Verliebt in einen Playboy-Daddy

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Womanizer Jackson glaubt, dass sie wieder seinem Charme verfällt!? Pah, da irrt er sich aber gewaltig! Denn Kelly ist nur in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, damit er endlich seine Tochter kennenlernt. Doch plötzlich zeigt sich der Playboy-Daddy von einer ganz neuen Seite …


  • Erscheinungstag 25.11.2019
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728205
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Kelly Cooper blickte auf die Uhr und stöhnte innerlich auf. Jeden Tag das Gleiche! Da konnte sie ihre Tochter noch so früh wecken, am Ende waren sie doch immer zu knapp dran. „Jetzt mach schon, Ava, wir kommen sonst zu spät!“

Immerhin kam die Zwölfjährige gleich mit ihrem Rucksack den Flur heruntergestürmt. In der einen Hand hatte sie einen Zettel. „Sorry Mom. Ich musste noch was raussuchen, ich brauche hier nämlich deine Unterschrift.“

In ihrer Handtasche suchte Kelly nach einem Kugelschreiber. Auch das war nichts Neues. Wenn die Eltern Einverständniserklärungen für Klassenausflüge oder Bestellungen für das Mittagessen in der Schule unterschreiben mussten, ließ sich ihre Tochter damit gern bis zur letzten Sekunde Zeit.

Ava legte den Zettel auf den kleinen Tisch neben der Wohnungstür und strich ihn glatt, damit ihre Mutter auf der gepunkteten Linie unterschreiben konnte. Dabei hatte sie allerdings ihre Hand flach auf den oberen Teil des Papiers gelegt, und das kam Kelly verdächtig vor. Blitzschnell zog sie Ava den Zettel weg und warf einen Blick auf die Überschrift und las dort: Einverständniserklärung für Piercing bei Minderjährigen.

„Du bist ja nicht ganz bei Trost!“, sagte sie, nachdem sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.

„Ach, komm schon, Mom. Bitte!

„Nein.“ Sie riss den Zettel in kleine Fetzen, dann öffnete sie die Tür und verließ die Wohnung. „Und jetzt komm endlich.“

Avas tiefgrüne Augen, die denen ihres Vaters so ähnlich sahen, füllten sich mit Tränen. „Es ist doch nur am Bauchnabel.“

„Ava, das habe ich dir schon letzte Woche erklärt: Von mir bekommst du bestimmt nicht die Erlaubnis, dich mit Piercings oder Tattoos verunstalten zu lassen.“

„Und warum nicht?“

„Weil du zwölf bist.“ Kelly schloss die Wohnungstür ab und ging ihrer Tochter voran zum Fahrstuhl.

„Ich bin aber schon fast dreizehn.“

Tatsächlich war sie vor ein paar Monaten erst zwölf geworden. „So oder so bist du noch lange nicht volljährig“, betonte Kelly. „Wenn du dir mit achtzehn immer noch ein Bauchnabelpiercing machen lassen willst, dann kann ich nichts mehr dagegen unternehmen. Aber bis dahin bin ich definitiv dagegen!“

„Du bist so gemein.“

„Ich weiß, das hast du mir schon ein paarmal gesagt“, erwiderte sie. Inzwischen war der Fahrstuhl im Erdgeschoss angekommen und die beiden stiegen aus.

„Aber Miranda und Corinne haben auch Bauchnabelpiercings, und Rachel hat an ihrem Geburtstag einen Termin.“ Ava stieg auf der Beifahrerseite ins Auto und schnallte sich an. „Ihre Mutter ist nämlich echt cool. Sie hat gesagt, dass Rachel damit ihre individuelle Persönlichkeit zum Ausdruck bringen kann.“

„Ich verstehe nicht, was daran so individuell sein soll, wenn alle anderen genau das gleiche Piercing haben“, gab Kelly zurück.

Ava schnaubte leise. „Du behandelst mich wie ein Baby.“

„Du bist doch auch mein Baby.“

Darauf schwieg Ava eine Weile, was allerdings noch lange nicht hieß, dass sie aufgegeben hatte, das wusste Kelly. Und tatsächlich: „Wenn ich einen Dad hätte, würde der mir das Piercing bestimmt erlauben.“

Diesen Schachzug kannte Kelly bereits: Wenn Ava ihren Willen nicht durchsetzen konnte, dann machte sie einen auf vaterloses Kind. Und obwohl Kelly sich davon grundsätzlich nicht umstimmen ließ, fühlte sie sich jedes Mal unendlich schuldig. In Wirklichkeit hatte Ava nämlich einen Vater, sie hatte ihren Erzeuger bloß noch nicht kennengelernt. Und er wusste seinerseits nichts von seiner Vaterschaft.

Normalerweise versuchte sie nicht an ihn zu denken, aber sie hatte ihn keinesfalls vergessen. Am Abend ihres sechzehnten Geburtstags hatte er sie zum ersten Mal geküsst … und von diesem Moment an hatte ihm ihr Herz gehört. Erst einige Jahre danach hatte sich ihre Beziehung über diesen einen Kuss hinaus an einem Wochenende entwickelt, das ihr ganzes Leben verändern sollte.

Er war der einzige Mann, den sie je geliebt hatte. Als er sich dann für eine andere Frau entschieden hatte, war Kelly mit gebrochenem Herzen und ihrem ungeborenen Kind so weit weggezogen, wie sie konnte. Doch obwohl jetzt Tausende von Kilometern zwischen ihnen lagen – ihre Erinnerungen und Schuldgefühle waren ihr trotzdem gefolgt.

„Darüber lasse ich nicht mit mir verhandeln“, erwiderte Kelly mit fester Stimme.

Darauf sagte Ava nichts mehr, sondern machte einfach nur einen Schmollmund.

Auf dem Weg zur Schule ihrer Tochter rief Kelly sich ins Gedächtnis, wie sie selbst damals als Zwölfjährige gewesen war. Eigentlich war sie fast ihre ganze Kindheit lang schüchtern und zurückhaltend gewesen und hatte die große, für sie fremde Welt sehr vorsichtig erkundet, Schritt für Schritt. Zum Glück hatte sie dabei Lukas Garrett an ihrer Seite gehabt, ihren besten Freund. Für Make-up oder schicke Kleidung hatte sie sich nie besonders interessiert, sie hatte auch nie einen besonderen Eindruck auf Jungen machen wollen. Und am allerwenigsten hatte sie sich für solche Dinge wie Piercings oder Tattoos interessiert.

Klar, früher war alles noch ein bisschen anders gewesen als heute, in ihrer Heimatstadt Pinehurst im Bundesstaat New York sowieso. Und obwohl sie die Stadt schon vor fünfzehn Jahren verlassen hatte, um aufs College zu gehen, und die Einwohnerzahl seitdem ordentlich in die Höhe geschossen war, wusste sie, dass sich dort sonst nicht besonders viel verändert hatte. Pinehurst hatte sich den Charme einer Kleinstadt bewahrt und würde ihn wohl auch immer behalten. Dort unterhielten sich die Nachbarn auf der Straße miteinander, die Einwohner begrüßten Neuankömmlinge mit selbstgebackenen Keksen und hielten beharrlich an traditionellen Werten fest. Und in letzter Zeit dachte Kelly immer wieder darüber nach, wie schön es wäre, wenn ihre Tochter in genau so einer Stadt aufwachsen könnte.

Als sie mit dem Wagen vor Avas Schule hielt, musste sie wieder an die E-Mail denken, die Lukas ihr gestern geschickt hatte. Darin hatte er ihr einen Link zu einer Stellenausschreibung bei Richmond Pharmaceuticals weitergeleitet, einem Pharmaunternehmen mit Sitz in Pinehurst, und die hatte sehr verlockend geklungen. Insgeheim verfluchte sie Lukas für den Hinweis. Wenn sie wirklich nach Pinehurst zurückkehrte, konnte sie das Geheimnis um ihre Tochter nämlich nicht mehr für sich behalten.

Wenn sie allerdings in Seattle an der Westküste der USA blieb, dann würde sich ihre gegenwärtige Lage nicht verändern. Dummerweise war diese alles andere als optimal, gerade was Kellys Arbeitssituation anging. Und obwohl Ava bestimmt nicht begeistert davon wäre, an die Ostküste des Landes zu ziehen, hielt es Kelly für das Beste für sie beide – jedenfalls langfristig gesehen.

In Pinehurst könnten sie beide noch einmal von vorn anfangen. Dort würde Ava eine neue Schule besuchen, neue Freunde kennenlernen … und vielleicht sogar endlich auch ihren Vater.

1. KAPITEL

Vier Monate später

„Und, was sagst du zu dem Fall?“, sagte Jackson Garrett. „Meinst du nicht, dass man dem Jungen noch mal eine Chance geben sollte?“

Jackson saß mit Gord Adamson in einer kleinen Kneipe gegenüber dem Gerichtsgebäude. Die beiden hatten zusammen Jura studiert, jetzt begegneten sie sich in ihrer Heimatstadt Pinehurst hin und wieder vor Gericht: Jackson als Anwalt und Gord als Bezirksstaatsanwalt. Auch in diesem Moment unterhielten sie sich über einen aktuellen Fall. Jackson hatte die Verteidigung von Travis Hatcher übernommen. Der junge Mann hatte mit einem Baseballschläger auf den Mercedes seines Vaters eingedroschen, und zwei weitere Fahrzeuge waren in Mitleidenschaft gezogen worden. „Travis Hatcher ist ein wirklich guter, verantwortungsbewusster junger Mann. Und ich habe dir ja eben erklärt, was sein Vater ihm angetan hat.“

Gord seufzte. „Und du meinst wirklich, dass du eine Bewährungsstrafe für ihn rausholen kannst?“

„Mit der entsprechenden Unterstützung durch den zuständigen Bezirksstaatsanwalt schon“, sagte Jackson.

„Gut, darauf würde ich mich einlassen … aber nur mit der Auflage, dass er ein Aggressionsbewältigungstraining absolviert. Und letztlich hat das natürlich die zuständige Richterin zu entscheiden.“

„Natürlich.“

Gord trank einen weiteren Schluck. „Läuft da eigentlich noch was zwischen dir und Angela vom Einwohnermeldeamt?“

„Nein, das ist längst vorbei.“

„Du willst dich wohl immer noch nicht niederlassen und eine Familie gründen.“

„Auf keinen Fall!“ Dass seine Ehe in die Brüche gegangen war, war zwar schon eine Weile her, aber die Erinnerung daran verfolgte ihn bis heute.

Sein Freund lachte leise. „Willst du dir für die Antwort nicht etwas Bedenkzeit nehmen?“

„Die brauche ich nicht, ich war nämlich schon mal verheiratet. Als ich noch jung und naiv war.“

„Etwa mit der Frau, mit der du damals in Chicago zusammen warst?“

Gerade wollte Jackson die Bierflasche an die Lippen setzen, als er innehielt. Er hatte ganz vergessen, dass Gord vor über zwölf Jahren ebenfalls an der Konferenz in Chicago teilgenommen hatte. „Nein“, sagte er. „Mit einer anderen.“

„Und wer war die Frau in Chicago?“, hakte Gord nach. „Zwischen euch hat es ja kräftig geknistert.“

Jackson runzelte die Stirn und tat, als versuchte er angestrengt, sich an die drei wunderschönen Tage zu erinnern. In Wirklichkeit hatte er bis heute kein einziges Detail vergessen. „Tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“

Gord schnaubte leise. „Alles klar, und ich bin der Weihnachtsmann.“

„Jedenfalls heirate ich nicht noch einmal“, sagte Jackson.

„Sag niemals nie.“

Jackson gab sich unbeeindruckt. Inzwischen war er siebenunddreißig und genoss sein Singleleben. Natürlich fing er hin und wieder etwas mit Frauen an, wenn auch nicht mehr ganz so häufig. Doch früher oder später verabschiedete er sich wieder von ihnen und bisher hatte er noch keine von ihnen vermisst. Mit einer Ausnahme: Kelly Cooper, mit der er in Chicago ein unvergessliches Wochenende verbracht hatte.

Warum hatte er damals auch ausgerechnet die Four Brothers Bar in Chicago besuchen müssen? Beziehungsweise warum war er nicht gleich umgedreht, als er festgestellt hatte, dass die umwerfende junge Frau hinter dem Tresen niemand anders war als das Mädchen, das in seiner Jugend im Nachbarhaus gewohnt hatte?

Und dann hatte er der Versuchung nicht widerstehen können. Er hatte ihren vorlauten Mund geküsst, mit dem sie ihn so viele Jahre lang geneckt hatte. Er hatte jeden Zentimeter ihrer glatten seidigen Haut erkundet … und dann hatte er sich immer wieder in ihr verloren. All das bereute er inzwischen. Und am allermeisten bereute er, dass er sie so einfach hatte gehen lassen.

„Apropos Familie, ich muss allmählich nach Hause“, sprach Gord in seine Gedanken hinein und holte ihn damit wieder in die Gegenwart zurück. „Sheila und die Jungs warten schon auf mich.“

Gerade wollte Gord nach der Kellnerin rufen, da hielt Jackson ihn zurück. „Fahr ruhig schon los, ich übernehme das heute.“

„Vielen Dank.“ Gord stand auf und reichte Jackson die Hand. „Um deinen Fall kümmere ich mich am Mittwoch, wenn Richterin Parrish Dienst hat.“

„Das hört sich doch gut an!“ Soweit Jackson sich erinnern konnte, war die Richterin bisher immer auf gemeinsame Vorschläge durch Verteidigung und Staatsanwaltschaft eingegangen.

Nachdem sein Kollege die Kneipe verlassen hatte, bestellte Jackson noch ein zweites Bier. So dankbar er ihm für seine Kooperationsbereitschaft auch war, so sehr ärgerte er sich darüber, dass Gord ihn ausgerechnet an Kelly Cooper und die Zeit in Chicago erinnert hatte. Jetzt saß er hier, und die Sache ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Gut, eigentlich musste er sowieso immer wieder an Kelly denken. In letzter Zeit umso häufiger – seit sein Bruder ihm erzählt hatte, dass sie bald wieder nach Pinehurst ziehen würde.

Sie war die einzige Frau, die er nicht hatte vergessen können, und er wusste nicht warum. Obwohl sie ein unvergessliches Wochenende miteinander verbracht hatten, war nie die Rede davon gewesen, dass mehr daraus werden könnte. Als Kelly ihn also einige Monate nach besagtem Wochenende angerufen hatte, hatte sie ihn völlig überrumpelt. Zu diesem Zeitpunkt hatte seine damalige Exverlobte Sarah gerade beschlossen, dass sie die Verlobung doch nicht lösen wollte. Kaum hatte er Kellys Stimme am Telefon gehört, waren seine Erinnerungen an das gemeinsame Wochenende wieder lebendig geworden. Doch dann war Sara ins Zimmer gekommen und hatte stumm auf ihre Armbanduhr gedeutet. Also erklärte er Kelly wiederum, dass er und Sara gleich einen Termin bei einer Hochzeitsplanerin hatten, woraufhin einige Sekunden lang betretenes Schweigen geherrscht hatte. Dann gratulierte Kelly ihm schnell und legte sofort wieder auf.

Ein halbes Jahr danach hatte er Sara geheiratet. Und wiederum zwei Jahre später hatte Kelly irgendjemandem in Seattle ihr Jawort gegeben. Inzwischen waren sie beide wieder geschieden. Und obwohl das alles eine halbe Ewigkeit her war, hatte er Kelly nicht vergessen können.

Vielleicht fühlte er sich einfach schuldig, weil er mit der Frau geschlafen hatte, mit der sein Bruder Lukas von klein auf eng befreundet war – wenn auch nur rein platonisch?

Ja, wahrscheinlich liegt es daran, sagte er sich.

Als das Flugzeug auf die Landebahn aufsetzte, zog sich Kelly der Magen zusammen. Jetzt gab es für sie kein Zurück mehr, allerdings hätte sie das auch nicht gewollt. Schließlich war und blieb Pinehurst ihr eigentliches Zuhause.

Als sie damals nach Seattle gezogen war, hatte sie große Pläne gehabt. Dort hatte sie geheiratet und einen neuen Job angenommen. Und sogar nach der Trennung von Malcolm hatte sie die Stadt nicht verlassen wollen – wohl auch wegen Malcoms Mom, der einzigen Großmutter, die Ava je gehabt hatte. Ohne Beverly Scott hätte Kelly die ersten Jahre als junge Mutter gar nicht überstanden. Ihre Schwiegermutter war immer bereitwillig eingesprungen, wenn Kelly dringend einen Babysitter für Ava gebraucht hatte. Nach Beverlys Tod war Kelly völlig verzweifelt gewesen – vor allem deswegen, weil die ältere Frau zu ihrer besten Freundin in Seattle geworden war.

Als das Flugzeug am Gate zum Stehen kam, wurde sie nur noch nervöser. Ich tue das alles für Ava, rief sie sich ins Gedächtnis. Genau wie bei allen anderen Entscheidungen, die sie seit dem positiven Schwangerschaftstest gefällt hatte, wollte sie auch diesmal nur das Beste für ihre Tochter. Selbst wenn Ava das anders sah.

„Wenn wir schon aus Seattle wegziehen mussten – mussten wir dann unbedingt hierher kommen?“, meldete Ava sich jetzt prompt zu Wort.

Kelly seufzte innerlich. Eigentlich hatte sie gehofft, dass ihre Tochter sich inzwischen mit der Entscheidung abgefunden hatte. „Wenn du etwas weniger Kraft in deine Abwehrhaltung stecken würdest, dann hättest du vielleicht etwas mehr Energie dafür übrig, dich auf die neue Umgebung einzulassen“, erwiderte sie.

„Das glaube ich nicht.“

„Nimm deinen Koffer, dann können wir endlich weiter.“

Sie hatten erst einmal nur das Nötigste eingepackt, den Rest ließen sie sich hinterherschicken.

Ava zog ihren Koffer vom Transportband. „Und wie kommen wir von hier nach Pinecone?“

„Die Stadt heißt Pinehurst“, korrigierte Kelly sie. „Außerdem wollte Onkel Lukas uns abholen.“

„Und wann kriegen wir ein eigenes Auto?“

„Noch vor dem fünfzehnten August“, versicherte Kelly. Dann würde sie nämlich bei dem Pharmaunternehmen Richmond Pharmaceuticals als Buchhalterin anfangen.

Ava rollte mit den Augen. Mit ihrer düsteren Miene und den lilafarbenen Haarsträhnen, die sie von ihrem letzten Übernachtungsbesuch bei Rachel mitgebracht hatte, sah sie aus wie ein typischer Teenager – und dabei war sie erst zwölf.

„Wie weit ist es denn von hier bist Pinetree?“, wollte sie jetzt wissen.

„Eine Stunde mit dem Auto.“ Diesmal gab sich Kelly nicht erst die Mühe, ihrer Tochter den eigentlichen Namen der Stadt zu nennen. „Komm, wir suchen Onkel Lukas.“ Sie verließ den Rückgabebereich des Gepäcks … und blieb dann so abrupt stehen, dass Ava ihr in den Rücken lief.

„Mom, was soll das?“

Kelly schwieg. Es hatte ihr glatt die Sprache verschlagen.

Dort drüben bei den Leihwagentresen, wo sie sich eigentlich mit Lukas verabredet hatte, wartete stattdessen sein Bruder Jackson.

„Mom?“ Ava klang ernsthaft besorgt. „Was ist denn los?“

Kelly atmete langsam aus. „Gar nichts“, log sie, schließlich wollte sie ihre Tochter nicht beunruhigen.

„Okay, schaltest du beim nächsten Mal bitte das Bremslicht an?“ Ava schaute sich um. „Wo ist denn Onkel Lukas? Ich sehe ihn nicht.“

„Ich glaube, der hat sich das anders überlegt“, sagte Kelly und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sauer sie gerade auf Lukas Garrett war.

„Heißt das, dass wir uns jetzt einen Leihwagen nehmen?“, hakte Ava nach.

„Nein, das heißt, dass du gleich Onkel Lukas’ Bruder kennenlernst.“

Und zwar viel früher als gedacht.

Etwa eine Minute lang stand Kelly einfach nur da und betrachtete Jackson aus der Ferne. Dreizehn Jahre lang hatte sie ihn nicht mehr gesehen und trotzdem gleich erkannt. Das lag nicht nur an seinem dunkelbraunen Haar, das wie immer perfekt geschnitten war. Es lag auch nicht allein an seinem sinnlich geschwungenen Mund, von dem sie als Teenager so oft geträumt hatte, oder an seinen tiefgrünen Augen. Ebenso wenig lag es an seiner Körpergröße oder seiner durchtrainierten Figur, den breiten Schultern und den muskulösen Armen, in denen sich wohl jede Frau sicher und geborgen fühlen würde. Dass dort drüben Jackson Garrett stand, merkte sie vor allem an ihrer eigenen Reaktion auf den Mann – daran, dass ihr schlagartig heiß wurde, dass es ihr am ganzen Körper kribbelte und dass es ihr die Sprache verschlug.

Was war bloß los mit ihr? Sie war doch keine sechzehn mehr! Sie zwang sich, einen Schritt auf ihn zuzugehen.

In diesem Moment blickte er von dem Buch auf, das er gerade las – offenbar irgendetwas Juristisches. Als hätte er gespürt, dass sie auf ihn zukam. Dann ließ er den Blick über sie gleiten, von Kopf bis Fuß. Zwar nur flüchtig, trotzdem schoss ihr das Blut dabei heiß durch die Adern. Damit hätte sie nicht gerechnet: dass er nach so langer Zeit noch eine solche Wirkung auf sie haben würde!

Und ausgerechnet jetzt, wo sie völlig übermüdet war und ihr langes dunkles Haar wie angeklatscht aussah, begegneten sie sich zum ersten Mal wieder. Für den langen Flug war sie bloß in bequeme Jeans und ein altes Sweatshirt geschlüpft, dazu hatte sie sich kaum geschminkt.

Eigentlich sollte ihr ja egal sein, wie sie gerade aussah, allerdings … war es das einfach nicht. Wenn sie ihrem Exlover über den Weg lief, dann wollte sie ihm wenigstens einen beeindruckenden Anblick bieten. Davon war sie dummerweise gerade weit entfernt.

Erneut blickte er sie mit seinen tiefgrünen Augen an. „Hallo, Kelly.“ Es waren nur zwei kurze Worte, aber sie fühlten sich an wie eine sanfte Umarmung.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals. „Hallo, Jackson“, erwiderte sie, dabei gelang es ihr sogar, erstaunlich ruhig zu klingen.

Es zuckte kaum merklich um seine Mundwinkel. Plötzlich fiel ihr wieder ein, dass ihn außer seiner Mutter sonst niemand mit seinem vollen Namen ansprach: Jackson. Fast alle anderen nannten ihn einfach Jack. Für Kelly war das aber nie infrage gekommen. Sie fand den Namen Jack viel zu gewöhnlich, und Jackson war alles andere als gewöhnlich.

Er wandte sich ihrer Tochter zu. „Du bist bestimmt Ava.“

Das Mädchen nickte, dann blickte sie von ihrer Mutter zu Jackson und wieder zurück – als würde sie die seltsame Spannung zwischen den beiden spüren.

Kelly hielt die Luft an und rechnete jeden Moment damit, dass Jackson etwas an Ava bekannt vorkam … so, wie auch Kelly immer wieder die äußerliche Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrem Vater sah.

„Ich bin Jack Garrett, der Bruder von Lukas“, begrüßte er Ava.

Als die beiden sich die Hand reichten, musste Kelly mit den Tränen kämpfen. Dass sie sich gerade begegneten wie zwei Fremde, brach ihr das Herz. Aber was hatte sie eigentlich erwartet? Schließlich war es ihre eigene Schuld, dass sie nichts von ihrer Verbindung wussten.

Vor dreizehn Jahren hatte sich Jackson in allererster Linie für seine Karriere interessiert. Dabei hatte er deutlich durchblicken lassen, dass er auf keinen Fall eine Familie gründen wollte, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Genau deswegen war Kelly auch so überzeugt davon gewesen, sich richtig entschieden zu haben. Inzwischen war sie sich da nicht mehr so sicher.

Auf dem Weg zum Ausgang wandte Jackson sich erneut an Kelly. „Mit mir hast du wohl nicht gerechnet.“

Das war noch sehr vorsichtig ausgedrückt, in Wirklichkeit hatte er sie völlig aus dem Konzept gebracht. „Stimmt, eigentlich hatte ich mit Lukas gerechnet“, sagte sie so ruhig sie konnte.

„Er wollte dir doch noch Bescheid geben, das hat er mir jedenfalls gesagt.“

„Kann sein, dass er mir eine Nachricht geschickt hat.“ Sie zog das Smartphone aus der Handtasche. „Beim Boarding in Seattle habe ich das Telefon runtergefahren.“

Sie schaltete es wieder ein, und kaum war es einsatzbereit, hörte sie auch schon den Signalton, der eine neue Nachricht ankündigte, formuliert in Lukas’ typischer Kurzschrift, ohne Punkt und Komma. Erst beim zweiten Lesen konnte sie sich einen Reim darauf machen:

sorry, notf. in klinik, j holt ab, komme noch vorb., wenn nicht zu spät

Na, vielen Dank auch, Lukas, dachte Kelly.

„Das war dann wohl die Nachricht.“ Jackson lachte leise und öffnete den Kofferraum, um Kellys und Avas Gepäck einzuladen.

„Richtig geraten“, gab sie zurück, dann setzte sie sich auf den weichen Ledersitz seines teuren Wagens.

Ihre Tochter hatte es sich in der Zwischenzeit längst auf der Rückbank mit ihrem MP3-Player bequem gemacht und es damit ihrer Mutter überlassen, sich mit Jackson zu unterhalten. Zu dumm, dass sie nicht wusste, was sie mit ihm reden sollte.

Ziemlich unangenehm, das Ganze, dachte Jackson, als er auf den Highway nach Pinehurst fuhr. Im Grunde hatte er sich das nicht anders vorgestellt, immerhin waren Kelly und er beide splitternackt gewesen, als sie sich zuletzt gesehen hatten. Daran durfte er jetzt auf keinen Fall denken, erst recht nicht, weil gerade ihre Tochter auf dem Rücksitz saß.

Autor

Brenda Harlen
Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
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