Sizilianisches Spiel mit dem Feuer

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Heiß knistert es zwischen Carolena und Kronprinz Valentino, als sie sich zum ersten Mal am Pool des Palastes begegnen. Und in einer lauen sizilianischen Nacht zieht der Prinz sie in seine Arme und küsst sie leidenschaftlich. Dabei ist er doch mit einer anderen verlobt …


  • Erscheinungstag 28.07.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515177
  • Seitenanzahl 140
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Als Carolena Baretti aus der Limousine stieg, sah sie, wie ihre beste Freundin Abby schon die Gangway zum fürstlichen Jet hinaufstieg. Oben angekommen, drehte Abby sich um und winkte ihr zu.

„Gut, dass du da bist!“, rief sie, wobei sie ihren quirligen kleinen Sohn fest an sich drückte.

Der acht Monate alte Prinz Maximiliano war mit seinen schwarzen Locken ein Abbild seines Vaters, Kronprinz Vincenzo Di Laurentis von Arancia. Max, wie ihn seine Eltern liebevoll nannten, kam jetzt in das Alter, in dem er sich für alles interessierte, und da Carolena zudem von Abby wusste, dass er zahnte, hatte sie einige Beißringe in leuchtenden Farben für ihn gekauft, die ihn auf dem Flug nach Gemelli hoffentlich beschäftigen würden.

Ein dienstbeflissener Steward nahm Carolena das Gepäck ab, als sie den luxuriösen Privatjet betrat. Auf einem der Ledersitze war ein Kindersitz für den kleinen Prinzen festgeschnallt, und Abby bemühte sich gerade, ihren zappelnden Sohn darin anzugurten.

„Vielleicht hilft das ja ein wenig.“ Carolena zog einen blauen Beißring aus ihrer Tasche und hielt ihn Max hin. „Na, wie gefällt dir das, mein Süßer?“

Max griff sofort nach dem neuen Spielzeug und schob es in den Mund, um es ausgiebig zu testen. Die beiden Frauen lachten, und Abby drückte Carolena an sich.

„Danke! Jede Ablenkung ist willkommen. Im Moment hält er eigentlich nur still, wenn er schläft. Willkommen an Bord. Ich weiß, dass es eine schwierige Zeit für dich ist, aber ich bin umso froher, dass du dich entschieden hast, auf diesen kurzen Trip nach Gemelli mitzukommen. Vincenzo und Valentino haben sehr viel Geschäftliches zu besprechen, und Königin Bianca wird sich ganz ihrem Enkel widmen, sodass wir Zeit für uns haben werden.“

„Wenn Max lächelt, erinnerte er sehr an Michelina. Das wird die Königin freuen.“

„Ja, sie ist ganz verrückt nach ihm. Kaum zu glauben, dass sie ursprünglich wegen der Schwangerschaft so aufgebracht war. Auch mir gegenüber ist sie jetzt viel herzlicher.“

„Gott sei Dank, Abby.“

Carolena konnte nur ahnen, wie schwer es für ihre Freundin gewesen sein musste. Abigail Loretto hatte sich als Leihmutter zur Verfügung gestellt, um ein Baby ihrer fürstlichen Hoheiten Kronprinz Vincenzo und Prinzessin Michelina auszutragen. Niemand hatte wissen können, dass Michelina kurz nach dem erfolgreichen Transfer bei einem tragischen Reitunfall ums Leben kommen würde, was Abby und Vincenzo auf eine harte Probe stellte.

Voller Bewunderung hatte Carolena miterlebt, wie die beiden nicht nur sämtlichen Anfeindungen und Stürmen trotzten, sondern sich auch unsterblich ineinander verliebten und schließlich nach der Geburt von Max heirateten, den Abby genauso als ihren Sohn betrachtete, wie er immer Michelinas Sohn sein würde. Carolena freute sich mit ihrer Freundin über deren glückliche, kleine Familie und war froh und dankbar, dass Abby sie zu diesem Kurzurlaub auf Gemelli eingeladen hatte.

Heute war der vierte Juni, ein Datum, dessen Wiederkehr sie in den vergangenen sieben Jahren regelmäßig fürchtete, war es doch der Todestag ihres Verlobten Berto. Berto war ihre erste große Liebe gewesen, die viel zu früh ein tragisches Ende erfuhr … wofür Carolena sich die Schuld gab.

Hatte ihre geliebte, inzwischen leider verstorbene Großmutter sie nicht immer gewarnt, dass sie zu viel Energie besaß, als für sie gut sein konnte? Du stürmst voran, ohne an die Konsequenzen für andere zu denken. Was wahrscheinlich daran liegt, dass du deine Eltern so früh verloren hast. Irgendwann wirst du deinen Eigensinn teuer bezahlen müssen.

Carolena blinzelte gegen Tränen an. Wie Recht ihre Großmutter doch gehabt hatte!

Bertos Tod hatte eine entscheidende Veränderung in ihr bewirkt. Danach hatte sie – außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit als Anwältin – nie wieder die Verantwortung für einen andern Menschen übernommen. Ihre Beziehungen zu Männern beschränkte sie bewusst auf kurze, oberflächliche Bekanntschaften. Sie wollte niemandem verpflichtet sein, kein Mensch sollte in irgendeine Weise von ihr abhängen. Dann konnte durch ihr Handeln auch niemand verletzt werden. Nach sieben Jahren war ihr diese Lebenseinstellung zur Gewohnheit geworden.

Die gute Abby hatte natürlich gewusst, dass sich das ominöse Datum wieder jährte, und sie ganz bewusst zu diesem kleinen Trip eingeladen, um sie von ihren trübsinnigen Gedanken abzulenken. Es waren dieses Einfühlungsvermögen und diese Großherzigkeit, die Carolena vor allem an ihrer Freundin liebte.

Gerade als Carolena sich in ihrem Sitz anschnallte, betrat, umgeben von mehreren Leibwächtern, Kronprinz Vincenzo die Maschine. Er begrüßte seine Frau und seinen Sohn mit einem liebevollen Kuss, ehe er Carolena freundschaftlich umarmte.

„Wie schön, dass du mitkommst! Gemelli wird dir gefallen.“

„Ganz bestimmt. Und nochmals vielen Dank für die Einladung, Vincenzo.“

„Keine Ursache. Aber wir sollten jetzt sehen, dass wir loskommen, denn ich habe Valentino gesagt, dass wir Mitte des Nachmittags eintreffen würden.“

Kurz darauf hoben sie ab in den strahlend blauen und wolkenlosen Himmel über dem kleinen Fürstentum Arancia, das so malerisch eingebettet zwischen Frankreich und Italien an der Riviera lag. Sie flogen in südlicher Richtung, und Carolena beobachtete aus ihrem Fenster, wie sie die Küste allmählich hinter sich ließen, während Vincenzo nur noch Augen für Abby und seinen kleinen Sohn hatte. So sehr Carolena ihrer Freundin das Familienidyll gönnte, versetzte es ihr auch einen Stich, es so aus der Nähe zu beobachten. In Augenblicken wie diesen fühlte sie sich mit ihren siebenundzwanzig Jahren plötzlich unvergleichlich alt und einsam.

Glücklicherweise hatte Abby ihr zum Zeitvertreib während des Fluges eine DVD gegeben aus der Sammlung ihrer viel zu früh verstorbenen Mutter, die ein großer Fan alter Filme gewesen war: „Insel der zornigen Götter“, ein Südseeabenteuer aus den fünfziger Jahren mit dem jungen Louis Jourdan über einen Franzosen, der sich auf einer Reise nach Polynesien in eine junge Eingeborene verliebt. Als dann der Vulkan auf der Insel ausbricht, wird das Mädchen geopfert, indem es in den brodelnden Krater springt, um die Götter zu beschwichtigen.

Eine passende Auswahl, dachte Carolena, als sie im Anflug auf Gemelli Sizilien überflogen und sie die Rauchschwaden erblickte, die aus dem Ätna emporstiegen. Bei der Vorstellung, er könnte ausbrechen, jagte ihr ein Schauer über den Rücken.

Der Hubschrauber entfernte sich von der Fumarole am Hang des Bocca Nuova. Nachdem das Wissenschaftlerteam die neue Dampfaustrittsstelle im Sattel des jüngsten Gipfelkraters des Ätnas eingehend begutachtet hatte, wurden die Videoaufnahmen und seismischen Aufzeichnungen übermittelt, ehe man zum Labor des Nationalen Zentrums für Geophysik und Vulkanologie in Catania an der Ostküste Siziliens zurückflog. Auf dem Flug hörten die drei Männer das Rumpeln der Explosionen tief im nordöstlichen Krater, doch es gab keinen Anlass zur Beunruhigung, geschweige denn für Evakuierungsmaßnahmen.

Kaum gelandet, verabschiedete sich Kronprinz Valentino von seinen beiden Kollegen und eilte zu dem bereitstehenden Königlichen Hubschrauber, der ihn das kurze Stück hinüber nach Gemelli im Ionischen Meer bringen sollte. Die Rückkehr seines Teams hatte sich unvorhergesehenerweise verspätet, aber die sorgfältigen Studien waren erforderlich gewesen, um aussagekräftige Daten zu erhalten. Sein Schwager, Kronprinz Vincenzo Di Laurentis, würde mit seiner zweiten Frau Abby und seinem Sohn Max bereits seit einigen Stunden im Palast auf ihn warten. Valentino freute sich ehrlich auf den Besuch aus Arancia, der einige Tage bleiben würde.

Vincenzo und er waren entfernte Cousins und schon seit Jahren Partner im Exportgeschäft, aber durch Vincenzos erste Heirat mit Michelina, Valentinos einziger Schwester, waren sie fast wie Brüder geworden. Michelinas unerwarteter Tod bei einem tragischen Reitunfall im Jahr zuvor hatte ihm einen der wenigen Menschen genommen, denen er sich anvertrauen konnte. Zumal sich sein jüngerer Bruder Vito für eine Karriere beim Militär entschieden hatte und kaum im Palast weilte, und seine Mutter, Königin Bianca, als Regentin von Gemelli ganz von ihren Regierungsgeschäften vereinnahmt wurde. Ein kleiner Freundeskreis, mit dem er seine spärlich bemessene Freizeit verbrachte, sowie gelegentlich die eine oder andere diskrete Affäre boten keinen ausreichenden Ersatz.

Umso mehr freute er sich auf das Wiedersehen mit Vincenzo, und eilte auf schnellstem Weg in den Palast, sobald der Hubschrauber ihn im Park auf der Rückseite des barocken Prachtbaus aus dem sechzehnten Jahrhundert absetzte. Als er in der Nähe des Swimmingpools eine Abkürzung wählte, um zu seiner Suite im Ostflügel zu gelangen, nahm er aus dem Augenwinkel etwas wahr, das ihn veranlasste, wie angewurzelt stehen zu bleiben. Auf der Spitze des Sprungbretts, zum Absprung bereit, stand eine hinreißend schöne Frau, bekleidet mit einem tief ausgeschnittenen purpurroten Badeanzug, so sündhaft sexy, dass es ihm buchstäblich den Atem verschlug.

Im nächsten Moment tauchte sie anmutig und gekonnt ins Wasser ein, aber der kurze Augenblick hatte genügt, um Valentino die Fumarole am feurigen Ätna vergessen zu lassen und stattdessen am Beckenrand dem Wellenschlag dieser schlanken Beine zu folgen. Als sie am anderen Ende wieder auftauchte, hockte er sich hin, um sie zu begrüßen. Von Nahem war sie sogar noch betörender: Langes schwarzes Haar fiel ihr in einem dicken, glänzenden Zopf über die eine Schulter, grüne Augen funkelten, und der sinnliche Mund wirkte wie ein heißes Versprechen.

„Oh … Eure Hoheit! Ich dachte, ich wäre allein.“

Sie konnten sich unmöglich schon einmal begegnet sein, denn das hätte er ganz bestimmt nicht vergessen. Mit einem raschen Blick stellte er fest, dass sie keinen Ring trug. „Anscheinend sind Sie mir gegenüber im Vorteil, Signorina …?“ Fasziniert beobachtete er, wie sie fast schüchtern die Arme vor ihrem reizvollen Dekolleté verschränkte.

„Carolena Baretti. Ich bin Abby Lorettos Freundin.“

Diese Traumfrau war Abbys beste Freundin? Valentino hatte Abby schon oft von ihr erzählen hören, aber Vincenzo hatte ihn mit keinem Wort vorgewarnt. Dabei wusste Valentino, dass sein Schwager keineswegs blind war, was schöne Frauen betraf. Nun gut, er hatte jedenfalls nichts dagegen, dass Vincenzo und Abby unangemeldet diesen Gast mitgebracht hatten. Überhaupt nicht.

„Wann sind Sie angekommen?“

„Um zwei. Im Moment kümmert sich Königin Bianca um Max, während sich Abby und Vincenzo zu einem Nickerchen hingelegt haben.“

Nickerchen? Nannte man das jetzt so? Valentino verkniff sich ein Lächeln.

„Und ich dachte, ich nutze die Zeit, um schwimmen zu gehen. Die Luft ist so wunderbar mild.“

Er nickte. „Meine Arbeit hat mich länger in Anspruch genommen, als ich dachte, deshalb konnte ich bei Ihrer Ankunft nicht hier sein. Aber für heute Abend hatte ich ein Essen im privaten Kreis geplant. Sagen wir, in einer halben Stunde? Ich schicke Ihnen jemanden, um Sie abzuholen, ja?“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen. Aber ich möchte nicht stören. Deshalb habe ich schon eine Kleinigkeit gegessen, und werde den Abend hier draußen allein am Pool genießen, wie ich es mir vorgenommen hatte.“

Anscheinend meinte sie es wirklich ernst und zierte sich nicht nur, wie es die Frauen, die er kannte, meist taten. Das weckte natürlich erst recht sein Interesse. „Als Vincenzos und Abbys Freundin sind Sie selbstverständlich auch eingeladen.“ Er lächelte gewinnend. „Davon abgesehen, ist mir eine Störung wie diese immer willkommen. Ich bestehe darauf, dass Sie mit uns essen.“

„Danke“, sagte sie schlicht. „Darf ich die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen mein Mitgefühl zum Tod von Prinzessin Michelina auszudrücken? Es muss für Ihre Familie ein schrecklicher Verlust sein. Die Ähnlichkeit mit Ihrer Schwester ist bei Ihnen ebenso unverkennbar wie bei Michelinas Sohn. Sicher ist der kleine Max für Sie alle und vor allem für Königin Bianca ein großer Trost.“

Die Tatsache, dass sie seit Jahren Abbys engste Vertraute war, ließen ihre freundlichen Worte umso aufrichtiger klingen, was Valentino noch mehr für sie einnahm. „Ja, ich freue mich darauf, ihn wiederzusehen. Bestimmt ist er schon wieder um einen Kopf gewachsen.“

Ein bezauberndes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Nun, vielleicht nicht ganz so viel, aber als Sohn von Prinz Vincenzo wird er sicher einmal ein großer Mann werden.“

„Das denke ich auch. A presto, signorina.

Carolena blickte ihm nach, wie er durch die Terrassentüren im Schloss verschwand. Kronprinz Valentino war zweifellos ein großer Mann, von Statur und Ausstrahlung. Ihr Herz klopfte jedenfalls immer noch heftig, nachdem er längst gegangen war.

Natürlich hatte sie den Kronprinzen von Gemelli sofort erkannt, als sie am Ende des Pools aufgetaucht war und sich ihm so überraschend gegenüber gesehen hatte. Nicht zuletzt war im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Prinzessin Michelinas Beerdigung auch sein Bild oft genug im Fernsehen und in den Zeitungen zu sehen gewesen. Tief in Trauer hatte er an der Seite seiner Mutter, Königin Bianca, und seiner Bruders, Prinz Vito, bei der Beerdigung in der schwarz-goldenen Staatskutsche gesessen.

Erst kürzlich war er von einer Zeitschrift zum begehrtesten royalen Junggesellen der Welt gewählt worden, und wenn man den Klatschspalten glauben wollte, war er, was Frauen betraf, kein Kostverächter. Carolena konnte es sich gut vorstellen, denn sie spürte jetzt noch seinen heißen, bewundernden Blick auf ihrem spärlich bekleideten Körper. Allerdings spiegelte kein Foto auch nur annähernd wider, wie gut er wirklich aussah: das klare Blau seiner faszinierenden Augen, der dichte Schopf dunkelblonden Haares, das die letzten Strahlen der Abendsonne in goldenes Licht tauchten, die markanten Züge, die an sein sizilianisches Erbe erinnerten.

Ja, Kronprinz Valentino war ein umwerfend attraktiver Mann, auch wenn er keine Staatsuniform, sondern wie eben Jeans und ein weißes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln trug. Im Gegenteil, das brachte seine athletische Statur nur noch mehr zur Geltung. Er hatte von seiner Arbeit gesprochen – was immer die war, er hatte sich dabei schmutzig gemacht. Interessiert hatte Carolena die rußigen Striemen auf seiner Kleidung, seinen muskulösen Unterarmen, ja sogar in seinem Gesicht bemerkt, was ihn noch männlicher wirken ließ. Jedenfalls kein verweichlichter High-Society-Prinz.

Dennoch überraschte es Carolena, wie intensiv sie auf ihn reagiert hatte. In ihrem Beruf als Anwältin für eine exklusive, internationale Wirtschaftskanzlei lernte sie viele interessante, reiche und einflussreiche Männer kennen, doch bislang hatte kein Mann eine derart tiefgreifende Wirkung auf sie ausgeübt, nicht einmal Berto, mit dem sie seit Kindertagen befreundet gewesen war, bevor sie sich ineinander verliebt hatten.

Abendessen in einer halben Stunde, hatte der Prinz gesagt. Obwohl sie eigentlich nicht vorgehabt hatte, den dreien an diesem Abend Gesellschaft zu leisten, wollte sie Valentino nicht verärgern, indem sie seine beharrliche Einladung ignorierte. Was hieß, dass sie sich beeilen musste.

Zurück in ihrer Suite, duschte sie rasch, frottierte sich das lange Haar, so gut es ging, trocken und steckte es mit einem bernsteinfarbenen Schmuckkamm hoch. Ein Hauch von Make-up musste genügen. Ohne lange zu überlegen, zog sie ein Wickelkleid im Leoparden-Print an, das ihre Figur reizvoll umschmeichelte. Dazu wählte sie Ohrhänger und eine Goldkette mit glitzernden bernsteinfarbenen Steinen sowie farblich passende Designer-Sandaletten.

Da die Kanzlei in Arancia, für die auch Abby bis zu ihrem Mutterschutz gearbeitet hatte, einen sehr gehobenen Klientenkreis bediente, wurde selbstverständlich erwartet, dass sich die Anwälte und Anwältinnen entsprechend elegant und ausgesucht kleideten. Nach mehr als zwei Jahren in der Kanzlei und bei einer mehr als großzügigen Vergütung besaß Carolena eine Garderobe voller Designermodelle und brauchte sich deshalb keine Sorgen zu machen, für ein Abendessen mit dem Kronprinzen von Gemelli nicht angemessen gekleidet zu sein.

Keine Sekunde zu früh war sie fertig, da klopfte es auch schon an der Tür. In Erwartung des angekündigten Bediensteten, war sie völlig überrascht, als sie sich erneut dem Prinzen gegenübersah, diesmal lässig elegant bekleidet mit einem anthrazit-braun gemusterten Sporthemd und einer sandfarbenen Hose. Anscheinend hatte er befürchtet, dass sie vielleicht doch nicht kommen würde, wenn er sich nicht persönlich vergewisserte.

Eine schnelle Dusche hatte sämtliche Spuren von Schmutz abgewaschen. Carolena atmete den Duft seines teuren Aftershaves ein und hatte Mühe, ihr pochendes Herz zu beruhigen.

„Eure Hoheit … jetzt haben Sie mich an diesem Abend schon das zweite Mal überrascht.“

Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Es sind diese kleinen Überraschungen, die das Leben erst richtig interessant machen, finden Sie nicht?“

„Ja, allerdings kommt es auf die Art der Überraschungen an.“

„Speziell dieser konnte ich einfach nicht widerstehen.“

Hatte es ihn verärgert, dass sie seine Einladung ursprünglich abgelehnt hatte? „Ich fühle mich geehrt, dass mich der Prinz persönlich zu Tisch geleitet.“

„Und? War das wirklich so schwer auszusprechen?“ Sein Augenzwinkern entlockte ihr ein Lächeln. „Da ich sehr hungrig bin, hielt ich es für den schnellsten Weg, Sie selber abzuholen, und, ehrlich gesagt, ich bin froh, dass Sie schon fertig sind.“

„Dann wollen wir keine Zeit mehr vertrödeln.“

„Abby und Vincenzo sind sogar schon im Speisezimmer, wie ich im Vorbeigehen gesehen habe. Allerdings haben sie mich überhaupt nicht bemerkt. Ich dachte immer, Flitterwochen dauern ein oder zwei Wochen. Aber acht Monate?“

Carolena lachte. „Ich verstehe, was Sie meinen. Auf dem Flug hatten sie auch nur Augen füreinander.“

„So sollte Liebe sein. Aber man findet sie nur selten.“

„Ja“, pflichtete sie ihm bei. Valentino wusste genauso gut wie sie, dass die Ehe zwischen Vincenzo und Michelina keine Liebesheirat gewesen war.

Carolena folgte ihm durch lange Korridore, deren Wände kostbare Gobelins und Gemälde zierten, zu einer massiven Doppeltür, an der ein Bediensteter Wache stand. Von hier aus gelangte man direkt nach draußen.

„Wir nehmen die Abkürzung durch den Park in den anderen Flügel. Das ist viel schneller.“

Nicht zum ersten Mal dachte Carolena, wie wunderbar locker und unverkrampft der Prinz war, sodass sie sich in seiner Gesellschaft auf Anhieb wohlfühlte.

„Der Park ist wirklich wunderschön.“ Sie blickte sich bewundernd um. „Und ich habe auch noch nie ein so prachtvolles barockes Schloss gesehen.“

Valentino nickte. „Mein Bruder Vito und ich haben es früher immer den ‚Putten-Palast‘ genannt, wegen der unzähligen geflügelten Cherubinen, die die Balkone stützen. Zum Schrecken meiner Mutter haben wir uns oft einen Spaß daraus gemacht, ihnen schwarze Schnurrbärte anzumalen. Als Strafe verbrachten wir dann Stunden damit, sie wieder abzuschrubben.“

Carolena lachte. „Wenn ich das Abby erzähle, wird sie Albträume darüber bekommen, was ihr mit Max noch so alles bevorsteht.“

„Ach, bis dahin vergeht noch viel Zeit.“ Valentinos blaue Augen blitzten übermütig. Carolena zweifelte keinen Moment, dass er seinen Eltern einiges zugemutet hatte.

Wieder durch eine bewachte Doppeltür gelangten sie in den gegenüberliegenden Flügel des Schlosses. Als Valentino ihr die Tür aufhielt, streifte Carolena flüchtig seinen Arm, und sofort fühlte sie sich wie elektrisiert. Sei nicht kindisch! ermahnte sie sich energisch. Es musste daran liegen, dass sie noch nie einem echten Prinzen so nahe gekommen war – Vincenzo ausgenommen, und der zählte natürlich nicht in diesem Sinn.

Wie Valentino schon beschrieben hatte, saßen Abby und Vincenzo einander zugeneigt im Speisezimmer und hatten nur Augen für sich. Gerade als Valentino und Carolena eintraten, küssten sie sich zärtlich, und die goldgerahmten Rokoko-Spiegel an den Wänden ringsum spiegelten das Bild des royalen Liebespaares wider.

Valentino räusperte sich vernehmlich. „Sollen wir lieber später noch einmal wiederkommen?“, fragte er amüsiert, während er Carolena einen Stuhl zurechtrückte.

Die beiden fuhren auseinander. Abby errötete heftig, Vincenzo aber sprang auf und umarmte Valentino herzlich.

„Wie gut, dich zu sehen.“

„Ich freue mich auch. Tut mir leid, dass ich nicht da war, um euch zu empfangen, aber ich konnte einfach nicht früher von meiner Arbeit weg.“

„Dafür habe ich jedes Verständnis. Ach ja, wie du schon bemerkt hast, haben wir uns erlaubt, Carolena mitzubringen. Darf ich vorstellen?“

Valentino warf ihr einen vielsagenden Blick zu. „Wir haben uns bereits am Swimmingpool bekannt gemacht.“

Carolena tauschte rasch einen Blick mit Abby, die Valentino nun ebenfalls mit einer freundschaftlichen Umarmung begrüßte, bevor er neben Carolena am Tisch Platz nahm.

Entsprechend Valentinos Anweisung brauchten sie nicht lange auf das Essen zu warten. Es gab arancini, frittierte Reiskroketten gefüllt mit Pistazienpesto, gefolgt von spaghetti alle vongole, Spaghetti mit Venusmuscheln, und als Hauptgang Krabben an Auberginengemüse. Dazu wurde Weißwein aus den Weingärten des Palasts gereicht.

„Das Essen war wirklich ein Gedicht. Aber ich fürchte, auf das Dessert muss ich verzichten“, meinte Carolena schließlich und seufzte zufrieden. „Wenn ich hier lange leben würde, sähe ich bestimmt bald wie eines dieser kugelrunden sizilianischen Felsenrebhühner aus und könnte mich nicht mehr rühren.“

Die beiden Männer brachen in lautes Lachen aus, bevor sie sich mit großem Appetit ihrem Dessert widmeten.

Carolena sah Abby fragend an. „Was habe ich so Komisches gesagt?“

„Du denkst einfach genau wie meine Frau“, antwortete Vincenzo. „Als sie schwanger war, redete sie ständig davon, bald wie ein gestrandeter Wal auszusehen.“

„Wir Frauen haben eben unsere Ängste“, verteidigte sich Abby.

„Allerdings“, pflichtete Carolena ihr bei.

Valentino warf ihr einen bewundernden Blick zu. „So wie ich Sie vorhin in diesem aufregenden purpurroten Badeanzug gesehen habe, wage ich zu behaupten, dass Sie in der Hinsicht kein Problem haben werden.“

Carolena errötete tief. Sie hatte sich besagten Badeanzug aus einer Laune heraus gegönnt und in der vollen Absicht, ihn nie in Gesellschaft zu tragen. Am Pool hatte sie geglaubt, allein zu sein … „Danke. Ich hoffe, Sie haben recht, Eure Hoheit.“

„Nennen Sie mich Val“, sagte er lächelnd und fügte hinzu, als er ihren überraschten Blick sah: „Mein Bruder und ich hatten schon immer eine Abneigung gegen lange Vornamen, deshalb entschieden wir uns für Vito und Val.“

„V und V“, meinte Carolena neckend. „Es wundert mich, dass Sie nicht auch Ihre Initialen von den Putten schrubben mussten, Eure Hoheit.“

Lachend weihte Valentino Abby und Vincenzo in die Anekdote aus seiner Kindheit ein, als eine Bedienstete erschien.

„Verzeihen Sie die Störung, Eure Hoheit, aber Ihre Majestät, die Königin, schickt mich. Der kleine Prinz weint und hat offensichtlich etwas Temperatur.“

Die jungen Eltern sprangen sofort besorgt auf.

„Wahrscheinlich hat er sich nur ein wenig erkältet“, warf Carolena beruhigend ein.

Abby nickte. „Bestimmt hast du recht, aber ich gehe lieber zu ihm. Der Palast ist ihm fremd und auch die Königin noch nicht so vertraut.“ Sie wandte sich an Vincenzo. „Du kannst ja bleiben und den Abend mit deinem Freund genießen.“

Aber Valentino hatte sich ebenfalls erhoben. „Uns bleibt morgen noch der ganze Tag. Ich glaube, der Kleine braucht euch jetzt beide.“

„Danke.“ Abby kam um den Tisch herum und umarmte Carolena. „Dann sehen wir uns morgen.“

„Ja, und wenn du irgendetwas brauchst, klingel mich einfach auf meinem Handy an.“

„Ja, danke.“

Sobald die beiden verschwunden waren, stand Carolena auf. „Ich denke, ich verabschiede mich jetzt auch. Vielen Dank für das wundervolle Essen, Eure Hoheit.“

„Hatten wir uns nicht auf Val geeinigt? Kommen Sie, ich möchte hören, wie Sie es sagen.“

Sie atmete tief ein. „Vielen Dank … Val.“

„Schon besser.“ Er betrachtete sie forschend. „Wo ist Ihr Feuer geblieben?“

„Ich bin müde“, antwortete sie ehrlich. „Ich war heute ganz früh noch in der Kanzlei, um eine Arbeit zu Ende zu bringen, bevor mich die Limousine zum Flughafen abgeholt hat. Jetzt freue ich mich wirklich auf ein Bett.“

„Dann begleite ich Sie noch zurück zu Ihrer Suite.“

„Das ist wirklich nicht nötig.“

Sein Blick wurde skeptisch. „Mache ich Ihnen Angst?“

Seine Wirkung auf ihre Gefühle machte ihr Angst. „Wenn überhaupt, dann habe ich Angst, Ihre Terminplanung durcheinanderzubringen.“

„Für heute Abend gibt es keine mehr. Vergessen Sie einfach, dass ich ein Prinz bin.“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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