Passion in Paradise - Teil 1-7 der sündig heißen Miniserie

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durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Heiße Begegnungen an traumhaften Orten – kann daraus die wahre Liebe entstehen?

SÜNDIGE HOCHZEITSNACHT MIT DEM PLAYBOY von ANNIE WEST

IM SINNLICHEN KLANG DER KASTAGNETTEN von SUSAN STEPHENS

VERWIRRSPIEL DER HERZEN? von JANE PORTER

IM PALAZZO DER HEIMLICHEN TRÄUME von TRISH MOREY

HEISSE AFFÄRE MIT DEM BOSS von LOUISE FULLER

VERHÄNGSNIVOLLES VERLANGEN NACH DEM EX von MICHELLE SMART

VERGESSENE HOCHZEIT – GEFUNDENES GLÜCK? von LYNNE GRAHAM


  • Erscheinungstag 18.04.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529372
  • Seitenanzahl 857
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Geschäftsführung: Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Annie West
Originaltitel: „Wedding Night Reunion in Greece“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2400 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Kara Wiendieck

Abbildungen: Harlequin Books, S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733712372

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

„Glückwunsch, Christo.“ Damen klopfte seinem Freund anerkennend auf die Schulter. „Hätte nicht gedacht, dass ich den Tag jemals erleben werde.“

„Du dachtest nicht, dass ich dich zu meiner Hochzeit einladen würde?“ Christo grinste. Wen hätte er sonst bitten sollen, sein Trauzeuge zu sein, wenn nicht Damen, mit dem er seit Kindertagen befreundet war?

„Du weißt, was ich meine. Ich hätte nicht erwartet, dass du jetzt schon heiratest. Ich dachte, du würdest dich noch mindestens ein Jahrzehnt austoben, bevor du anfängst, Nachwuchs in die Welt zu setzen.“

Der Blick, den sie tauschten, offenbarte ihre Schicksalsverbundenheit: beide waren die einzigen Nachkommen einer Familiendynastie. Seit Generationen war Damens Familie im Reederei-Geschäft, Christos handelte mit Immobilien. Deshalb gab es Erwartungen und Verantwortlichkeiten – wenn auch gut versteckt hinter Reichtum und Privilegien.

Beim Gedanken an seine neue Verantwortung verspannte sich Christo unwillkürlich. Dabei konnte er nun eigentlich aufatmen. Mit dieser Hochzeit erfüllte sich sein Plan. Es hatte ein Problem gegeben, er hatte es gelöst. So einfach war das.

„Ich bin froh, dass du es so kurzfristig einrichten konntest.“ Obwohl ihm Sentimentalität fremd war, fühlte es sich gut an, seinen alten Freund dabeizuhaben.

Außerdem hätte es merkwürdig ausgesehen, wenn niemand von der Seite des Bräutigams anwesend gewesen wäre – selbst bei einer so kleinen Hochzeit. Aber Damen hatte es pünktlich zu der privaten Feier nach Melbourne geschafft. Jetzt, im Garten des Familienanwesens seiner Braut, hatten sie endlich Gelegenheit, sich zu unterhalten.

„Deine frisch Angetraute ist nicht, was ich erwartet habe.“

Fragend hob Christo eine Augenbraue.

„Sie ist ganz vernarrt in dich …“

„Natürlich ist sie das. Schließlich hat sie mich gerade geheiratet.“

Zweifel, was seinen Erfolg beim weiblichen Geschlecht anging, kannte Christo nicht. Außerdem hatte er die Enkelin des alten Katsoyiannis’ nach allen Regeln der Kunst umworben und sich auf eine Weise Zeit gelassen, die er normalerweise nicht nötig hatte, um eine Frau zu gewinnen. Dass sie seinen Antrag ablehnte, war keine Option gewesen.

Er hatte ausgezeichnete Arbeit geleistet. Hitze erwachte in ihm, als er an Emmas liebevollen Blick dachte und daran, wie eifrig sie am Ende der Zeremonie seinen flüchtigen Kuss erwidert hatte – fast wäre er der Versuchung erlegen, ihn zu etwas weitaus Leidenschaftlicherem zu verlängern. Unwillkürlich hatte er sie enger an sich gezogen und festgestellt, dass er sich auf die Nacht freute, wenn er das erste Mal das Bett mit ihr teilen würde.

Damen lachte auf. „Da spricht der große Christo Karides mit seinem Riesenego.“ Stirnrunzelnd blickte er dann zurück zum Haus, als wolle er sichergehen, dass sie allein im Garten waren. Doch die Hochzeitsgesellschaft befand sich beim Frühstück auf der anderen Seite des Hauses. „Aber im Ernst. Ich war überrascht. Emma ist reizend. Sehr süß.“ Noch eine Pause. „Allerdings gar nicht dein Typ. Ihre Cousine hätte ich mir gut an deiner Seite vorstellen können. Die aufregende Rothaarige.“

Nickend rief Christo sich das Bild von Maia mit den perfekten Kurven und der körperbetonten Kleidung ins Gedächtnis.

„Du hast recht, unter anderen Umständen hätten wir viel Spaß zusammen gehabt.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber wir reden über die Ehe, nicht übers Vergnügen.“

Ein gedämpftes Geräusch ließ Christo herumfahren. Misstrauisch musterte er die Rückseite des Hauses. Doch hinter den Fenstern gab es keinerlei Bewegung, niemand befand sich auf der Terrasse oder dem Rasen. Bis auf die leise Musik in der Ferne war alles still.

„Emma ist nicht so hübsch oder anspruchsvoll wie ihre Cousine, aber ihr Großvater hat ihr das Grundstück in Athen hinterlassen, das ich kaufen will. Die Ehe ist der Kaufpreis.“

Damens Lächeln verschwand. „ Deswegen hast du sie geheiratet?“

Christo zuckte mit den Schultern. „Ich befinde mich in der bizarren Situation, die Verantwortung für ein Kind übernehmen zu müssen.“ Es laut auszusprechen, machte es weder angenehmer, noch minderte es den Schock. „Kannst du dir mich als Vater vorstellen?“

Er nickte über den erstaunten Blick seines Freundes. „Jetzt verstehst du, weshalb ich so schnell heiraten musste. Ich brauche keine sexy Sirene, sondern eine freundliche Hausfrau, die sich um meine Bedürfnisse kümmert. Emma wird eine perfekte und fürsorgliche Mutter sein.“

Emma umklammerte den Rand des Waschbeckens so fest, dass sie ihre Finger nicht mehr fühlte. Blinzelnd starrte sie in den Spiegel des Badezimmers im unteren Stockwerk, wohin sie sich mit ihrer Brautjungfer zurückgezogen hatte, um ihr Make-up aufzufrischen. Hier gab es, hinter Efeu verborgen, ein offenes Fenster, das in den rückwärtigen Garten hinausführte.

Aus dem Spiegel starrten benommen wirkende, haselnussbraune Augen zurück.

Ihr blasses Gesicht wurde umrahmt von einem Schleier aus alter Spitze, den einst ihre Großmutter getragen hatte.

Emma schloss die Augen. Plötzlich hasste sie das Gefühl der feinen Spitze an ihrer Haut und des langen Hochzeitskleides um ihre zitternden Beine. Das Kleid, das ihr zuvor so perfekt erschienen war, kam ihr auf einmal zu eng vor. Es schnürte ihre Brust zusammen, bis sie dachte, sie könne nicht mehr atmen.

„Wusstest du das?“

Sie schlug die Augen auf und begegnete Stephs Blick im Spiegel. Statt sich wie Emma in eine wächserne Puppe zu verwandeln, ließ der Schock Steph sehr lebendig aussehen. Ihre Augen funkelten, ihre Wangen waren gerötet.

„Dumme Frage. Natürlich wusstest du es nicht“, gab ihre Freundin sich selbst die Antwort. „Ich werde ihn mit meinen bloßen Händen umbringen. Nein, ein schneller Tod ist zu gut für ihn. Langsame Folter. Das ist es, was er verdient.“ Sie machte ein finsteres Gesicht. „Wie kann er dich so behandeln? Er muss doch wissen, was du für ihn empfindest.“

Der Schmerz in Emmas Brust verschärfte sich. Wie hatte sie so dumm sein können, ihr Herz Christo Karides zu schenken, der es ihr gerade aus dem Leib gerissen hatte.

Ohne Vorwarnung.

Ohne Betäubung.

Ohne Entschuldigung.

„Weil es ihm egal ist.“ Irgendwie brachte sie die Worte über ihre tauben Lippen. „Er hat sich nie wirklich für mich interessiert.“

Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, wusste sie, dass er stimmte. Freundlich und verständnisvoll, zärtlich und unterstützend hatte Christo sich verhalten, während sie versuchte, den Tod ihres Großvaters zu verarbeiten. Seine ausgesprochene Höflichkeit und seine Bereitschaft zu warten, hatte sie als Beweis für seinen Respekt ihr gegenüber missverstanden. Jetzt wusste sie, dass seine Zurückhaltung nur dem Umstand geschuldet waren, dass er sie überhaupt nicht begehrenswert fand.

Übelkeit stieg in ihr auf. Warum hatte sie das nicht früher erkannt? Warum hatte sie nicht auf Steph gehört, die ihr geraten hatte, die Dinge langsam anzugehen? Oder wichtige Entscheidungen nicht ausgerechnet dann zu treffen, wenn sie emotional so verwundbar war.

Der vergangene Monat war ihr wie im Märchen erschienen – einem Märchen, in dem der Prinz nicht gekommen war, um sie zu retten, sondern ihr das Gefühl gab, nicht alleine zu sein.

Jeder, den sie geliebt hatte, war gestorben. Ihre Eltern waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, als sie elf Jahre alt war. Dann vor vier Jahren ihre Großmutter, da war sie achtzehn. Und jetzt ihr rechthaberischer, hoffnungslos altmodischer und doch ganz wunderbarer Papou. Das Gefühl des Verlustes war kaum zu ertragen gewesen – außer in Christos Nähe.

Sie atmete so tief ein, dass ihre Lungen zu schmerzen begannen und lachte dann bitter auf. „Er weiß nicht einmal, wer ich bin. Er hat absolut keine Ahnung.“

Sie soll sich um meine Bedürfnisse kümmern!

Eine Hausfrau!

Offensichtlich hatte Christo dieselbe Meinung wie Papou, der immer darauf beharrt hatte, dass sie nur studierte, um die Zeit zu überbrücken, bis sie den richtigen Mann zum Heiraten gefunden hatte.

Vielleicht glaubte Christo, sie wohne im Haus ihrer Großeltern, weil sie sanftmütig und gehorsam war. In Wahrheit lebte sie dort, weil Papou sich nach dem Tod seiner Frau in seiner Trauer verloren hatte. Emma hatte ihn einfach nicht alleine lassen wollen.

Die eigentliche Tragödie bestand darin, dass sie gedacht hatte, Christo verstehe sie und wolle Zeit mit ihr verbringen, weil er sie mochte.

Aber nicht so sehr wie ihre temperamentvolle und attraktive Cousine Maia.

Schlimm genug, dass Christo sie im Vergleich zu ihrer sexy Cousine als unscheinbares Mädchen ansah. Dass er jedoch überhaupt nicht bemerkt hatte, wie warmherzig, intelligent und lustig Maia eigentlich war, machte es irgendwie noch schlimmer.

Er stand im Ruf eines Playboys, der sich stets mit glamourösen und wunderschönen Frauen umgab. Aber in ihrer Naivität hatte Emma sich geweigert, der Klatschpresse Glauben zu schenken. Stattdessen hatte sie ihm geglaubt, als er behauptet hatte, die Artikel seien reichlich übertrieben. Und dann hatte er ihre Wange gestreichelt, war mit den Fingern am Ausschnitt ihres Kleides entlanggestreift … und Emma hatte alle Zweifel vergessen.

Wie leicht sie sich hatte manipulieren lassen! Wie blind sie seinem routinierten Charme erlegen war.

Emma stürzte nach vorne ans Waschbecken, weil Übelkeit sie übermannte. Als es vorbei war und sie Mund und Gesicht gewaschen hatte, sah sie zu Steph hinüber. „Ich habe ihm vertraut. Ich dachte, dass er kein Interesse an Maia zeigt, sei ein Beweis dafür, dass er sich wirklich zu mir hingezogen fühlt.“

Wie hatte sie nur so leichtgläubig sein können? Die zaghaften Fragen ihrer Freundin, ob Christos Werben nicht ein bisschen zu schnell ging, hatte sie einfach abgetan. Eine rasche Hochzeit war ihr sinnvoll erschienen, damit Papou dabei sein konnte. Und als er dann gestorben war … Das Letzte, was er zu ihr gesagt hatte, war, dass es ihn glücklich machte, Christo an ihrer Seite zu wissen und dass sie auf keinen Fall die Hochzeit verschieben durften.

„Ich war ein Idiot, oder?“

„Natürlich nicht, Süße.“ Steph legte den Arm um ihre Schultern. „Du bist warmherzig und großzügig und ehrlich und glaubst immer an das Gute in den Menschen.“

Die Loyalität ihrer Freundin zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. „Damit ist es jetzt vorbei.“ Ein eiskalter Schauer überlief sie. „Stell dir vor, wir hätten es nicht gehört …“

„Aber das haben wir. Die Frage lautet: Was willst du jetzt tun?“

Noch einmal betrachtete Emma ihr aschfahles Gesicht im Spiegel. Plötzlich flammte heiße Wut in ihr auf, die die Kälte aus ihren Adern vertrieb.

„Natürlich verschwinden. Christo kann sich eine andere Hausfrau suchen, die sich um sein Kind und seine Bedürfnisse kümmert.“

Bei all seinen gemeinen Unterstellungen und fiesen Spielchen, schmerzte sie am meisten, dass er um ihr sinnliches Verlangen nach ihm wusste.

Bei dem Gedanken daran, wie sehr sie sich auf die erste Nacht gefreut hatte, überlief es sie abermals eiskalt. Jetzt fühlte sie sich bei der Vorstellung, ihn zu berühren, ganz krank.

Zumal er sich mit erotischen Avancen offensichtlich nicht aus Respekt vor ihr oder ihrem im Sterben liegenden Großvater zurückgehalten hatte, sondern nur, weil ihn Sex mit einem grauen Mäuschen nicht interessiert hatte. Hätte er sich mit der attraktiven Maia verlobt, hätte es für ihn kein Halten gegeben. Dann hätte es schon lange vor der Hochzeitsnacht zwischen den Laken geknistert.

„Ich bin so erleichtert.“ Stephs Worte holten sie in die Gegenwart zurück. „Ich hatte schon Angst, du überlegst, bei ihm zu bleiben, weil du hoffst, er würde sich irgendwann in dich verlieben.“

„Ich mag die Ruhige in meiner Familie sein, aber das macht mich nicht zum Fußabstreifer – genau das wird Christo Karides bald herausfinden.“ Im Spiegel begegneten sich erneut die Blicke der Freundinnen. „Hilfst du mir?“

„Das fragst du noch?“ Steph verdrehte die Augen. „Wie lautet dein Plan?“

„Kannst du meinen Pass aus meinem Zimmer holen? Und meinen Koffer?“ Den Koffer, den sie bereits für die Flitterwochen gepackt hatte. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich.

„Und ich darf Christos Gesicht sehen, wenn er erfährt, dass seine Braut verschwunden ist? Gefällt mir.“ Steph grinste.

Zum ersten Mal, seit sie Christos Gespräch mit seinem Freund heimlich belauscht hatte, lächelte Emma. Das einzige, was jetzt zählte, war, dass sie einen Ausweg gefunden hatte und die beste Freundin der Welt besaß.

Auf einmal fühlte sie sich nicht mehr so entsetzlich allein und verletzlich.

„Danke, Steph. Ich kann dir gar nicht sagen, was mir das bedeutet.“ Emma blinzelte die Tränen zurück.

Nach Papous Tod hatte sie geweint. Über einen Intriganten, der mit der Liebe des alten Mannes und seiner Sorge um die Zukunft seiner Enkelin gespielt hatte, würde sie keine Tränen vergießen.

„Aber du musst aufpassen, dass du mich nicht verrätst. Ein Blick in dein Gesicht, und Christo wird wissen, dass du etwas vor ihm verbirgst. Vielleicht ist er ein Mistkerl, aber dumm ist er nicht.“

Insgeheim wunderte sie sich, wie gut es sich anfühlte, so über ihn zu sprechen. Verglichen mit dem Unrecht, das er ihr angetan hatte, war es nur eine Kleinigkeit, aber immerhin ein Anfang.

Steph schüttelte den Kopf und setzte dieselbe Unschuldsmiene auf, mit der sie ihre Lehrer jahrelang getäuscht hatte. „Mach dir keine Sorgen. Er wird nichts merken. Ich werde ihm sagen, dass du dich kurz ausruhen musstest. Das wird er akzeptieren. Er weiß, dass die Ereignisse der letzten Tage dich mitgenommen haben. Außerdem vermisst du deinen Großvater.“

Stephs Worte weckten erneut die schmerzliche Sehnsucht nach Papou in ihr. Ihr Großvater, der immer rechthaberisch und schwierig gewesen war, aber hinter seinem schroffen Äußeren ein gutmütiges Herz verborgen hatte.

„Gut. Du holst meine Sachen, während ich den Schleier loswerde.“ Ihr blieb keine Zeit, um auch das Kleid auszuziehen, aber mit der langen Schleppe konnte sie unmöglich fliehen. „Ich verstecke ihn in einem der Schränke hier. Könntest du ihn später einsammeln?“

„Natürlich. Ich weiß doch, wie wertvoll er für dich ist.“ Mitfühlend drückte Steph Emmas Arm. „Nur eine Sache noch … wohin willst du gehen?“

„An den einzigen Ort, der noch ein Zuhause ist.“ Ihre Tante und ihr Onkel, die Eltern von Maia, hatten dieses Haus und das australische Vermögen von Papou geerbt. Sie hingegen hatte das Grundstück in Athen bekommen, deren Verwaltung sie Christo überlassen hatte. Das, wurde ihr in diesem Moment klar, würde sie bald rückgängig machen müssen. Darüber hinaus gehörte ihr die alte Villa ihrer Großeltern in Griechenland, wo sie bis zum Tod ihrer Eltern jedes Jahr die Ferien verbracht hatte. „Ich gehe nach Korfu.“

Die Villa war der perfekte Zufluchtsort. Christo gegenüber hatte sie nie davon gesprochen. Außerdem würde er sie nie ausgerechnet in seiner Heimat Griechenland vermuten.

Dort konnte sie sich die Zeit nehmen, die sie brauchte und entscheiden, was sie als Nächstes tun wollte. Und wie sie diese Farce einer Ehe beenden konnte.

2. KAPITEL

Emma trat durch das schmiedeeiserne Tor und atmete tief durch. Seit Jahren hatte sie Korfu nicht mehr besucht – nicht seit sie fünfzehn war und ihre Großmutter sich für Langstreckenflüge zu alt gefühlt hatte.

Sieben Jahre war das nun her, doch es fühlte sich eher wie sieben Tage an, als sie ihren Blick durch die schattige Allee vor sich schweifen ließ und weiter in Richtung der Villa, die sich knapp außer Sichtweite befand. Alte Olivenbäume mit knorrigen Stämmen und frischen grünen Blättern erstreckten sich wie ein silbergrüner Teppich den Hang zum Meer hinunter. Ganz in ihrer Nähe wuchsen duftende Zitrusbäume mit zarten weißen Blüten.

Emma nahm den herrlichen Duft von Limone, Kumquat und Orange wahr und presste unwillkürlich die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Traditionell wurden die Bräute in Griechenland mit Orangenblüten geschmückt.

Ein kalter Schauer überlief sie.

Wie knapp sie der Katastrophe entkommen war! Sie durfte sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sie nicht zufällig von Christos wahren Absichten erfahren hätte!

Sie schluckte den schmerzenden Kloß in ihrer Kehle hinunter, griff nach ihrem Koffer, rückte die Umhängetasche zurecht und machte sich auf den Weg zur Villa.

Langsam marschierte Emma die Einfahrt entlang, das Knirschen der Steinchen unter ihren Füßen und den Rollen ihres Koffers hallte laut durch die Stille. Während sie ging, wurden ihre Schritte leichter und immer mehr Erinnerungen drängten in ihr Bewusstsein.

Inmitten des Olivenhains erhaschte sie einige leuchtende Farbkleckse, und ihr fiel wieder ein, wie sie hier Wildblumen gepflückt hatte, die dann in den unbezahlbaren Kristallvasen ihrer Großmutter so aufgestellt wurden, als seien es die professionellen Arrangements von Floristen. Sie dachte daran, wie sie mit ihren Eltern in dem herrlichen klaren Wasser ihrer privaten kleinen Bucht geschwommen war. Wie sie im Schatten des Säulengangs gesessen hatten, der den Innenhof an drei Seiten umgab. Und wie Papou ihr beigebracht hatte, tavli zu spielen.

Sie alle lebten nicht mehr.

Emma atmete tief durch und zwang sich weiterzugehen. Ja, sie waren gestorben, aber sie hatten sie mit ihrer Liebe gelehrt, wie wertvoll das Leben war. Selbst jetzt noch spürte sie diese Liebe, als wolle die alte Villa, die sich seit Generationen im Besitz ihrer Familie befand, sie willkommen heißen.

Sie durchschritt die letzte Kurve und sah endlich das Haus vor sich liegen. Sein Alter war ihm anzumerken, doch wie eine anmutige alte Dame strahlte es auch eine gewisse Eleganz aus. Im warmen Licht der Nachmittagssonne leuchtete die Fassade in einem sanften Ton zwischen Blassrosa und Hellorange. Die hohen hölzernen Fensterläden erstrahlten in frischem Waldgrün, die alten Dachziegel jedoch waren zu einem modrigen Grau verwittert, das so alt aussah wie die Steinmauern, die den Olivenhain umgaben. Dennoch wirkte alles gut gepflegt.

Und jetzt gehörten die Villa und das Land ihr. Emma blieb stehen und fühlte Stolz und eine Zugehörigkeit in sich aufsteigen, die sie für das Haus ihrer Großeltern in Melbourne nie empfunden hatte. Das hier ist die Heimat meines Herzens, erkannte Emma. Hier lebten die wertvollen Erinnerungen an ihre Eltern fort.

Die Andeutung einer Idee begann sich in ihrem Kopf zu formen. Vielleicht, nur vielleicht, konnte dieser Ort mehr sein als eine vorübergehende Zuflucht, bevor sie nach Australien zurückkehrte. Vielleicht …

Ihre Gedanken schweiften ab, als sich plötzlich die Haustür öffnete und eine Frau heraustrat.

„Miss Emma?“ Der vertraute Klang von Dora Panayiotis’ Akzent ließ die Vergangenheit lebendig werden. Auf einmal fühlte Emma sich wieder wie ein kleines Mädchen. Sie ließ Koffer und Tasche fallen und rannte in Doras einladend ausgebreitete Arme.

„Dora!“ Sie erwiderte die Umarmung der Haushälterin. „Es ist so schön, Sie zu sehen.“

„Und Sie auch, Miss Emma. Willkommen zu Hause!“

Emma strich die nassen Strähnen aus dem Gesicht, griff nach dem Handtuch und rubbelte sich trocken, bis ihre Haut kribbelte. Der verregnete Vormittag war einem strahlend hellen Nachmittag gewichen, weshalb sie den Reizen der sandigen Bucht unterhalb des Gartens nicht hatte widerstehen können.

Seit vier Tagen erlaubte sie Dora nun schon, sie mit ihrem köstlichen Essen zu verwöhnen und hatte außer schwimmen, schlafen und essen nichts weiter getan.

Heute Morgen jedoch war sie mit einer Idee für die Zukunft in ihrem Kopf aufgewacht. Einer Zukunft, in der sie zur Abwechslung das tat, was sie wollte – und nicht, was andere von ihr erwarteten.

Zum ersten Mal seit der Beerdigung und ihrer verheerenden Hochzeit flackerte ihr natürlicher Optimismus wieder auf.

Immerhin hatte sie Eventmanagement studiert. Ihre Zeugnisse waren gut, und erst kürzlich hatte sie einen begehrten Job in einem gehobenen Ressort abgelehnt, weil nach der Hochzeit mit Christo ein Umzug nach Athen geplant war.

Emma unterdrückte einen Schauder und richtete ihre Gedanken wieder auf ihre Zukunftspläne.

Sie würde sich selbstständig machen. Die alte Villa mit ihrem weitläufigen Grundstück war der perfekte Ort für exklusive Ferien und Feiern.

Korfu galt bei vielen Urlaubern als Traumziel. Mit harter Arbeit und einem guten Marketing könnte sie sich hier etwas aufbauen.

Ja, sie würde sehr hart arbeiten müssen, aber – und das wurde ihr in diesem Moment klar – genau das war es, was sie brauchte.

Hatte sie dasselbe nicht schon immer getan? Sich einer Herausforderung gestellt, die sie beschäftigte, wenn sie einen weiteren Verlust zu bewältigen hatte? Es war ihre Art, mit der Trauer umzugehen, um nicht darunter zusammenzubrechen.

Es fiel ihr leichter, sich auf die Ideen zu konzentrieren, die in ihrem Kopf sprudelten, als sich dem Schmerz in ihrer Seele zu stellen – einfacher, so zu tun, als habe Christo ihr nicht das Herz gebrochen und ihr Selbstvertrauen mit Füßen getreten.

Emma presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Sie war immer noch wütend und verletzt, aber jetzt gab es einen Plan, etwas Greifbares, auf das sie hinarbeiten konnte. Heute war der erste Tag, an dem sie nicht mehr das Gefühl hatte, bei der kleinsten Berührung zu zerbrechen.

Noch heute würde sie einen Anwalt anrufen und mit ihm über die Scheidung sprechen und darüber, wie sie ihr Eigentum zurückbekommen konnte.

„Miss Emma!“

Sie wandte sich um und sah Dora, die mit gerötetem Gesicht den Strand entlang auf sie zueilte.

Plötzlich spürte sie ein flaues Gefühl im Magen. Zu oft hatte sie schlechte Nachrichten erhalten. Sie wusste genau, wie die Überbringer aussahen. Eine böse Vorahnung stieg in ihr auf. Mit ausgestreckten Händen machte sie einige unsichere Schritte auf Dora zu. Ihr Onkel? Ihre Tante? Bestimmt nicht Maia, oder?

„Ich wollte Sie warnen“, keuchte Dora. „Ihr …“

„Dafür besteht kein Grund, Mrs. Panayiotis“, verkündete eine tiefe Stimme mit eisigem Unterton. „Ich bin durchaus in der Lage, für mich selbst zu sprechen.“

Und dann sah sie ihn. Groß, breite Schultern, Augen hart wie Stahl. Christo Karides.

Ihr Ehemann.

Augenblicklich lag eine gewisse Anspannung in der Luft, als hätten Sturmwolken die Sonne verdunkelt. War das die Wirkung seines feindseligen Blicks? Eine Sekunde lang konnte sie nicht atmen, weil ein unsichtbares Band ihr die Kehle zuzuschnüren schien. Sie schaute in sein Gesicht, das ihr so vertraut und gleichzeitig so fremd war.

Noch immer war er der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte: schwarzes Haar, olivgoldene Haut und klare schieferblaue Augen.

Verzweifelt versuchte Emma, so unbeeindruckt wie möglich zu wirken, als sie nun seine markanten Züge musterten, die wie aus Stein gemeißelt erschienen. Die leicht gebogene Nase, das ausgeprägte Kinn mit dem angedeuteten Grübchen in der Mitte. Eine feine silbrige Narbe neben dem Mund, kaum sichtbar, trübte die männliche Vollkommenheit. Seltsamerweise betonte sie sein gutes Aussehen zusätzlich.

Es sieht der gut aus, der Gutes tut – hörte sie die Stimme ihrer Großmutter in Gedanken.

Dieser Mann hatte bewiesen, dass er alles andere als gut war. Oder vertrauenswürdig. Oder auf irgendeine Weise wert, dass sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte.

Emma atmete tief durch und lächelte Dora beruhigend zu. „Ist schon in Ordnung. Vielleicht könnten Sie uns Tee im großen Salon servieren? Wir werden gleich nachkommen.“

Ja, so war das mit den Feindseligkeiten: Tee zu bestellen, obwohl sie genau wusste, dass er Kaffee lieber trank, war zwar nur eine Kleinigkeit, aber immerhin ein Anfang. Emma zog die Vermittlung einer Konfrontation vor, andererseits hegte sie nicht die Absicht, Christo hier willkommen zu heißen.

Sie versicherte sich, dass sie über das Schlimmste hinweg war. Der Schock, die Ernüchterung, das gebrochene Herz. Aber all das war viel einfacher zu glauben, wenn der Mann, den sie so unschuldig und voller Hoffnungen geliebt hatte, nicht unmittelbar vor ihr stand.

Aber Emma war auch nicht mehr so naiv wie noch vor einer Woche. Dafür hatte Christo Karides gesorgt. Brutal und effektiv hatte er sie sämtlicher Illusionen beraubt. Heute war sie eine andere Frau.

Sie straffte die Schultern, hob das Kinn und schaute ihm unverwandt in die funkelnden Augen. „Ich kann nicht sagen, dass es schön ist, dich zu sehen, aber es ist Zeit, dass wir Einiges klären.“

Christo starrte die Frau an, die vor ihm stand. Zum ersten Mal in seinem erwachsenen Leben fehlten ihm die Worte.

Er sagte sich, es läge an dem Schock, sie gesund und munter wiederzusehen, nachdem er sich eine Woche lang Sorgen gemacht hatte. Es war so untypisch für die sanfte und rücksichtsvolle Emma, einfach zu verschwinden. Er hatte Angst gehabt, sie sei verletzt oder sogar entführt worden.

Schließlich hatte sie sich bei ihrer Tante gemeldet und eine kryptische Nachricht hinterlassen: Es gehe ihr gut, aber sie brauche Zeit allein.

Zeit allein!

Was, bitte, war das denn für ein Verhalten von einer Braut? Vor allem für die Braut von Christo Karides, einem der begehrtesten Junggesellen Europas!

Es war eine neue Erfahrung für ihn. Noch nie war er außer sich vor Angst gewesen. Christo erinnerte sich an den metallischen Geschmack der Furcht auf seiner Zunge und wie das Gefühl der Sorge seinen ganzen Körper zu lähmen schien. Das wollte er nie wieder erleben.

Auch hatte es ihm überhaupt nicht gefallen, zum Gespött gemacht zu werden.

Oder die fragenden Blicke zu ertragen, mit denen ihre Verwandten ihn bedachten, als sei er für ihr Verschwinden verantwortlich! Als ob er nicht wochenlang sorgfältig Katsoyiannis’ zarte Enkelin umworben hätte. Als habe er sie nicht stets mit dem Respekt behandelt, der seiner zukünftigen Frau gebührte.

Christo biss die Zähne so fest zusammen, dass die Anspannung über seine Schultern bis zu seinen zu Fäusten geballten Händen ausstrahlte.

Es lag nicht nur daran, Emma gesund und munter vorzufinden. Es lag an ihrer offensichtlichen Veränderung.

Die Frau, die er geheiratet hatte, war zurückhaltend und sanftmütig gewesen. Liebevoll hatte sie sich um ihren Großvater gekümmert, und ihre stürmische, ein wenig ungeschickte Reaktion auf seine Küsse verriet ihm, dass sie erpicht darauf war, ihm zu gefallen.

Die Frau, die jetzt vor ihm stand, war anders. Eine ungewohnte Energie ging von ihr aus. Ihre Haltung, die Beine leicht auseinander, die Hände in die Hüften gestemmt, wirkte trotzig und ganz und gar nicht demütig.

Die Emma Piper, die er kannte, besaß eine schlanke Figur, zart und auf eine unauffällige Weise ansprechend. Diese Emma hier sah ganz anders aus. Sie trug einen knappen Bikini in einem leuchtenden Blau, der eine Figur umschmeichelte, die weitaus sexier war, als er sich vorgestellt hatte – denn selbstverständlich hatte er sie bislang nicht nackt gesehen. Ihre vom Schwimmen noch feuchte Haut besaß einen goldenen Schimmer. Und ihre wunderbar runden Brüste, die sich mit ihren schnellen Atemzügen hoben und senkten, schienen perfekt in seine Handflächen zu passen.

Unvermittelt schoss Hitze in seine Lenden – eine nicht zu verhindernde Reaktion, die weder zu seiner Stimmung noch zu seinen Erwartungen passte.

Hastig richtete er seinen Blick wieder auf ihr Gesicht. Herausfordernd musterte sie ihn mit hochgezogener Augenbraue, als habe er kein Recht, sie anzuschauen.

„Du hast Einiges zu erklären“, murmelte er mit dieser leisen und schneidenden Stimme, die hitzige Diskussionen auf Vorstandssitzungen binnen Sekunden verstummen ließ.

Aber anstatt ihre störrische Haltung aufzugeben, hob Emma ihre süße kleine Nase in die Höhe und stellte die Füße weiter auseinander, womit sie seine Aufmerksamkeit auf ihre wohlgeformten Beine lenkte.

Das Feuer in seinem Inneren flackerte noch heißer auf.

Langsam schüttelte sie den Kopf. Ihre feuchten Haare tanzten auf ihren Schultern. Im warmen Sonnenlicht leuchteten sie wie dunkler Honig mit goldenen Strähnen, die er bislang nicht bemerkt hatte. Allerdings hatten sie bisher die meiste Zeit drinnen verbracht, entweder im Haus ihres Großvaters oder in nahegelegenen Restaurants. Die helle griechische Sonne offenbarte Details, die er gar nicht bemerkt hatte.

„Du hast das falsch verstanden.“

„Wie bitte?“ Christo richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schaute auf die schlanke Frau vor sich hinunter. Seltsamerweise hielt sie seinem Blick einfach stand. In ihren Augen funkelte Kühnheit, von einer Entschuldigung keine Spur.

Für eine Sekunde war er so überrascht, dass er sich sogar fragte, ob sie überhaupt Emma war oder nicht vielmehr eine Doppelgängerin.

Aber Fantasie gehörte nicht zu Christo Karides’ herausragenden Eigenschaften. Seit seiner Kindheit war er ein Pragmatiker, in dessen Leben es keine Zeit für Märchen gab.

„Hast du eine Ahnung, wie große Sorgen sich alle gemacht haben?“ Seine Stimme klang schroff und gab nichts von den Ängsten preis, an die er sich am liebsten nie wieder erinnern wollte. „Sogar die Polizei habe ich gerufen! Ich dachte, du bist entführt worden!“

Er hatte seine besten Leute mobilisiert, um Melbourne und die Umgebung abzusuchen, während er darum gebetet hatte, dass seiner kleinen schüchternen Ehefrau nichts Schreckliches passiert war.

Da draußen gab es rücksichtslose Menschen, die nur darauf warteten, eine wehrlose Frau auszunutzen. In seinem Kopf spielten sich immer dieselben Bilder ab: dass es zu spät war, wenn man sie fand. Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt. Die Erinnerung daran fachte seine Wut noch weiter an.

„Ich habe meiner Tante am Telefon gesagt, dass es mir gut geht.“

„Aber du hast mich nicht angerufen!“ Christo hörte, wie seine Stimme immer lauter wurde und holte frustriert Luft.

Wollte sie ihn absichtlich falsch verstehen? Die Frau, die er umworben hatte, war ihm einigermaßen intelligent und äußerst vernünftig vorgekommen. Zumindest nicht wie jemand, der an seinem Hochzeitstag weglaufen würde. „Ich habe schon halb damit gerechnet, deinen missbrauchten Körper in irgendeiner verlassenen Gegend zu finden.“

Er sah, wie kurz Entsetzen in ihren Augen aufflackerte. Dann schüttelte sie wieder den Kopf, als wolle sie seine Sorgen für nichtig erklären. „Nun, wie du sehen kannst, geht es mir gut.“

„Das reicht nicht, Emma. Nicht annähernd. Du schuldest mir etwas.“ Für den Anfang eine Erklärung, aber danach noch viel mehr.

„Oh, das sagt der Richtige.“

Machte sie sich über ihn lustig?

Ein langer Schritt, und er stand unmittelbar vor ihr. Jetzt konnte er ihren Duft einatmen und die Wärme spüren, die von ihr ausging. Wieder regte sich das seltsame Gefühl tief in seinem Inneren.

Er griff nach ihrem Handgelenk. „Hör damit auf, Emma! Du bist meine Ehefrau.“

Als sie antwortete, klang ihre Stimme so leise, dass er sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen. Doch in ihr lag eine Leidenschaft, die er noch nie an ihr bemerkt hatte. „Und wie sehr ich wünschte, ich wäre es nicht.“

Christo starrte sie an. Noch nie in seinem ganzen Leben war er einer Frau begegnet, die es nicht genoss, in seiner Nähe zu sein. Längst zählte er die Damen nicht mehr, die um seine Aufmerksamkeit wetteiferten. Doch diese hier, die nun seinen Namen trug, betrachtete ihn wie eine giftige Schlange.

War die Welt etwa verrückt geworden?

Wo war seine süße Emma? Die Frau, die rot wurde, wenn er ihr ein Lächeln schenkte? Die sanfte und großzügige Frau, die er für sich ausgewählt hatte?

Sie presste die Lippen streng zusammen und starrte auf seine Hand, mit der er noch immer ihr Handgelenk umklammert hielt. „Lass mich los. Eine Ehe gibt dir nicht das Recht, mich anzugreifen.“

„Angreifen? Soll das ein Witz sein?“ Ungläubig zog er die Augenbrauen zusammen. Als ob er jemals eine Frau angegriffen hätte!

„Es ist ein Angriff, wenn ich nicht von dir angefasst werden will. Und glaub mir, Christo, du bist der letzte Mensch auf der Welt, von dem ich gerade berührt werden will.“

Ein verächtlicher Unterton schwang in ihrer Stimme mit. Hastig ließ er sie los. Wut stieg in ihm auf. Nein, Zorn darüber, so ungerecht behandelt zu werden.

„Okay, keine Berührungen. Jetzt deine Erklärung.“

Wenigstens schien Emma die Intensität seiner Entrüstung zu erkennen. Das kämpferische Funkeln in ihren Augen verblasste. Auf einmal sah sie viel weniger empört aus, sondern eher … verletzt.

Christo widerstand dem Impuls, sie in die Arme zu ziehen. Er hatte genug manipulative Frauen getroffen, um jetzt auf sie hereinzufallen.

„Ich weiß es, Christo.“ Ihre Stimme klang dünn und kraftlos. „Ich weiß, warum du mich geheiratet hast. Ist das Erklärung genug?“

„Das ist überhaupt keine Erklärung.“ Trotzdem breitete sich ein unangenehmes Kribbeln von seinem Nacken aus.

Es war unmöglich. Außer Damen hatte er niemandem davon erzählt.

Allerdings schämte er sich nicht für das, was er getan hatte. Ganz im Gegenteil. Er hatte sich vernünftig, lobenswert und ehrenhaft verhalten. Er hatte dieser Frau die Ehe, seinen Schutz und seine Loyalität versprochen. Was konnte sie sich mehr wünschen?

Als er jedoch jetzt in ihre geweiteten Augen schaute, musste er an ihre arglose Leidenschaft denken und wie aufrichtig sie sich über sein Werben gefreut hatte.

Auf gar keinen Fall, hatte er sich immer wieder versichert, erwartete sie, dass er sie liebte . Denn der alte Mann hatte ihm zu verstehen gegeben, dass seine Enkelin ihn heiraten würde, um ihm zu gefallen. Und Christo hatte angenommen, dass sie begriffen hatte, dass sich hinter dem schönen Schein eine Welt der Zweckmäßigkeit verbarg. Er heiratete sie, weil er daraus einen Vorteil zog.

Aber du hast es ihr nie wirklich gesagt, oder?

Rasch brachte er die kritische Stimme in seinem Kopf zum Schweigen.

Niemand, der ihn kannte, würde glauben, dass er von der kleinen Emma Piper überwältigt worden war.

Aber Emma kannte ihn nicht. Nicht wirklich.

Eine Sekunde empfand er Unschlüssigkeit. Überrascht stellte er fest, dass er sich schuldig fühlte.

Dann setzte sich sein logisches Denken durch. Sie hatte sich entschieden, ihn zu heiraten. Von Liebe hatte er nie gesprochen. Und nie hatte er ihr mehr versprochen, als er zu geben bereit war.

„Nichts entschuldigt, was du getan hast, Emma.“

„Versuch nicht, mir die Schuld anzuhängen, Christo. Du willst mich nicht einmal. Du würdest meine schöne und lebhafte Cousine vorziehen.“

Ging es also darum? Er schüttelte den Kopf. Er hätte wissen müssen, dass verletzte weibliche Eitelkeit im Spiel war.

Emma war so unschuldig, dass sie nicht begriff, wie ein Mann sich von einer Frau angezogen fühlen konnte, aber nicht auf diese Anziehung reagierte. Er war ein Mann der Vernunft, der sich aus vernünftigen Gründen für sie als seine Ehefrau entschieden hatte.

Aber da war noch mehr. Er schaute in die haselnussbraunen Augen, in denen nun ein Feuer brannte. Er spürte, wie ihm unter ihrem Blick langsam heiß wurde, wozu ihre reizende Figur ihren Teil beitrug. Auf einmal wurde ihm, zu seiner eigenen Überraschung, klar, dass er seine Frau begehrte.

Von ihr ging eine Lebendigkeit aus, eine Herausforderung, ein weibliches Mysterium, das ihn auf eine ganz urtümliche Weise ansprach. Verschwunden war das zarte und folgsame Mädchen, das sich so perfekt für seine Pläne geeignet hatte. Vor ihm stand eine richtige Frau. Stur, wütend und mit einer klaren Haltung. Und vor allem strahlte sie mehr Sex-Appeal aus, als er sich hätte vorstellen können.

„Ich habe dich geheiratet, Emma. Nicht deine Cousine. Dir habe ich meinen Namen geben, dir mein Versprechen gegeben.“ Wieso verstand sie nicht, was solche Dinge für ihn bedeuteten?

Aber Emma ließ sich nicht überzeugen. Sie schüttelte den Kopf, sodass ihr die nassen Haare über die Schultern flogen. Schillernde Wassertröpfchen lösten sich aus den Strähnen und bahnten sich ihren Weg über ihren Körper. Christos Blick folgte ihnen bis zu ihren aufgerichteten Brustknospen. Unvermittelt traf ihn eine weitere Woge der Lust. Es kostete ihn viel Kraft, gegen den Impuls anzukämpfen, die Arme nach Emma auszustrecken.

„Du gehörst mir“, knurrte er rau.

Emma versteifte sich und hob trotzig das Kinn. „Nicht mehr lange. Ich will die Scheidung.“

Den Teufel würde sie tun!

Nicht umsonst hatte er sehr sorgfältig alle Möglichkeiten geprüft. Und an den Gründen, weshalb er sie zur Frau brauchte, hatte sich nichts geändert.

Er brauchte sie, damit sie seine Junggesellenwohnung in ein richtiges Zuhause verwandelte. Er brauchte sie als Mutter für Anthea. Sie sollte ein stabiles und fürsorgliches Umfeld für das kleine Mädchen schaffen, das ihm bislang völlig fremd war und zu dem er noch keine Beziehung aufgebaut hatte.

Darüber hinaus hatten ihm die letzten Minuten eine interessante Erkenntnis beschert: Er begehrte seine Frau weitaus stärker, als er für möglich gehalten hatte. Dass er nun vollständig bekleidet hier stand, während sie nur einen winzigen Bikini und ein Stirnrunzeln trug, brachte ihn näher an den Rand seiner Selbstkontrolle, als er es seit Jahren erlebt hatte.

Und er würde seinen Hunger stillen.

Zu seinen Bedingungen.

„Beantrage, was du willst, Ehefrau .“ Er sah, wie sie bei dem Wort zusammenzuckte und schwor sich, dass sie eines Tages beim Klang seiner Stimme schnurren würde wie ein Kätzchen. „Aber bevor du das tust, rate ich dir, dich genau über die Konsequenzen zu informieren. Eine Scheidung ist keine Option.“

3. KAPITEL

Emma biss die Zähne zusammen.

Sie war es leid, dass Männer versuchten, über ihr Leben zu bestimmen. Aber zumindest hatte Papou aus Liebe gehandelt, nicht aus Egoismus. Eine solche Entschuldigung konnte Christo Karides nicht vorweisen. Bei dem Gedanken daran zog sich ihr geschundenes Herz schmerzhaft zusammen, aber sie weigerte sich, klein beizugeben.

Stattdessen beobachtete sie, wie ihr Ehemann sich umdrehte und ohne einen Blick zurück in Richtung Villa schlenderte.

Eigentlich hätte er in seinem maßgeschneiderten dunklen Anzug lächerlich und am Strand völlig deplatziert wirken sollen. Doch als sie nun seinen leichten Schritt beobachtete und die Kraft bemerkte, die seine breiten Schultern und muskulösen Beine zu durchströmen schien, spürte sie ein aufregendes Prickeln in sich aufsteigen.

Was für eine schreckliche Sache Verlangen doch war.

Als er die Klippe am hinteren Ende des Strandes umrundete und aus ihrem Sichtfeld verschwand, musste sie sich eingestehen, dass sie ihn noch immer begehrte. Im Gegensatz zu ihrem Vertrauen und ihren naiven Träumen war ihre Sehnsucht nicht verschwunden.

In Melbourne hatte sie sein langsames Werben als schmeichelnd empfunden und darin den Beweis für seinen Respekt für ihre Trauer gesehen. Zur selben Zeit hatte sie sich nach mehr als unschuldigen Berührungen gesehnt.

Jetzt vermischten sich Lust und Wut in ihrem Bauch. Heraus kam eine überwältigende Mischung aus Gefühlen und erotischem Verlangen. Sie wollte ihm wehtun, weil er sie verletzt hatte. Und gleichzeitig wollte sie …

Zähneknirschend zwang Emma sich, langsamer zu atmen.

Für wen hielt er sich? Glaubte er, er konnte entscheiden, dass eine Scheidung keine Option war?

Vielleicht war er ein großartiger Verhandlungsführer, der perfekte Lügner, der in ihr das leichte Opfer sah, aber er würde bald herausfinden, dass Emma Piper sich nicht so leicht überrumpeln ließ.

Eine Dreiviertelstunde später verließ Emma ihr Schlafzimmer und betrat den Salon mit dem herrlichen Blick auf das Meer.

Anstatt sich mit Duschen und Umziehen zu beeilen, hatte sie sich Zeit gelassen. Ideal wäre es gewesen, ein Kostüm zu tragen, das hätte streng und sachlich gewirkt. Aber ihr Koffer war für die Flitterwochen gepackt, deshalb befand sich darin keine förmliche Kleidung. Letzten Endes warf sie die Sorge über Bord, welchen Eindruck ihre Kleidung Christo vermitteln würde. Sie würde anziehen, was ihr gefiel.

Das Schwingen des meergrünen Rocks an ihren Beinen erinnerte sie an den Urlaub, den sie doch genießen sollte. Den sie genießen würde, sobald Christo wieder gefahren war. Dazu kombinierte sie flache Sandalen, die eher bequem als chic waren, und ein einfaches Top.

Ihr Haar jedoch fasste sie zu einem strengen Knoten zusammen und trug ein leichtes Make-up auf, weil sie das Gefühl hatte, eine kleine Rüstung für die bevorstehende Konfrontation gut gebrauchen zu können.

Emma öffnete die Tür und betrat den Salon.

Zu ihrer Überraschung telefonierte Christo nicht und marschierte auch nicht ungeduldig auf und ab. Stattdessen betrachtete er die Familienfotos, die ihre Großmutter über die Jahre hinweg gesammelt und aufgehängt hatte. Die meisten waren hier in Korfu aufgenommen worden, nur wenige in Australien.

Als er sie eintreten hörte, drehte Christo sich langsam um. Sein fesselnder Blick erweckte all die Gefühle, die sie verzweifelt zu unterdrücken versuchte, wieder zum Leben.

Nach einem Moment gelang es Emma, sich zu fangen. Sie brauchte sich nicht vor ihm zu verteidigen.

Sie wollte schon ansetzen und ihm einen Drink anbieten, doch sie überlegte es sich anders. Es ärgerte sie, dass ihre angeborene Höflichkeit sie dazu gebracht hatte, ihm überhaupt ein Angebot machen zu wollen. Stattdessen schlenderte sie zu einem gemütlichen Sessel und ließ sich hineinsinken.

„Wir müssen reden.“ Gut. Sie klang ruhig und entspannt.

Schweigend zog er eine Augenbraue hoch und musterte sie mit unnachahmlicher Arroganz. Wäre sie nicht darauf vorbereitet gewesen, wäre sie vermutlich zusammengezuckt.

„Oder, falls es dir lieber ist, können wir unsere Anwälte alles Weitere klären lassen.“

Zu Emmas Unmut machten ihre Worte überhaupt keinen Eindruck auf ihn. Mit gemessenen Schritten durchquerte er den Raum und baute sich vor ihr auf. Kurz fragte sie sich, ob es ein Fehler gewesen war, sich hinzusetzen. Doch bevor sie wieder aufstehen konnte, nahm er in einem Sessel neben ihr Platz.

Schweigend verfluchte sie seine Spielchen und wandte sich ihm zu, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Während der Bewegung rutschte ihr Rock hoch. Hastig schob sie ihn wieder hinunter und wünschte plötzlich, sie würde eine Jeans tragen.

All dies schien auf Christo überhaupt keinen Eindruck zu machen … bis sie das Feuer in seinen Augen sah. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass ihm jemand Kontra bot.

„Ich beantrage die Scheidung in Australien. Ich nehme an, das ist am einfachsten.“

„Das ist keine gute Idee, Emma.“

Sie runzelte die Stirn. „Ich kann nicht mit einem Mann verheiratet bleiben, den ich verachte.“

Einen Moment glaubte sie, etwas in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Etwas, das ihr einen kalten Schauer über den Rücken sandte.

Emma setzte sich aufrechter hin. Was kümmerte es sie, wenn er es nicht gewohnt war, die Wahrheit über sich selbst zu erfahren? Er hatte sich abstoßend benommen. Und sie hatte keine Lust, so zu tun, als sei es nicht passiert.

„Ich weiß, dass der Tod deines Großvaters dich tief getroffen hat. Ich bin bereit, auf eine Entschuldigung für dein Verhalten zu verzichten. Aber …“

„Eine Entschuldigung für mein Verhalten?“ Vor Empörung brachte sie die Worte kaum über die Lippen.

Zu ihrem Ärger nickte Christo bloß. „Einfach so am Tag der Hochzeit zu verschwinden, entspricht wohl kaum der feinen englischen Art.“

Sie starrte ihn an.

„Deine Tante und ich haben die Gäste überzeugt, dass alles ein bisschen viel für dich war. Deine Familie hat sehr verständnisvoll und mitfühlend reagiert.“

Emma öffnete den Mund, schloss ihn jedoch gleich wieder. Sie spürte, wie die Wut in ihrem Inneren immer mehr zunahm.

Das war einfach unglaublich!

„Du hast ihnen weisgemacht, ich hätte einen Zusammenbruch erlitten? Und sie haben dir geglaubt?“

Er zuckte die Schultern. „Was hätten sie sonst glauben sollen? Dein Koffer war weg, ebenso deine Handtasche und dein Pass.“ Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Als ob er sich sogar jetzt noch fragte, wie es ihr gelungen war zu entkommen.

„Als deine Tante deine unsinnige Nachricht erhalten hat, hat sie sich natürlich gewundert.“

Emma sprang auf. „Die war nicht unsinnig. Ich habe ihr erklärt, dass ich Zeit zum Nachdenken brauche.“

Christo zog lediglich eine schwarze Augenbraue hoch, bevor er sich gelassen im Sessel zurücklehnte. „Genau. Welche vernünftige Frau würde sich so verhalten, wenn sie eine fürsorgliche Familie und einen frisch angetrauten Ehemann hat, mit dem sie all ihre Probleme teilen könnte?“

„Außer wenn du das Problem bist!“ Emma hörte, wie sich ein schriller Unterton in ihre Stimme schlich. Verärgert wandte sie sich ab und schlenderte zum Fenster hinüber.

Der Ausblick über den privaten Strand und das blaue Meer trug jedoch nichts dazu bei, ihre Wut zu verringern. Niemand, nicht einmal Papou in seinen schlimmsten Momenten, hatte ihr so zugesetzt wie dieser Mann. War sie jemals so zornig gewesen?

„Wir verschwenden nur Zeit. Was getan ist, ist getan.“ Es war Zeit, sich neuen Dingen zuzuwenden.

„Da stimme ich dir zu.“ Doch die Art und Weise, wie Christo sie musterte, wie eine Katze ein Mauseloch, warnte sie, dass der nächste Schritt nicht so einfach werden würde.

„Es liegt in unser beider Interesse, die Angelegenheit so schnell wie möglich zu beenden“, begann sie. „Weißt du, ob eine Annullierung zügiger vonstattengeht?“

„Hältst du mich für einen Experten für nicht vollzogene Ehen?“ Zum ersten Mal sah Emma in Christos seltsam ruhigem Blick Verärgerung aufblitzen. Glaubte er, sie stelle seine Männlichkeit infrage, indem sie eine Annullierung erwähnte? Andererseits würde sie das nicht überraschen. „Aber ich kann dir sagen, dass es ein Fehler wäre.“

„Inwiefern?“

„Weil ich mich weigere, eine in Betracht zu ziehen. Kannst du dir vorstellen, was die Presse mit uns macht, wenn das publik wird?“

„Ehrlich gesagt interessiert mich das nicht. Alles, was ich will, ist, dich los zu sein.“

Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Unverwandt musterte er ihr Gesicht. Emma verschränkte die Arme vor der Brust und hielt seinem Blick stand.

„Bislang war dein Leben sehr behütet. Du hast keine Ahnung, was die Medien bei einer Person anrichten können, die in der Öffentlichkeit steht.“

Damit hatte er recht. Emma hatte Artikel über ihn gelesen, wie er sich allen Widrigkeiten widersetzt hatte, als die griechische Wirtschaft ins Taumeln geraten war. Und natürlich auch Berichte über sein Privatleben und all die wunderschönen Frauen an seiner Seite.

Sie zuckte die Schultern. „Das schaffe ich schon. Hauptsache, diese Ehe findet ein rasches Ende.“

„Glaubst du wirklich, du kommst mit den Paparazzi zurecht, wenn sie einmal anfangen, vor deiner Tür zu campen? Wenn sie dich verfolgen, wo auch immer du hingehst. Wenn sie irgendeinen Schmutz ausgraben …“

„Es gibt keinen Schmutz über mich!“ Über sie nicht, aber welche Geheimnisse mochte Christo hüten?

„Dann erfinden sie etwas. Journalisten sind gut darin.“ Er schwieg einen Moment. „Es sei denn, du besitzt die Macht, sie in Schach zu halten. Wie ich.“

Das Bild, das er zeichnete, ließ sie erschauern: Fotografen, die sie jagten, skurrile Geschichten in Boulevardzeitungen, Freunde und Familie, die mit Interviewanfragen genervt wurden.

„Wenn keine Annullierung, dann eine Scheidung.“

„Man würde dich trotzdem verfolgen.“

Trotzig hob Emma das Kinn. „Vielleicht verkaufe ich meine Geschichte höchstpersönlich an die Presse. Hast du daran schon mal gedacht? Ich könnte eine Menge Geld verdienen, und anschließend würde man mich in Ruhe lassen.“

Eine Sekunde glaubte sie, er würde aufspringen. Sie sah, wie das Blut heftiger an seinen Schläfen pulsierte und den zu einer schmalen Linie zusammengepressten Mund. Da wusste sie, dass Christo Karides solchen Widerstand nicht gewohnt war. Taten die Menschen immer, was er von ihnen verlangte? Dann war es Zeit, dass jemand das änderte. Sie empfand Befriedigung bei dem Gedanken, dass sie diejenige war, die seine Pläne durchkreuzte.

„Netter Versuch, Emma, aber das würdest du nicht tun.“

„Du denkst, du kennst mich?“ Sie atmete scharf ein und versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu kontrollieren. „Du hast keine Ahnung, wer ich wirklich bin. Das wusstest du nie.“

Eine Ewigkeit – so kam es ihr vor – beobachtete er sie stumm. „Ich weiß, dass du ein sehr zurückhaltender Mensch bist. Du trägst dein Herz nicht auf der Zunge.“ Er schwieg, und sie fragte sich, ob ihm bewusst war, dass er Salz in ihre Wunden rieb.

Denn sie hatte ihr Herz auf der Zunge getragen. Sie war leichtgläubig gewesen und hatte das Unglaubliche für möglich gehalten: dass der gut aussehende und charmante Christo Karides, dem die ganze Welt zu Füßen lag, sich tatsächlich für die schüchterne Emma Piper interessierte.

Sie wandte sich um, trat wieder ans Fenster hinüber und täuschte Interesse an der Aussicht vor. Das gab ihr Zeit, sich dem Schmerz zu stellen, den seine Worte in ihr ausgelöst hatten.

Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Als Christo wieder sprach, hatte seine Stimme jenen leichten, fast amüsierten Klang verloren. „Ich meine damit, du besitzt zu viel Stolz und Integrität, um etwas so Persönliches an die Medien zu verkaufen.“

Hatte er ihr ein Kompliment gemacht? Angestrengt starrte Emma auf das blaue Meer hinaus, das in der Sonne glitzerte. Zu spät, sagte sie sich. Viel zu spät und viel zu wenig.

„Das Problem mit der Presse werde ich lösen, wenn es so weit ist. Im Moment ist es mir am wichtigsten, so schnell wie möglich die Scheidung zu erreichen.“

„Das wird nicht passieren, Emma.“

Hörte sie da Mitleid in seiner Stimme?

Die Alarmglocken in ihrem Kopf begannen zu schrillen. Sie drehte sich um und stellte erleichtert fest, dass ihre Einschätzung falsch war. In seiner Miene lag Ungeduld – sonst nichts.

„Du kannst den Prozess hinauszögern, aber nicht aufhalten.“ So viel wusste sie.

„Du bist meine Ehefrau. Wir haben uns Versprechen gegeben …“

„Versprechen, die dir überhaupt nichts bedeutet haben!“

„Ich habe geschworen, dich zu achten, zu ehren und mich um dich zu kümmern.“ Nie hatte er stolzer und entschlossener ausgesehen als in diesem Augenblick. „Und genau das beabsichtige ich zu tun. Dieses Missverständnis …“

„Es gibt kein Missverständnis. Du hast mich wegen einer Immobilie geheiratet. Und um eine Pflegekraft für dein Kind zu bekommen.“ Noch einmal holte sie tief Luft. „Du allein bist für dein Baby verantwortlich. Du und deine Geliebte.“

Ein Bild entstand vor ihrem inneren Auge, das sie schon oft heraufbeschworen hatte: Christo, der nackt im Bett lag. Doch diesmal galt sein einladendes Lächeln nicht ihr, sondern einer anderen Frau. Dann küsste er sie und …

Emma verbannte das Bild und ignorierte den schalen Geschmack auf ihrer Zunge, der vielleicht, wenn sie genauer darüber nachdachte, Eifersucht sein könnte.

„Ihr müsst euch zusammen um das Baby kümmern“, sagte sie rau. „Nicht es jemand anders aufhalsen.“

In was für einer Welt lebte dieser Mann? Ganz offensichtlich unterschied sie sich gewaltig von ihrer, in der Familie und Freunde alles bedeuteten.

Plötzlich bemerkte sie, dass er aufgestanden war und auf sie zukam. Emma schluckte, wich jedoch nicht zurück.

Zum Glück blieb er mehrere Schritte von ihr entfernt stehen. Trotzdem atmete sie den Duft seines Aftershaves ein – eine betörende Mischung aus Zeder, Gewürzen, Leder und warmer Männerhaut.

„Es ist nicht mein Kind.“ Seine Stimme klang seidenweich, doch sie hörte den wütenden Unterton. „So unvorsichtig hätte ich mich nie verhalten.“

Nein, wurde ihr klar, Christo war umsichtig und berechnend. Er plante alles. Sogar die Auswahl einer geeigneten Braut erfolgte ohne Sentimentalitäten und echte Gefühle.

„Und es ist kein Baby, sondern ein dreijähriges Mädchen. Die Tochter meiner Stiefschwester. Sie ist kürzlich verstorben.“

„Das tut mir leid.“ Emma spürte, wie ihre weiche Seite die Oberhand gewann. Mit Verlusten kannte sie sich aus. Sie wusste, wie schwer es war, aufzustehen und weiterzumachen, wenn alles so schwarz und leer erschien.

War es möglich, dass Christo sich so seltsam verhielt, weil er so tief trauerte? Konnte das erklären …?

Nein. Ein Blick in sein hartes Gesicht reichte, um sie eines Besseren zu belehren. Ihre erste Vermutung war doch richtig. Christo handelte völlig gefühllos. Er war ein Intrigant, der jeden seiner Schritte plante.

„Ich kannte sie kaum. Vor Jahren habe ich sie ein einziges Mal getroffen.“

„Und doch bist du für ihr Kind verantwortlich?“ Das ergab keinen Sinn.

Er zuckte die Schultern. „Außer mir ist keiner da.“

Es lag Emma auf der Zunge zu sagen, dass das nicht sein konnte, denn kein vernünftiger Mensch würde sein Kind einem Mann wie ihm anvertrauen. Doch sie hielt sich zurück und dachte über seine Worte nach. Es ist keiner da. Es stimmte: Er war ein Einzelkind und seine Eltern waren schon gestorben.

„Was ist mit dem Vater?“

„Wenn sie ihn kannte, hat sie ihn nie verraten. Niemand wird kommen und das Mädchen beanspruchen.“

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