß sie auch, worauf sie sich einlässt?“

„Das tue ich“, antwortete Rachel mit fester Stimme. „Ich kenne Bryn, seit ich fünf Jahre alt bin.“

Wollte Rachel sie damit in ihre Schranken weisen? Scheinbar war diese sich trotz des Rings an ihrem Finger der Liebe ihres Ehemanns nicht allzu sicher.

Entschlossen unterdrückte Samantha den Impuls, der anderen Frau etwas ins Ohr zu flüstern wie: Sei jetzt nicht albern! Er gehört nun ganz allein dir, also mach das Beste daraus!

„Tja, ich wünsche euch alles Gute und hoffe, ihr werdet sehr glücklich miteinander.“ Jedenfalls wünschte Samantha sich das für Bryn, der sich sofort wieder seiner Braut widmete und für niemand anderen ein Auge hatte.

Seufzend wandte Samantha sich ab und verzog den Mund, als ihr Blick plötzlich den eines Fremden traf, der sie aus grünbraunen Augen feindselig anstarrte. Erschrocken und gleichzeitig interessiert betrachtete sie in wenigen Sekundenbruchteilen das auffallend schöne Gesicht des Mannes, seinen perfekt gestutzten Dreitagebart und den aufregend sinnlichen Mund.

Eilig schob sie sich durch die Menschenmenge auf dem Rasen, vorbei an kleinen Grüppchen und zahlreichen Gästen, die Champagnerflöten oder Kaffeetassen in ihren Händen hielten. Samantha dagegen hatte keine Lust, sich irgendwo dazuzugesellen und Small Talk zu betreiben. Obwohl diese Hochzeit ein privater Anlass war, trafen bei diesen Veranstaltungen grundsätzlich einflussreiche Menschen mit allen möglichen beruflichen Interessen aufeinander, sodass manch Geschäftsabschluss dabei seinen Ausgangspunkt nahm. Aber Samantha war dafür nicht in der Stimmung, außerdem dachte sie insgeheim noch immer an den Fremden, der sie auf der Eingangstreppe angestarrt hatte.

Seine dunkelbraunen Haare hingen wild bis zu den Schultern herab, und einige Strähnen leuchteten gold in der Sonne auf. Wie die anderen Männer auf diesem Fest war er äußerst elegant gekleidet – perlgrauer Anzug, schneeweißes Hemd und olivgrüne Seidenkrawatte – und trotzdem wirkte er völlig fehl am Platze.

Im Schatten einer riesigen Eiche war ein Buffet mit edlen Horsd’œuvres aufgebaut, und ein schneller Blick verriet Samantha, dass sie niemanden der dort anwesenden Gäste kannte. Leider fühlte sie sich in diesem Moment alles andere als wohl und hatte kein Verlangen danach, mit vollkommen fremden Menschen Höflichkeitsfloskeln auszutauschen.

Vielleicht hätte sie einen Begleiter mitbringen sollen. Fast jeder ihrer männlichen Freunde wäre anstandslos mitgekommen und hätte sich dabei noch glücklich geschätzt. Aber Samantha hatte verhindern wollen, dass sie auch noch für die Unterhaltung eines weiteren Menschen verantwortlich war, nachdem sie sich selbst schon nicht amüsieren konnte …

Außerdem brauchte sie keine Krücke, um sich krampfhaft daran festzuhalten. Und niemand würde daran zweifeln, dass Samantha Magnussen nur aus einem Grund eine Feier allein besuchte: Weil sie es so wollte.

Sie trat aus dem Schatten heraus und betrachtete tief beeindruckt das Anwesen der Donovans. Der Zahn der Zeit hatte ihm nichts anhaben können, und das Haupthaus sah mit seiner weißen Vertäfelung und den hohen Fenstern, den Türmchen und Erkern unfassbar schön aus.

Samantha war die Tochter eines Mannes, der ein Vermögen damit verdient hatte, einige viel gelobte öffentliche Gebäude und grandiose Privathäuser zu bauen. Während ihrer Kindheit zog die Familie von einem Musterhaus ins nächste, jedes davon größer und opulenter als das vorherige. Perfekte Werbeobjekte für Samanthas Vater.

Sie selbst hatte eine Schwäche für kunstvoll restaurierte Originalhäuser wie dieses. Es war die Ausstrahlung von Beständigkeit und Würde – ein Heim, um mehrere Generationen einer Familie sicher unter einem Dach zu vereinen.

Schon immer hatte Samantha sich Rivermeadows einmal ansehen wollen. Ironie des Schicksals, dass die erste Gelegenheit dazu Bryn Donovans Hochzeitseinladung war.

Er und seine Frau posierten für die Fotografen gerade auf der breiten Treppe, gemeinsam mit ihren Trauzeugen und mehreren Familienmitgliedern, immer im Wechsel mit verschiedenen Hochzeitsgästen.

Der Mann, dessen feindseliger Blick kurz zuvor noch auf Samantha geruht hatte, stieg ein paar Stufen hoch, um sich in Positur zu stellen, und sie fragte sich, zu wem er wohl gehörte.

Ein zweites Mal trafen sich ihre Blicke, und seine Abneigung war selbst auf die relativ große Distanz beinahe körperlich spürbar. Was war bloß mit diesem Kerl los? Samantha war sicher, ihn noch nie im Leben gesehen zu haben. In jedem Fall hatte er keinen Grund, ihr derart ablehnend zu begegnen.

Sie wandte den Kopf zur Seite und bemerkte einen schmalen Pfad, der sich um das Haus schlängelte. Die Nachmittagssonne trieb ihr zarte Schweißperlen auf die Stirn, und in der Hoffnung, hinter dem Haus sei es kühler, ging Samantha zur Rückseite des Gebäudes, wo einige Gäste sich am Pool versammelt hatten.

Dahinter führte der Pfad weiter zu einem versteckten kleinen Sommerpavillon, der von blühenden Ranken umgeben war. Samantha nippte an ihrem Champagner und trat in das schattige Innere. Auf einer schmalen Bank ließ sie sich nieder, schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die weißen Holzstreben. In dieser ruhigen Umgebung konnte sie endlich Ordnung in ihre aufgewühlten Emotionen bringen.

Sie war überrascht, wie sehr Bryn Donovans Hochzeit ihr zusetzte. Nicht, dass er jemals auch nur das geringste sexuelle Interesse an ihr gezeigt hätte. Noch nicht einmal, bevor Rachel Moore aus dem Ausland zurückgekommen war und sein Herz offensichtlich im Sturm erobert hatte. So lange Samantha ihn kannte, war Bryn immer mit anderen Frauen liiert gewesen.

Während der vergangenen drei Jahre waren Bryn und sie Geschäftspartner gewesen und wurden im Laufe der Zeit auch enge Freunde. Samantha war sich nicht sicher, wann genau sie damit begonnen hatte, sich mehr von dieser Freundschaft zu erhoffen. Und nun war es zu spät.

Seit die Verlobung bekannt gegeben worden war, versuchte Samantha, sich ihre Tagträume aus dem Kopf zu schlagen. „Was wäre, wenn …“ hatte keinerlei Bedeutung mehr für sie. Jede Fantasie darüber, wie es wohl sein mochte, von einem Mann wie ihm geliebt zu werden, war sinnlos.

Sie war fast dreißig, bei bester Gesundheit und gesellschaftlich angesehen. Außerdem hatte Samantha eine erfolgreiche Firma von ihrem Vater geerbt und zählte zu ihren Freunden und Bekannten eine ganze Reihe attraktiver junger Männer, die sie von Zeit zu Zeit bei offiziellen Anlässen begleiteten.

Eigentlich hatte sie alles, was sie brauchte, und dennoch …

Sie hörte ein leises Geräusch und spürte, wie sich die Atmosphäre um sie herum veränderte. Widerwillig öffnete Samantha die Augen und zuckte zusammen, als sie eine breitschultrige Gestalt im Eingang zum Pavillon bemerkte. Es war der feindselige Kerl von der Hochzeitsgesellschaft.

Die grüne Krawatte, die perfekt zu seinen Augen passte, hing jetzt lose um seinen Hals, und die obersten Knöpfe seines Hemds waren geöffnet. Mit ausdrucksloser Miene betrachtete er Samantha, die Arme vor der Brust verschränkt und die Schulter an einen weißen Balken gelehnt.

Wie ein Pirat sieht er aus, dachte sie. Ein Räuber und Freibeuter. Der Bartschatten und die wild zerwühlten Haare passen ebenfalls nicht wirklich in das einundzwanzigste Jahrhundert!

Sofort setzte Samantha sich aufrecht hin. Dabei rutschte ihr Sonnenhut runter und landete auf dem hölzernen Boden. „Folgen Sie mir etwa?“, erkundigte sie sich.

Man hatte ihr mal gesagt, sie hätte einen rauchigen Unterton in der Stimme, obwohl sie eine überzeugte Nichtraucherin war. Und heute war diese raue Note selbst für Samanthas eigene Ohren deutlich hörbar. Sie wünschte, sie könnte noch einmal von vorn anfangen und diese Frage klar und deutlich formulieren.

Doch auf den Mann schien ihr Tonfall keinen Eindruck zu machen. „Laufen Sie denn vor mir davon?“

„Natürlich nicht. Ich kenne Sie ja nicht einmal. Oder?“ Vielleicht waren sie sich doch einmal irgendwo begegnet? Hastig verwarf sie diesen Gedanken wieder. Vermutlich war ihr der Champagner zu Kopf gestiegen. Sie hätte sich vernünftigerweise etwas mehr am Buffet bedienen sollen.

„Sie kennen mich nicht“, antwortete der Mann. Der Klang seiner Stimme schwankte zwischen angenehm und bedrohlich. Mühelos bückte er sich nach dem Hut und reichte ihn Samantha. Dann stellte er sich vor. „Jase Moore. Bruder der Braut.“

Sie setzte das leere Champagnerglas ab und stand auf. Am liebsten wäre sie umgehend geflohen, doch ihre gute Erziehung zwang sie, höflich die Hand zum Gruß auszustrecken. „Samantha Magnussen, eine sehr gute Freundin von Bryn.“

Normalerweise hatte sie einen festen Händedruck, aber in seiner Umklammerung schienen ihre Finger einfach zu schmelzen.

„Ich bin bestimmt nicht der erste Mann, von dem Sie verfolgt werden“, bemerkte er.

Wie sollte sie auf einen solchen Kommentar reagieren? Unter anderen Umständen hätte man ihn als Flirtversuch verstehen können, aber diese Absicht konnte man Jase Moore wirklich nicht unterstellen.

Mein Gott, hat dieser Mann lange Wimpern, dachte Samantha plötzlich und verspürte ein Kribbeln, als sie ihm in die tiefgrünen Augen sah. Er war größer, als sie im ersten Moment angenommen hatte, und sie musste den Kopf leicht in den Nacken legen.

Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück und stieß mit den Beinen gegen die schmale Sitzbank. „Warum tun Sie das? Ich meine, mir folgen? Doch nicht …“ Verwirrt brach sie ab. Es war offensichtlich, dass er eine starke Abneigung gegen sie hegte, nur der Grund wollte sich Samantha einfach nicht erschließen.

„Aus den üblichen Motiven?“, half er aus und verzog die Oberlippe. „Nein.“ Noch immer versperrte der Mann Samantha den einzigen Weg nach draußen in den Garten. In aller Ruhe musterte er sein Gegenüber. „Was immer Sie in der Vergangenheit für eine Beziehung mit Bryn gehabt haben mögen, das ist nun vorbei. Er hat meine Schwester geheiratet und steht damit weder Ihnen noch irgendeiner anderen Frau zur Verfügung.“

Ihre Wangen flammten brandrot auf, und der erste peinliche Schock verwandelte sich schnell in maßlose Wut. „Sie haben absolut keine Ahnung, wovon Sie sprechen!“, fuhr Samantha ihn an, doch ihre Stimme zitterte verdächtig.

„Aber Sie wissen es“, entgegnete er ungerührt. „Also sehen Sie sich vor, Lady!“

Fassungslos angesichts dieser offenen Drohung straffte sie die Schultern. „Was immer zwischen mir und Bryn gewesen sein mag, geht Sie überhaupt nichts an.“ Auf keinen Fall würde sie sich von diesem anmaßenden Kerl derart behandeln lassen. „Und wenn Sie kein Vertrauen zu Ihrem Schwager haben, klären Sie das am besten mit ihm persönlich!“

„Ihm war nicht das Geringste anzumerken“, antwortete Jase Moore ruhig. „Die ganze Hitze ging allein von Ihnen aus. Die Eisprinzessin scheint nur auf die Oberfläche reduziert zu sein. Recht interessant.“

Im Handumdrehen fühlte Samantha sich splitternackt. Wie konnte dieser Fremde einfach ihr bestgehütetes Geheimnis ans Licht zerren, ohne sie wirklich zu kennen? Aber so einfach ließ sie sich nicht ins Bockshorn jagen.

Samantha setzte ihren kältesten Blick auf, unter dem schon der eine oder andere Mann zusammengesackt war. „Entweder sind Sie betrunken oder haben Wahnvorstellungen“, begann sie. „Vielleicht liegt es auch an einer zu regen Fantasie. Sie wissen absolut nichts über mich, und ich habe auch nicht vor, mich besser mit Ihnen bekannt zu machen. Dass Sie ein flegelhafter, ungehobelter Klotz sind, ist sehr bedauernswert für Ihre Schwester, aber seine Verwandtschaft kann man sich bekanntlich nicht aussuchen. Zum ersten Mal im Leben bin ich aufrichtig dankbar dafür, keine Brüder zu haben. Wenn Sie mir jetzt bitte aus dem Weg gehen würden? Ich möchte zurück zur Party.“

Einen Moment lang glaubte sie, er würde ihrer Aufforderung nicht nachkommen, so finster wirkte sein stummer Blick. Doch dann lächelte er plötzlich schmal, nickte ihr beinahe anerkennend zu und trat zur Seite, damit sie den Pavillon verlassen konnte. Dabei ging sie dicht an Jase Moore vorbei, und ihre Knie fühlten sich unnatürlich weich an. Die Härchen in ihrem Nacken richteten sich auf, und ihre Haut prickelte leicht. Aber sie sah sich nicht noch einmal nach ihm um …

Ein flegelhafter, ungehobelter Klotz? dachte Jase amüsiert und sah Samantha Magnussen nach, wie sie mit hoch erhobenem Blondschopf und kerzengeradem Rücken um eine Ecke verschwand.

Es kümmerte ihn herzlich wenig, was diese Frau von ihm dachte. Man hatte ihn schon schlimmer betitelt, jedoch noch nie in einem derart höflich kühlen Tonfall. Aber wenn die Eisprinzessin nicht ganz dumm war, nahm sie seine Warnung ernst!

Rachel war es bestimmt nicht recht, dass er sich als großer Bruder aufspielte. Wenn sie es herausfand, würde sie ihm ganz sicher deutlich die Leviten lesen. Aber lebenslange Gewohnheiten legte man eben nicht so leicht ab, auch wenn seine Schwester ein paar Jahre weit weg von ihrer Familie verbracht hatte. Und der Blick aus Samantha Magnussens Augen, als sie seinen Schwager küsste, hatte Jases Alarmglocken aktiviert. Außerdem hatte sie ihre Hand einen Sekundenbruchteil zu lange auf Bryns Schulter ruhen lassen.

Dem Bräutigam war augenscheinlich überhaupt nichts aufgefallen, am wenigsten der Ausdruck tiefen Bedauerns auf Samanthas hübschem Gesicht. Und dieses rätselhafte Mona-Lisa-Lächeln, als sie sich vom glücklichen Paar abwandte … Deshalb war Jase ihr durch den Garten gefolgt. Wer so lächelte, führte irgendetwas im Schilde, und das musste er um jeden Preis verhindern.

2. KAPITEL

Der offizielle Teil des Empfangs war vorüber, und allmählich ging der Tag in den Abend über. Samantha wollte sich möglichst unauffällig aus dem Staub machen und ging auf Bryns Mutter zu, um sich zu verabschieden.

„Aber du musst unbedingt zum Tanz bleiben!“, widersprach Lady Pearl. Die zierliche, adrette Frau hatte ein ausgesprochenes Talent dafür, ihren Willen durchzusetzen, ohne dabei zu forsch aufzutreten.

Der große Vordersalon mit angrenzendem Esszimmer war vollständig ausgeräumt worden, und in einer Ecke spielte eine dreiköpfige Band auf. Nachdem das Brautpaar den Tanz eröffnet hatte, füllte sich der Saal ziemlich rasch.

„Es sind einige ganz reizende junge Herren ohne Begleitung anwesend“, flötete Lady Pearl. „Ich werde sie dir vorstellen.“

Bevor Samantha Einspruch erheben konnte, hatte sich ihre Gastgeberin bei ihr untergehakt und streckte den anderen Arm in die Höhe, um jemanden heranzuwinken. „Deine Tasche legen wir erst einmal ab. Ich lasse sie für dich in die Halle bringen. Hast du dort auch deinen reizenden Hut gelassen?“

Allerdings, ebenso wie meine Jacke, dachte Samantha. Und jetzt trug sie nur noch dieses dünne Corsagenkleid mit Spagettiträgern und fühlte sich regelrecht nackt.

Widerwillig ließ sie zu, dass Lady Pearl ihr die Handtasche abnahm und an einen Angestellten weiterreichte. Dann schob sie Samantha auf einen der „jungen Herren“ zu, bei dem es sich ausgerechnet um den unfreundlichen Kerl aus dem Garten handelte!

„Jase“, begann die ältere Dame, „… ist Rachels großer Bruder. Und Jase, dies ist …“

„Wir sind uns schon begegnet“, warf er trocken ein.

„Oh, gut! Dann kennt ihr euch bereits.“ Es schien der Gastgeberin nichts auszumachen, so rüde unterbrochen zu werden. „Also, dann los, ihr zwei! Amüsiert euch!“

Erwartungsvoll strahlte sie die beiden an, bis Jase schließlich einlenkte und mit einem kaum hörbaren Seufzer Samanthas Hand nahm, um die junge Frau auf die Tanzfläche zu führen.

„Sie müssen das nicht tun“, zischte Samantha ihm zu. „Ich wollte gar nicht …“

„Was Sie nicht sagen“, murmelte er, umfasste ihre Taille und zog die andere Hand, die Samanthas hielt, enger an seine breite Brust. „Ich tue das für Pearl.“

Zu Samanthas Überraschung beherrschte Jase den klassischen Standardtanz perfekt und verzichtete auf die moderne Variante, die von den meisten anderen Paaren gewählt worden war. Automatisch neigte sie sich fester gegen seine führende Hand und genoss es, wie leichtfüßig er sie in die Drehungen dirigierte. Wenn ihre Beine sich berührten, floss eine beunruhigende Wärme durch ihren Körper, und Samantha hatte das Gefühl, diesen intimen Moment durch ein Gespräch auflockern und entzaubern zu müssen.

„Wo haben Sie so zu tanzen gelernt?“, wollte sie wissen.

Jase zuckte die Achseln. „Das habe ich wohl meiner Mutter zu verdanken. Vor meinem ersten Schulball sagte sie mir, ich würde den ganzen hübsch zurechtgemachten Mädchen den Abend verderben, wenn ich ihnen plump auf die Zehen trete.“

„Bestimmt waren die jungen Damen äußerst dankbar für diese Initiative“, bemerkte Samantha trocken. Sein Aussehen wird ihnen ebenfalls gefallen haben. Jase musste schon zu Schulzeiten ein echter Herzensbrecher gewesen sein.

Sie selbst bevorzugte allerdings den gekämmten und glatt rasierten Typ. Andererseits wirkte das etwas wilde Erscheinungsbild bei diesem Exemplar ausgesprochen natürlich und trug obendrein noch zu seiner, nun ja, doch recht charmanten Ausstrahlung bei. Samantha jedenfalls konnte nicht verhindern, dass ihr Körper eine ganze Reihe eindeutiger Signale aussandte.

In Jases Augen blitzte es auf. „Außerdem“, fuhr er mit heiserer Stimme fort, „war es ein probates Mittel, ein Mädchen unauffällig in meine Arme zu befördern.“

In ihrer Nähe tanzte das Brautpaar eng umschlungen miteinander. Lächelnd sah Rachel zu ihrem Mann auf, der sie zärtlich auf die Nasenspitze küsste und ihr dann etwas ins Ohr flüsterte, worüber sie lachen musste.

Der Griff um Samanthas Taille wurde fester. „Denken Sie nicht einmal daran“, warnte Jase sie. „Vergessen Sie ihn!“ Die formelle Höflichkeit war vorüber.

Autor

Daphne Clair
Daphne Clair, alias Laurey Bright lebt mit ihrem Ehemann einem gebürtigen Holländer auf einer kleinen Farm im wunderschönen Neuseeland. Gemeinsam zogen sie fünf wundervolle Kinder groß, eines davon ein Waisenkind aus Hong Kong. Sie hat nahezu 70 Liebesromane für Harlequin geschrieben. Als Daphne de Jong hat sie mehrere Kurzgeschichten und...
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