Heimlicher Pakt mit dem Milliardär

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„Wenn wir mit dreißig noch Singles sind, heiraten wir!“ Milliardär Zander Wilde muss sofort an den Pakt denken, als seine Jugendfreundin Allegra an seinem dreißigsten Geburtstag unverhofft auftaucht – in einem Brautkleid! So hinreißend wie damals ist sie, aber auch sehr verzweifelt …


  • Erscheinungstag 12.12.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521048
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Zander Wilde bildete sich Dinge ein. Er litt unter Halluzinationen. Er hatte eine Gehirnerschütterung. Oder etwas noch Schlimmeres. Eine andere Erklärung gab es nicht. Denn die Frau, die gerade in einem spektakulären weißen Brautkleid auf seine Geburtstagsparty im Bennington Hotel platzte, konnte unmöglich existieren. Dazu sah sie einfach zu sehr aus wie Allegra damals.

„Treffen wir eine Abmachung. Wenn wir beide mit dreißig noch ledig sind, heiraten wir“, hatte Zander gesagt. „Einverstanden?“

„Einverstanden“, hatte Allegra geantwortet.

Zander musste schlucken. Daran hatte er lange nicht mehr gedacht. Sehr lange. Jedenfalls vor der letzten Woche. Aber sich unter diesen Umständen an so etwas zu erinnern war doch normal, oder? Schließlich wurde er dreißig, und das spontane Versprechen war eine Kindheitsidee. Nicht mehr. Nicht weniger. Es hatte nicht wirklich etwas zu bedeuten.

Aber jetzt war sie hier, fast anderthalb Jahrzehnte später, von Kopf bis Fuß in romantisches Weiß gekleidet.

Außer ihm schien niemand sie zu bemerken, also spielte seine Fantasie ihm wahrscheinlich wirklich einen Streich. Oder die Partygäste ließen sich von der riesigen Geburtstagstorte ablenken, die gerade hereingerollt wurde. Wenn er Glück hatte, traf Ersteres zu.

Er riss den Blick von Allegras Doppelgängerin los und konzentrierte sich auf die Torte auf dem Tisch vor ihm. Die brennenden Kerzen wärmten sein Gesicht. Jemand sang „Happy Birthday“ – wahrscheinlich eine seiner Schwestern oder jemand anderes aus der Familie. Er wusste es nicht. Er nahm die realen Menschen und die reale Party um sich herum gar nicht richtig wahr.

Er hob den Kopf. Sie war noch da – die Frau in Weiß – und sah Allegra jetzt noch ähnlicher. Das honigfarbene Haar, das über die Schultern strömte. Die zarte, anmutige Figur. Sie presste eine Hand auf den Bauch, atmete mehrmals tief durch und nickte sich zu, wie sie es als Teenager vor einem Auftritt immer hinter der Bühne getan hatte. Zander hatte damals oft miterlebt, wie sie sich Mut zu machen versuchte. Aber er hatte es noch nie gesehen, wenn sie aussah, als wäre sie gerade von der Spitze einer Hochzeitstorte herabgestiegen.

Zander blinzelte. Du meine Güte. Was für eine realistischer Tagtraum.

Er räusperte sich nervös und starrte auf die Kerzen, deren Wachs auf das Meisterwerk des Hotelkonditors tropften. Der Mann hatte sich große Mühe gegeben. Kein Wunder, wenn das Geburtstagskind der Direktor eines der legendärsten Hotels von New York war. Zander lächelte – er versuchte es jedenfalls – und merkte plötzlich, dass der Gesang der Gäste verstummt war.

„Willst du die nicht auspusten?“, fragte Ryan Wilde.

Alle sahen Zander an. Seine Schwester Tessa und ihr Verlobter Julian. Seine Mutter Emily. Und etwa fünfzig andere Leute. Zanders engste Mitarbeiter und Freunde, darunter seine Begleiterin, an deren Namen er sich im Moment nicht richtig erinnerte.

Susan. Oder Stacy. Etwas, das mit S anfing. Es war nicht Ernstes. Zander bevorzugte lockere Beziehungen.

Und jetzt siehst du auch noch Bräute, die es gar nicht gibt.

Kein Zweifel, er war dabei, den Verstand zu verlieren.

Nein. Nein, war er nicht. Er war völlig in Ordnung. Er hatte den Gipfel seiner Karriere erreicht. Vor zwei Monaten hatte GQ ihn in die „Top dreißig unter dreißig“ von Manhattan aufgenommen. Er war einer der begehrtesten Junggesellen von New York und hatte vor, es zu bleiben.

Die uralte Abmachung, die er mit Allegra getroffen hatte, spukte in seinem Kopf herum und brachte ihn durcheinander, das war alles. Was mehr als nur ein wenig beunruhigend war. Absurd geradezu. In jeder Hinsicht. Zander hatte Allegra seit über einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen, und bestimmt hatte sie länger als das keinen Gedanken an ihn verschwendet. Sie hatte Manhattan verlassen, ohne sich auch nur zu verabschieden.

Genug davon. Manche Dinge ließ man besser ruhen, und was zwischen ihm Allegra passiert oder eben nicht passiert war, gehörte eindeutig dazu. Er kniff die Augen zusammen, holte tief Luft und spitzte die Lippen, um die Kerzen auszupusten. Aber dann hörte er etwas. Eine Stimme aus der Vergangenheit, leicht atemlos und seidenweich.

„Oje“, sagte die Stimme.

Zander hob den Blick.

„Ich störe wohl gerade.“ Die Frau mit dem Rücken an der Tür des Ballsaals lächelte zaghaft. „Es tut mir so leid.“

Allegra Clark. Kein Produkt seiner allzu lebhaften Fantasie, sondern real. So real wie ihr bodenlanges Kleid und der Strauß pinkfarbener Rosen in ihrer Hand.

Zander öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus. Was zum Teufel war hier los?

„Kein Problem. Es ist nur eine kleine Geburtstagsfeier“, sagte Zanders Mutter, warf ihm einen fragenden Blick zu und hüstelte. „Kommen Sie doch herein. Je mehr, desto fröhlicher.“

Dann sprang sie auf, eilte zu Allegra und umarmte sie. Seine Schwester Chloe machte es ihr nach. Zander fragte sich, ob jemand Allegras ungewöhnliches Outfit erwähnen würde oder alle so tun wollten, als wäre das hier vollkommen normal.

„Danke“, erwiderte Allegra und schaute ängstlich über die Schulter auf die geschlossene Tür. Dann zitterte ihr Kinn, und Zander verspürte eine intensiven Stich in der Brust.

Er wartete darauf, dass hinter Allegra ein Bräutigam auftauchte. Der Mann musste doch irgendwo sein.

Offenbar nicht. Kein Bräutigam in Sicht. Zander fühlte Panik in sich aufsteigen. Er hatte ganz allein dem Bennington Hotel zum alten Glanz verholfen. Er war einer der einflussreichsten Topmanager der Stadt. Er könnte mit den Fingern schnippen, und sofort würde Sicherheitspersonal erscheinen und Allegra diskret aus dem Gebäude führen. Auf keinen Fall durfte er beim Anblick einer Frau im Brautkleid die Nerven verlieren.

Aber das hier war nicht irgendeine Frau.

„Hey.“ Neben ihm runzelte Tessa die Stirn. „Ist das nicht …“

„Ja. Ist sie.“ Da Tessa hörbehindert war, wiederholte er die Worte in Gebärdensprache.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie zornig er war. Überrascht? Ja. Verwirrt? Absolut. Aber zornig? Auf Allegra? Damals hätte er es niemals zugegeben, aber vermutlich war er schon sehr lange wütend auf sie.

„Allegra Clark. Wow“, flüsterte Tessa. „Nach all der Zeit.“

„Genau.“ Zander leerte sein Glas Veuve Clicquot. Er sollte wohl etwas unternehmen. Oder wenigstens mit ihr sprechen. Aber er saß einfach nur da und beobachtete fassungslos, wie seine andere Schwester und seine Mutter Allegra quer durch den Ballsaal zur Bar geleiteten.

„Trink erst mal etwas. Einen Brandy vielleicht. Du wirkst ­etwas durcheinander“, sagte seine Mutter.

Chloe strahlte Allegra an. „Was für ein hübsches Kleid. Du siehst wunderschön aus.“

Das tat sie. Geradezu atemberaubend. Sogar noch attraktiver, als Zander sie in Erinnerung hatte, was ein ziemlicher Schock war. Denn selbst wenn sie sich gestritten hatten, war er von ihr fasziniert gewesen.

Er wusste noch genau, wann es zum ersten Mal passiert war – an einem schwülen Abend Anfang August. Er und Allegra waren höchstens zehn oder elf gewesen. Sein Vater saß im Vorstand des Museums für Naturgeschichte, und deshalb verbrachten sie beide den Tag im klimatisierten Raum mit den Dinosauriern. Allegra rannte wie immer vorweg, und er hatte Mühe, sie einzuholen. Plötzlich drehte sie sich um und sagte etwas. Was sie damals sagte, hatte er längst vergessen. Aber etwas anderes hatte sich ihm unauslöschlich eingeprägt – die funkelnden Sterne in den Fenstern über ihnen, das riesige Skelett des Tyrannosaurus Rex, das dunkel und fremdartig hinter ihr aufragte.

Aber vor allem erinnerte er sich daran, wie sein Herz stehen blieb, als sie lächelte. Es war, als sähe er sie zum ersten Mal, obwohl er sie schon sein ganzes Leben lang kannte.

Allegra ist hübsch. Die Erkenntnis traf ihn mit voller Wucht wie der Basketball in der Pause, als ihm die Luft weggeblieben war.

Aber damals waren sie Kinder gewesen. Die Frau, die gerade seine Geburtstagsparty gestört hatte, war erwachsen und wahrscheinlich das atemberaubendste Geschöpf, das er je zu Gesicht bekommen hatte. Sie hatte unglaublich volle Lippen und Augen, die wie Saphire glitzerten. Und ein winziger Knick in ihrer linken Augenbraue ließ ihn vermuten, dass sie im Laufe des vergangenen Jahrzehnts mehr als nur einige Geheimnisse angehäuft hatte.

„Was glaubst du, warum sie hier ist?“ Tessa drehte sich zu Zander um.

Er riss den Blick von der langen Reihe winziger weißer Knöpfe an Allegras Rücken los. „Woher soll ich das wissen?“

Tessa kniff die Augen zusammen. „Hey, hast du ihr nicht mal einen Heiratsantrag gemacht?“

Er biss die Zähne zusammen. „Nein.“

Hatte er auch nicht. Technisch gesehen. Sie hatten eine Abmachung getroffen. Eine alberne, kindische Vereinbarung. Sie waren dickste Freunde gewesen. Die Idee hätte genauso gut von ihr kommen können.

Aber es war Zanders gewesen.

Das war nicht zu bestreiten.

Allegra nahm das Glas, das eine der Frauen ihr reichte, und räusperte sich. „Danke …“

Beide Frauen kamen ihr bekannt vor.

Sie nippte an der bernsteinfarbenen Flüssigkeit und verschluckte sich fast. Allegra trank Alkohol nie pur. Aber sie war auch noch nie von einer Hochzeit weggelaufen. Heute war offenbar ein Pemierentag.

Sie starrte in ihr Glas. „Was ist das noch mal?“

„Brandy“, sagte die ältere Frau. „Pur.“

Allegra nahm noch einen Schluck. Ihr wurde leicht schwindlig, und sie nahm gar nicht richtig wahr, wie ihr der Brautstrauß aus der Hand glitt und zu Boden fiel.

Die ältere der beiden Frauen hob ihn auf, und als Allegra registrierte, wie grazil sie sich bewegte, wurde ihr etwas klar. „Mrs. Wilde?“

„Ja, Liebes.“

Allegras Augen wurden feucht. Bei Emily Wilde hatte sie als Kind das Tanzen gelernt. Eigentlich mehr als nur das. Emily war Zanders Mutter, und Allegra hatte bei den Wildes mehr Zeit verbracht als zu Hause.

Ihr Blick ging zu der jüngeren Frau neben Emily. „Chloe, bist du es?“

„Ja.“ Chloe lächelte. „Es ist so schön, dich zu sehen, Allegra.“

Was ging hier vor? Sie hatte die Wildes seit Jahren nicht mehr gesehen, seit sie Manhattan verlassen hatte. Jetzt waren sie hier, auf ihrer Hochzeit.

Nein. Du bist von deiner Hochzeit geflüchtet, erinnerst du dich?

Richtig. Sie hätte besser auf leeren Magen nichts trinken sollen. Emily und Chloe waren nicht auf ihrer Hochzeit, sondern im Raum nebenan auf irgendeiner schicken Party. Allegra schaute sich um. Überall waren Leute. In ihrer Hast war sie durch die erstbeste Tür gestürmt. Die offenbar in einen anderen Ballsaal fühlte.

Sie war auf einer Party gelandet.

In einem Brautkleid.

Toll.

Allegra schloss die Augen und trank noch einen Schluck Brandy. Irgendwo in der Nähe ertönte ein Räuspern. Ein tiefes, äußerst männliches Räuspern.

Sie öffnete die Augen und sah, wie ein sehr attraktiver Mann im Maßanzug sich durch die Menge auf sie zubewegte, gefolgt von Hotelpersonal. Äußerlich strahlte er nichts als Selbstsicherheit aus, aber hinter der arroganten Fassade versteckte sich etwas Vertrautes.

Allegras Knie wurden weich.

Zander. Zander Wilde. Ihr Zander.

Nicht, dass er wirklich ihrer gewesen war. Sie waren nie richtig zusammen gewesen. Er hatte sie nicht zum Abschlussball begleitet. Sie waren nur gute Freunde gewesen. Beste Freunde. Und deshalb hatte sie sich ihm näher gefühlt, als wenn sie ein richtiges Paar gewesen wären. Freundinnen kamen und gingen. Zander hatte sie gekannt.

Aber das war lange her. Jetzt stand sie einfach nur da und versuchte zu verstehen, warum er einen Anzug mit Weste trug, wie ihr Vater ihn immer angehabt hatte. Sie kapierte es nicht. Kein bisschen. Und er sah so … ernst aus. Zornig sogar.

Ihr Herz begann zu klopfen. Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus. Aber es war keine Panik. Es war etwas anderes, etwas, das nicht so beängstigend war. Im Gegenteil.

Eigenartig.

Und falsch. Sehr falsch. Das hier war Zander. Ihr bester Freund. Jedenfalls war er es mal gewesen. Jetzt war er nur … nichts. Und Allegra trug noch das Kleid, das sie zu ihrer Hochzeit angezogen hatte. Mit einem anderen Mann. Die Schmetterlinge hatten in ihrem Bauch nichts zu suchen.

Sie schluckte. Vermutlich waren es gar keine Schmetterlinge. Sie war einfach nur überwältigt. Punkt. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Sie bekam einen Kloß im Hals und musste sich gegen die Tränen wehren.

Zander blieb direkt vor ihr stehen. An seiner Wange zuckte ein Muskel. Zander Wilde war erwachsen geworden. Sehr erwachsen.

„Allegra.“ Er nickte ihr zu, als wäre sie eine Wildfremde.

Warum um alles in der Welt benahm er sich so seltsam?

„Zander.“ Sie schlang die Arme um ihn. Was vielleicht etwas aufdringlich war, da sie sich seit vielen Jahren nicht gesehen hatten. Aber es tat nun mal so gut, ihm wiederzubegegnen. Der Kloß in ihrem Hals wurde größer.

Zander erstarrte und schob ihre Arme weg. „Könntet ihr alle uns kurz allein lassen, damit wir uns unterhalten können? Ungestört.“

Chloe lächelte Allegra über seine Schulter hinweg zu und ging mit den anderen davon. Nur Emily blieb.

„Du auch, Mom“, bat Zander.

Sie schüttelte den Kopf. „Zander, vielleicht solltest du …“

„Mom, bitte. Das hier geht nur Allegra und mich etwas an.“ Für den Bruchteil einer Sekunde erwärmte sich sein Blick, und Allegra sah wieder den Jungen, den sie mal gekannt hatte. Dann war der Moment vorbei. „Niemanden sonst.“

„Na gut.“ Emily strahlte Allegra an. „Es ist so schön, dich wiederzusehen, Liebes. Du siehst toll aus. Was für eine wunderschöne Braut.“

Braut? Oh du meine Güte!

Das Kleid hatte sie ganz vergessen. Zander nicht. Er starrte sie an, als hätte er noch nie eine Braut gesehen.

„Was soll das?“ Sie schaute auf das Hotelpersonal, das einige Schritte entfernt wartete. „Sind das deine Lakaien? Sollen sie mich hinauswerfen?“ Sie lachte.

Zander nicht. Er verzog keine Miene. „Das sind meine Angestellten. Ich bin der Direktor dieses Hotels. Niemand wirft dich hinaus. Aber komm schon, Allegra. Das hier kann nicht dein Ernst sein. Was tust du hier? Und warum um alles in der Welt hast du das an?“

Er zeigte auf ihr Kleid, ohne es anzusehen. Er vermied jeden Blickkontakt und fixierte einen Punkt irgendwo oberhalb ihres Kopfs.

Die Situation wurde von Minute zu Minute unangenehmer. Sie war gerade von ihrer Hochzeit weggelaufen. Sie war mental, emotional und physisch erschöpft. Sie brauchte ein Nickerchen und etwas Zeit allein, um sich auszuweinen. Was sie jetzt nicht brauchte, war ein Streit. Erst recht keinen, der irgendwie ohne sie begonnen hatte.

„Das erzähle ich dir, sobald du mir erklärst, warum du mich so anblaffst. Du warst früher mal nett.“ Sie hatte nicht vor, sich ihm anzuvertrauen. Ehrlich gesagt, etwas Erniedrigenderes konnte sie sich gar nicht vorstellen. Und sie wollte nicht vor ihm weinen, aber in ihren Augen brannten schon bittere Tränen. Nur mühsam unterdrückte sie ein Schluchzen.

Eigentlich sollte sie jetzt verheiratet sein. Stattdessen war sie hier. Allein. Wie immer.

Wie hatte alles so schrecklich schiefgehen können?

Sie musterte Zander vom makellos gestylten Haar bis zu den schwarzen Business-Schuhen. Musste er so verdammt gut aussehen? Das machte seine neue, selbstgefällige Art noch ärgerlicher. „Wo genau bin ich hier gelandet?“, fragte sie.

Zanders Augen wurden schmal. Er verschränkte die Arme vor einer Brust, die seit der 11. Klasse deutlich breiter geworden war.

„Auf meiner Geburtstagsparty. Ich werde heute dreißig“, erwiderte er, als hätte sie es wissen müssen.

Vor zehn Jahren, vielleicht sogar vor fünf, hätte sie es gewusst. Aber Allegra hatte das vergangene Jahrzehnt lang versucht, all ihre schlechten Erinnerungen zu löschen. Leider waren dabei einige gute über Bord gegangen. Und die schlechten waren noch da.

Ihr Blick fiel auf die Torte auf einem Tisch mitten im Raum. Sie war von ihrer Hochzeit geflüchtet und hatte die Geburtstagsparty ihres ältesten Freunds gecrasht – und das alles an einem einzigen Tag. Und wenn die Frau, die etwas verloren neben der Torte stand, Zanders Freundin war, hatte sie ihm auch noch ein Date verdorben.

„Tut mir leid, wenn ich deine Party ruiniert habe. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ Sie schluckte. Aber irgendetwas verwirrte sie noch immer. Warum reagierte Zander so heftig?

Egal. Dieses schmerzhafte Wiedersehen war vorbei. Allegra hatte größere Probleme. Sie musste ihr aus dem Ruder gelaufenes Leben auf Kurs bringen. Mal wieder.

Sie raffte den Rock zusammen und setzte sich in Bewegung. Mit etwas Glück würde sie es zur Rezeption des Hotels schaffen, ohne einem ihrer Hochzeitsgäste zu begegnen. Oder gar der Presse. „Ich nehme mir einfach ein Zimmer und …“

„Hör auf, Allegra“, unterbrach Zander sie. „Das kommt nicht infrage.“

„Was kommt nicht infrage?“ War das Hotel ausgebucht? Konnte Mr. Hotshot-Direktor ihr nicht einfach eins seiner vielen Zimmer besorgen?

Sie hasste es, ihn um einen Gefallen zu bitten – zumal er so aussah, als würde er sie am liebsten auf die Straße befördern lassen. Aber dort warteten Reporter und Fotografen. Und sie musste dringend ihr Brautkleid aus- und etwas anderes anziehen. Irgendetwas anderes. Sofort.

„Das hier. Wir.“ Zander atmete tief durch. Dann sah er sie an. Endlich. Wirklich. Allegra wünschte, er würde es nicht tun, denn seine Augen waren nicht die, die sie aus ihrer Kindheit erinnerte. Augen voller Unschuld und Hoffnung. Den Mann, dem diese neuen Augen gehörten, kannte sie nicht. „Ich werde dich nicht heiraten, Allegra. Nicht jetzt. Niemals.“

Zander sagte sich, dass er nichts falsch gemacht hatte. Auch wenn seine Mutter ihm von der anderen Seite des Raums empörte Blicke zuwarf. Wahrscheinlich würde er nachher etwas zu hören bekommen. Emily Wilde war keine Mimose, sondern eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nahm und sich gern in anderer Leute Angelegenheiten einmischte. Jetzt, da Zanders jüngere Schwester glücklich verlobt war und in einer bekannten Ballettkompanie tanzte, konzentrierte sich die Familienchefin auf sein Privatleben.

Toll.

Sie wollte unbedingt, dass er heiratete. Sie wollte Enkelkinder, vorzugsweise einen Jungen, der den Namen und das Vermächtnis der Wilde-Familie fortführte. Deshalb verfluchte Zander regelmäßig, dass er der einzige männliche Nachfahre war – eine Tatsache, die ihm gerade jetzt wieder schmerzlich bewusst wurde.

Ich werde dich nicht heiraten, Allegra. Nicht jetzt. Niemals.

Zugegeben, das hatte vielleicht etwas zu hart geklungen, aber er hatte nur ausgesprochen, was ausgesprochen werden musste. Emily würde ihm zweifellos vorwerfen, eine Szene gemacht zu haben. Aber wenn jemand das getan hatte, dann Allegra.

Sie hatte seine Geburtstagsparty gecrasht. In einem Brautkleid. Hatte sie allen Ernstes erwartet, dass er mit ihr in den Sonnenuntergang verschwand und sie heiratete? Hatte sie den Verstand verloren, nachdem sie die Stadt verlassen hatte?

Jetzt schaute sie zu ihm hoch, die vollen Lippen zusammengepresst und ein paar süße kleine Falten auf der Stirn. Sie wirkte nicht verrückt, sondern verwirrt. Verwirrt und unbestreitbar atemberaubend. Als er in ihre leuchtend blauen Augen schaute, verspürte er aus irgendeinem unerfindlichen Grund einen Stich in der Brust. Er konzentrierte sich wieder auf den glitzernden Kronleuchter über ihrem Kopf. Dieses Kleid … diese Augen – das alles war zu viel für ihn.

„Dich heiraten?“, wiederholte sie ungläubig. Und wenn Zander sich nicht täuschte, klang sie auch etwas belustigt.

Er zog eine Augenbraue hoch. Sehr hoch. Du bist hier diejenige in einem Brautkleid, Schätzchen.

„Das kann nicht dein Ernst sein“, fügte sie hinzu.

Zander schwieg. Er hatte gesagt, was zu sagen war. Auf gar keinen Fall fühlte er sich an sein albernes Versprechen aus der Kindheit gebunden. Jetzt musste sie nur noch dorthin zurückkehren, woher sie gekommen war, bevor sie sich noch mehr blamierte.

Allegra kniff die Augen zusammen, als wollte sie in seinen Kopf blicken. Dann verzogen sich ihre hübschen pinkfarbenen Lippen. Lächelte sie etwa? Jetzt?

Vielleicht war sie wirklich labil. Das arme Ding.

Er nahm ihre Hand. Ein Fehler. Ein Riesenfehler. Vor langer Zeit hatte er mal gelesen, dass selbst eine kurze Berührung Erinnerungen wecken konnte. Damals hatte er es als sentimentalen Unsinn abgetan. Erinnerungen bestanden aus Gedanken, Bildern und Gefühlen. Wie konnte das alles in der Haut eines Menschen stecken?

Aber als seine Fingerspitzen auf Allegras trafen, geschah etwas Seltsames. Seine Arme und Beine entspannten sich, und seine Stimmung hob sich. Er dachte daran, wie er Allegra auf der Tanzfläche herumgewirbelt hatte. Wie sie beide im Central Park Schlittschuh gelaufen waren. Er erinnerte sich an den Schnee in Allegras Haar und sein heftig klopfendes Herz in einem dunklen Museum. Plötzlich fühlte er sich wieder jung.

Hastig ließ er ihre Hand los und verschränkte die Arme. Nos­talgie passte nicht in seine aktuellen Pläne. Allegra brauchte Hilfe, das war nicht zu übersehen. Er sollte jemanden anrufen. Aber wen? Sie hatte keine Familie in New York.

Hatte sie überhaupt noch eine? Irgendwo?

„Hör zu, Allegra“, begann er.

„Glaubst du ernsthaft, ich bin hier, weil ich dich heiraten will?“, fragte sie.

Dann kicherte sie, presste die Lippen zusammen und kicherte wieder, diesmal lauter, bis aus dem Kichern ein Lachen wurde.

Lachte sie ihn etwa aus? Früher einmal hatte Zander es geliebt, sie lachen zu hören. Das war vorbei. „Du findest die Vorstellung lustig, ja?“

„Na ja …“ Sie räusperte sich und wurde ernst. Jedenfalls äußerlich. „Ja. Wir haben uns seit dreizehn Jahren nicht mehr gesehen.“

Es waren eher vierzehn. Aber das sprach er nicht aus.

„Du glaubst wirklich, dass ich nach all der Zeit hergekommen bin, um dich zum Traualtar zu schleifen, was? Erklär mir bitte, Mr. Anzugträger, was um alles in der Welt dich auf eine so absurde Idee bringt.“

Mr. Anzugträger.

Ihre Stimme triefte vor Verachtung. Damit hätte er vermutlich rechnen sollen. Hatte er aber nicht. Andererseits durfte ihn an diesem Abend gar nichts überraschen. Herzlichen Glückwunsch, Zander.

„Abgesehen von deinem Outfit, meinst du?“ Gegen seinen Willen schaute er auf die Reihe winziger Kristalle, die an ihren Schultern funkelten.

„Reiner Indizienbeweis“, sagte sie und klang wie die Rechtsanwaltstochter, die sie war. Dann zuckte sie mit den Achseln, und die Kristalle funkelten noch auffälliger. „Das reicht nicht. Wer sagt, dass mein Outfit etwas mit dir zu tun hat?“

Wir haben es gesagt. Du und ich. Vor vierzehn Jahren.“

Er wartete auf ein verräterisches Zeichen in ihrem Porzellangesicht, Schließlich waren sie beide mal verliebt gewesen. Keine Romanze, sondern etwas anderes. Etwas Tieferes.

Jedenfalls hatte er das geglaubt.

Sie blinzelte kurz, sah ihn aber immer noch an, als wäre er derjenige, der sich hier eigenartig aufführte. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“

Eins musste er ihr lassen – ihre Unschuldsmiene wirkte überzeugend. Großartige schauspielerische Leistung.

Zander machte einen Schritt auf sie zu. Er wollte sie nicht vor allen Augen in Verlegenheit bringen. Die Situation war peinlich genug. Er wollte, dass sie ging. Je schneller, desto besser.

Er hatte sich an ein Leben ohne sie gewöhnt. Die Dinge liefen jetzt einfacher. Vernünftig. Vorhersehbar. Sicher, zuerst war es schwer gewesen. Manchmal hatte er die Augen geschlossen und sie vor sich gesehen, mit ihrem wilden dunklen Haar und den endlos scheinenden Beinen, wenn sie sich in eine tänzerische Pose warf. Und vielleicht hatte sein Lieblingssweatshirt noch eine ganze Weile nach ihrem Parfüm geduftet. Vanille. Aber irgendwann war auch das vergangen.

Genau wie seine Fragen.

Warum hatte sie ihn verlassen, ohne sich zu verabschieden? Warum war sie nie zurückgekommen, nicht einmal für einen kurzen Besuch?

Hatte sie ihn so sehr vermisst wie er sie?

Er wollte sie das nicht fragen, aber wenn sie zu lange blieb, würde er es tun, das ahnte er. Und er war sich nicht sicher, ob ihm ihre Antworten gefallen würden.

Autor

Teri Wilson
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