Die schönsten Liebesromane der Welt - Best of Julia Extra 2021

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Die schönsten Julia-Extra Ausgaben aus 2021.

Julia Extra Band 495

DIE NANNY UND DER ITALIENISCHE TYCOON von JANE PORTER
Tycoon Marcu Uberto lädt die unkonventionelle Monet nur auf sein Anwesen in Italien ein, weil er eine Nanny für seine Kinder braucht - während er seine standesgemäße Hochzeit mit einer anderen plant! Doch als ein Schneesturm aufzieht, prickelt es erregend zwischen Monet und ihm …

HEISSE NACHT, SÜSSE FOLGEN von HEIDI RICE
Als Milliardär Alexi Galanti die schöne Belle in Monaco wiedertrifft, macht sie ihm ein schockierendes Geständnis: Ihre einzige Liebesnacht vor fünf Jahren hatte süße Folgen! Aber so sehr er Belle insgeheim noch begehrt, befürchtet Alexi, dass sie es auf sein Geld abgesehen hat!

VERBOTENE AFFÄRE MIT DEM BOSS von ELLIE DARKINS
Kaum ist Madeleine als Haushälterin zu Unternehmer Finn Holton in seine Luxusvilla gezogen, verspürt sie ungeahnt sinnliche Sehnsucht. Doch auch wenn sie sich nach Finns Küssen verzehrt, ist er tabu! Durch eine Affäre mit dem Boss würde sie ihren Job und ihr Herz riskieren …

NUR EIN TRAUM VON LIEBE? von PIPPA ROSCOE
Ella fühlt sich wie verzaubert, als sie in Frankreich den geheimnisvollen Roman kennenlernt. Hals über Kopf heiratet sie ihren Märchenprinzen, der sie galant in die Welt der Reichen und Schönen entführt. Doch ihr Glück endet jäh: Sie entdeckt, dass Roman sie nicht aus Liebe umworben hat!

Julia Extra Band 496

DIE SINNLICHE RACHE DES PLAYBOYS von JACKIE ASHENDEN
Die rothaarige Schöne mit den kornblumenblauen Augen kommt Playboy Cristiano Velazquez seltsam bekannt vor. Bis er herausfindet wieso: Leonie ist die Tochter seines größten Feindes! Spontan fasst er einen leidenschaftlichen Racheplan und verführt sie zu einer Liebesnacht …

IM BANN DES TYCOONS von ELLA HAYES
Der attraktive Tycoon Theo Molenaar fasziniert Mia vom ersten Moment an. Zwar wollte sie Job und Privates trennen, doch sie kann dem neuen Geschäftspartner ihres Bruders einfach nicht widerstehen! Ein Fehler? Denn Mia fürchtet, dass Theo etwas vor ihr verbirgt …

KÜSS MICH, MEIN GELIEBTER PRINZ! von REBECCA WINTERS
Prinzessin Donettas heimlicher Liebe zu Prinz Enrico ist keine Zukunft vergönnt. Zwischen ihren Familien herrscht eine uralte Fehde, beide sind längst jemand anderem versprochen. Als sie Enrico nach Jahren erneut trifft, verzehrt sie sich trotzdem mehr denn je nach seinen Küssen …

WIEDERSEHEN IN GRIECHENLAND von DANI COLLINS
Nachdem Kiara ihn gezeichnet hat, verbringt Selfmade-Milliardär Valentino Casale eine Nacht der Leidenschaft mit ihr. Danach verschwindet die schöne Künstlerin spurlos aus seinem Leben. Bei einem überraschenden Wiedersehen in Athen macht sie ihm ein schockierendes Geständnis …

Julia Extra Band 502

LIEBE ODER FALSCHES SPIEL? von MICHELLE SMART
Milliardär Damián Delgado braucht eine Freundin zum Schein, um seine intrigante Familie ein Wochenende lang zu überlisten! Die junge Schauspielerin Mia ist perfekt für diese pikante Rolle. Doch die erotische Anziehungskraft zwischen ihnen ist alles andere als gespielt!

IN DER OASE DER HEIMLICHEN TRÄUME von SHARON KENDRICK
Vier Jahre hat Caitlin ihr Geheimnis bewahrt, niemandem verraten, wer der Vater ihres Sohnes ist! Doch nun hat Scheich Kadir herausgefunden, dass ihre Nacht voller Lust süße Folgen hatte. Der Wüstenherrscher stellt ihr ein verlockend-gefährliches Ultimatum …

DAS GEHEIMNIS DER SCHÖNEN NANNY von SUSAN MEIER
Es ist ein Traumjob: Marnie wird Nanny bei dem Söhnchen des Milliardärs Danny Manelli in New York. Sich zusammen mit Danny um den Kleinen zu kümmern, fühlt sich fast wie eine Familie an. Doch Marnie weiß, dass Danny sie feuern wird, wenn er ihr dunkles Geheimnis herausfindet …

ZU DIESEM PRINZEN SAGT MAN NICHT NEIN von LYNNE GRAHAM
Der muskulöse Körper ist nass, ein winziges Handtuch um die Hüften geschlungen: Fasziniert betrachtet Izzy den aufregend attraktiven Hotelgast. Eigentlich wollte sie nur das Bad in seiner Luxussuite putzen. Aber daraus wird eine erotische Begegnung - die Izzys Leben für immer ändert!


  • Erscheinungstag 27.01.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513630
  • Seitenanzahl 1494
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jane Porter, Pippa Roscoe, Ellie Darkins, Heidi Rice, Dani Collins, Ella Hayes, Jackie Ashenden, Rebecca Winters, Susan Meier, Michelle Smart, Sharon Kendrick, Lynne Graham

Die schönsten Liebesromane der Welt - Best of Julia Extra 2021

Jane Porter, Heidi Rice, Ellie Darkins, Pippa Roscoe

JULIA EXTRA BAND 495

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 495 - 2021 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2019 by Jane Porter
Originaltitel: „Christmas Contract for His Cinderella“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Eva Ritter

© 2020 by Heidi Rice
Originaltitel: „My Shocking Monte Carlo Confession“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Juliane Zaubitzer

© 2020 by Ellie Darkins
Originaltitel: „Reunited by the Tycoon’s Twins“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Cordula Schaetzing

© 2020 by Pippa Roscoe
Originaltitel: „Taming the Big Bad Billonaire“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Rita Koppers

Abbildungen: Harlequin Books S. A., AnatolyM, oersin / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751500555

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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JANE PORTER

Die Nanny und der italienische Tycoon

Wenn Monet sich nicht ins Unglück stürzen will, muss sie Marcus Küssen widerstehen. Denn der Tycoon hat bereits klargemacht: Als Mitglied einer Adelsfamilie braucht er eine standesgemäße Frau!

HEIDI RICE

Heiße Nacht, süße Folgen

Nach nur einer einzigen Liebesnacht wird Belle von Alexi Galanti eiskalt fallengelassen! Trotzdem spürt sie ungewollt heißes Verlangen, als sie den sexy Milliardär zufällig in Monaco wiedertrifft …

ELLIE DARKINS

Verbotene Affäre mit dem Boss

Mit jedem Tag fühlt Unternehmer Finn Holton sich stärker zu Madeleine hingezogen. Aber nicht nur ist sie als seine Haushälterin tabu – nach seiner Scheidung hat er auch der Liebe abgeschworen!

PIPPA ROSCOE

Nur ein Traum von Liebe?

Immobilien-Mogul Roman verführt die unschuldige junge Ella nur aus einem Grund: weil sie das Mündel seines bösartigen Großvaters ist, an dem er sich rächen will! Bis er ungewollt sein Herz an Ella verliert …

1. KAPITEL

Monet Wilde suchte gerade im Hinterzimmer der Brautmodenabteilung von Bernard’s nach dem Kleid einer Kundin, das einfach nicht auffindbar war, als eine der Verkäuferinnen ihr Bescheid gab, dass ein Gentleman nach ihr fragte.

Seufzend schob Monet eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem ordentlichen Chignon gelöst hatte. Ein kurzer Blick in den Spiegel machte ihr bewusst, dass ihr Outfit heute leider besonders bieder wirkte. Ach herrje! Aber als Managerin der Brautmodenabteilung war ein seriöses Erscheinungsbild nun einmal unverzichtbar.

„Hat er gesagt, was er möchte?“ Sie schaute rasch auf die Uhr. Noch eine Viertelstunde bis Geschäftsschluss. Eine Viertelstunde Zeit, um das höchst exquisite Hochzeitskleid einer höchst aufgebrachten Brautmutter zu finden.

„Er hat lediglich nach Ihnen verlangt, namentlich. Mehr hat er nicht gesagt“, erwiderte die Verkäuferin unsicher.

Monet verdrehte die Augen. Heute war schon den ganzen Tag der Teufel los gewesen – offenbar waren alle plötzlich dem Hochzeittrubel verfallen, aber was könnte auch romantischer sein, als sich zu Weihnachten das Jawort zu geben?

„Hat der Gentleman auch einen Namen?“, fragte Monet.

„Marcus Oberto oder so ähnlich. Scheint wohl Italiener zu sein.“

Sie erstarrte. Im Stillen korrigierte sie ihre Kollegin. Marcu Uberto hieß der Mann, und er stammte aus Sizilien.

„Ich habe ihm gesagt, dass Sie sehr beschäftigt sind, aber davon ließ er sich nicht abschrecken. Er meinte nur, es hätte keine Eile und er würde warten.“

Das glaubte Monet keine Sekunde. Marcu war nicht der Typ, den man warten ließ.

Was wollte er bloß von ihr? Und warum tauchte er ausgerechnet jetzt hier auf?

Sie hatte Marcu seit acht Jahren nicht mehr gesehen und fast auf den Tag genau vor drei Jahren das letzte Mal von ihm gehört. Leichtes Unbehagen kroch in ihr hoch.

„Soll ich ihm sagen, dass es gerade nicht passt?“, bot die junge Verkäuferin eifrig an. „Allerdings sieht er wirklich umwerfend aus. Italiener eben.“

Sizilianer, korrigierte Monet erneut stumm. Und zwar durch und durch.

„Danke, das ist nicht nötig. Ich kümmere mich gleich um Signor Uberto. Aber Sie könnten mir helfen, indem Sie Mrs. Wilkerson anrufen. Sagen Sie ihr bitte, dass wir sie nicht vergessen und die Sache mit dem verschwundenen Kleid ganz bestimmt bis morgen früh geklärt haben.“

„Schaffen wir das denn?“ Die Verkäuferin sah sie zweifelnd an.

„Wir müssen das schaffen“, bekräftigte Monet. Unvorstellbar, was das sonst nach sich ziehen würde. Sie straffte die Schultern und wappnete sich für die Begegnung mit Marcu.

Kaum hatte sie den Verkaufsraum betreten, entdeckte sie ihn sofort. Seine Präsenz war einfach allumfassend.

Hochgewachsen und von tadelloser Haltung, war er durch und durch mächtiger und wohlhabender Aristokrat. Seine Kleidung war makellos: der anthrazitfarbene teure Anzug, das blütenweiße Hemd, die Seidenkrawatte, blau wie seine faszinierenden Augen. Das volle, dunkle Haar war modisch kurz geschnitten und nach hinten zurückgekämmt. Vor acht Jahren hatte er es noch lang getragen. Zudem verlieh ihm ein leichter Bartschatten um sein markantes Kinn ein verwegenes Aussehen.

Monets Herz schlug schneller. Entschlossen drängte sie die Erinnerungen zurück, die mit einem Mal an die Oberfläche fluteten. An einem stressigen Tag wie diesem konnte sie diese Gefühlswellen nicht auch noch gebrauchen. Zum Glück hatte Marcu sie noch nicht entdeckt. Das verschaffte ihr ein wenig Zeit, sich etwas zu fangen. Monet hatte sich all die Jahre so intensiv bemüht, die Vergangenheit zu vergessen, dass sie sich kaum in der Lage fühlte, Marcu Uberto gelassen gegenüberzutreten.

Nur die Ruhe, machte sie sich Mut. Du schaffst das!

„Marcu“, begrüßte sie ihn freundlich und ging auf ihn zu. „Was führt dich denn hierher? Kann ich dir vielleicht behilflich sein, ein Geschenk auszusuchen?“

Monet. Beim Klang ihrer Stimme durchfuhr es ihn heiß. Ihre Stimme hätte er immer und überall erkannt. Eine warme Stimme, die zu ihrer liebenswerten, warmherzigen Persönlichkeit passte.

Als er sich zu ihr umwandte, erwartete er halb, sich dem Mädchen von damals gegenüberzusehen: schmächtig, bescheiden, immer zu einem Lachen bereit, mit funkelnden goldbraunen Augen. Die Monet, die jetzt auf ihn zukam, war eine schlanke, elegante Dame. Ihr Blick war wachsam, und um die vollen, wohlgeformten Lippen spielte ein Lächeln. Die strenge Frisur und die matronenhafte Kleidung – sie trug ein Tweedkleid in Lavendel und Grau mit einer dazu passenden Strickjacke – ließen sie älter aussehen als sechsundzwanzig.

„Hallo Monet.“ Er machte einen Schritt auf sie zu und küsste sie auf beide Wangen.

Sie trat rasch zurück. „Marcu“, erwiderte sie leise.

Anscheinend war sie gar nicht glücklich über sein unangekündigtes Erscheinen. Allerdings hatte er auch nicht wirklich erwartet, dass sie ihn mit offenen Armen willkommen heißen würde.

„Ich bin gekommen, weil ich dich sprechen möchte“, eröffnete er ihr in nüchternem Ton. „Ich dachte, vielleicht passt es am besten kurz vor Feierabend. Lässt du dich von mir zu einem gemeinsamen Abendessen überreden, damit wir uns in Ruhe unterhalten können?“

Nun verschloss sich ihre Miene völlig. Früher hatte er ihr jede Gefühlsregung vom Gesicht ablesen können. Jetzt las er gar nichts darin.

Sie bedachte ihn mit einem schmallippigen Lächeln. „Der Laden schließt zwar gleich, aber ich habe hier noch mindestens eine Stunde zu tun. Vielleicht könnten wir das Abendessen nachholen, wenn du das nächste Mal in London bist. Dann könntest du auch rechtzeitig vorher Bescheid geben.“

„Bei meinem letzten Besuch in London hast du dich geweigert, mich zu sehen.“

„Es hat mir terminlich nicht gepasst.“

„Nein, Monet, es hat dir grundsätzlich nicht gepasst.“ Er hielt ihren Blick fest. „Diesmal lass ich mich jedoch nicht versetzen und warte auch sehr gern im Auto auf dich, bis du fertig bist.“

In ihrem Blick blitzte plötzlich etwas auf. Sorge?

„Ist alles in Ordnung?“, wollte sie mitfühlend wissen.

„Es gab keine Tragödie oder Unfall, falls du das meinst.“

„Was willst du dann von mir?“

„Ich brauche deine Hilfe.“

„Meine Hilfe?“

„Ja. Du schuldest mir noch einen Gefallen, den ich jetzt von dir einfordere.“

Ihr stockte der Atem, und ihr Blick wurde kalt wie Eis. „Schlechtes Timing, Marcu. Ich habe heute Abend noch jede Menge Arbeit.“

Er deutete auf die elegante Sitzecke in der Nähe der hohen, goldgerahmten Spiegel. „Würde es dir sonst besser passen, wenn wir gleich jetzt reden?“

Sie zögerte, dann nickte sie knapp. „Ja, okay. Reden wir jetzt.“

Monets Herz hämmerte wie wild, als sie sich auf die Kante des dunkelgrauen Samtsessels setzte, während Marcu ihr gegenüber Platz nahm.

Das hier war ihr Arbeitsplatz, ihr Revier. Trotzdem schaffte er es, ihr das Gefühl zu geben, als sei sie diejenige, die etwas von ihm wollte, als sei sie die Bittstellerin. So wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war und im Palazzo Uberto gelebt hatte, auf Kosten seines Vaters. Sie hasste die Erinnerung daran, hasste es, von jemandem abhängig zu sein. Und sie hasste es, dass Marcus Anwesenheit sie daran erinnerte, wie sehr sie in seiner Schuld stand.

Vor Jahren hatte Marcu ihr in einer schwierigen Situation geholfen, hatte ihr ein Flugticket besorgt und Geld geliehen, ohne an die Konsequenzen für sich selbst zu denken. Er hatte ihr die Flucht aus Palermo ermöglicht, fort von dem Wohnsitz der Ubertos und fort von ihrer Mutter, der Geliebten von Marcus Vater.

Als er sie damals am Flughafen verabschiedet hatte, hatte er jedoch deutlich gemacht, dass sie ihm einen Gefallen schuldete, den er eines Tages einfordern würde. Das war jetzt acht Jahre her. Anscheinend war dieser Tag nun gekommen.

Lässig streckte er die langen Beine aus. „Ich bräuchte deine Hilfe für die nächsten vier bis fünf Wochen. Schließlich hast du bereits früher als Kindermädchen gearbeitet und konntest immer gut mit meinem Bruder und meinen Schwestern umgehen. Deswegen bitte ich dich nun, dich um meine drei Kinder zu kümmern.“

Monet lächelte bedauernd. „Sosehr ich dir auch helfen möchte, es geht leider nicht. In der Vorweihnachtszeit kann ich unmöglich Urlaub nehmen. Ich kann meine Kundinnen nicht einfach im Stich lassen.“

„Und ich meine Kinder nicht.“

„Das ist nachvollziehbar. Aber du verlangst leider etwas Unmögliches von mir. Ich würde auch gar keinen Urlaub bekommen.“

„Dann kündige.“

„Das werde ich nicht“, empörte sie sich. „Ich liebe meine Arbeit und habe mir meine Position hart erkämpft.“

„Ich brauche dich.“

„Du brauchst nicht mich. Du brauchst eine professionelle Nanny. Es gibt Dutzende Agenturen, die kompetente Kindermädchen an exklusive Kunden wie dich vermitteln.“

„Ich vertraue meine Kinder aber nicht irgendjemandem an. Dir schon.“

Vielleicht hätte sie sich davon geschmeichelt fühlen sollen, doch das Gegenteil war der Fall. Das Letzte, was sie wollte, war, Marcus Kinder zu hüten. Sie und Marcu waren nicht gerade harmonisch auseinandergegangen. Ja, er hatte sie finanziell bei ihrem Weggang aus Palermo unterstützt. Aber seinetwegen hatte sie Sizilien ja überhaupt erst verlassen. Er hatte ihr junges Herz gebrochen und ihr Selbstvertrauen in den Boden gestampft. Sie hatte Jahre gebraucht, um sich davon zu erholen.

„Danke für dein Vertrauen“, erwiderte sie ruhig, „aber wie ich schon sagte, ich kann Bernard’s nicht ausgerechnet jetzt im Stich lassen.“

„Ich fordere meinen Gefallen ein. Du bist mir etwas schuldig.“

„Marcu!“

Er sah sie einfach nur an. Weitere Worte waren auch gar nicht nötig. Sie wussten beide, dass sie damals versprochen hatte, sich eines Tages für seinen Gefallen zu revanchieren. Das war seine einzige Bedingung gewesen. Nach all den Jahren, die inzwischen vergangen waren, hatte sie jedoch gehofft, dass er es nicht mehr nötig hätte, auf sie zurückzukommen. Dass er das Versprechen, das er ihr damals abgenommen hatte, einfach vergessen würde.

Doch das hatte er offenbar nicht.

Monet wandte den Blick ab und schaute durch die hohen Fenster nach draußen. Es sah aus, als ob es schneite.

„Ich verspreche dir, ein gutes Wort bei Charles Bernard für dich einzulegen“, unterbrach Marcu ihre Gedanken. „Ich kenne ihn ganz gut und bin mir sicher, dass er deine Stelle für dich freihält. Falls nicht, werde ich dir helfen, nach der Hochzeit im Januar einen neuen Job zu finden.“

Hochzeit?

Sofort besaß er Monets ungeteilte Aufmerksamkeit. „Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen. Welche Hochzeit?“

„Meine.“ Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: „Du weißt es vielleicht nicht, aber meine Frau ist nach der Geburt unseres Jüngsten gestorben.“

Doch, das wusste Monet, hatte es aber ausgeblendet wie so vieles, was mit ihm zusammenhing.

„Das tut mir leid.“ Sie fixierte den Blick auf den akkuraten Knoten seiner blauen Krawatte. Vermied es aber, in das Gesicht des Mannes zu schauen, in den sie einmal so glühend verliebt gewesen war. Es hatte sie zu viel gekostet, darüber hinwegzukommen. Sie würde sich keinerlei Gefühle für ihn erlauben. Kein Mitgefühl, kein Interesse und schon gar nicht Zuneigung.

„Ich brauche deine Hilfe nur bis nach der Hochzeit, also nicht länger als vier Wochen. Fünf, wenn es Schwierigkeiten geben sollte.“

Vier oder fünf Wochen in seiner Nähe? Seine Kinder betreuen, während er seine zweite Hochzeit vorbereitete? „Schließt das die Flitterwochen mit ein?“, fragte sie mit einer Spur Sarkasmus.

„Mitte Januar muss ich zu einer Konferenz nach Singapur. Es hängt von Vittoria ab, ob wir daraus unsere Flitterwochen machen.“

Das klang ja nicht gerade romantisch … Monet war bestürzt, aber die Sache ging sie nichts an. „Tut mir leid, aber ich kann nicht. Das Geld für das Ticket und alles, was du mir geliehen hast, habe ich dir ja bereits zurückgezahlt. Damit sollten meine Schulden beglichen sein.“

„Deine Schulden ja, aber nicht der Gefallen.“

„Das ist doch Haarspalterei.“

„Nein, ist es nicht. Hast du vergessen, in welche Erklärungsnot mich dein abruptes Abtauchen gebracht hat? Welche Spekulationen du dadurch in Gang gesetzt hast, als du einfach verschwunden bist, ohne dich von deiner Mutter, meinem Vater und meinen Geschwistern zu verabschieden? Das war eine verdammt schwierige Situation für mich. Und jetzt bin ich wieder in einer schwierigen Situation. Aber diesmal kannst du mir helfen.“

Da war er wieder, der absolut rational denkende Marcu mit dem analytischen Verstand. So war er schon damals als junger Mann von sechsundzwanzig Jahren gewesen. Er hatte sie nur ein einziges Mal wirklich überrascht: Als er beinahe mit ihr geschlafen hätte. Sie hatten gerade noch rechtzeitig aufgehört. Doch die Art und Weise, wie seine Stimmung blitzschnell von Leidenschaft und Zärtlichkeit in Gefühlskälte und Zurückweisung umgeschlagen war, hatte Monet fürchterlich erschreckt. Er hatte zunächst etwas in ihr geweckt, etwas Wundervolles, eine heiße Flamme – und dann alles kaputt gemacht.

Keine vierzehn Stunden später hatte sie ihre paar Habseligkeiten gepackt und Palermo und den traumhaften historischen Palazzo hinter sich gelassen. Und sie hatte keines der kostbaren Geschenke mitgenommen, die Marcus Familie ihr damals gemacht hatte.

In London angekommen, hatte sie lange gebraucht, um sich wieder zu fangen. Sie vermisste so vieles. Nicht unbedingt ihre leichtlebige Mutter, aber das quirlige Leben im Palazzo, Marcus jüngere Geschwister und natürlich ihn selbst …

Anfangs hatte sie sich als Nanny durchgeschlagen, dann hatte sie im Nobelkaufhaus Bernard’s angefangen und sich bis zur Managerin der Brautmodenabteilung hochgearbeitet – eine anspruchsvolle Position mit ihren sechsundzwanzig Jahren. Doch sie besaß Stil und Flair und einen Blick für Qualität, da war sie ganz die Tochter ihrer Mutter.

Früher hätte sie Marcu nichts abschlagen können, das wusste er natürlich. Inzwischen hatte sich jedoch einiges geändert. Sie hatte sich geändert. Und um nun zu signalisieren, dass sie die Unterhaltung als beendet betrachtete, stand sie auf.

„Marcu, wir verschwenden mit dieser sinnlosen Diskussion nur unsere Zeit. Ich bleibe dabei. Ich kann dir leider nicht helfen.“ Tief holte sie Luft. „Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es mich gefreut hat, dich wiederzusehen, doch das wäre gelogen. Nach all den Jahren hat es wohl keiner von uns beiden mehr nötig, den anderen anzulügen.“

„Ich hätte nie gedacht, dass du so nachtragend bist.“

„Nachtragend? Keine Spur. Nur weil ich nicht gleich springe, wenn du pfeifst, bedeutet das nicht, dass ich dir etwas Böses will.“

Jetzt erhob er sich ebenfalls. „Du hast es mir versprochen, Monet. Ich fürchte, du kannst nicht einfach Nein sagen … zumindest nicht, bis du mich richtig angehört hast. Du kennst die Details noch gar nicht. Auch nicht das Gehalt und die anderen Annehmlichkeiten.“

Aufgebracht warf sie die Hände in die Luft. „Annehmlichkeiten? So beeindruckende Annehmlichkeiten kann es gar nicht geben, dass ich mich entschließe, für dich zu arbeiten.“

„Du hast uns alle einmal sehr geliebt. Du hast immer gesagt, dass wir die Familie sind, die du nie hattest.“

„Ich war jung und naiv. Heute weiß ich es besser.“

„Warum hasst du meine Familie so sehr, Monet?“, fragte er sanft. „Was ist bloß passiert?“

Sie konnte nicht gleich darauf antworten, denn etwas schnürte ihr die Kehle zu. Ja, er hatte recht. Wie sehr sie Marcus ganze Familie einmal geliebt hatte! Ihr größter Wunsch war es immer gewesen, zu ihnen zu gehören, ein Teil der Familie zu sein. Doch das war nur eine große Illusion gewesen. Marcu spielte gesellschaftlich ganz einfach in einer völlig anderen Liga als sie, und sie würde nie dazugehören.

Mühsam brachte sie hervor: „Es war sehr großzügig von deiner Familie, mich so viele Jahre zu tolerieren – in Anbetracht der Tatsache, wer ich bin. Und ich denke auch heute noch mit großer Zuneigung an deinen Bruder und deine Schwestern.“

„Dann bist also nur wütend auf mich und meinen Vater?“

Das war genau die Diskussion, die Monet um jeden Preis hatte vermeiden wollen. Sie hatte keine Lust, die Wunden der Vergangenheit aufzureißen. Angespannt presste sie die Fingernägel in ihre Handflächen. „Das ist nicht wichtig, und ich möchte nicht darüber reden. Ich lebe nicht in der Vergangenheit, und das solltest du auch nicht tun.“

„Dummerweise ist es aber wichtig für mich. Und dummerweise stehst du in meiner Schuld. Wir reden später weiter, ich hole dich zum Dinner ab. Mein Wagen wartet unten auf dich. Ich freue mich schon darauf, unsere Unterhaltung fortzusetzen.“ Marcu nickte ihr knapp zu und ging.

Reglos stand Monet da und sah ihm hinterher, bis er die Fahrstuhlkabine betrat. Erst dort drehte er sich noch einmal zu ihr um. Ihre Blicke trafen sich, eine stumme Kampfansage, bevor sich die Fahrstuhltüren schlossen.

Monet konnte sich nicht von der Stelle rühren. Sie war völlig aus der Fassung gebracht und wünschte sich, der Erdboden möge sich auftun und sie einfach verschlucken.

Alles, wonach sie sich den ganzen Tag gesehnt hatte, war, nach der Arbeit gleich nach Hause zu gehen, ein langes, heißes Bad zu nehmen und sich dann in ihrem Lieblingspyjama auf der Couch einzukuscheln, um einen schönen Film anzuschauen.

Daraus würde nun nichts werden. Aus der Traum.

Gedankenverloren ließ sie den Blick durch die luxuriöse Brautmodenabteilung schweifen. Inzwischen fühlte sie sich hier fast mehr zu Hause als in ihrer Wohnung. Sie war gut in dem, was sie tat, konnte perfekt mit nervösen Bräuten und aufgeregten Brautmüttern umgehen. Wer hätte gedacht, dass ein solches Talent in ihr schlummerte?

Als uneheliche Tochter einer wenig erfolgreichen französischen Schauspielerin und eines englischen Bankers unterschied sich ihr bisheriges Leben deutlich von dem der meisten ihrer Altersgenossen. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr hatte sie schon überall auf der Welt gelebt: in Irland, Frankreich, Amerika, Marokko und anschließend in Sizilien. Nachdem sie Palermo verlassen hatte, war ihre Mutter noch weitere drei Jahre mit dem sizilianischen Aristokraten Matteo Uberto zusammengeblieben. Monet war nie wieder nach Palermo zurückgekehrt, hatte keinen der Ubertos je wiedersehen wollen. Und als Marcu vor drei Jahren versuchte, in London Kontakt zu ihr aufzunehmen, hatte sie ihn abblitzen lassen.

Genauso wie seinen Vater Matteo, der vor vier Jahren plötzlich vor ihrer Tür stand: ausgestattet mit einer Flasche Wein, Blumen und einem sexy Negligé. Als Geschenk war das natürlich vollkommen unangebracht für die Tochter seiner Ex-Geliebten. Dieser Besuch war es dann auch gewesen, der sie in ihrem Entschluss bestätigte, die Tür zur Vergangenheit sorgfältig geschlossen zu halten und endgültig nichts mehr mit den Ubertos zu tun haben zu wollen.

Letztendlich hatte sie ja ohnehin nie wirklich zu ihnen gehört, die Tochter der französischen Schauspielerin, die mehr für Affären mit reichen Männern bekannt war als für ihr künstlerisches Talent.

Luxus und Reichtum bedeuteten Monet nichts, danach sehnte sie sich nicht zurück. Das Einzige, wonach sie sich je gesehnt hatte, waren Marcus Liebe und Respekt.

Doch diese Sehnsucht hatte sich nicht erfüllt, ganz im Gegenteil.

Monet hatte daraus gelernt und mit ihrem extravaganten Leben der Vergangenheit abgeschlossen. Sie hatte sich hier in London eine Existenz aufgebaut, brauchte keinen Mann und war stolz auf ihre Unabhängigkeit.

Natürlich gab es immer wieder mal einen Mann, der sie um ein Date bat. Sie war eine aparte Schönheit mit hohen Wangenknochen, vollen, schön geschwungenen Lippen, goldbraunen Augen und langem, dunklen Haar. Ganz im Gegensatz zu ihrem verführerischen Äußeren fühlte sie sich tief in ihrem Innern jedoch kalt und unnahbar. Sex interessierte sie nicht, weshalb sie mit ihren sechsundzwanzig Jahren noch immer Jungfrau war.

Manchmal fragte sie sich, ob etwas mit ihr nicht stimmte, ob sie womöglich keine Leidenschaft empfinden konnte. Doch selbst wenn, kümmerte es Monet nicht sonderlich. Ihr war es egal, was die Männer über sie dachten. Die meisten betrachteten Frauen doch ohnehin nur als nettes Spielzeug, und darauf hatte sie absolut keine Lust. Dafür hatten ihre Mutter, Matteo und Marcu Uberto gründlich gesorgt.

2. KAPITEL

Als sie eine Stunde später das Nobelkaufhaus verließ, wartete Marcus Wagen wie versprochen am Straßenrand auf sie. Der Fahrer sprang diensteifrig heraus und beschirmte sie vor dem weißen Flockenwirbel.

Im Innern der luxuriösen schwarzen Limousine begrüßte sie Marcu. Widerstrebend setzte sich Monet neben ihn auf die mit weichem Leder überzogene Rückbank, wobei sie sorgfältig auf Abstand achtete.

„Ein interessanter Job, den du dir da ausgesucht hast“, bemerkte Marcu mit einem leisen Lächeln.

„Warum? Wegen des Lebensstils meiner Mutter?“, gab sie spitz zurück.

„Hast du schon bei Bernard’s gearbeitet, als ich vor ein paar Jahren versucht habe, dich zu treffen?“

„Ja, ich bin dort jetzt seit vier Jahren.“

„Warum wolltest du mich damals nicht sehen?“, fragte er geradeheraus.

„Ich sah keinen Sinn darin.“ Monet wandte den Kopf und betrachtete sein markantes Profil. Die Komposition seiner Gesichtszüge war einfach perfekt: breite dunkle Brauen, eine gerade Nase, volle Lippen, ein energisches Kinn. Um seine Mundwinkel spielte ein Schmunzeln, und seine blauen Augen blitzten.

„Ich verstehe nicht ganz.“

„Du warst ein verheirateter Mann, ich Single. Bei so einer Konstellation kommt selten etwas Gutes heraus.“

„Ich war nicht auf Sex aus“, erwiderte er verärgert.

„Woher sollte ich das wissen? Dein Vater wollte schließlich genau das.“

„Wie bitte?“ Seine Erschütterung war ihm deutlich anzumerken.

Eigentlich hatte sie nicht darüber reden wollen, aber nun war es auch egal. „Dein Vater hat mich ein Jahr vor dir besucht – mit allerlei Geschenken im Gepäck.“

„Deine Mutter war kurz zuvor gestorben. Wahrscheinlich wollte er nur nett sein.“

„Dann wäre ein Topf Essen angemessen gewesen. Aber Rosen? Wein? Ein pinkfarbenes Seiden-Negligé?“

„Meinen Schwestern hat er genau das Gleiche zu Weihnachten geschenkt. Warum machst du eine große Sache daraus?“

„Weil er mich nie leiden konnte.“ Monet wandte den Blick ab. Schon bedauerte sie ihre Offenheit. Warum erzählte sie Marcu so etwas? Es war doch klar, dass er ihr nicht glauben würde. Er hatte seinen Vater schon immer vergöttert. Matteo Uberto konnte gar nichts falsch machen.

Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich aus, während das Schneetreiben draußen sich verdichtete und dicke weiße Flocken gegen die Autoscheiben klatschten.

„Ich wollte dich nicht zu meiner Geliebten machen“, sagte Marcu in die Stille hinein. Seine Stimme klang rau. „Ich war gekommen, weil ich einen Rat brauchte, Trost. Meine Frau war gerade gestorben. Ich dachte, du könntest mir helfen. Aber ich hatte mich offensichtlich geirrt.“

Seine Worte trafen sie, und ihr Magen verwandelte sich in einen eiskalten Klumpen. „Es tut mir aufrichtig leid. Das wusste ich nicht.“

„Aber du wusstest immerhin, dass ich verheiratet war.“

Sie nickte stumm. Marcu hatte ein halbes Jahr, nachdem sie Palermo verlassen hatte, geheiratet. Es hatte in sämtlichen Zeitungen gestanden, denn die Ubertos gehörten zu den Reichen und Schönen dieser Welt. Seine Auserwählte entstammte genau wie er altem sizilianischem Adel. Es war eine Märchenhochzeit in der traumhaften Kathedrale von Palermo gewesen. Die Braut hatte ein mehrere Tausend Euro teures elfenbeinfarbenes Seidenkleid getragen mit einer ellenlange Schleppe und einem handgefertigten, ebenfalls ellenlangen Spitzenschleier. Auf ihrem Kopf hatte eine zweihundert Jahre alte goldene Tiara gethront, die mit unzähligen funkelnden Diamanten und rosafarbenen Perlen besetzt war.

Das erste Kind des von den Medien gefeierten Traumpaars kam knapp neun Monate später zur Welt. Man munkelte, dass Galeta schon bei ihrer Hochzeit schwanger gewesen sei. Von dem Moment an mied Monet jedoch jede neue Schlagzeile über Marcu und seine schöne junge Frau. Monet hatte genug und wollte nichts mehr von diesen Leuten hören oder sehen.

Sie hatte schlichtweg keine Lust, als unsichtbarer Zaungast am Rand zu stehen, um ein paar Brocken über Marcus Leben und seine Familie aufzuschnappen. Sie wollte nicht länger zurückschauen, wollte keine Erinnerungen zulassen, wollte den Schmerz nicht fühlen, der sie durchfuhr, wann immer sie über seinen Namen stolperte.

Aber warum tat es eigentlich so weh? Mehr als eine jugendliche Schwärmerei war das Ganze doch nicht gewesen …

Erst als Marcu Galeta heiratete und sie ihr erstes Kind erwarteten, wurde Monet bewusst, dass ihre Gefühle für ihn viel tiefer gingen. Die bittere Wahrheit war, sie hatte ihn aufrichtig geliebt.

Monet schüttelte die wehmütigen Gedanken ab und richtete den Blick wieder auf Marcu. Sie konnte es immer noch kaum fassen, dass er wirklich hier neben ihr saß. Schon als junger Mann war er unerhört attraktiv gewesen. Doch jetzt mit vierunddreißig war er einfach unwiderstehlich. Er war reifer geworden, seine Züge kantiger, ausdrucksvoller. Und er strotzte geradezu vor Gesundheit und Vitalität.

„Woran ist deine Frau gestorben?“, fragte sie mitfühlend.

„Kurz nach der Geburt erlitt sie einen Schlaganfall.“ Er stieß hart die Luft aus. „Ich hatte im Zusammenhang mit einer Geburt nie zuvor von so etwas gehört, aber der Arzt sagte, das könne passieren, wenn auch sehr selten.“ Nach kurzem Schweigen fügte Marcu hinzu: „Ich war nicht einmal da, als es geschah. Ich war gerade nach New York geflogen, wähnte sie in guten Händen im Palazzo.“

„Machst du dir Vorwürfe deswegen?“

„Nicht wegen des Schlaganfalls, aber ich kann es mir nicht verzeihen, dass sie starb, während ich gemütlich im Flieger saß. Das war nicht richtig, ich hätte bei ihr bleiben müssen. Wäre ich dabei gewesen, hätte ich vielleicht noch rechtzeitig Hilfe holen können, und man hätte ihr Leben gerettet.“

Monet wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Natürlich fühlte sich Marcu verantwortlich. Das alles tat ihr schrecklich leid. Aber es war nicht ihr Problem, so hart das auch klang. Er brauchte Hilfe, doch warum ausgerechnet von ihr?

„Hat denn deine neue Frau niemanden in ihrer Familie, der mit den Kindern aushelfen könnte?“, erkundigte sie sich behutsam. „Oder vielleicht Galetas Eltern oder Großeltern?“

„Galeta war ein Einzelkind, und ihre Eltern leben nicht mehr, ebenso wenig wie mein Vater. Ich habe zwar noch meine Geschwister, aber die sind mit ihrem eigenen Leben beschäftigt.“

„So wie ich mit meinem“, erwiderte Monet kühl.

„Es handelt sich doch nur um ein paar Wochen, nicht um Jahre.“

„Es passt gerade einfach nicht.“

„So etwas passt nie wirklich.“

„Das stimmt.“ Monet seufzte. Sie war müde und wollte raus aus ihrem engen Kleid und den unbequemen hochhackigen Schuhen. Sie sehnte sich nach ihrem kuscheligen Pyjama, einer warmen Mahlzeit und einem Glas Rotwein. „Ich habe aber einfach nicht das geringste Bedürfnis, für dich zu arbeiten.“

In diesem Moment hielt der Fahrer vor einem der dunklen Häuserblocks, sprang aus dem Wagen und entfaltete den Regenschirm. Nachdem er die Hintertür der Limousine geöffnet hatte, stieg Marcu aus, gefolgt von Monet, die geflissentlich seine ausgestreckte Hand ignorierte. Marcu bedachte sie mit einem spöttischen Lächeln, sagte aber nichts. Der Fahrer eskortierte sie zu einer schlichten Holztür. Marcu hob die Hand und berührte einen grauen Stein. Kurz darauf öffnete sich die Tür lautlos.

Sie betraten eine gedämpft beleuchtete, schlichte Eingangshalle. Hinter ihnen fiel die Tür wieder lautlos ins Schloss. Interessiert sah Monet sich um. Es gab einen Lift und am Ende der Halle auch eine Treppe.

„Normalerweise ziehe ich die Treppe vor“, erklärte Marcu. „Aber da du schon den ganzen Tag auf den Beinen bist, schlage ich vor, wir nehmen den Fahrstuhl.“

Der Lift beförderte sie ein paar Stockwerke nach unten, wo sie eine weitere Halle betraten. Der Fußboden bestand aus Marmorfliesen im Schachbrettmuster, massive Säulen trugen die hohe Decke. Direkt gegenüber öffnete sich eine riesige Tresortür. Die Wände des Raums dahinter schimmerten silbern und golden.

Monet sah Marcu fragend an.

Der ließ ihr mit einer einladenden Geste den Vortritt. An der Tür wurden sie von einem Angestellten in dunklem Anzug und schwarzem Hemd begrüßt. „Mr. Uberto, wie schön, dass Sie uns die Ehre geben.“

Der Mann führte sie an einer eleganten Bar ganz aus Stahl und Messing vorbei durch einen Rundbogen in einen Speiseraum, der dadurch beeindruckte, dass Kronleuchter verschiedenster Epochen und Stilrichtungen von einer mattsilbernen Decke hingen und ein warmes Licht verbreiteten. Es gab vielleicht ein Dutzend Tische in dem Raum. Diese waren elegant eingedeckt, und lavendelfarbene Sessel gruppierten sich darum.

Es ging weiter in einen angrenzenden Raum, offenbar ein Separee. Die Esstischsessel waren mit grauem Samt bezogen, von der Decke hing ein Lüster mit altrosafarbenen Kristallen.

Müde ließ sich Monet in einen der bequem gepolsterten Sessel sinken. „Hier ist es herrlich ruhig“, stellte sie mit einem behaglichen Seufzer fest.

Einige Kellner erschienen und servierten ihnen eisgekühltes Mineralwasser, Oliven und Pastete mit gebutterten Toastscheiben.

„Das Gebäude gehörte früher zur Bank von Sizilien. Jetzt ist hier unten ein privater Klub untergebracht“, erklärte Marcu.

Monet steckte sich eine Olive in den Mund. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie hungrig sie war. „Und was ist mit dem Rest des Gebäudes?“

„Der wurde in ein Luxushotel mit Spa-Bereich umgebaut. Im obersten Stock habe ich ein Apartment, wo ich wohne, wenn ich in London bin.“

In diesem Moment brachte ihnen ein Kellner die Speisekarten. Monet überflog die erlesene Auswahl an Gerichten. Im Grunde wäre sie schon mit Pastete und Toast zufrieden gewesen, aber als sie das Flat Iron Steak entdeckte, konnte sie nicht widerstehen.

Nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten, kam Marcu gleich wieder auf den Punkt.

„Ich brauche dich dringend. Eigentlich wollte ich gern schon heute Abend aufbrechen, aber dazu ist es jetzt zu spät. Ich werde also unsere Abreise gleich für morgen früh organisieren …“

„Marcu, ich habe gar nicht Ja gesagt.“

„Aber das wirst du.“

Ja, das werde ich wohl, gestand sie sich frustriert ein. Das war sie ihm schuldig. „Können wir es nicht wenigstens ein bisschen nach hinten verschieben?“

„Keine Chance. Ich muss im Januar unbedingt zu dieser Konferenz in Asien. Bis dahin hätte ich gern alles in trockenen Tüchern. Vittoria wäre dann bei den Kindern zu Hause, ebenso wie die Nanny Miss Sheldon, die zurzeit leider nicht zur Verfügung steht.“

„Haben die Kinder denn eine enge Beziehung zu ihrer neuen Mutter?“

„Sie haben sich bereits kennengelernt.“

Ungläubiges Lachen stieg in ihr auf. „Ich weiß nicht, wer mir mehr leidtut: deine neue Frau oder die Kinder. Wo bleibt dein Einfühlungsvermögen?“

„Das hat sich längst verabschiedet. So ist das Leben.“

„Oh je. Arme Vittoria.“

„Für Romantik habe ich nichts übrig. Nie gehabt.“

„Das behauptet ein Mann, der Opern liebt? Wer hat denn stundenlang Puccini gehört?“

„Du hast Opern geliebt. Ich habe dir nur Gesellschaft geleistet.“

Sie sah ihn an. Er hatte sich ziemlich verändert, war härter geworden. Das musste sie erst einmal verdauen.

„Zurück zum Thema. Ich biete dir hunderttausend Euro für die nächsten fünf Wochen. Das wird den finanziellen Verlust durch deine Kündigung bei Bernard’s hoffentlich ausgleichen.“

„Und wenn sie mich später nicht zurücknehmen?“

„Dann zahle ich dir zwanzigtausend Euro pro Woche. So lange, bis ich eine neue Anstellung für dich gefunden habe.“

Monet war baff. „Das ist eine Menge Geld.“

„Meine Kinder sind mir das wert. Mit Vittoria kriegen sie eine neue Mutter, das ist das Beste für sie. Ich bin zuversichtlich, dass sie eine liebevolle Beziehung zueinander aufbauen werden. Und wenn dann noch ein neues Baby kommt, sind die Kinder bestimmt ganz aus dem Häuschen vor Freude über das neue Geschwisterchen.“

Daran zweifelte sie. Glaubte er wirklich, dass seine Kinder, nachdem sie nun schon ihre Mutter verloren hatten, begeistert über einen Neuankömmling wären, eine Konkurrenz um die Aufmerksamkeit ihres Vaters? „Eine neue Familie zu gründen ist keine leichte Sache, Marcu. Kinder, die bereits einen schweren Verlust haben erleiden müssen, sind nicht immer offen für Veränderungen in ihrem Umfeld.“

„Ich erwarte ja gar nicht, dass sie es sofort verstehen. Sie sind noch ziemlich klein, was ich als Vorteil betrachte. Letztlich werden sie sich über eine neue Mutter in ihrem Leben freuen. Zurzeit hängen sie sehr an ihrer Nanny. Mir graut schon vor dem Tag, wenn die gute Miss Sheldon uns verlässt.“

„Ich dachte, sie ist nur für ein paar Wochen weg?“

„Das stimmt, aber ich befürchte, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie geht.“ Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: „Miss Sheldon hat sich in meinen Piloten verliebt. Sie sind schon seit einem Jahr zusammen, alles ganz geheim natürlich. Beide haben keine Ahnung, dass ich es längst weiß.“ Er schmunzelte.

„Aber sie könnte doch heiraten und trotzdem weiter für dich arbeiten.“

„Sie werden bestimmt eine eigene Familie gründen wollen. Sie ist jetzt Mitte dreißig, da wird sie sich nicht mehr viel Zeit lassen wollen. Aber nun genug über Miss Sheldon, das ist nicht das Thema. Ich wollte dir nur aufzeigen, dass dir keine finanziellen Einbußen drohen, wenn du mir aus der Klemme hilfst.“

Sein barscher Ton ließ sie zusammenzucken. Dieser arrogante Kerl! Allein bei der Vorstellung, für ihn zu arbeiten, wurde ihr ganz übel. Sie hatte nicht die geringste Lust, nach seiner Pfeife zu tanzen, ihm Rede und Antwort stehen zu müssen. Dazu waren ihre Gefühle für ihn viel zu kompliziert. Sie hatte einmal geglaubt, ihn zu lieben – verzweifelt und voller Leidenschaft –, aber er hatte sie zurückgewiesen. Sie war ihm nicht gut genug gewesen, nicht standesgemäß.

Eiseskälte durchströmte sie, als sie an das Gespräch zwischen Marcu und seinem Vater dachte, das sie unbeabsichtigt mit angehört hatte. Sein Vater hatte ihm klargemacht, dass eine Verbindung mit Monet nicht passend war für einen Mann von seiner Herkunft. Jemand wie Monet taugte allenfalls als Geliebte, aber nicht als Ehefrau.

„Ich kann nicht für dich arbeiten“, wiederholte sie leise. „Ich könnte es einfach nicht ertragen, von dir herumkommandiert zu werden.“

„Ich werde ja kaum da sein, nur die ersten Tage, bis du dich eingewöhnt hast. Über Weihnachten fahre ich mit Vittoria nach Altapura zum Skilaufen. Wir kommen erst nach Neujahr zurück.“

„Du willst die Feiertage nicht mit deinen Kindern verbringen?“, fragte sie ungläubig.

„Nein. Genau aus diesem Grund brauche ich ja dich. Dieses Jahr werde ich nicht bei ihnen sein können, aber du.“

Die armen Kinder. Kaum zu fassen, wie sehr Marcu sich verändert hatte. Aus dem warmherzigen, freundlichen jungen Mann war ein kaltherziger Pragmatiker geworden. „Wissen sie es schon?“

„Sie wissen, dass die Feiertage dieses Jahr etwas anders verlaufen werden als sonst, mehr habe ich ihn noch nicht erzählt. Damit warte ich, bis Vittoria meinen Antrag angenommen hat.“

„Du machst mir Angst, Marcu. Angst um dich und die Kinder. Sie werden dich sicher schrecklich vermissen.“

„Das glaube ich nicht. Wahrscheinlich sind sie sogar erleichtert, wenn ich wegfahre. Ich weiß, dass sie viel mehr Spaß mit Miss Sheldon haben.“

„Und das macht dir nichts aus?“

„Ich bin nicht scharf darauf, beides zu sein: Vater und Mutter.“ Der Blick aus seinen blauen Augen war missbilligend.

„Trotzdem, ich finde es ziemlich unfair, sie über die Feiertage allein zu lassen …“

„Wie es scheinst, möchtest du mit mir streiten. Aber ich habe dir doch gerade erklärt, dass es mir nicht besonders liegt, mit Kindern umzugehen. Nicht einmal mit meinen eigenen.“

Der Schmerz in seiner Stimme ließ sie verstummen. Sie überlegte kurz, dann erwiderte sie: „Ich möchte nicht mit dir streiten, aber ich habe kann nicht vergessen, wie es mit uns geendet hat. Deine Situation tut mir sehr leid, doch ich fürchte, ich bin nicht die Richtige, um deine Nanny zu vertreten.“

„Warum nicht? Du kannst doch fantastisch mit Kindern umgehen.“

„Zum einen habe ich nur kurz als Nanny gearbeitet, bis ich eine feste Anstellung gefunden hatte. Zum anderen kann ich Bernard’s unmöglich von einem Tag auf den anderen verlassen. Ich muss erst mit meinem Chef reden, einige Dinge klären …“

„Schon erledigt“, unterbrach er sie knapp. „Ich habe bereits mit Charles gesprochen. Er hatte großes Verständnis für meine Notlage und hat mir bestätigt, dass du die perfekte Unterstützung für mich wärst.“

„Notlage? Was für eine Notlage?“ Sie atmete scharf ein und hatte Mühe, ihre Wut zu zügeln. „Du hast beschlossen, mit deiner neuen Freundin zu verreisen, während deine Nanny nicht da ist. Das ist doch keine Notlage.“

„Nun ja, Charles sieht das ein bisschen anders“, konterte Marcu lässig. „Außerdem – nachdem ich ihm erklärt habe, dass wir uns von früher kennen – ist er ganz meiner Meinung, dass du die Beste für diesen Job bist.“

Was für ein manipulativer Mistkerl! „Ich fasse es nicht, dass du gleich zu meinem Chef gerannt bist, um ihm diese rührselige Story aufzutischen! Und was fällt dir ein, meine Angelegenheiten hinter meinem Rücken zu besprechen?“

„Ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn Charles weiß, dass unsere beiden Familien schon lange freundschaftlich verbunden sind. Das erhöht garantiert deine Chancen auf einen Wiedereinstieg, und wer weiß, vielleicht ist auch eine Gehaltserhöhung drin.“

Sie riss entsetzt die Augen auf. „Du hast ihm doch nicht etwa erzählt, dass meine Mutter die Geliebte deines Vaters war! Charles ist ziemlich konservativ …“

„Er weiß Bescheid. Genauso wie er weiß, dass du Edward Wildes Tochter bist und dein Vater im Aufsichtsrat von Bernard’s sitzt. Deine steile Karriere hat bestimmt auch damit etwas zu tun.“

Monet schnappte ungläubig nach Luft. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass ihr Vater im Aufsichtsrat saß. Sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen, seit er ihr den Job als Nanny besorgt hatte. Für ihn war sie nur ein lästiger Ausrutscher, mit dem er nichts zu tun haben wollte. „Meine Beförderung habe ich ganz allein harter Arbeit zu verdanken“, fauchte sie. „Mein Vater hat sich nur mit mir abgefunden, weil er keine andere Wahl hatte. Genauso wie dein Vater sich notgedrungen mit meiner Existenz arrangieren musste.“ Sie holte tief Luft. „Das ist der Grund, weshalb ich dir den Gefallen nicht tun kann. Ich will nicht noch einmal wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt werden. Das akzeptiere ich nicht.“

„Das habe ich nie getan.“

„Doch, am Ende schon. Das weißt du genau.“

„Was meinst du denn damit? Hat es etwa etwas mit dem Kuss zu tun?“

Ihre Wangen brannten heiß, und sie erbebte. „Es war mehr als ein Kuss.“

„Du warst äußerst einverstanden. Tu jetzt bitte nicht so, als sei es anders gewesen.“

„Stimmt, du hast dich mir nicht aufgezwungen. Aber es war alles gänzlich anders, als ich dachte.“

„Ich verstehe nicht ganz.“

Wieder atmete sie tief ein, um sich zu beruhigen. Jetzt bloß nicht in Tränen ausbrechen! Diese Demütigung würde sie sich nicht auch noch antun. „Es war keine Beziehung auf Augenhöhe. Du hast mich zwar etwas anderes glauben lassen, aber das entsprach nicht der Realität.“

„Tut mir leid, ich weiß nicht, was du meinst.“

„Vergiss es, es ist nicht länger wichtig. Wichtig ist nur meine Antwort, und die lautet nein. Hätte ich ein Teil deines Lebens sein wollen, wäre ich in Palermo geblieben. Ich bin aus gutem Grund gegangen, und ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben. Niemals. Deshalb bitte ich dich inständig, mir meine Schuld zu erlassen. Lass mich jetzt gehen und die Tür zur Vergangenheit endgültig schließen.“

Ihre Worte erwischten Marcu kalt. Monet hatte recht, sie sollten die Vergangenheit begraben. Doch gleichzeitig war das das Letzte, was er wollte.

Es war Monet, die er für seine Kinder wollte, nicht irgendeine Nanny. Sie würde sich gut um die Kinder kümmern, daran bestand kein Zweifel. Er kannte sie, und das war genau das, was er jetzt brauchte. Auch für sich selbst. Um sein Gewissen zu beruhigen, um auszugleichen, was er seinen Kindern nicht bieten konnte. Denn er war viel zu oft unterwegs, häufig mit den Gedanken ganz woanders, selbst wenn er sich zu Hause aufhielt, war zu ungeduldig und zu ernst.

Im Grunde hatte er nach Galeta auch nicht wieder heiraten wollen und tat es in erster Linie seinen Kindern zuliebe. Sie brauchten eine Mutter, wenn sie schon mit einem unzulänglichen Vater gestraft waren.

Kurz gesagt: Er steckte in einem richtigen Dilemma.

„Ich kann dir deine Schuld nicht erlassen“, erwiderte er rau. „Vor acht Jahren habe ich dir geholfen, als du meine Hilfe brauchtest, und jetzt brauche ich deine. Du hast lange genug in unserer Familie gelebt, um zu verstehen, wie wir Sizilianer diese Dinge sehen.“

Sie schüttelte unwillig den Kopf. „Ja, das weiß ich. Und ich weiß auch, dass du sehr wohl die Wahl hast, dich großmütig zu zeigen und mir die Schuld zu erlassen.“

„Wenn es nicht um das Wohl meiner Kinder ginge, könnte ich das vielleicht. Aber sie brauchen dich, also muss ich leider darauf bestehen.“

Monet ließ sich niedergeschlagen in den Stuhl zurücksinken, sie bebte vor unterdrückter Wut. Sie war wunderschön und leidenschaftlich. Diese Seite an ihr kannte er gar nicht. Früher war sie eigentlich eher ruhig und ausgeglichen gewesen, mit einem ausgeprägten Sinn für Humor. Sie hatte ihn und seine Geschwister ständig zum Lachen gebracht.

„Um ehrlich zu sein, ich mag dich gerade nicht besonders“, erklärte sie jetzt in die lastende Stille hinein.

Das musste Marcu erst einmal verdauen. Einem ersten Impuls folgend, wollte er sie daran erinnern, wie hingebungsvoll zugetan sie ihm früher gewesen war. Ihre Loyalität hatte ihn tief berührt, und er hatte sich immer als ihr Beschützer betrachtet, auch als er studierte und nicht mehr zu Hause wohnte. Das war so weit gegangen, dass er einen Palazzo-Angestellten dafür bezahlt hatte, ein Auge auf sie zu haben und ihm Bericht zu erstatten, denn er machte sich Sorgen um sie während seiner Abwesenheit. Ihre Mutter hatte sich nie wirklich um sie gekümmert, und von seinem Vater war sie nur geduldet worden.

Natürlich war Monet ihr Platz bei den Ubertos immer bewusst gewesen, das wurde ihm jetzt klar.

„Früher war das mal anders, das wissen wir beide“, erwiderte Marcu ernst.

„Das war einmal. Jetzt kann ich dich nicht mehr sonderlich leiden. Das sollte eigentlich Grund genug für dich sein, mir deine Kinder nicht anvertrauen zu wollen.“

„Wenigstens bist du ehrlich. Ich respektiere das. Aber ich weiß auch, dass du viel zu anständig bist, um meine Kinder dafür büßen zu lassen, dass du mich nicht mehr leiden kannst.“

„Woher willst du das wissen? Du kennst mich doch gar nicht. Ich bin schon lange nicht mehr das Mädchen, das Palermo mit ein paar Halbseligkeiten verlassen hat.“

„Und mit fünftausend Euro von mir in der Tasche.“

„Verstehst du es denn nicht?“ Sie sprang erregt auf. „Ich wollte dein Geld damals nicht, und ich will es auch heute nicht.“

Sie wollte gehen, doch das würde er nicht zulassen. Seine Hand schoss vor und schloss sich mit festem Griff um ihr Handgelenk.

„Setz dich bitte wieder, und rede mit mir“, bat er leise.

„Was soll das bringen?“, konterte sie hitzig. „Du hörst ja gar nicht zu.“ Sie versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, aber er gab nicht nach. „Wenn du wenigstens nicht so stur wärst und dich auf einen Kompromiss einlassen würdest. Jetzt kann ich meinen Job auf keinen Fall im Stich lassen, aber ich wäre bereit, im Januar zu dir zu kommen …“

„Im Januar brauche ich dich nicht“, unterbrach er sie und ließ sie los. Monet blieb stehen, wütend und empört. „Bis dahin ist Miss Sheldon zurück, und deine Anwesenheit wäre nicht mehr nötig.“

„Es ist unmöglich, meine Arbeit für fünf Wochen zu unterbrechen, das kann ich der Firma nicht antun. Jetzt haben wir Mitte Dezember. Ich würde dann bis weit in den Januar hinein ausfallen.“

„Okay, dann also vier Wochen.“ Er unterdrückte einen Seufzer.

„Das heißt immer noch bis Mitte Januar.“

„Drei Wochen, beginnend ab morgen. Aber nur, wenn du dich endlich wieder hinsetzt.“

Widerstrebend ließ sie sich auf ihren Stuhl sinken. „Zwei Wochen.“

„Drei.“

Monet griff nach ihrem Weinglas und trank einen großen Schluck. Hoffentlich merkte Marcu nicht, wie sehr ihre Hand zitterte. „Ich möchte aber nicht so lange bleiben, bis du mit Vittoria aus dem Urlaub zurückkommst.“

„Das brauchst du auch nicht. Ich sorge dafür, dass du rechtzeitig mit meinem Privatjet nach London zurückfliegen kannst. Das verspreche ich dir.“

„Eine Bedingung habe ich noch. Morgen früh muss ich zur Arbeit, weil ich ganz dringend ein Brautkleid finden muss, das irgendwie abhandengekommen ist.“

„Wir müssen nach Italien.“

„Du musst nach Italien.“ Sie funkelte ihn aufgebracht an. „Ich muss das Kleid von Mrs. Wilkerson finden. Anschließend komme ich mit dir. Gib mir Zeit bis Mittag. Ich habe es Mrs. Wilkerson versprochen. Und ein Versprechen ist ein Versprechen.“

Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als ihre Bedingungen zu akzeptieren. Marcu nickte grimmig. „Okay. Mein Fahrer holt dich mittags bei Bernard’s ab. Von dort fahren wir gleich zum Flughafen.“

Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen. „Hast du keine Angst, dass ich inzwischen davonlaufe?“

Ihr herausforderndes Lächeln erregte ihn. Gott sei Dank würde er während ihres Aufenthalts die meiste Zeit weg sein. Monet hatte seine Selbstbeherrschung schon immer auf eine harte Probe gestellt. So auch jetzt.

„Nein“, brachte er rau hervor. „Denn ein Versprechen ist ein Versprechen.“

3. KAPITEL

Während des Flugs über die schneebedeckten Gipfel der französischen Alpen hielt Monet die Augen geschlossen. Sie litt nicht unter Flugangst, aber heute fühlte sich ihr Bauch wie ein eisiger Klumpen an. Vor lauter Aufregung war ihr ganz schlecht.

Sie konnte kaum glauben, dass das wirklich passierte.

Weihnachten in Italien mit Marcu – nein, Weihnachten mit Marcus Kindern. Er war ja gar nicht da, sondern verbrachte die Zeit mit seiner zukünftigen Frau.

Weil sie darüber jetzt lieber nicht weiter nachdenken wollte, öffnete Monet abrupt die Augen.

Und erschrak, als sie bemerkte, dass Marcu nicht länger vor seinem Laptop am Tisch gegenüber saß, sondern direkt neben ihr. Sie musste wohl eingedöst sein und hatte nicht bemerkt, dass er sich hierhergesetzt hatte. Sofort überlief sie ein heißes Prickeln.

Durchdringend musterte er sie aus seinen tiefblauen Augen. „Hast du nun eigentlich das Kleid deiner Kundin gefunden?“

„Ja, zum Glück. Wir hatten es zur Änderungsschneiderei gegeben, und es wurde einfach nur falsch weggehängt. Krise erfolgreich abgewendet.“

„Deiner Kundin ist bestimmt ein Stein vom Herzen gefallen.“

„Und mir erst. Es handelte sich um ein besonders kostspieliges Modell.“

„Mir fällt es immer noch schwer, mir vorzustellen, dass du dich ausgerechnet auf Brautmoden spezialisiert hast“, gab Marcu zu und zog den Rollladen vor seinem Fenster halb herunter, um das gleißende Sonnenlicht auszusperren.

„Findest du das wirklich so erstaunlich?“ Okay, sie selbst hätte sich eine solche Berufswahl ja auch nie träumen lassen. Doch es hatte sich einfach so ergeben, und wie sich herausstellte, besaß sie das Talent, das passende Kleid für jede Frau zu finden.

„Eine Hochzeit hat eine Menge mit dem Theater gemeinsam“, überlegte sie laut. „Das Schauspielergen meiner Mutter hat sich wohl auch in meinen Genen niedergeschlagen. Ich habe offensichtlich ein Händchen dafür, eine Hochzeit wie ein großartiges Theaterstück in Szene zu setzen. Eine märchenhafte Show, der man nicht anmerkt, wie viel Arbeit dahintersteckt.“

„Du verstehst dich also als Regisseurin.“

„Nein, so weit würde ich nicht gehen. Ich möchte einfach nur Menschen glücklich machen.“

„Ah, genau wie deine Mutter.“

„Nun, nicht ganz so. Ich schlafe nicht mit Männern, nur um sie glücklich zu machen“, erwiderte sie brüsk.

„Das meinte ich nicht.“

„Was meintest du dann?“

Er sah sie unter gesenkten Lidern an. „Ich denke, du versuchst irgendetwas zu kompensieren. Diesen Groll hegst du schon seit Jahren.“

Damit hatte er sie kalt erwischt. Säßen sie nicht in dreißigtausend Fuß Höhe in einer schmalen Röhre, wäre sie einfach aufgestanden und gegangen. Doch sie konnte nicht weg. Es gab keinen Fluchtweg. „Groll gegen was oder wen? Ich betrachte mich nicht als Opfer, Marcu. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, mit dem, was ich erreicht habe. Und ich bin stolz darauf, dass ich das alles mit harter Arbeit und ohne einen männlichen Gönner geschafft habe.“

„Hör mal, ich wollte nicht andeuten, dass du dich nach oben geschlafen hast …“

„Fein, denn das habe ich auch nicht.“

„Ich wollte eigentlich sagen, dass der … Erfolg deiner Mutter darauf beruhte, dass sie den Leuten das gab, was sie sich wünschten.“

Monet seufzte ungeduldig. „Könnten wir bitte aufhören, über meine Mutter zu reden? Ich reite schließlich auch nicht ständig darauf herum, wie sehr deine Mutter dich verletzt hat.“

Er zuckte die Schultern. „Wenigstens habe ich noch eine Erinnerung an sie im Gegensatz zu meinen jüngeren Geschwistern.“

„Wie alt warst du, als sie euch verlassen hat?“

„Zwölf.“ Nervös trommelte er mit den Fingern auf die lederne Armlehne. „Mütter sind wichtig. Deshalb muss ich unbedingt wieder heiraten.“

„Mögen deine Kinder Vittoria?“

„Sie haben sich erst ein paar Mal gesehen, aber es lief ganz gut. Vittoria scheint besonders Antonio ins Herz geschlossen zu haben.“

„Wie alt sind deine Kinder eigentlich?“

„Drei, fünf und knapp sieben. Antonio ist der Jüngste, dann kommt Rocca, meine Tochter. Matteo wird Anfang Januar sieben.“

„Du hast ihn nach deinem Vater benannt.“

„Ja.“ Er überlegte kurz, dann sagte er: „Mein Vater mochte dich, weißt du. Er hat dich immer beschützen wollen.“

Das hatte Monet auch geglaubt – bis zu dem Abend, als er diese schrecklichen Dinge über sie zu Marcu gesagt hatte: „Sie ist nicht die Richtige für dich, nicht standesgemäß. Denk daran, wo sie herkommt. Eine Affäre mit ihr, okay. Aber mehr auch nicht.“

Auch Marcus brutale Antwort hatte sie nicht vergessen: „Natürlich, Vater. Das weiß ich doch, du brauchst mich nicht daran zu erinnern. Wenn ich heirate, dann eine standesgemäße Frau, die in die Familie passt.“

Marcu wusste nicht, dass sie unbeabsichtigt Zeugin dieser Unterhaltung geworden war. Er ahnte nicht einmal, dass er sie verletzt hatte. Trotzdem war er mehr als erleichtert gewesen, als sie auf Nimmerwiedersehen aus Palermo verschwunden war.

Die Erinnerungen daran schmerzten noch immer. Monet dachte an den Besuch von Marcus Vater bei ihr in London, der sie noch mehr verstört hatte. „Hat er deinen Schwestern wirklich ebenfalls Negligés zu Weihnachten geschenkt?“

„Ja.“

„Findest du es nicht unangemessen von ihm, mir so einen Fummel mitzubringen?“

„Ich bin mir sicher, dass er dich nicht in Verlegenheit bringen wollte. Er hat es nur gut gemeint, ganz bestimmt.“

Beherrscht schluckte Monet ihren Protest hinunter. Wenn Matteo es gut mit ihr gemeint hätte, hätte er Marcu nicht gegen sie aufgehetzt. Er hätte nicht über sie gesprochen, als sei sie nichts wert.

Marcu warf ihr einen durchdringenden Blick zu. „Du glaubst mir nicht.“

„Ich weiß nicht mehr, was ich noch glauben soll“, erwiderte sie kurz angebunden, und das war die Wahrheit.

Der Privatjet landete fünfundzwanzig Minuten später in Mailand, wo Marcus schwarz blitzender Maserati schon bereitstand. Ein Steward verstaute ihr Gepäck im Kofferraum, und Marcu hielt Monet die Beifahrertür auf. Die Fahrt zum Castello würde weniger als zwei Stunden dauern, wenn sich das Wetter hielt.

Während Marcu den schnittigen Wagen in die Berge hochsteuerte, wechselten sie kaum ein Wort. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Die Landschaft war schneebedeckt, aber die Straße war frei.

Endlich erreichten sie das Aostatal. Das Castello befand sich etwas außerhalb der Stadt Aosta. Monet war noch nie in den italienischen Alpen gewesen und freute sich schon auf ausgiebige Erkundungstouren. Hoffentlich hatten die Kinder auch Spaß daran.

„Da wären wir.“ Marcu bog von der Hauptstraße ab und passierte ein hohes Eisentor, das in eine Mauer aus Granitsteinen eingelassen war. Dahinter erwartete sie eine zauberhafte Winterlandschaft. Sie durchquerten einen weißen Winterwald, der sich endlos zu erstrecken schien. Gerade als Monet schon glaubte, sie würden nie ankommen, lichtete sich der Wald, und vor ihnen erhob sich ein Schloss in seiner ganzen Pracht mit Türmen und Erkern.

„Das ist ja umwerfend!“, rief Monet überwältigt aus.

„Es wurde Ende des zwölften Jahrhunderts erbaut“, bemerkte Marcu mit einem Anflug von Besitzerstolz. „Natürlich ist es von Grund auf modernisiert worden. Galetas Familie hat eine gut funktionierende Heizung installieren lassen, wir sind also nicht auf zugige Kamine angewiesen.“

Marcu drosselte die Geschwindigkeit und fuhr eine schmale Kopfsteinpflasterstraße hinauf. Vor dem Eingang zum Castello parkte er den Wagen. Sofort erschien eine kleine Schar von Angestellten an der Tür. Männer in dunkelgrauen Anzügen kümmerten sich um ihr Gepäck, während eine Frau in einem strengen schwarzen Kleid sie in Empfang nahm. „Willkommen zurück, Signor Uberto.“

„Dankeschön.“ Marcu nickte ihr zur Begrüßung freundlich zu. „Sind die Kinder noch wach?“

„Nein, Signor, sie sind schon im Bett und schlafen.“

„Waren sie schwierig zu händeln ohne Miss Sheldon?“

„Überhaupt nicht, Sir. Unser Hausmädchen Elise ist prima mit ihnen zurechtgekommen.“

„Sagen Sie ihr bitte, wie dankbar ich für ihre Hilfe bin.“

Der Butler nahm Marcu seinen Mantel ab und wandte sich dann an Monet, um ihr ebenfalls zu helfen. Diese schüttelte mit einem verlegenen Lächeln den Kopf. „Ich möchte meinen Mantel gerne anbehalten.“

„Natürlich.“ Marcu warf einen Blick die breite Treppe hinauf. „Am besten führe ich dich jetzt erstmal kurz herum. Morgen zeige ich dir dann alles ganz ausführlich.“

„Das ist nicht nötig“, versicherte Monet rasch. „Es war ein langer Tag, und ich würde mich jetzt gern ausruhen. Aber ich freue mich schon darauf, morgen früh die Kinder kennenzulernen.“

„Deine Suite liegt gleich neben dem Kinderflügel im dritten Stock. Ich bringe dich hin.“

Oben angekommen, öffnete er die Tür zu einem ausladenden Wohnzimmer mit einer dunkel getäfelten Decke. Die Wände waren cremefarben verputzt, edle Orientteppiche auf dem hellen Steinfußboden verbreiteten ein behagliches Flair. Eine Sitzgruppe aus einem burgunderroten Sofa und zwei apricotfarbenen Sesseln stand vor einem großen Kamin. Überall verstreut gab es zierliche Beistelltische mit gehämmerten Silbertabletts darauf, die Monet an ihre Zeit in Marokko erinnerten. Der runde Couchtisch besaß eine Platte aus handbemalten gold- und burgunderfarbenen Kacheln. Ein großer venezianischer Kristallglasspiegel hing an einer Wand, an einer anderen ein antiker Gobelin in Apricot, Grün und Gold.

„Die Kinderzimmer sind gleich nebenan“, erklärte Marcu. „Es gibt ein Spielzimmer und zwei Schlafzimmer. Matteo und Antonio teilen sich ein Zimmer, Rocca hat ihr eigenes.“

„Was soll ich tun, wenn einer einen Albtraum hat?“

„Sie wissen, dass du gleich hier neben ihnen wohnst.“

„Sie kommen nicht zu dir?“

„Du bist näher. Meine Räume liegen einen Stock tiefer, und die Treppe ist steil.“

„Ich verstehe.“ Monet gab sich Mühe, nicht vorwurfsvoll zu klingen. Sie durchquerte den Raum und spähte durch die angelehnte Tür ins angrenzende Schlafzimmer. Auch da war alles in Apricot und Burgunderrot gehalten. Das Zimmer wurde dominiert von einem Himmelbett mit pfirsichfarbenen Vorhängen. Massive Holzfensterläden und schwere Vorhänge sperrten die kalte Nachtluft aus.

Marcu deutete auf einen großen Schrank in der Ecke. „Da drin findest du eine Miniküche mit Kaffeemaschine, Teekessel und einem kleinen Kühlschrank. Unsere tüchtige Haushälterin hat sicher dafür gesorgt, dass dieser gut gefüllt ist mit Milch, Obst und leckeren Snacks. Falls du jetzt noch eine warme Mahlzeit möchtest, sage ich unten in der Küche Bescheid.“

„Danke, nicht nötig. Ich trinke eine Tasse Tee und lege mich dann schlafen. Die Kinder werden wahrscheinlich früh wach und meine Aufmerksamkeit beanspruchen.“

„Elise wird sich um sie kümmern, bis du dich eingerichtet hast.“

„Alles in Ordnung, ich brauche keine Zeit zum Einrichten“, bekräftigte Monet.

„Ich lasse dich rufen, sobald sie angezogen sind und gefrühstückt haben. Im Schrank findest du auch eine Sprechanlage, eine weitere ist neben der Nachttischlampe installiert. Du kannst jederzeit den Butler rufen, falls du Hunger oder Durst hast oder sonst etwas brauchst. Es steht Tag und Nacht jemand zur Verfügung.“

Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach ihr Gespräch. Marcu öffnete, und ein Angestellter brachte ihr Gepäck.

Marcu sah sie an. „Sonst noch Fragen?“

„Nein.“ Monet fühlte sich plötzlich schrecklich erschöpft und verloren. Was um Himmels willen tat sie hier bloß? „Wir sehen uns dann morgen.“

Marcu brauchte Stunden, bis er endlich einschlafen konnte. Er fühlte sich rastlos, und tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf.

Jetzt war Monet endlich hier, und er konnte sich auf seine Reise mit Vittoria konzentrieren. In Mailand hatte er sich schon Ringe angeschaut, und seine persönliche Assistentin hatte die Penthouse-Suite in einem Nobelhotel in Altapura für sie gebucht und Tische in den besten Restaurants reserviert. Vittoria war sehr viel extrovertierter, als Galeta es gewesen war, und genoss das Gesellschaftsleben. Deshalb hatte er beschlossen, mit ihr in die Berge zu fahren. Tagsüber konnte sie sich auf der Piste präsentieren und sich abends chic machen und auf Partys glänzen. Weihnachten war für sie eine einzige große Party. Marcu tat sein Bestes, um den nötigen Enthusiasmus für einen Urlaub aufzubringen, vor dem es ihm im tiefsten Innern graute.

Er wollte Weihnachten nicht getrennt von den Kindern verbringen, wollte nicht in irgendeinem verdammten Luxushotel absteigen. Und schon gar nicht wollte er Vittoria ausgerechnet Weihnachten einen Antrag machen, doch sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie genau das von ihm erwartete.

Leider musste er sich eingestehen, dass Vittoria nicht die perfekte Lösung für sein Problem darstellte. Okay, sie entstammte einer angesehenen alten sizilianischen Familie, die ebenso wohlhabend war wie seine. Sie war schön und aufgeschlossen, kontaktfreudig – das würde den Kindern guttun. Bei den Treffen mit ihnen hatte sie sich immer sehr freundlich und interessiert gezeigt. Natürlich reagierten die Kinder noch ein bisschen zurückhaltend, weil sie sie nicht gut genug kannten. Aber mit der Zeit würde sich das geben. Alles würde gut werden.

Das Schlimmste lag ja bereits hinter ihm. Es war schließlich nicht leicht gewesen, Monet zum Mitkommen zu überreden, aber nun war sie da und würde sich während der kommenden Wochen um die Kinder kümmern. Ihnen würde es also gut gehen. Vittoria würde seinen Antrag annehmen. Es gab also keinen Grund, sich Sorgen zu machen.

Trotzdem fand er einfach keine Ruhe.

Und das nicht zuletzt, weil Monet tatsächlich hier war. Nur ein Stockwerk über ihm.

4. KAPITEL

Monet war schon lange wach, bevor ihr das Frühstück aufs Zimmer serviert wurde. Neben dem Teller lag eine Nachricht von Marcu auf dem Tablett.

Die Kinder und ich erwarten dich um neun Uhr im Musikzimmer: ein Stockwerk tiefer und dann die zweite Tür links. Marcu

Auf dem Tablett standen eine Kanne Tee, Joghurt, Saft und frische warme Brötchen. Als Monet die Nachricht las, war ihr Magen plötzlich wie zugeschnürt, und sie verspürte gar keinen Hunger mehr.

Sie fühlte sich nicht bereit, Marcu gegenüberzutreten. Ehrlich gesagt fand sie ihn sogar Furcht einflößend. Er hatte kaum noch etwas mit dem liebenswerten jungen Mann von damals gemeinsam. Der Tod seiner Frau hatte ihn hart gemacht, rücksichtslos und einschüchternd. Hoffentlich verhielt er sich seinen Kindern gegenüber nicht genauso kalt.

Eine Minute vor neun verließ sie schweren Herzens ihre Suite und machte sich auf den Weg zum Musikzimmer.

Mit seinen stilvollen Möbeln und den Ölgemälden an der Wand wirkte der Raum eher wie ein offizieller Salon. Der Stutzflügel vor den deckenhohen Fenstern war das einzige Musikinstrument im Raum.

Von Marcu und den Kindern sah sie keine Spur. Monet blickte auf die Uhr. Es war bereits kurz nach neun. Vielleicht saßen sie ja noch beim Frühstück.

Sie ging zum Flügel und ließ die Finger leicht über die Tasten gleiten. Am liebsten hätte sie etwas gespielt, wagte es aber nicht. Sie spielte auch nicht besonders gut, ganz im Gegensatz zu Marcu. Früher hatte er jeden Tag mehr als eine Stunde geübt, und sie hatte fasziniert gelauscht. In seinem Spiel hatte so viel Gefühl gelegen. Vielleicht hatte sie sich nicht zuletzt deshalb in ihn verliebt.

„Tut mir leid, wir sind zu spät.“ Marcu betrat das Zimmer. In seinem schwarzen Kaschmirpullover und der dunklen Hose sah er unglaublich maskulin und kultiviert aus. Monet registrierte unvermittelt seine breiten Schultern und die schmalen Hüften, und ihr Herz pochte schneller.

Die Kinder hatten alle drei schwarz glänzendes Haar, aber es war der Jüngste, der Marcu wie aus dem Gesicht geschnitten war, Antonio. Die Ähnlichkeit war so frappierend, dass Monet lächeln musste. „Buongiorno“, sagte Monet auf Italienisch. Guten Morgen.

„Darf ich vorstellen: Matteo, Rocca und Antonio“, erklärte Marcu. „Und das ist Signorina Wilde.“ Er legte Matteo die Hand auf die Schulter. „Sie haben mir versprochen, brav zu sein und zu tun, was die Signorina ihnen sagt, während ich weg bin.“

Marcu konnte nicht sehen, wie sich das Gesicht des kleinen Mädchens verzog und wie Antonio blinzeln musste, um die Tränen zurückzuhalten, aber Monet bemerkte es. Plötzlich taten ihr die Kinder schrecklich leid. Sie litten viel mehr unter der Situation als sie selbst. „Keine Sorge, wir werden uns schon vertragen. Es ist ja nur für eine kurze Zeit, dann ist eure liebe Nanny Signorina Sheldon wieder zurück.“

„Ich habe jetzt etwas Wichtiges zu erledigen“, erklärte Marcu geschäftsmäßig. „Kann ich die Kinder in deiner Obhut lassen? Sie werden dich sicher mit dem größten Vergnügen herumführen.“

„Kein Problem, wir kommen schon klar“, versicherte Monet ihm mit einem strahlenden Lächeln. „Bis später dann.“

Nachdem er gegangen war, wandte sich Monet den Kindern zu, die sie erwartungsvoll anschauten. Angestrengt kramte sie ihr Italienisch aus dem hintersten Winkel ihres Gedächtnisses hervor. Sie hatte lange nicht gesprochen, aber es würde schon gehen.

„Spielt euch euer Vater manchmal auf dem Flügel vor? Er ist wirklich gut, findet ihr nicht auch?“

Dreimal erstauntes Kopfschütteln. „Mama hat für uns gespielt“, erwiderte das kleine Mädchen ernst. „Das war ihr Musikzimmer.“ Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Stimmt es, dass Sie früher in unserem Haus gewohnt haben?“

„Hier?“, fragte Monet. „Nein.“

„Nicht hier“, sagte Rocca schnell. „Das ist nicht unser Zuhause, sondern das von nonna und nonno. Aber die sind jetzt tot, und wir haben das Haus geerbt. Unser richtiges Zuhause ist in Palermo.“

„Im Palazzo?“

Die Kinder nickten.

Monet setzte sich auf die Kante eines zierlichen Sessels. „Ja, früher habe ich da einige Zeit gewohnt. Sechs Jahre lang, als ich noch ziemlich jung war. Das Haus ist wunderschön, nicht wahr?“

„Ja, aber das Internet ist total langsam“, beklagte sich Matteo. „Und hier haben wir gar keins. Ich kann mit meinen Freunden überhaupt keine Spiele spielen.“

„Bestimmt gibt es hier auch jede Menge, was Spaß macht“, erwiderte Monet aufmunternd. „Erzählt mal, was ihr am liebsten tut.“

Die Kinder blickten einander stumm an, bevor Matteo achselzuckend erwiderte: „Die meiste Zeit machen wir gar nichts. Alle sind immer so beschäftigt.“

„Und was ist mit deinem Vater?“

„Er muss immerzu arbeiten“, meinte der Junge seufzend.

„Papa ist ganz wichtig“, warf Antonio mutlos ein. „Ganz viele Leute brauchen ihn.“

Das klang ganz so, als würden sie ihren Vater nicht allzu oft zu Gesicht bekommen.

„Tja, ich hasse es, untätig herumzusitzen, also werden wir vier jede Menge unternehmen. Am besten, wir machen eine Liste.“ Besonders begeistert wirkten die Geschwister nicht. „Auf jeden Fall ist das hier ein wundervoller Ort, um Weihnachten zu feiern.“

„Ich weiß nicht.“ Matteo blickte skeptisch. „Normalerweise sind wir nur im Sommer hier. Aber Papa sagte, dieses Jahr wird Weihnachten anders. Keine Ahnung, was er meint.“

Monet wurde es ganz schwer ums Herz. Hatte Marcu seinen Kindern tatsächlich noch nicht erzählt, dass er über Weihnachten und Neujahr verreisen würde?

„Möchten Sie ein Bild von unserer Mama sehen?“, fragte Rocca ernst.

„Das würde ich sehr gerne. Überhaupt würde ich mich freuen, wenn ihr mir das Castello zeigt. Es ist schrecklich weitläufig, und ich fürchte, ohne eure Hilfe werde ich mich verlaufen.“

Die Kinder führten sie den langen Korridor mit den Ahnengemälden entlang. Vor einem goldgerahmten Bild am Ende des Gangs blieben sie stehen. Es zeigte eine ernste junge Frau mit dunkelblondem Haar und großen braunen Augen. Sie hatte einen cremefarbenen Teint, hohe Wangenknochen und eine gerade, schmale Nase und strahlte eine kühle Eleganz aus. Unwillkürlich fragte sich Monet, ob das Bild der Persönlichkeit der jungen Frau entsprach oder der Fantasie des Malers.

„Mama“, verkündete Antonio.

„Sie ist wunderschön“, stellte Monet fest. „Schade, dass sie nicht lächelt. Hatte sie auch solche entzückenden Grübchen wie Rocca?“

„Nein, hatte sie nicht“, erklang Marcus tiefe Stimme hinter ihnen.

Monet versteifte sich. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass er sich zu ihnen gesellt hatte. Wie lange stand er schon dort?

Sie wandte sich zu ihm um, und bei seinem Anblick beschleunigte sich ihr Herzschlag sofort. Wieso reagierte sie eigentlich jedes Mal so intensiv auf ihn?

Das wollte Monet insgeheim lieber gar nicht wissen.

Auf keinen Fall wollte sie sich noch einmal in seinen Bann ziehen lassen, dazu hatte er sie viel zu sehr verletzt.

Sie konzentrierte ihre Aufmerksamkeit jetzt auf die Kinder. Ihr fiel auf, dass sie ihrem Vater nicht freudig entgegenstürmten, aber das war in dieser Familie wohl nicht üblich. So war es auch mit Marcu und seinem Vater gewesen. Immer respektvoll und freundlich, gleichzeitig aber auch diszipliniert und zurückhaltend.

„Weiter seid ihr mit eurer Erkundungstour durch das Castello noch nicht gekommen?“, meinte Marcu erstaunt.

„Uns bleibt ja noch viel Zeit dafür“, erwiderte Monet leichthin. „Aber was ist mit dir? Ich hatte nicht erwartet, dich vor dem Dinner wiederzusehen. Möchtest du dich uns anschließen?“

„Mein Büro liegt auf der anderen Seite der Wand. Bei dem lauten Geschnatter konnte ich mich nicht konzentrieren.“

Als Monet Roccas enttäuschte Miene bemerkte, wurde sie ärgerlich. Merkte Marcu denn gar nicht, was er seinen Kindern antat? „Na gut, wohin gehen wir als Nächstes?“ Sie sah Rocca an.

„Zum Ballsaal!“, rief diese aus.

„Möchtest du uns vielleicht begleiten, Marcu?“ Monet sah ihn erwartungsvoll an.

Doch er schüttelte nur energisch den Kopf. „Das geht nicht, ich habe zu viel zu tun.“

Wieder stieg Verärgerung in ihr auf. Arbeitete er wirklich so hart, oder war das nur eine Ausrede, um sich die Kinder vom Leib zu halten? Irgendwie ergab das alles keinen Sinn. Sie hatte Marcu als gefühlvoll und aufgeschlossen in Erinnerung. Er war immer so liebevoll mit seinen jüngeren Geschwistern umgegangen, hatte viel Zeit mit ihnen verbracht.

„Na gut, es ist deine Entscheidung, wenn du nicht mitkommst“, konterte sie mit einem strahlenden Lächeln. „Wir gehen uns jetzt amüsieren und Walzer tanzen.“

„Ich würde es vorziehen, wenn die Kinder ihren Morgenspaziergang draußen durch den Park machen.“

„Tun sie das für gewöhnlich, Signor?“

„Ja. Jeden Morgen machen sie ein wenig Sport nach dem Frühstück.“

„Oh. Müssen sie auch eine bestimmte Anzahl an Liegestützen absolvieren?“ Monet funkelte ihn an.

Marcu unterdrückte einen Fluch. „Provozier mich nicht“, presste er auf Englisch hervor. „Schon gar nicht in ihrer Gegenwart.“

Monet knickste gehorsam. „Sehr wohl, Sir. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Sir.“

„Monet“, entgegnete er drohend.

Sie trat dicht an ihn heran und zischte ihm leise auf Englisch zu: „Ich bin ja erst kurze Zeit hier, aber mir scheint, die Kinder brauchen nicht nur eine neue Mutter, sondern auch einen neuen Vater.“

Seine Hand schoss vor, und er umklammerte ihren Arm. „Pass bloß auf.“

Eigenwillig hob sie das Kinn an und sah ihm direkt in die Augen. „Passt es dir nicht, was ich sage? Dann schmeiß mich doch raus.“

„Darauf legst du es an, oder?“

„Nein. Ich möchte nur den freundlichen Marcu zurück. Den Marcu, der seine Familie liebt und sie nicht dafür bestraft, dass sie ihn liebt.“ Ihre Blicke trafen sich, und in seinen blauen Augen flammte Wut auf.

Plötzlich lockerte er seinen Griff und ließ ihren Arm los. Ein Schatten umwölkte seinen Blick. „Ich bin doch kein Monster.“

„Nicht? Dann benimm dich gefälligst auch nicht wie eins.“ Ihre Haut kribbelte, wo er sie berührt hatte, doch Monet ignorierte das irritierende Gefühl. Entschlossen nahm sie Rocca und Antonio an der Hand. „Dann wollen wir mal. Ich bin schon ganz gespannt auf den Ballsaal.“

Der prachtvolle Raum übertraf all ihre Erwartungen.

Die hohe Decke war goldverziert, die Wände mit wunderschönen Fresken bedeckt. Der Marmorfußboden schimmerte im Licht der Sonne, das durch die deckenhohen Fenster hereinfiel, und drei riesige Kronleuchter funkelten an der Decke.

„Oh, wie schön!“, staunte Monet. „Ich sehe es richtig vor mir, hier ein glanzvolles Fest zu feiern.“

„Papa sagt, die meisten Bälle finden im Sommer statt, weil das Wetter dann so schön ist.“

„Ach, ich finde es jetzt auch wunderschön“, antwortete Monet. „Was haltet ihr davon, wenn wir uns warm anziehen und ein bisschen frische Luft schnappen? Draußen scheint gerade so schön die Sonne.“

„Aber es ist kalt“, protestierte Rocca. „Ich vermisse Sizilien.“

„Ehe du Piep sagst, bist du wieder zurück in Sizilien“, tröstete Monet das kleine Mädchen. „Deshalb sollten wir das Beste aus unserer Zeit hier machen. Was könnten wir denn später unternehmen, wenn wir von unserem Spaziergang zurück sind? Gibt es irgendetwas, worauf ihr Lust habt?“

Die Kinder sahen einander an und schüttelten ratlos die Köpfe.

Na gut, ihr würde schon noch etwas einfallen, um sie zu beschäftigen. Monet begleitete sie zu ihren Zimmern zurück, damit sie ihre Mäntel holen konnten. „Wollen wir auf den Weihnachtsmarkt? Der Marché Vert Noël soll doch der schönste von ganz Italien sein.“

„Ich glaube nicht, dass wir das dürfen“, entgegnete Matteo schroff. „Papa wird das sicher nicht erlauben. Er möchte am liebsten, dass wir den ganzen Tag irgendeinen blöden Sport machen. Und lesen. Diese beiden Sachen findet er super.“

„Ich hasse das“, stieß Rocca hervor.

„Lesen und Sport?“, hakte Monet nach.

„Ja, weil ich noch nicht gut lesen kann und Antonio gar nicht. Er kennt nicht mal die Buchstaben.“

„Aber er wird es lernen, genau wie du. Ihr werdet feststellen, dass Lesen jede Menge Spaß macht.“

„Papa sagt, der Sinn des Lebens sei es nicht, Spaß zu haben“, erklärte Matteo. „Das Leben ist ernst, deshalb müssen wir uns auch ernst benehmen.“

Monet hatte Mühe, sich ihren Schock nicht anmerken zu lassen. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie hier wirklich gebraucht wurde. Und zwar nicht, um Marcu zu entlasten, damit er sich um seine zukünftige Frau kümmern konnte, sondern damit er sich endlich liebevoll seiner Kinder annahm.

An diesem Abend schaffte Marcu es nicht rechtzeitig zum Dinner. Er gesellte sich erst zu Monet und den Kindern, als diese schon beim Dessert waren und begeistert ihren Pudding mit Salzkaramell löffelten.

Kaum hatte er sich an die mit weißem Damast eingedeckte Tafel gesetzt, erschien auch schon ein Haussteward, um ihm Kaffee und ein Dessert zu servieren.

Marcu blickte erwartungsvoll in die Runde. „Also, was habt ihr heute Schönes gemacht?“

Da keines der Kinder begeistert schien, ihm zu antworten, ergriff Monet das Wort. „Wir sind tüchtig gelaufen und haben uns in der Stadt das römische Theater angeschaut. Nach dem Lunch haben wir gelesen und ein paar Spiele gespielt.“ Über den Rand ihrer Kaffeetasse sah sie Marcu an. Trotz alledem hatte er nichts von seiner Anziehungskraft auf sie eingebüßt, im Gegenteil. Jetzt als erwachsenen Mann fand sie ihn attraktiver denn je.

Zum Glück jedoch war auch sie inzwischen erwachsen geworden. Ihre verwirrenden Gefühle für ihn konnten sie nicht mehr aus dem Gleichgewicht bringen, sie hatte alles fest im Griff.

„Und du?“ Sie lächelte verhalten. „Hattest du auch einen schönen Tag?“

„Einen anstrengenden Tag. Jede Menge Telefonkonferenzen.“

„Die Börse schläft nie, nicht wahr?“

„Nein. Besonders die New Yorker Börse hält mich im Moment ziemlich auf Trab.“ Er blickte zu den Kindern. „Sie sehen müde aus.“

„Kein Wunder bei diesem Gesprächsthema. Börsen und Finanzmärkte sind nicht gerade besonders spannend.“

„Für Banker oder Wirtschaftswissenschaftler schon.“

„Ich mag die Kinder noch nicht zu Bett bringen. Du bist doch gerade erst zu uns gekommen.“

„Sie sind daran gewöhnt.“

„Aber das ist nicht in Ordnung, Marcu …“ Sie biss sich auf die Lippe. „Entschuldige, so sollte ich dich vor den Kindern nicht nennen.“

„Kein Problem, sie wissen doch, dass wir uns von früher kennen. Und schließlich bist du nicht meine Angestellte. Du bist …“ Er runzelte die Brauen und schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, was du bist.“

Monet wurde rot, plötzlich durchströmte sie eine wohlige Hitze. „Eine Freundin der Familie?“, schlug sie vor.

„Es ist schon spät.“ Marcu stand abrupt auf. „Du solltest die Kinder zu Bett bringen, bevor sie hier am Tisch einschlafen.“

„Natürlich.“ Sie klatschte leise in die Hände. „Kommt, meine Süßen. Schlafenszeit.“

Die Kinder standen gehorsam auf und gaben ihrem Vater einen Gutenachtkuss. Als Monet sich von ihm verabschieden wollte, sagte er leise: „Sobald die Kinder im Bett sind, komm bitte zu mir runter in den kleinen Salon. Ich möchte meine Reisepläne mit dir durchgehen.“

5. KAPITEL

Monet hasste es, wie ihr Herz schneller schlug, als sie die Treppe hinunterschritt, um Marcu zu treffen. Sie hasste die Schmetterlinge in ihrem Bauch, das erwartungsvolle Gefühl, das sie durchströmte, wenn sie an Marcu dachte. Was erwartete sie denn, was passieren würde? Besser gesagt, was erhoffte sie sich? Das war doch lächerlich. Sie war lächerlich.

Eins der Hausmädchen zeigte ihr den Weg zum kleinen Salon, wo der Hausherr vorzugsweise seine Abende verbrachte. Als sie hereinkam, blickte er aus seinem Sessel vor dem Kamin von seinem Buch auf.

„Sind die Kinder im Bett?“

„Alle drei sind sofort eingeschlafen.“

„Haben sie denn gar kein Theater gemacht?“

„Nein, gar nicht. Erst habe ich ihnen noch eine Geschichte vorgelesen, und dann haben wir zusammen unser Nachtgebet aufgesagt. Danach sind sie gehorsam in ihre Bettchen gekrabbelt. Sind sie für gewöhnlich nicht so brav?“

Marcu zögerte. „Nicht, wenn ich sie zu Bett bringe.“

Ein Gefühl von Befangenheit stieg in Monet auf. Sie kam sich plötzlich vor wie eine Gouvernante aus einem historischen Roman. Dass sie für ihn arbeitete, machte ihre Beziehung zu Marcu noch komplizierter. „Darf ich mich setzen?“

Er blickte sie irritiert an. „Natürlich, warum fragst du? Setz dich, wohin du willst.“

Monet entschied sich für einen bequem aussehenden Polstersessel schräg vor dem Kamin. „Warum die Kinder nicht schlafen wollen, wenn du sie zu Bett bringst, könnte ich dir sagen. Aber ich fürchte, du willst es nicht hören.“

„Du bist doch erst einen Tag hier“, erinnerte er sie sanft, aber nachdrücklich.

„Das stimmt, doch ich hatte heute viel Zeit, über das nachzudenken, was ich beobachtet habe. Die Kinder wollen ganz einfach mehr Zeit mit dir verbringen und wollen dich nicht loslassen. Deshalb veranstalten sie dieses Theater beim Zubettgehen.“

Er schwieg einen Moment, bevor er mit den breiten Schultern zuckte. „Ich liebe sie. Trotzdem kann ich ihnen nicht alles geben, was sie brauchen. Es kommt mir vor wie ein ständiger Kampf gegen Windmühlen.“

„So kompliziert ist es gar nicht. Sie wünschen sich nur ein bisschen mehr von deiner Zeit und deiner Liebe.“

„Das sagt sich so leicht, wenn man keine Kinder hat.“

„Stimmt. Dennoch weiß ich sehr gut, was Kinder brauchen.“

„Möchtest du etwas zu trinken? Vielleicht ein Glas Sherry oder Portwein?“

Sie wollte schon ablehnen, doch dann überlegte sie es sich anders. Heute Abend konnte sie tatsächlich einen Drink gebrauchen. „Sehr gerne, danke.“

Monet beobachtete ihn, wie er mit geschmeidigen Schritten den Raum durchquerte, um am Bartisch mit den schweren Kristallkaraffen zu hantieren. Er wirkte mit einem Mal frisch und ausgeruht, als läge kein anstrengender Arbeitstag hinter ihm.

„Ich glaube, das wirst du mögen.“ Er schenkte zwei Gläser ein und brachte ihr einen Portwein.

Genüsslich atmete Monet das süße Aroma ein, bevor sie einen Schluck trank. Eine angenehme Wärme durchflutete sie, und plötzlich stiegen Erinnerungen an unbeschwerte Ferientage mit Marcu und seiner Familie in ihr auf. Wehmütig schüttelte sie den Kopf. Es war nicht gut, ständig zurückzublicken auf das, was war … und was hätte sein können. Das durfte sie sich und ihm nicht antun.

„Vittoria …“, setzte sie an. „Wie hast du sie kennengelernt? Ich möchte sämtliche pikanten Details hören“, fügte sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit hinzu.

Marcu hob die dunklen Brauen. „Es gibt keine pikanten Details. Das Ganze ist eine … Vernunftehe zum Wohl der Kinder. Mit Romantik hat das nichts zu tun.“

„Du … liebst sie also gar nicht?“, fragte Monet zögernd.

„Wir respektieren einander sehr.“

„Was soll das denn heißen?“

„Dass es Zuneigung gibt, ja, auch eine gewisse Anziehung. Und natürlich gegenseitigen Respekt für unsere Familien.“

„Das klingt ja fürchterlich. Sie tut mir jetzt schon leid und du auch. Wie kannst du ein solches geschäftliches Arrangement auch nur in Erwägung ziehen! Im Grunde betrügst du euch beide damit.“

„Mit Galeta war es nicht viel anders“, bekannte er gleichmütig. „Erste Priorität für sie war es immer, Kinder zu kriegen, so unromantisch das auch klingen mag.“

„Aha. Also ist es nun erste Priorität für Vittoria, sich um die Kinder zu kümmern, die Galeta zur Welt gebracht hat.“ Monet seufzte resigniert. „Na gut, die beiden sind sicherlich nicht die ersten Frauen, die sich auf so ein Arrangement eingelassen haben, und ganz sicher nicht die letzten. Meine Mutter wäre überglücklich gewesen, einen reichen Mann zu heiraten, ganz egal, ob sie ihn geliebt hätte.“

„Mein Vater hat sich bis zu dem Tag, als sie gestorben ist, um sie gekümmert“, rief Marcu ihr in Erinnerung.

„Sie hat aber auch nur noch ein Jahr gelebt, nachdem die beiden sich getrennt hatten.“ Monet holte tief Luft und schloss die Augen, um das plötzliche Stakkato ihres Herzschlags zu beruhigen. „Tut mir leid, das hätte ich alles nicht sagen sollen. Du hast mich sicher nicht hergebeten, um mit mir deine Beziehung zu Vittoria oder die Beziehung unserer Eltern zu diskutieren. Lass uns also über deine Reisepläne reden.“

Marcu schmunzelte. „Auf einmal klingst du ja noch viel förmlicher als meine höchst förmliche Miss Sheldon.“

„So sollte es auch sein. Schließlich bin ich nicht hier, um die Dinge noch komplizierter zu machen. Also, wann planst du abzureisen? Was muss ich wissen?“

„Übermorgen gehe ich auf Geschäftsreise nach Palermo und Rom und komme Donnerstag wieder.“

„Das wird mit dem Auto aber schwer zu schaffen sein.“

„Ich nehme natürlich den Helikopter, das geht viel schneller. Ich sollte Donnerstagnachmittag wieder zurück sein. Am Freitag würde ich gern einige Stunden mit den Kindern verbringen und am Spätnachmittag nach Rom fliegen, um Vittoria abzuholen. Von dort aus geht es dann gleich in den Ski-Urlaub.“

Großartig, er hatte also nicht mal den ganzen Tag für seine Kinder eingeplant. Aber das ging sie nichts an.

Marcu musste ihr wohl etwas angemerkt haben, denn jetzt beugte er sich vor und fixierte sie eindringlich. „Was habe ich nun schon wieder Falsches gesagt?“

„Das ist doch egal.“

„Das ist es nicht. Ich möchte gern verstehen, was du denkst. Früher habe ich dich immer verstanden.“

Sofort versteifte sie sich. „Nein, das stimmt nicht. Du hast nur geglaubt, du würdest mich verstehen.“

Jetzt wirkte auch er angespannt. „Ich kenne dich besser als irgendjemand sonst.“

„Wenn du mich wirklich kennen würdest, dann hättest du nicht …“ Monet biss sich auf die Zunge.

„Ich hätte was nicht?“

Sie schüttelte den Kopf, fest entschlossen, nichts weiter zu sagen. Schluss mit der Vergangenheit, sie wollte nach vorn schauen. Und sie musste dafür sorgen, dass sie die nächsten Wochen unbeschadet überstand. „Es war ein langer Tag. Ich würde jetzt gerne schlafen gehen, damit ich morgen fit für die Kinder bin.“

„Natürlich.“ Er stand auf.

Monet erhob sich ebenfalls. „Sehen wir dich morgen früh?“

„Wahrscheinlich nicht, aber zum Dinner bestimmt.“

„Vorsichtshalber sage ich den Kindern noch nichts von einem gemeinsamen Abendessen. Dann sind sie wenigstens nicht enttäuscht, falls du es doch nicht schaffst.“

Er funkelte sie an. „Soll das ein Vorwurf sein?“

„Nein, nur eine Tatsache. Wozu etwas versprechen, was man nicht halten kann?“

„Ich habe mein Bestes gegeben.“

„Im Moment ist das leider nicht gut genug. Ich verstehe ja, wie schwer es für dich gewesen sein muss, Galeta zu verlieren und plötzlich mit drei kleinen Kindern allein dazustehen. Aber es reicht einfach nicht, ihnen jetzt eine Ersatzmutter vorzusetzen. Marcu, sie brauchen dich, du musst dich kümmern.“

„Ich kümmere mich ja!“

„Dann bleib über Weihnachten hier, fahr nicht weg.“

„Vittoria erwartet von mir, dass ich ihr Weihnachten einen Antrag mache, daran hat sie keinen Zweifel gelassen.“

„Bring sich doch einfach her. Feiert zusammen ein Familienweihnachten.“

„Wir sind doch gleich nach den Feiertagen wieder zurück. Es ist nur dieses eine Mal.“

„Was, wenn sie jedes Jahr Weihnachten mit dir zum Skilaufen möchte? Ein romantischer Urlaub, nur sie und du.“

„Das wird sie nicht.“

„Bist du sicher? Was weißt du denn überhaupt über sie? Weißt du, ob sie die Kinder wirklich lieben wird? Es besteht doch gar keine engere Beziehung zwischen ihr und den Kindern, sodass du dir nicht sicher sein kannst, dass sie ihnen die Zuneigung schenkt, die sie brauchen.“

„Was macht dich plötzlich zur Expertin in Sachen Kindererziehung?“

„Meine eigenen Erfahrungen. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, das fünfte Rad am Wagen zu sein, der lästige Störenfried in einer romantischen Zweierbeziehung. Das tut verdammt weh, Marcu.“

Er bemerkte, dass sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen, und am liebsten hätte er die Ungerechtigkeit der Welt verflucht. Doch das Leben konnte nun einmal verdammt hart und brutal sein, und der einzige Weg, zu überleben, war Härte. „Siehst du denn nicht, dass ich es wirklich versuche?“ Tröstend legte er ihr den Arm um die Schultern.

Sie blinzelte die Tränen weg und schaute zu ihm auf. „Wirklich? Oder versteckst du dich nur vor ihnen?“

„Was soll das heißen?“

„Die Kinder wissen ja nicht einmal, dass du Klavier spielen kannst. Sie wissen nicht, dass du Musik liebst und Schönheit und Kunst.“

„Das war einmal. Jetzt nicht mehr.“

„Schade, denn jeder braucht Schönheit und Kunst in seinem Leben. Kinder brauchen Schönheit …“

„Wozu? Irgendwann wird ihnen sowieso alles genommen.“

„Schönheit hilft einem durch schwere Zeiten. Liebe heilt Wunden und versöhnt.“

„Ich bin sicher, es gibt noch eine Menge, was du mir an den Kopf werfen möchtest, aber für heute Abend habe ich genug“, unterbrach er sie barsch.

Im nächsten Moment neigte er den Kopf und drückte vollkommen unerwartet seinen Mund auf ihren. Monet versteifte sich überrascht, doch als sie seine warmen Lippen auf ihren spürte, entspannte sie sich wieder.

Marcu zog sie in die warme Geborgenheit seiner Arme, ihren Körper dicht an seinen gepresst, und unstillbare Sehnsucht überwältigte sie. Monet war wieder achtzehn Jahre alt. Sie befanden sich in Marcus geräumigem Schlafzimmer im Palazzo der Ubertos. Als erstgeborener Sohn und Erbe bewohnte er eine riesengroße Suite mit Salon, Arbeitszimmer, Schlafzimmer mit angrenzendem Bad und einem großen begehbaren Kleiderschrank.

Zuerst hatte er sie damals im Durchgang zwischen Salon und Arbeitszimmer geküsst, dann waren sie direkt auf seinem Bett gelandet. Marcu hatte auf ihr gelegen, verlangend hatten sie sich aneinandergepresst, die Hände innig verschränkt.

Monet empfand dieselbe unstillbare Sehnsucht wie damals vor acht Jahren. Es war, als würden sie einfach da weitermachen, wo sie aufgehört hatten. Die Gefühle, das Verlangen … so intensiv und verzehrend und gleichzeitig so quälend. Sie hatte ihn damals gewollt, und sie wollte ihn jetzt. Doch das war unmöglich. Dieses Verlangen würde nichts weiter hervorbringen als Schmerz und Wut, denn Marcu machte sich nicht wirklich etwas aus ihr. Er begehrte sie, so wie sein Vater ihre Mutter begehrt hatte. Aber als Ehefrau und Mutter seiner Kinder war sie nicht gut genug.

Schmerz und Wut loderten heiß in Monet auf. Marcu würde, ohne mit der Wimper zu zucken, heute mit ihr schlafen und morgen zu Vittoria fliegen, um ihr einen Antrag zu machen.

Für ihn würde sie nie mehr sein als ein Spielzeug, eine nette Abwechslung. Bevor es zu spät war, legte Monet die Hände auf seine Brust und stieß ihn weg. Schwer atmend ließ er die Arme sinken, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Völlig außer sich stolperte sie zurück. Ihr Puls raste, ihr Körper bebte, und am liebsten hätte sie sich sofort wieder in seine Arme geworfen.

Mein Gott, sie war so dumm, genauso dumm wie damals, kein bisschen reifer. Er beherrschte noch immer ihre Gedanken, daran hatte sich überhaupt nichts geändert. Bevor sie nun fluchtartig den Raum verließ, warf sie Marcu noch einem Blick zu, in dem ihre ganze Verzweiflung und ihre ganze Wut lagen.

Marcu war mindestens ebenso erschrocken wie Monet. Heiße Schauer überliefen ihn, und er fühlte sich dennoch seltsam lebendig. Pures Verlangen floss durch seine Adern, und sein Herz donnerte ihm gegen die Rippen.

Er wollte sie.

Er wollte sie mehr, als er jemals eine Frau gewollt hatte.

Was war das nur?

Lag der besondere Reiz darin, dass sie gewissermaßen eine verbotene Frucht war?

Warum ausgerechnet sie?

Sein Blick ruhte auf der geschlossenen Tür. Plötzlich wurde er sich der Stille im Raum bewusst, der Leere und der Kälte … ohne sie.

Marcu fühlte sich leer und kalt, aber nicht in der gleichen Weise wie sonst. Monet hatte eine Flamme in ihm entzündet, und diese kleine Flamme hatte das Potenzial zu einem mächtigen Feuer. Wenn er es nur zuließ.

Doch er durfte es nicht zulassen.

Er durfte seinen Gefühlen nicht nachgeben. Predigte er seinen Kindern nicht ständig, dass es im Leben nicht um Spaß und Vergnügen ging? Pflichterfüllung und Disziplin zählten. Vernunft und Intellekt.

Doch die Flamme in seinem Inneren strafte jede Vernunft Lügen. Diese Flamme bedeutete Leidenschaft und Hunger, und er durfte sie nicht auflodern lassen. Jetzt sofort musste er sie löschen. Musste sich streng an die Lektionen erinnern, die er seinen Kindern erteilte. Denn nur das schützte einen vor der Unvorhersehbarkeit des Lebens, vor dem Chaos. Disziplin und Selbstbeherrschung würden ihnen helfen, erwachsen zu werden. Disziplin und Selbstbeherrschung würden dafür sorgen, dass sie immer die richtigen Entscheidungen trafen, vernünftige Entscheidungen, sodass sie vom Leben nicht enttäuscht wurden. Oder schrecklich verletzt.

Er selbst war schon zu oft verletzt worden, bis er endlich seine Lektion gelernt hatte: Gefühlen durfte man nicht trauen, während ein nüchterner Verstand und ein scharfer Intellekt einen niemals im Stich ließen. Aus diesem Grund suchte er in der Ehe auch nicht nach Liebe. Er war in dem Glauben aufgewachsen, dass Liebe der Schlüssel zu jedwedem Problem sein konnte. Aber das stimmte nicht. Alles, was er in jungen Jahren gelernt hatte, war eine Lüge. Deswegen hatte er nach Galetas Tod beschlossen, seine Kinder in einem anderen Geist zu erziehen.

Es war ein schrecklicher Fehler gewesen, Monet zu küssen, und es würde nicht wieder vorkommen.

6. KAPITEL

Oh Gott, wie hatte es nur so weit kommen können?

Aufgewühlt ging Monet in ihrem privaten Salon auf und ab.

Sie konnte es nicht fassen, dass sie Marcu tatsächlich erlaubt hatte, sie zu küssen. Und dass sie seinen Kurs auch noch erwidert hatte!

Erschüttert zog sie sich in ihr Schlafzimmer zurück und betrachtete sich in dem goldgerahmten venezianischen Spiegel über der Ankleidekommode. Ihre Wangen glühten, ihre Augen glänzten wie im Fieber. Und ihre Lippen waren rot und geschwollen von seinem Kuss.

Sie presste die Hand auf den Mund. Es war eine Ewigkeit her, seit sie sich so lebendig, so gut gefühlt hatte.

Monet hatte diesen Kuss gewollt. Und wie sie ihn gewollt hatte! Seit sie hier war, hatte sie davon geträumt. Und sie hatte sich gefragt, ob es sie wohl noch genauso berühren würde wie vor acht Jahren, ihn zu küssen.

Der Kuss damals hatte sie restlos in Marcus Bann gezogen. Sie hatte ihm gehört, mit Leib und Seele. Später hatte sie sich eingeredet, dass es nur daran gelegen hatte, weil sie völlig unerfahren und es ihr erster Kuss gewesen war. Doch jetzt wusste sie es besser. Es war Marcu. In seiner Berührung lag etwas Magisches, Elektrisierendes.

Sie musste sich eingestehen, dass sie immer noch nicht immun gegen ihn war. In seiner Gegenwart konnte sie sich nicht auf ihren gesunden Menschenverstand oder ihre Selbstbeherrschung verlassen. Von dem Moment an, als sie im Castello angekommen waren, hatte diese vibrierende Spannung in der Luft gelegen, ausgelöst durch kaum gezügeltes Verlangen und dem Bewusstsein der gegenseitigen Anziehung.

Unten im Salon hatten sie beide vor Begierde gebrannt, er genauso sehr wie sie.

Ein Klopfen an der Tür zum Salon ließ sie zusammenfahren, dann hörte sie, wie jemand hereinkam. Es war Marcu. Beschwörend legte er den Finger an die Lippen. „Wir müssen leise sein, damit die Kinder uns nicht hören.“

Monet ging zu ihm. „Ich kann mich nicht erinnern, dich hereingebeten zu haben.“

„Wenn du eben nicht so überstürzt weggelaufen wärst, dann wäre ich jetzt nicht hier, sondern wir hätten unten in Ruhe reden können.“

„Es gibt nichts zu bereden.“ Abwechselnd überliefen sie heiße und kalte Schauer. Am liebsten hätte sie sich in eine Decke gewickelt, um sich zu verstecken. Vor der Welt und der Tatsache, dass so ein Kuss nie wieder passieren würde. Nie wieder passieren durfte. „Wir wissen beide, dass wir das nicht hätten tun sollen. Es war völlig unangemessen.“

„Ja, du hast recht. Der Kuss war unangemessen. Und genau deshalb müssen wir reden. Ich kann Vittoria keinen Antrag machen, nicht, wenn ich dich noch einmal küsse.“

Seine Worte ließen sie erschauern. Er musste Vittoria seinen Antrag machen, damit sie selbst vor ihm sicher war. „Wenn es nicht noch einmal passiert, kann ich den Kuss vergessen.“

„Es war ein großer Fehler.“

„Ja, das war es.“

„Und ich werde dich nicht noch einmal küssen, solange ich eine andere Beziehung führe.“

„Genau.“

„Aber wenn ich mich entschließe, eine Beziehung mit dir anzufangen, sieht die Sache anders aus.“

Monets Herz machte einen Satz. Was hatte er da gerade gesagt? „Du bist kurz davor, Vittoria einen Antrag zu machen. Lass uns die Dinge nicht verkomplizieren.“

„Ich suche eine Mutter für meine Kinder. Das ist mein Ziel.“

„Ja, das habe ich begriffen. Und mach dir bitte keine Sorgen. Während du mit Vittoria verreist bist, werde ich mich vorbildlich um die Kinder kümmern.“

„Daran zweifle ich nicht. Die Kinder wirken sehr glücklich und gelöst in deiner Gegenwart.“

„Na also. Dann konzentriere du dich jetzt auf Vittoria, und ich konzentriere mich auf die Kinder. Wir brauchen nie wieder über diesen Kuss zu reden und sind uns darüber einig, dass es ein Fehler war.“

„Ja.“

„Und wir sind uns auch darüber einig, dass es nicht wieder vorkommen wird.“ Monet zögerte. „Wirst du ihr erzählen, was passiert ist?“

Er antwortete nicht sofort, dann nickte er knapp. „Das sollte ich wohl, ja.“ Mit diesen Worten ging er und ließ eine am ganzen Körper bebende Monet zurück.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück unternahmen Monet und die Kinder einen Spaziergang nach Aosta. Die Stiefel der Kinder knirschten im Schnee, während sie gut gelaunt durch die Winterlandschaft marschierten und fröhlich plapperten.

„Oh, da ist der Weihnachtsmarkt“, rief Rocca begeistert aus und deutete auf die Buden im Zentrum des römischen Theaters. „Da möchte ich so gern hin.“

„Ich werde euren Vater fragen“, versprach Monet.

„Keine gute Idee.“ Matteo klang niedergeschlagen. „Dann wird er uns nur verbieten, in die Stadt zu gehen. Aber ich komme so gerne hierher.“

„Warum sollte er es verbieten?“ Monet war ehrlich verwirrt.

„Weil er Weihnachten nicht mag“, platzte die kleine Rocca heraus. „Es nervt ihn. Er findet, man soll nicht so ein Theater darum machen und sich lieber auf Wintersport konzentrieren.“

„Ist das Castello deshalb nicht weihnachtlich geschmückt? Es gibt auch gar keinen Weihnachtsbaum.“ Monet zupfte ihre Handschuhe zurecht.

„Wir haben keinen Weihnachtsbaum mehr“, erwiderte Rocca.

„Seit wann das denn?“, hakte Monet vorsichtig nach. „Als ich noch bei der Familie deines Vaters in Palermo lebte, gab es immer einen wunderschön geschmückten Baum. Euer Großvater Matteo liebte Weihnachten. Es war seine Lieblingsjahreszeit.“

Die Kinder wechselten unbehagliche Blicke. Wieder war es Rocca, die das Wort ergriff. „Es ist, weil Mama da gestorben ist.“

Matteo nickte traurig. „Sie starb am sechzehnten Dezember nach Antonios Geburt.“

Der sechzehnte Dezember war gestern gewesen. Galeta war also vor genau drei Jahren gestorben. Monet stockte der Atem. „Dann hattest du ja gerade erst Geburtstag, Antonio.“

„Letzte Woche“, erklärte Rocca und tätschelte ihrem kleinen Bruder den Arm.

Voller Mitgefühl zog sich Monets Herz zusammen. Im Leben dieser Kinder gab es so viel Trauer und Verlust. Dann dachte sie an Marcu und ihr Gespräch von gestern Abend. Jetzt verstand sie ihn etwas besser, verstand seinen Schmerz und seine Verzweiflung. Seit drei Jahren trauerte er nun schon, und er sehnte sich danach, dass dieses Gefühl endlich aufhörte. Sehnte sich nach etwas Normalität im Leben der Kinder.

„Brr, es ist kalt.“ Rocca klatschte in die Hände.

„Gehen wir weiter, bevor ihr zu Eiszapfen erstarrt.“ Monet nahm Antonio bei der Hand.

Ihr fiel auf, dass Matteo mit hängenden Schultern voranlief, ohne sich am Gespräch der anderen zu beteiligen.

Kurz bevor sie die Stadt erreicht hatten, gesellte sich Monet zu ihm. „Na, worüber denkst du so angestrengt nach?“

„Ich denke an die Zeit, als wir noch einen Weihnachtsbaum hatten“, erwiderte der Junge leise. „Wir haben noch unsere presepi, aber die haben wir wahrscheinlich gar nicht mit hierher genommen.“

Die presepi, die Krippe, gehörte in der Weihnachtszeit unbedingt in jedes italienische Haus. Die Krippe der Ubertos war über hundert Jahre alt, wie sich Monet erinnerte. Es war ein handgeschnitztes Kunstwerk aus Neapel.

„Was hältst du davon, wenn wir es uns ein bisschen festlich machen? Vielleicht braucht dein Vater einfach nur eine kleine Erinnerung daran, wie wunderschön Weihnachten eigentlich ist.“

„Das wird ihm nicht gefallen“, warf Rocca schnell ein. „Wir haben in unserem Zimmer im Palazzo mal einen kleinen Baum aufgestellt und geschmückt, und er hat ihn weggeworfen.“

„Tja, er kann nicht etwas wegschmeißen, was ich gekauft habe und somit mir gehört“, erklärte Monet energisch.

Die Kinder sahen sie zweifelnd an. Ganz offensichtlich glaubten sie nicht, dass Monet sich gegen ihren Vater würde durchsetzen können. Aber sie wussten ja auch nicht, dass Monet erst durch die Ubertos die Magie Weihnachtens kennengelernt hatte. Und sie war fest entschlossen, den Ubertos diese Magie wieder zurückzugeben, zumindest den Kindern.

„Nun, es sind ja auch meine Feiertage“, ergänzte sie leichthin. „Niemand kann von mir erwarten, dass ich keinen Spaß haben darf, oder? In London ist jetzt alles so wundervoll festlich geschmückt. Die Lichter in den Straßen, in jedem Geschäft gibt es einen Weihnachtsbaum. In dem Laden, wo ich arbeite, ist dieses Jahr alles in Weiß und Silber dekoriert. Und direkt vor meinem Schreibtisch steht ein riesiger Weihnachtsbaum mit unzähligen weißen Lichtern.“

Matteo sah sie weiter zweifelnd an. „Fragen Sie lieber vorher unseren Vater. Er hasst Überraschungen.“

„Das werde ich, denn ich hasse Enttäuschungen.“

An diesem Abend schaffte Marcu es tatsächlich rechtzeitig zum Dinner. Monet hielt sich absichtlich zurück und sagte wenig, damit er sich mit seinen Kindern unterhalten konnte, doch Marcu fragte nicht viel, und die Kinder sagten von sich aus kaum etwas.

Monet war erleichtert, als es Zeit wurde, die Kinder zu Bett zu bringen. Als sie vom Tisch aufstand, hielt Marcu sie zurück, um ihr mitzuteilen, dass er nachher noch mit ihr reden wollte.

Eine halbe Stunde später ging sie zu ihm in den kleinen Salon. Die Fensterläden waren geschlossen, um die eisige Kälte auszusperren, und im Kamin brannte ein Feuer.

Die Atmosphäre im Raum war warm und gemütlich. Sessel und Couch waren mit kostbarem Brokatstoff in einem warmen Rostbraun mit blauen Streifen bezogen. Die Tischplatte war blau gekachelt, und an den Wänden standen hohe Bücherschränke. An einer Wand bildete ein modernes Gemälde einen interessanten Kontrast zu der stilvollen Einrichtung.

„Ich mache mir Sorgen um die Kinder“, setzte Monet ohne Einleitung an, als sie sich in denselben Sessel wie am Vorabend setzte.

Marcu blickte von seinem Buch auf, einem dicken Wälzer über Politik und Wirtschaft, wie Monet mit einem raschen Blick feststellte. Seufzend klappte er das Buch zu. „Was ist denn passiert?“

„Sie haben mir erzählt, dass ihr kein Weihnachten feiert. Zuerst wollte ich ihnen nicht glauben, denn Weihnachten war doch immer eine ganz spezielle Zeit im Palazzo in Palermo …“

„Das war früher“, unterbrach er sie. „Wir machen kein großes Theater mehr um Weihnachten. In Anbetracht der Tatsachen scheint mir das nicht angemessen.“

Monet stellte sich dumm. „Wieso denn? Haben die Kirchen aufgehört, die Geburt von Jesus zu feiern?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Aus welchem Grund also feierst du Weihnachten nicht mit den Kindern?“

„Wir gehen zur Messe.“

„Und?“

„Was und?“, konterte er ungeduldig.

„Wo ist die Krippe? Ihr hattet doch immer eine so schöne presepi im Palazzo.“

„Wir sind hier nicht im Palazzo.“

„Aber du hättest die Krippe doch mitnehmen können?“

„Monet, wir bleiben knapp drei Wochen. Es ist doch lächerlich, den halben Hausstand mit herzuschleppen“, gab er unwillig zurück.

Sie sah ihn nachdenklich an. „Aber Skier und Schlittschuhe hast du doch auch mitgenommen. Warum dann keine Weihnachtsdekoration?“

Er wich ihrem Blick aus. „Wir veranstalten kein großes Theater um Weihnachten.“

„Warum? Dieses Fest war immer so besonders in deiner Familie.“

„Das war damals.“ Marcu stand auf, um im Feuer zu stochern. „Die Dinge haben sich geändert. Jetzt haben wir andere Rituale.“

„Aber den Kindern ausgerechnet die Magie von Weihnachten vorenthalten? Ihr könntet zusammen als Familie so viele schöne Dinge unternehmen und jede Menge Spaß haben.“

„Nein.“

„Sie vermissen das sehr.“

Er legte ein Holzscheit auf das Feuer und drehte sich dann zu ihr um. „Wie sollen sie etwas vermissen, das sie gar nicht kennen?“

„Matteo erinnert sich an früher. Er hat mir davon erzählt. Außerdem leben sie nicht auf dem Mond. Die Kleinen wissen ganz genau, wie andere Leute Weihnachten feiern. Und sie möchten daran teilhaben.“

Energisch straffte er die Schultern. „In unserer Familie ist diese Tradition abgeschafft. Basta.“

Monet begegnete seinem Blick und hielt ihm stand. „Hm. Ich möchte aber gerne feiern. Weihnachten bedeutet mir viel, und ich möchte nicht deinetwegen darauf verzichten. Also werde ich mir einen Baum kaufen und ihn schmücken und Weihnachtslieder hören. Ich werde Plätzchen backen und alles tun, was diese Zeit so besonders macht.“

„In deiner Freizeit kannst du tun und lassen, was du willst. Aber die Kinder lässt du bitte außen vor.“

Sie konnte nicht anders, jetzt musste sie lachen. Wie sollte das denn funktionieren? Außerdem war sie ganz und gar nicht bereit, sich von ihm Befehle erteilen zu lassen.

„Wie stellst du dir das vor, Marcu?“, fragte sie freundlich. „Bei diesem Job gibt es keine Freizeit und auch keine wirkliche Privatsphäre.“

„Du hast deine Suite, da kannst du tun und lassen, was du willst. Aber nicht im Bereich der Kinder.“

„Ich habe also dein Okay, meine Suite zu dekorieren?“

„Tu, was du nicht lassen kannst.“ Er zögerte kurz. „Für die Kinder sind deine Räume dann allerdings tabu. Und du erzählst ihnen auch nichts von deiner Weihnachtsdekoration.“

„Moment, hör dir doch mal selbst zu. Das ist einfach lächerlich. Seit wann bist du so ein Miesmacher?“

„Ich mag Weihnachten ganz einfach nicht“, erwiderte er scharf. „Und ich erlaube dir nicht, die Kinder zu verwirren. Wir genießen diesen Monat auf unsere Weise, ohne großes Tamtam.“

„Für dich gibt es also kein Weihnachtswunder?“

In seinen blauen Augen flammte Wut auf. „Ganz sicher nicht.“

„Du hast deinen Glauben verloren.“

Er nahm den Schürhaken und stocherte so heftig im Feuer herum, dass die Funken stoben. „Du hast keine Ahnung, worüber du da redest, also lass das Thema jetzt endlich fallen.“

Monet holte tief Luft, um Mut zu fassen. „Ich glaube, ich habe doch eine Ahnung“, sagte sie leise. „Es geht um Galeta. Ihr habt sie kurz vor Weihnachten verloren.“

„Wir haben sie nicht verloren, sind nicht sorglos mit ihr umgegangen und haben sie irgendwie verlegt. Sie war zu Hause, mit ihrer Familie, mit ihrem neugeborenen Baby. Sie war dort, wo sie hingehörte.“ Seine Stimme brach. „Und dann hat Gott sie genommen.“

„Es war nicht Gott, der sie genommen hat. Galeta war krank, ihr Körper hat sie im Stich gelassen.“

„Che palle!“ So ein Mist!

In der Verwünschung schwang sein ganzer Schmerz mit.

„Drei kleinen Kindern ihre junge Mutter zu nehmen …“ Marcu warf den Schürhaken beiseite. „Meine Frau hatte eine Familie, die sie brauchte und liebte. Ohne sie weiß ich nicht, wie ich mit alldem hier fertigwerden soll. Also komm mir nicht mit meinem Glauben, denn du würdest deinen auch anzweifeln, wenn du einen so wichtigen Menschen in deinem Leben verlierst.“

Mit großen Schritten marschierte er zur Tür und verließ sichtlich aufgewühlt den Raum.

Als Monet am nächsten Morgen mit den Kindern zum Frühstück herunterkam, war Marcu bereits abgereist. Auf ihrem Platz lag eine Notiz mit seiner Handynummer und dem deutlichen Hinweis, dass sie ja wüsste, was er von ihr für erwartete. Falls etwas unklar sei, sollte sie ihn bitte anrufen.

„Habt ihr eine Idee, was wir heute unternehmen wollen?“

„Nicht wirklich“, meinte Matteo achselzuckend.

„Dann schlage ich vor, dass wir heute Abend den Weihnachtsmarkt im Ort besuchen“, sagte Monet. „Wir essen dort zu Abend, bummeln ein bisschen und schauen, ob wir hübschen Schmuck für unseren Weihnachtsbaum finden.“

„Aber wir haben gar keinen Weihnachtsbaum“, erinnerte Rocca sie ernst.

„Dann kümmern wir uns heute als Erstes darum. Wir suchen einen Baum aus und stellen ihn bei euch auf.“

Matteo zog ein skeptisches Gesicht. „Ich glaube, das ist keine gute Idee. Vater wird damit nicht einverstanden sein.“

„Wir stellen den Baum ja nicht in seinen Räumen auf, sondern in euren.“ Monet betrachtete die ängstlichen kleinen Gesichter. Die Kinder waren wirklich besorgt. Das hatte sie nun wirklich nicht gewollt. „Oder“, fügte sie nachdenklich hinzu, „wir stellen ihn in meinem Salon auf. Ich hätte wahnsinnig gern einen Weihnachtsbaum. Das macht den Raum so gemütlich und verbreitet einen herrlichen Duft.“

„Aber wann können wir ihn dann sehen?“, wollte Antonio wissen. „Ich möchte einen Weihnachtsbaum mit hübschen Lichtern und Sternen und Kugeln.“

Sie nahm den kleinen Jungen auf den Schoß. „Du darfst immer in mein Wohnzimmer kommen. Wenn ihr wollt, können wir uns abends dort treffen und es uns gemütlich machen. Kekse und eine schöne Geschichte gibt es dann jeden Abend vor dem Zubettgehen.“ Erwartungsvoll blickte sie von einem zum anderen. „Na, wie klingt das?“

„So toll …“ Rocca seufzte sehnsüchtig.

Doch Matteo blickte immer noch zweifelnd. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Papa gefällt, wenn wir das hinter seinem Rücken tun.“

„Dann lassen wir es lieber“, stimmte Monet zögerlich zu. „Das Letzte, was ich möchte, ist, dass ihr Ärger kriegt. Ihr sollt euch freuen, keine Angst haben.“

Alle schwiegen betreten, dann flüsterte Antonio: „Also werden Sie keinen Baum besorgen, Signorina Wilde?“

„Ich hätte gerne einen“, erwiderte sie ehrlich. „Von mir aus auch nur einen ganz kleinen. Den könnte ich auf meinen Schreibtisch stellen.“

„Oder auf den Beistelltisch neben Ihrer Couch“, schlug Rocca mit leuchtenden Augen vor. „Dann können Sie ihn auch aus dem Bett sehen.“

Monet lächelte. „Eine gute Idee, das gefällt mir.“

„Dürfen wir beim Schmücken helfen?“ Das kleine Mädchen sah sie hoffnungsvoll an.

„Oh ja, bitte, bitte“, rief Antonio aus.

„Und wir könnten ihn ja auch zusammen aussuchen gehen“, fiel Rocca begeistert ein. „Und zusammen fällen und ins Haus bringen.“

„Nein, das überlassen wir lieber jemand anderem“, unterbrach Monet sie schmunzelnd. „Aber euren Rat beim Aussuchen könnte ich schon gut brauchen.“

„Und dann stellen wir ihn in Ihrem Wohnzimmer auf. Es ist ja nichts dabei, wenn wir abends zu Ihnen kommen, um dem Baum Gute Nacht zu sagen. Darüber kann Papa nicht allzu sauer sein.“ Rocca warf einen raschen Blick zu Matteo, dann zu Monet. „Aber bestimmt wird er böse auf Monet sein.“

„Das wollen wir aber nicht“, beharrte der Junge unglücklich. „Es ist nicht fair, dass sie wegen uns Probleme bekommt.“

„Stimmt.“ Rocca nickte ernst. „Wenn wir wirklich einen Baum wollen, dann müssen wir es ihm sagen. Und wenn er dann schimpft, schimpft er eben.“

Matteo schüttelte den Kopf. „Papa schimpft nicht. Er runzelte bloß die Brauen und macht ein Gesicht, sodass man denkt, er wird nie wieder lächeln.“

„Ich habe dieses Gesicht auch schon bemerkt“, bestätigte Monet. „So ist er nicht immer gewesen. Früher, als er jünger war, hat er die ganze Zeit gelächelt.“

„Ja, bevor Mama starb, hat er viel gelächelt“, bekräftigte Matteo leise. „Ich erinnere mich noch an unser letztes Weihnachten, bevor Antonio geboren wurde.“ Er sah seine Schwester an. „Kannst du dich auch daran erinnern? Es war das schönste Weihnachten überhaupt. Wir waren alle so glücklich. Wie im Märchen.“

Wieder verfielen die Kinder in Schweigen. Monet wurde das Herz schwer, und ihre Augen brannten verdächtig.

Es war das schönste Weihnachten überhaupt.

Wir waren alle so glücklich.

Die unschuldigen Worte berührten sie, und am liebsten hätte sie die Kinder in die Arme gezogen und vor allem Bösen beschützt.

Was für eine schlimme Zeit sie durchmachten. Ihnen war nicht nur die Mutter genommen worden, sondern in gewisser Weise auch der Vater. Marcu hatte jede Lebensfreude, Liebe und Zärtlichkeit verloren. Es war wirklich eine Tragödie. Leise machte Monet ihnen Mut: „So kann es auch wieder werden. Eines Tages wird es wieder so sein, das verspreche ich euch.“

„Wie soll das denn gehen?“, fragte Rocca mutlos.

Monet streichelte ihr über das seidige dunkle Haar. „Vielleicht wird es Zeit, dass wir ihn daran erinnern, wie wunderschön und besonders Weihnachten wirklich ist.“

Es wurde ein aufregender Tag für die Kinder. Zuerst backten sie Plätzchen, anschließend stapften sie dick eingemummelt durch den verschneiten Park, um den perfekten Weihnachtsbaum zu finden. Es dauerte fast eine Stunde, bis sich alle auf einen Baum einigen konnten. Dann machten sie sich auf die Suche nach dem Gärtner, der ihnen den Baum absägte und ins Haus brachte.

Schließlich entspann sich noch eine angeregte Diskussion darüber, wo der Baum in Monets Wohnzimmer genau stehen sollte. Sie platzierten ihn mal hier, mal dort, während der kleine Antonio die ganze Zeit bettelte, den Baum in den Kinderflügel zu bringen. Doch das ließ Matteo nicht zu, und Monet gab ihm recht. „Wir wollen doch nicht, dass euer Vater ärgerlich wird.“

Nachdem sie es geschafft hatten, sich auf einen Platz zu einigen, befestigten sie den Baum in dem Metallständer, den der Gärtner in einem Schuppen aufgetrieben hatte. Anschließend überlegten sie, wie der Baum geschmückt werden sollte. Die Kinder bastelten Papiersterne und Papierschneeflocken. Bevor sie diese jedoch aufhängen konnten, erschien der Butler mit einer Kiste voller Weihnachtsschmuck, die er auf dem Dachboden gefunden hatte.

Behutsam durchstöberten die Geschwister die Kiste mit ihren funkelnden Schätzen: wunderschöne zerbrechliche Glasornamente und handgeschnitzte Figuren für die Weihnachtskrippe. Sie überlegten gerade, welche Kugeln an den kleinen Baum passten, als der Butler auch noch eine lange Lichterkette brachte.

Die Kinder halfen Monet dabei, die Lichterkette um den Baum zu wickeln, dann begannen sie gemeinsam den Baum zu schmücken. Anschließend standen sie mit leuchtenden Augen um den Baum herum und bestaunten ihr Werk. Sie waren so begeistert, dass sie sich wünschten, in Monets Wohnzimmer vor dem Kamin zu Abend essen zu dürfen, damit sie den Baum bewundern konnten.

Monet erlaubte es ihnen, und der Koch machte ihnen zur Feier des Tages Pizza. Schließlich saßen sie alle glücklich auf dem dicken Teppich vor dem Kamin und aßen Pizza und Plätzchen.

Lächelnd betrachtete Monet die fröhlichen Kinder und sagte sich immer wieder, dass alles gut war. Doch tief in ihrem Innern fürchtete sie Marcus Reaktion. Plötzlich hatte sie ein dumpfes Gefühl im Bauch.

Marcu würde bei seiner Rückkehr überhaupt nicht begeistert sein.

Oh, nein … vermutlich würde er toben.

Doch es war die Sache wert, die Kinder endlich einmal gelöst und glücklich zu sehen.

Gott sei Dank kam er ja erst frühestens morgen am Spätnachmittag zurück. Ihnen blieb also noch genug Zeit, die unbeschwerte Weihnachtsmagie zumindest für eine begrenzte Zeit zu genießen.

7. KAPITEL

Der Wetterbericht machte Marcu ernsthaft Sorgen. Es wurde vor einem heftigen Wintersturm und starkem Schneefall gewarnt. Kurz entschlossen kürzte er sein Meeting ab und flog nach Mailand, denn in Aosta konnte er wegen des starken Schneetreibens schon nicht mehr landen. Der Wagen, den seine Assistentin für ihn gemietet hatte, stand bereits am Flughafen, sodass Marcu sich sofort auf den Nachhauseweg machen konnte.

Am Himmel ballten sich bedrohliche dunkle Wolken, und in den Nachrichten wurden für die kommenden Tage weiterhin schlechtes Wetter und Sturm vorhergesagt.

Während er den Wagen durch das Schneetreiben lenkte, überlegte er, wie die Kinder den Tag wohl verbracht hatten. Hoffentlich war Monet seinen Anweisungen gefolgt und mit ihnen an der frischen Luft gewesen. Marcu versuchte, sich gedanklich auf die Kinder zu konzentrieren und nicht auf Monet. Doch das schaffte er nicht. Je mehr er sich anstrengte, sie aus seinen Gedanken zu vertreiben, desto präsenter wurde sie.

Selbst am Abend zuvor, als er mit Vittoria Essen gegangen war, hatte er ständig an sie denken müssen. Plötzlich hatte er überhaupt keine Lust mehr auf den Abend mit Vittoria gehabt. Vielleicht hatte Monet recht. Vielleicht machte er einen großen Fehler. Die Kinder brauchten eine warmherzige, liebevolle Mutter. Ob Vittoria dafür die Richtige war?

Während er ihr nur halb zuhörte, als sie übers Skilaufen plauderte, über die Partys, auf die sie gehen und über die Leute, die sie treffen würden, sank seine Laune auf den Nullpunkt, und ihm wurde die Brust eng. Nicht ein einziges Mal erkundigte sie sich nach den Kindern. Nicht ein einziges Mal äußerte sie die Sorge, dass es für die Kinder traurig sein könnte, sie Weihnachten allein zu lassen und gemeinsam in den Urlaub zu fahren.

Was wäre, wenn sie genauso hart und kalt war wie er?

Was, wenn diese Ehe alles nur noch schlimmer für die Kinder machte?

„Ich muss dir etwas sagen.“ Marcu legte seine Gabel ab. „Ich habe Monet geküsst … du weißt, sie vertritt Miss Sheldon. Es hätte nicht passieren dürfen, und es wird nicht noch einmal geschehen. Es tut mir leid.“

„Wenn es eine einmalige Sache war und nie wieder vorkommt, warum erzählst du es mir dann?“, hatte Vittoria kühl erwidert.

„Ich fühle mich schlecht deswegen.“

Sie sah ihn lange an, bevor sie achselzuckend bemerkte: „Ich habe dich nie für einen Heiligen gehalten. Du machst, was du willst.“

„Das tue ich nicht und schon gar nicht, wenn wir heiraten.“ Falls wir heiraten, fügte er im Stillen hinzu. Sofort erschrak er. Wo kam dieser Gedanke denn plötzlich her?

Er hatte doch nicht ernstlich Zweifel, oder doch?

Verdammt, er durfte nicht zulassen, dass Monet sein ganzes Leben auf den Kopf stellte.

„Männer haben Affären“, erklärte Vittoria nüchtern. „Frauen auch. Das liegt in der menschlichen Natur.“

„Ich habe Galeta nie betrogen. Falls wir heiraten, werde ich auch dich nicht betrügen.“

„Falls …“ Sie neigte leicht den Kopf zur Seite. „Du bist dir nicht mehr sicher, oder? Ein paar Tage mit dieser Nanny, die du von früher kennst, und du küsst sie und stellst unsere Beziehung infrage. Kann es sein, dass du in sie verliebt bist?“

„Damals ja, da war ich jung und unreif.“

„Vielleicht bist du immer noch in sie verliebt.“

Kurze Zeit später brachte Marcu Vittoria nach Hause und verabschiedete sich an der Haustür von ihr.

Als er wieder in seinem Wagen saß, gingen ihm tausend Gedanken durch den Kopf. Seit er Monet geküsst hatte, war nichts mehr wie zuvor. Dabei war doch gar nichts passiert, ein kurzer Moment des Kontrollverlusts, mehr nicht. Sie waren auch nicht weitergegangen, hatten die Sache sofort wieder beendet. Trotzdem kam es ihm so vor, als hätte er ihren wundervollen Körper tatsächlich erkundet, denn von nichts anderem träumte er seitdem.

Er hatte ihre weichen Brüste an seiner Brust gespürt, ihre Hüften an seinen. Hatte die Hitze ihres Körpers genossen, ihren Duft nach Vanille und Orange tief eingesogen.

Monet roch nach Sommer, und das hatte in ihm Erinnerungen an längst vergangene Zeiten geweckt.

In gewisser Weise hatte Monet sich seit damals sehr verändert, doch im Kern war sie noch genau dasselbe Mädchen wie früher: stark, klug, authentisch.

Niemals hatte er jemanden wie sie kennengelernt. Sie war so ganz anders als er, trotzdem hatte es sich irgendwie richtig angefühlt. Früher zumindest.

Heute jedoch …

Es gibt kein Heute, sagte er sich streng. Er brauchte eine Ehefrau, und Vittoria entsprach den Kriterien. Es konnte immer noch eine gute Ehe werden. Auch Galeta hatte er nicht aus Liebe geheiratet, aber er hatte sie respektiert, so wie er jetzt Vittoria respektierte. Liebe war vergänglich, was zählte, waren Sicherheit und Stabilität. Keinesfalls würde er seine Zukunft und das Glück seiner Kinder für so etwas Vergängliches wie romantische Liebe aufs Spiel setzen.

Nicht, dass er Monet jemals geliebt hatte. Aber er hatte sie begehrt, leidenschaftlich begehrt, und dieses Begehren hatte eine tiefe Freundschaft zerstört und eine tiefe Kluft zwischen ihn und seinen Vater gerissen.

Dieses erneute Aufflammen musste er sofort im Keim ersticken, musste seine Selbstbeherrschung zurückgewinnen. Auf gar keinen Fall durfte er zulassen, dass irgendetwas jetzt noch seine Pläne durchkreuzte. Er wusste, was er wollte – und was er nicht wollte! Sein Entschluss stand fest.

Marcu atmete tief aus und stellte die Geschwindigkeit der Scheibenwischer höher. Draußen herrschte jetzt dickes Schneetreiben, dagegen kamen seine Scheibenwischer kaum an. Die Landschaft um ihn herum versank in blendendem Weiß, und der Sturm peitschte den Schnee über die Fahrbahn und führte zu gefährlichen Verwehungen. Es würde eine lange Fahrt bis zum Castello werden.

Endlich zu Hause sah Marcu zuerst nach den Kindern, die bereits tief und fest schliefen. Dann klopfte er an Monets Tür. Er wollte sich erkundigen, ob sie während seiner Abwesenheit gut mit den Kindern zurechtgekommen war.

Es dauerte ein bisschen, bis sie öffnete, und er fragte sich schon, ob sie sich ebenfalls schon schlafen gelegt hatte. Gerade wollte er wieder gehen, als sie den Kopf zur Tür herausstreckte. Das lange dunkle Haar fiel ihr lose auf die Schultern, und ihre wunderschönen großen Augen schimmerten.

„Habe ich dich geweckt?“

„Nein, ich lag zwar schon im Bett, habe aber noch gelesen.“

„Ist alles gut gelaufen? Ich habe nichts von dir gehört, deswegen wollte ich kurz nachfragen.“

„Alles bestens. Wir haben uns prima verstanden. Die Zeit ist wie im Flug vergangen.“

Ihm fiel auf, dass sie irgendwie leicht gezwungen klang. „Was habt ihr denn unternommen?“, wollte er wissen.

„Plätzchen gebacken und im Schnee getobt.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, ließ die Tür aber angelehnt, sodass er nicht ins Zimmer schauen konnte. „Wir hatten jede Menge frische Luft, du kannst also beruhigt sein.“

„Hm, das klingt zu gut, um wahr zu sein.“

Ein erschrockener Ausdruck huschte über ihr Gesicht. „Wieso denn? Deine Kinder und ich verstehen uns großartig. Wir haben viel Spaß zusammen.“

In diesem Moment sah er über ihrer Schulter etwas aufblitzen, einen silbrigen Schimmer. Und dann roch er den unverkennbaren Duft einer frisch geschlagenen Tanne.

Marcu stieß die Tür auf. Auf dem Beistelltisch neben dem Kamin stand ein prachtvoll geschmückter Weihnachtsbaum in Silber und Weiß. Der würzige Geruch erfüllte das Zimmer und weckte sofort nostalgische Erinnerungen in ihm.

Einen Moment lang war er sprachlos, dann versuchte er sich zu sammeln. „Ich dachte, wir waren uns einig: keine Weihnachtsdeko, kein Baum, nichts von all diesem Blödsinn.“

„Du irrst.“ Abwehrend verschränkte sie die Arme und funkelte ihn an. „Wir waren uns überhaupt nicht einig, weil ich darüber eine völlig andere Meinung habe.“

„Deine Meinung zählt nicht. Du bist hier, um zu tun, was ich dir sage.“

„Falsch. Ich bin hier, weil du mir zutraust, mich anständig um deine Kinder zu kümmern. Und genau das tue ich.“

„Ich feiere Weihnachten nicht, Monet.“

„Fein. Aber müssen deshalb auch die Kinder darauf verzichten? Ich verstehe ja, dass du noch trauerst, die Kinder trauern ebenfalls. Aber musst du ihren Schmerz noch vergrößern, indem du ihnen Weihnachten nimmst? Damit raubst du ihnen so viel Schönheit und Hoffnung.“

„Blödsinn!“ Er funkelte sie wütend an. Monet stellte seine Geduld hart auf die Probe, und das gefiel ihm gar nicht. Aufgebracht stürmte er ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

„Du lebst schon zu lange in England und hast diese kitschige und kommerzielle Sichtweise von Weihnachten übernommen“, warf er ihr vor. „In Sizilien dreht sich Weihnachten nicht vorrangig um einen geschmückten Baum und glitzernde Deko und Geschenke. Meine Kinder bekommen ihre Geschenke am sechsten Januar, dem Dreikönigstag. Da wirst du erleben, wie sie der Ankunft der gutmütigen Weihnachtshexe La Befana entgegenfiebern und sich auf ihre Süßigkeiten freuen. Wenn sie artig waren, kriegen sie ein bisschen Spielzeug und andere kleine Geschenke. Das ist unsere Tradition. Deine Art, Weihnachten zu feiern, brauchen sie nicht.“

Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann schüttelte Monet temperamentvoll den Kopf. „Schön, sie brauchen es vielleicht nicht. Und du brauchst es auch nicht. Aber ich. Ich brauche mein Weihnachten. Du hast einen Gefallen von mir eingefordert, aber das gibt dir nicht das Recht, mir wegzunehmen, was mir Freude macht. Und mir macht es nun einmal Freude, Weihnachten zu feiern. Ich wünsche mir Magie und Glitzer und Fröhlichkeit. Wenn dir das nicht passt, dann schick mich jetzt sofort nach Hause. Ich brenne darauf, nach London zu meinem Leben und zu meinen Freunden zurückzukehren. Lass mich bitte gleich abreisen, denn dieses Thema diskutiere ich nicht länger mit dir. Ich bin fest davon überzeugt, dass du falschliegst. Denn in meinen Augen verhältst du dich grausam.“

„Grausam?“, knurrte er.

„Ja, grausam.“ Sie funkelte ihn aufgebracht an. „Und verletzend.“

Gekränkt machte er einen Schritt zurück. „Das stimmt nicht.“

„Doch, genauso ist es. Und du gefällst dir in der Rolle des Miesmachers. Ich verstehe ja, du stehst allein da mit einem gebrochenen Herzen und drei kleinen Kindern. Aber du musst dich dieser Tatsache stellen und dich dem Leben stellen. Nur so kann dein Herz wieder heilen. Du musst nach vorn blicken und deine Verbitterung hinter dir lassen. Im Moment kann ich nur Mitleid für Vittoria empfinden oder jede andere Frau, die du in diese Familie integrieren willst. Denn dazu bist du noch nicht bereit. Du bist noch nicht bereit für eine neue Ehe, nicht bereit, die Vergangenheit loszulassen.“

„Die Kinder …“

„Es geht hier nicht um die Kinder, sondern um dich! Es geht darum, dass du zornig auf Gott bist, auf dich selbst, weil du Galeta nicht retten konntest. Himmel, du hast ernsthafte Probleme, und es wird höchste Zeit, dich diesen zu stellen.“

Verärgerung flammte in ihm auf. Er ballte die Fäuste. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen?“

Mindestens ebenso zornig wie er warf sie den Kopf zurück. Ihre Blicke schossen kleine Dolche auf ihn ab. „Die Frage müsste lauten, wie können es die anderen wagen, nicht so mit dir zu sprechen? Damit tun sie dir nämlich keinen Gefallen. Sie vergrößern nur deinen Schmerz, indem sie dir die Wahrheit vorenthalten.“

„Jetzt habe ich aber genug! Gleich morgen früh wirst du den Baum entfernen!“

„Nein, das werde ich nicht.“

„Wenn du dich weigerst, dann tue ich es.“

„Und wenn du es wagst, meinen Baum anzurühren, dann bin ich weg. Falls du mich feuern möchtest, nur zu. Ich war sowieso nie scharf darauf, mich in das Heer deiner Angestellten einzureihen. Ich bin hierhergekommen, um dir einen Gefallen zu tun. Und ob es dir nun gefällt oder nicht, du hast mir gar nichts zu befehlen.“

„Ich bezahle dich aber. Das macht dich zu meiner Angestellten.“

„Dann behalte doch dein verdammtes Geld. Ich will es nicht. Ich wollte es nie. Das Einzige, was ich mir je von dir gewünscht habe, war Respekt. Und genau den hast du mir immer versagt.“

„Du bist ja hysterisch!“

„Nicht hysterisch, nur ehrlich. Ich habe es satt, auf dein Ego Rücksicht zu nehmen. Davon besitzt du nämlich eine riesige Portion zu viel. Marcu, du bist ein Mensch, kein Gott. Und weil du ein Mensch bist, machst du Fehler. Und gerade jetzt machst du einen großen Fehler. Das wäre okay, wenn du es wenigstens erkennen und daran arbeiten würdest, aber das tust du nicht.“

„Bist du fertig?“, stieß er mühsam beherrscht hervor.

„Nein. Ich weigere mich, auf Zehenspitzen um dich herumzuschleichen. Und ich werde nicht so tun, als hättest du recht, wenn das Gegenteil der Fall ist. Ich habe keine Angst vor dir, und es ist mir egal, wie du über mich denkst. Du hast sowieso keinen Respekt vor mir, Marcu, genauso wenig wie dein Vater. Mir ist bewusst, wie ihr beide über mich gedacht habt. Das ist auch der Grund, weshalb ich Palermo verlassen habe, euch alle verlassen habe. Ich war euch nicht gut genug. War nicht standesgemäß.“

Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Viel zu lange hatte sie sie zurückgehalten, jetzt konnte sie sich nicht mehr bremsen.

„In deinen Augen gehöre ich zu der Sorte Frau, mit der man ins Bett geht“, fuhr sie grimmig fort, „die man aber nicht heiratet. Du begehrst vielleicht meinen Körper, aber mein Herz ist dir egal.“

„Jetzt redest du wirklich Unsinn“, unterbrach er sie barsch.

„Nein. Ich habe euch gehört. An dem Abend, als dein Vater dich und mich in deinem Schlafzimmer erwischt hat. Ich habe gehört, was er zu dir gesagt hat. Er hat dich gefragt, ob du vorsichtig bist, auf Verhütung achtest. Hat dich ermahnt, bloß nicht so dumm zu sein, auf eine wie mich hereinzufallen. Eine, die höchstens für eine Affäre taugt, aber nicht als Ehefrau.“

Monets Stimme zitterte, und sie presste die Hand gegen die Stirn. „Wahrscheinlich hat er es sogar darauf angelegt, dass ich seine Worte höre, um mir klarzumachen, dass ich gesellschaftlich weit unter dir stehe. Dass ich käuflich bin wie meine Mutter.“

„Das Wort käuflich hat er nicht benutzt.“ Marcu war geschockt zu erfahren, dass Monet diese Unterhaltung mit angehört hatte. Kein Wunder, dass sie so verletzt und wütend war. Sie hatte das alles jahrelang verdrängt, und jetzt explodierte sie förmlich.

„Du hast recht. Er hat ein anderes Wort benutzt, ein sizilianisches Schimpfwort mit ähnlicher Bedeutung.“

„Mein Vater wollte dich nicht verletzen, er wollte mich als seinen Erstgeborenen und Erben schützen.“

„Es war sein gutes Recht, zu tun, was das Beste für dich ist.“ Tränen brannten ihr in den Augen. „Wahrscheinlich war es noch Glück im Unglück für mich. Es half mir, klarzusehen und einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen.“

„Er hat dir sehr wehgetan. Das tut mir leid.“

„Du hast mir wehgetan. Und es tut dir nicht leid.“ Tränen hingen in ihren Wimpern. „Im Nachhinein bin ich froh, dass du mich nicht verteidigt hast. Es war wichtig, diese Unterhaltung mit anzuhören und zu begreifen, dass du nichts für mich empfunden hast. Es hat mich wachgerüttelt, und das war auch dringend nötig. Genauso nötig, wie endlich damit aufzuhören, den Ubertos gefallen zu wollen. Die Unterhaltung hat mich befreit, deshalb kann ich jetzt auch hier stehen und dich anschauen, ohne mich minderwertig zu fühlen.“

Was sollte er bloß mit dieser Frau anstellen?

„Du hättest mir erzählen sollen, was du gehört hast“, entgegnete er vorwurfsvoll. „Du hättest mich damit konfrontieren müssen.“

„Und was hättest du dann getan? Das Ganze geleugnet? Mir weisgemacht, ich hätte das alles falsch verstanden? Marcu, ich habe es damals begriffen, und ich begreife es heute. Aber das ist nicht länger wichtig. Wichtig ist deine Familie hier. Es wird höchste Zeit, dass du dich mit deiner Trauer auseinandersetzt, damit du dich so um die Kinder kümmern kannst, wie sie es brauchen. Du musst ihnen deine Liebe zeigen.“

Sie sah ihn beschwörend an. „Es ist gar nicht nötig, eine Frau mit ins Spiel zu bringen, die die Dinge für dich regelt. Du brauchst keine Frau. Und du brauchst auch keine neue Mutter für die Kinder. Du musst dir einfach nur selbst vergeben, dass du nicht da gewesen bist, als Galeta starb. Du würdest einen großartigen Vater abgeben, wenn du nur endlich deinen Frieden mit der Vergangenheit machtest. Deine Kinder sind so liebenswert, so klug und freundlich und lustig. Sie sind einfach perfekt. Und sie sind immer noch so klein. Das Einzige, was sie brauchen, ist jemand, der sie liebt und mit ihnen zusammen lacht. Warum kannst du nicht derjenige für sie sein?“

Ihre Worte trafen ihn wie Schläge. „Ich glaube, für heute hast du genug gesagt“, brachte er tonlos hervor.

„Dann geh. Das ist mein Zimmer.“

„Du willst mich provozieren.“

„Und du weigerst dich, zu sehen, was direkt vor deiner Nase ist!“

Er ging auf sie zu. „Meinst du dich?“

Monet wich zurück. „Nein, deine Kinder.“

Jetzt stand sie mit dem Rücken an der Wand – wortwörtlich. „Du tust so, als ob es dir um die Kinder geht, doch das stimmt nicht“, warf er ihr vor. „Du bist nur wütend auf mich, weil ich dich damals nicht gegen meinen Vater verteidigt habe.“

„Damals war ich wütend, das stimmt, und sehr verletzt. Aber das liegt hinter uns. Ich bin hierhergekommen, um dir mit den Kindern zu helfen, das hast du doch von mir verlangt.“

„Und um meine Anweisungen zu befolgen.“ Jetzt stand er ganz dich, vor ihr, es gab keinen Fluchtweg mehr. „Musst du mir denn bei jeder sich bietenden Gelegenheit widersprechen?“

„Doch nur, weil du bequem und verweichlicht geworden …“

„Verweichlicht?“, unterbrach er sie ungläubig.

Ihre goldbraunen Augen funkelten. „Ja, verweichlicht. Du hast keine Lust, die Dinge anzupacken. Du wünschst dir eine schnelle Lösung, aber das geht nach hinten los. Ich garantiere dir, dass du diesen Weg noch bereuen wirst.“

Marcu spürte, wie sie regelrecht vor Wut bebte. Plötzlich fühlte er sich wie magisch zu ihr hingezogen, zu ihrer Lebendigkeit, ihrer Hitze.

Er wollte sie berühren … sie küssen … sie besitzen. Doch er hatte ihr versprochen, sie in Ruhe zu lassen, und er war fest entschlossen, sich daran zu halten. Trotzdem stützte er beide Hände dicht neben ihrem Kopf gegen die Wand, elektrisiert von ihrer Nähe. Oh, es war noch Platz zwischen ihnen, gerade so viel, um sein Versprechen halten zu können. Aber nicht genug, um ihm seinen Seelenfrieden zurückzugeben.

Schon seit sie vor acht Jahren fortgegangen war, gab es keinen Seelenfrieden mehr für ihn.

„Du hast versprochen, mich nicht anzurühren“, brachte sie atemlos hervor.

Ihm entging nicht, wie sich ihre Brust vor Erregung hob und senkte. Monet war nicht immun gegen ihn. Nein, sie war sich seiner Gegenwart genauso bewusst wie umgekehrt.

„Das werde ich auch nicht.“ Er senkte den Kopf, brachte seine Lippen ganz dicht an ihre und spürte das elektrisierende Prickeln zwischen ihnen. Die Hitze war einfach berauschend. Sie war berauschend. „Ich stehe einfach nur hier.“

Monet schluckte schwer. Ihre Augen schimmerten, die Pupillen waren groß und dunkel. Und ihre Lippen waren so voll und weich und so verführerisch.

Er wollte sie küssen, bis ihnen beiden schwindlig wurde vor Lust …

„Ich weiß genau, was du vorhast.“ Ihre Stimme klang leise und rau, und sofort dachte er an leidenschaftlichen Sex.

Und das war genau das, was er wollte.

Er wollte das Verbotene.

„Aber ich habe es nicht getan, oder?“ Jetzt kam er noch ein Stück näher, roch den blumigen Duft ihres Shampoos und ihrer Haut. Was für eine Qual. Es gab keinen anderen Ausdruck dafür. Er starrte auf ihren Mund, die weiche Fülle ihrer Lippen. Marcu sehnte sich danach, diese Lippen, diese Frau zu erobern …

Sie war die einzige Frau, die je solche intensiven Gefühle in ihm geweckt hatte. Was war das nur an ihr, was ihn schier in den Wahnsinn trieb? Er konnte es sich einfach nicht erklären. Dieses Verlangen war nicht logisch … Und gleichzeitig empfand er es als einzig folgerichtig.

Ihre Wangen waren gerötet, sie biss sich auf die Unterlippe. „Du hältst dich nicht an die Regeln.“

„Welche Regeln?“

Monet schloss die Augen und stieß zittrig die Luft aus. „Genau das meine ich ja.“

Inzwischen war er so erregt, dass es fast schmerzte. Er wollte sie so sehr … Und es kostete ihn übermenschliche Anstrengung, sich nicht zu nehmen, wonach er sich sehnte. „Das funktioniert nicht, oder?“, fragte er leise.

Sie schüttelte den Kopf.

„Was sollen wir tun?“

Monet seufzte. „Einer von uns muss gehen.“

„Du meinst, dein Zimmer verlassen?“

„Nein, das Castello.“ Sie sah ihm direkt in die Augen. Doch in ihrem Blick las er, wie sehr sie das alles quälte, und das setzte ihm noch mehr zu.

„Wir beide unter einem Dach, das geht nicht gut“, flüsterte sie. „Das weißt du genau.“

Ja, er wusste es, sie hatte recht. Und doch hasste er es, sich diese Wahrheit einzugestehen. Aber er hasste es auch, so stark zu empfinden. Er hasste es, sich hilflos zu fühlen. Aber sie zu verlassen …

Sie zu verlieren …

Noch einmal.

Himmel, sie gehörte ihm ja gar nicht, hatte ihm nie gehört. Warum konnte er das nicht einfach akzeptieren?

Doch ja, er konnte es. Hatte es schon einmal gekonnt. Schließlich war er ein erwachsener Mann, der sich seiner Verantwortung bewusst war. Und er wusste um die Konsequenzen seines Handelns.

„Du wirst hier gebraucht, ich nicht“, erklärte er brüsk, bevor er sich von der Wand abstieß und einen Schritt zurücktrat. Plötzlich fühlte er sich schrecklich erschöpft. „Ich reise morgen ab.“

„Gut, denn wenn du es nicht tust, tue ich es.“

Monets Herz raste. Mit zitternden Knien ging sie zu dem Sessel vor dem Kamin und ließ sich hineinfallen.

Nie zuvor hatte sie einen Kuss so sehr gewollt.

Was hätte sie dafür gegeben, hätte Marcu einfach alle Vorsicht über Bord geworfen und sie geküsst …

Nicht zärtlich und behutsam, sondern mit ungezügelter Leidenschaft. Ihr ganzer Körper bebte vor ungestilltem Verlangen.

Sie sehnte sich nach dem Gewicht seines Körpers, der Hitze, dem Druck. Ihre Haut prickelte, sie fühlte sich unruhig, unbefriedigt. Monet legte einen Arm über ihre Brüste und wünschte sich zutiefst, seine Hände dort zu spüren. Sie sehnte sich nach seinen Lippen auf ihrer Haut, nach Erfüllung …

Oh, mein Gott.

Es war genauso wie damals in Palermo und noch schlimmer. Denn jetzt war sie eine erwachsene Frau und sich ihrer Bedürfnisse bewusst. Nur Marcu schaffte es, dieses heiße Verlangen in ihr zu wecken. Sie war regelrecht süchtig nach diesem Gefühl.

Und sie wollte mehr.

Monet schloss die Augen und seufzte schwer. Das Bewusstsein, dass es falsch wäre, ihrem Begehren nachzugeben, half auch nicht. Das Verlangen loderte hell in ihr auf, und es würde nicht leicht werden zu vergessen, wie mühelos es ihm erneut gelungen war, diese wundervollen Gefühle in ihr zu entfachen.

Marcu stand am Fenster in seinem Schlafzimmer und blickte auf die weiße Schneelandschaft hinaus. Es schneite noch immer, aber wenigstens hatte der Sturm sich etwas gelegt. Ganz im Gegenteil zu dem Sturm in seinem Inneren.

Marcu war gar nicht erst zu Bett gegangen, denn er wusste genau, dass er nicht würde schlafen können.

All die Jahre hatte er geglaubt, dass Monet Palermo so überstürzt verlassen hatte, weil er sie mit seinem Kuss abgeschreckt hatte. Er hatte angenommen, sie bedauerte, was in seinem Schlafzimmer passiert war, und wollte so schnell wie möglich verschwinden. Und er hatte sich Vorwürfe gemacht, weil er sich nicht hatte beherrschen können und ihr Vertrauen missbraucht hatte. Sie hatte ihn doch immer wie einen Bruder betrachtet, auf den sie sich verlassen konnte. Und dieser Bruder hatte sie bitterlich enttäuscht. Das hatte er in ihrem verletzten Blick gelesen, als er nach der Auseinandersetzung mit seinem Vater in sein Zimmer zurückgekommen war.

Die Wahrheit war, er hatte alles gründlich missverstanden.

All die Jahre hatte er sich schrecklich schuldig und schlecht gefühlt, wenn er an Monet dachte. Wie hatte er nur die Situation ausnutzen können, um sie zu küssen und ihr damit das Gefühl zu geben, in ihrem eigenen Zuhause nicht sicher zu sein?

Erst heute Abend hatte er wirklich begriffen, was passiert war.

Die Worte seines Vaters hatten sie verletzt … und die Tatsache, dass Marcu sie nicht verteidigt hatte.

Er hatte nicht gemerkt, dass sie das Gespräch mit angehört hatte, ein Gespräch, das er völlig anders in Erinnerung hatte als sie.

Doch daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Fest stand, dass sie nicht beide unter demselben Dach bleiben konnten. Was hatte er sich bloß dabei gedacht, sie hierherzuholen? Hatte er sich wirklich vorgemacht, dass er sie nicht mehr begehrte? Hatte er gehofft, sich von der Vergangenheit, von ihr, befreien zu können, indem er sie nach Aosta brachte?

Tja, dann hatte er es jedenfalls gründlich vermasselt.

Denn er wollte Monet mehr denn je. Er wollte sie besitzen … wollte sie berühren, sie schmecken, ihren Körper erkunden, sie lustvoll erschauern lassen, wollte zusehen, wie sie mit ihm den Höhepunkt erklomm.

Und wie zum Hohn hatte er in seinem gepackten Koffer einen Verlobungsring für Vittoria. Sein Verstand sagte ihm, dass sie die Richtige war. Er brauchte jemanden, der seine innere Ruhe nicht bedrohte. Marcu zog es vor, in einer Welt zu leben, die von Vernunft und Regeln geprägt war, nicht von Leidenschaft oder Hunger. Oder flüchtigen Emotionen, denen man nicht trauen durfte.

Wenn doch bloß sein Körper seinem Verstand gehorchen würde. Wenn doch nur dieses quälende Verlangen nachließe.

Er presste die flache Hand gegen das kalte Fensterglas in der Hoffnung, die Hitze in seinem Inneren zu löschen.

Monet war nicht für ihn bestimmt, war es niemals gewesen. Gleichzeitig gab es aber niemanden, dem er seine Kinder lieber anvertraut hätte als ihr.

Und es gab keine Frau, die er je mehr begehrt hatte …

Doch in der Ehe ging es nicht um Leidenschaft und Verlangen. Ehe bedeutete Pflichterfüllung und Verantwortlichkeit. Das durfte er nicht durcheinanderbringen.

Auf jeden Fall würde er gleich morgen früh abreisen, bevor er noch etwas völlig Verrücktes tat … Etwas, das ihrer aller Leben für immer veränderte.

Als Monet am nächsten Morgen erwachte, tanzten draußen vor dem Fenster dicke weiße Schneeflocken. Mit Mühe rappelte sie sich hoch und stand auf. Sie hatte Kopfschmerzen, und ihre Augen brannten. Ihre Nacht war unruhig gewesen, immer wieder war sie aus quälenden Träumen hochgeschreckt.

Seufzend wickelte sie sich in ihren kuscheligen Bademantel und tappte nach nebenan ins Wohnzimmer. Dort stand schon ein appetitlich angerichtetes Frühstück auf einem Tablett für sie bereit. Keine Nachricht von Marcu diesmal. Umso besser.

Sie schaltete die Lichter ihres kleinen Baums ein und trank in kleinen Schlucken ihren Caffè Latte, während sie ein warmes Brötchen mit Butter und Marmelade verzehrte.

Gerade als sie ihr Frühstück beendete, klopfte es an der Tür. Monet schloss die Augen und sandte ein kurzes Stoßgebet zum Himmel: Bitte lass es nicht Marcu sein! Dann stand sie auf, um zu öffnen.

Es war Marcu. Er trug eine warme Winterjacke.

„Ich habe mich eben von den Kindern verabschiedet“, erklärte er. „Ich wollte nicht los, ohne sie schnell noch zu sehen.“

„Es ist ziemlich früh.“

„Ja. Aber wenn ich bei dem Wetter noch aus dem Tal herauskommen will, muss ich mich beeilen.“

„Nimmst du diesmal nicht den Helikopter?“

„Nein, nicht bei dem Schneesturm. Ich fahre bis nach Mailand, dann kann ich fliegen.“

„Werden die Straßen nicht glatt sein?“, fragte sie mit einem besorgten Blick aus dem Fenster auf die schneebedeckten Wipfel der Bäume.

„Es wird schon gehen. Wenn ich jetzt nicht aufbreche, sitze ich hier das ganze Wochenende fest. Der Schneesturm wird noch die nächsten Tage anhalten.“

„Dann pass bitte auf dich auf.“

„Das werde ich.“ Er zögerte. „Ich wollte noch etwas loswerden, bevor ich fahre. Etwas, was ich dir schon vor Jahren hätte sagen sollen. Ich habe dir damals geholfen, Palermo zu verlassen, weil ich glaubte, du wärst … abgestoßen gewesen von meinen Annäherungsversuchen. Ich dachte, das sei der Grund für deine Tränen, als ich nach dem Gespräch mit meinem Vater ins Zimmer zurückkam.“

Marcu senkte den Blick. „Ich habe mich selbst verabscheut, weil ich dachte, ich hätte dir wehgetan. Und ich war fest entschlossen, mich bei dir zu entschuldigen. Deshalb wollte ich dich nach Galetas Tod besuchen. Irgendwie dachte ich, Gott würde mich strafen.“

„Nein!“

Er lachte verlegen. „Es tut mir leid, wenn ich …“

„Schon gut.“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu, kurz davor, ihm die Hand auf die Brust zu legen. Im letzten Moment hielt sie sich jedoch zurück. „Gott hat dich nicht bestraft, davon bin ich fest überzeugt. Du hast nichts Schlimmes getan, nichts, was ich damals nicht auch gewollt habe. Ich war an jenem Abend völlig aufgewühlt, das stimmt, aber das hatte eher mit dem Hormonchaos eines unreifen achtzehnjährigen Teenagers zu tun.“ Sie zwang sich zu lächeln. „Ehrlich gesagt war ich total verliebt in dich. Und es hat mich verletzt, dass du meine Gefühle nicht erwidert hast.“

„Na ja, so ganz stimmt das nicht. Sonst hätte ich dich wohl nicht geküsst.“

„Mag sein. Aber mit mir hättest du keine Zukunft gehabt. Jetzt verstehe ich das, aber damals hat es mir wehgetan.“

„Ich wünschte, ich hätte ein bisschen mehr Verstand besessen.“

„Wie gesagt, alles ist gut. Ich war hoffnungslos romantisch und habe mich in völlig unrealistische Fantasien hineingesteigert. Das war ein Fehler, aber ich habe es überlebt.“ Monet machte einen Schritt zurück und deutete eine Verbeugung an. „Schau her. Hier bin ich, und es geht mir gut.“

Er hielt ihren Blick fest. „Eins noch.“

Ein Anflug von Besorgnis huschte über ihr Gesicht. „Das klingt irgendwie so, als sei dies ein Abschied für immer …“

„Keine Sorge. Ich habe drei Kinder, die mich brauchen.“

„Ganz genau. Bitte vergiss das nie.“

„Versprochen.“ Er strich sich mit der Hand über das Kinn. „Es geht um den Gefallen, den ich von dir eingefordert habe. In Anbetracht der Tatsache, dass ich dich überhaupt erst in die Situation gebracht habe, Palermo verlassen zu müssen, war das nicht besonders fair von mir.“

Plötzlich sah Monet wieder alles vor sich: wie sie halb nackt auf seinem Bett gelegen hatte, ohne Bluse, ohne BH. Sie war nur noch mit ihrem Slip bekleidet gewesen, als Marcus Vater hereingeplatzt war. Sofort hatte Marcu die Decke schützend über sie gezogen, doch Matteo hatte natürlich begriffen, was da vor sich ging. „Es ist so, wie es ist, Marcu. Solche emotionalen Turbulenzen gehören zum Erwachsenwerden.“

„Du warst so schrecklich wütend auf mich“, sagte er leise. „Du hast gesagt, du wolltest mich nie wiedersehen.“

Monet nickte. „Ja.“

„Und du hast es genauso gemeint.“

„Das habe ich“, erwiderte sie achselzuckend. „Ich brauchte dringend eine Veränderung, wollte mir ein Leben aufbauen, ohne von den Ubertos abhängig zu sein.“

„Genau aus diesem Grund habe ich dir das Versprechen abgenommen, dass du mir eines Tages den Gefallen zurückzahlen musst. Ich hatte Angst, du wolltest mich endgültig aus deinem Leben aussperren, und ich war nicht bereit, dich zu verlieren. Dieser Gefallen war meine letzte Verbindung zu dir. Die Aussicht darauf, dich noch einmal wiederzusehen.“

Ein stechender Schmerz durchzuckte sie.

Marcu hatte es immer verstanden, den richtigen Nerv bei ihr zu treffen.

Er hatte immer die richtigen Worte gefunden … Bis sie gegangen war und er geheiratet hatte und jemand anderer geworden war. Jemand, den sie nicht mochte und nicht kennenlernen wollte. Doch wie es schien, gab es auch noch immer den Marcu von früher. Den Marcu, den sie bewundert und geliebt hatte.

„Das war eine sehr gute Idee von dir. Ich stelle es mir schrecklich vor, wenn wir uns nie wiedergetroffen, nie wieder ein Wort miteinander gewechselt hätten. Und es freut mich, dass ich dir mit deinen Kindern helfen kann. Sie sind so liebenswerte kleine Geschöpfe. Du darfst dich wirklich glücklich schätzen, sie zu haben.“

Der Druck in ihrer Brust ließ plötzlich nach, und sie fühlte sich seltsam befreit.

Marcu nickte kurz. „Ich muss jetzt los.“

„Ja, das musst du wohl.“ Wieder schaute sie unruhig aus dem Fenster. „Das sieht gar nicht gut aus. Ich mache mir Sorgen wegen der Fahrt.“

„Wenn ich es über den Pass geschafft habe, liegt das Schlimmste hinter mir.“

„Du meinst, falls du es über den Pass schaffst.“

Plötzlich lächelte Marcu. Ein verschmitztes, sorgloses Lächeln, das sie an früher erinnerte. „Du traust mir aber auch gar nichts zu.“

„So ist es nicht. Doch warum das Schicksal herausfordern, wenn drei wundervolle Kinder von dir abhängen?“

Er sah sie lange an, sein Lächeln verblasste. „Du denkst vielleicht, ich höre nicht zu, aber das tue ich. Ich habe jedes Wort gehört, das du gesagt hast.“

Wieder legte sich ein Mühlstein auf ihre Brust, ihr Herz schmerzte. Mühsam hielt sie die Tränen zurück, die in ihren Augen brannten. „Wir werden dich vermissen“, sagte Monet leise. „Sei vorsichtig.“

„Das bin ich.“ Damit wandte er sich um und ging.

8. KAPITEL

Den Vormittag verbrachten Monet und die Kinder mit Kartenspielen. Dann versammelten sie sich in der Küche, und der Koch brachte ihnen bei, wie man Pasta machte.

Mitten in das fröhliche Treiben platzte der Butler und bedeutete Monet diskret, ihm zu folgen.

„Ich erhielt gerade einen Anruf von der Polizei“, informierte er sie mit gedämpfter Stimme. „Signor Ubertos Wagen wurde gefunden. Offenbar ist er von der Straße abgekommen und …“

„Wie bitte?“ Monet blieb fast das Herz stehen. „Von der Straße abgekommen? Was soll das heißen?“

„Nun ja, der Wagen ist wohl über die Böschung geschossen“, erwiderte der Butler unbehaglich. „Aber der Signor war nicht im Wagen. Sie suchen noch nach ihm.“

Ein Schreckensszenario entstand vor ihrem inneren Auge: Marcu, verletzt und mit einer Gehirnerschütterung, taumelte ziellos durch die Schneewüste. Wie lange konnte ein Mensch das aushalten, bis er erfror? „Gab es Blutspuren im Wagen? Hat der Airbag ausgelöst?“

„Das hat der Beamte nicht erwähnt. Wie gesagt, sie suchen noch nach ihm.“

Monet schaute aus dem Fenster in den Park. Der Schnee lag jetzt bestimmt schon einen Meter hoch, und es schneite in dicken Flocken weiter.

Wo war Marcu?

War er verletzt? Oder hatte ihn ein hilfsbereiter Autofahrer von der Straße aufgelesen, und er war jetzt bereits auf dem Weg nach Mailand?

Doch würde er in dem Fall nicht anrufen? Irgendein Lebenszeichen von sich geben?

Oh mein Gott, hätte sie ihn doch bloß nicht fahren lassen. Bei dem Wetter war es einfach viel zu gefährlich gewesen.

In diesem Moment steckte Rocca den Kopf durch die Küchentür. „Signorina Wilde, Sie verpassen ja den ganzen Spaß!“

Monet lächelte gezwungen. „Ich bin gleich da, Süße. Nur eine Minute.“

Die Tür fiel zu, und Monet wandte sich wieder an den Butler. „Wie soll die Polizei ihn denn in diesem Schneegestöber finden? Seine Fußspuren werden doch sofort von einer neuen Schneeschicht bedeckt.“

„Ich weiß es auch nicht.“

Eiskalte Panik kroch in ihr hoch. „Haben Sie die Telefonnummer vom leitenden Beamten des Falls?“

„Nein, es tut mir leid. Ich bezweifle auch, ob man schon einen Fall daraus gemacht hat.“

„Obwohl Marcu Ubertos Wagen hinter einer Böschung gefunden wurde und der Signor nicht auffindbar ist?“

„Signorina, wir sind hier nicht in der Stadt. Das ist eine sehr ländliche Gegend.“

Beklommen blickte Monet auf die Küchentür. Was sollte sie den Kindern sagen? Das war wirklich das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten.

Der Butler schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn er bemerkte: „Ich weiß nicht, ob es richtig ist, den Kindern jetzt schon etwas zu erzählen.“

Energisch schüttelte Monet den Kopf. „Nein, damit warten wir, bis wir Näheres wissen.“

Monet las den Kindern gerade eine Geschichte vor, als draußen das Dröhnen eines Schneepflugs zu hören war, der die Zufahrt zum Castello freiräumte.

Sie liefen zum Fenster, um zuzuschauen, wie er sich durch die weiße Schneewüste pflügte. Nicht weit vom Eingang entfernt blieb er stehen, und der Fahrer stieg aus. Dann öffnete er die Beifahrertür und half einem Mann hinaus.

„Papa!“, rief Antonio und klopfte an die Scheibe.

Monet beobachtete, wie der Mann Marcu stützte und zur Eingangstür begleitete. In dem Moment eilten auch schon zahlreiche Angestellte hinaus, um zu helfen.

„Ich bin gleich zurück“, sagte Monet zu den Kindern und rannte die Treppe hinab, um Marcu in der Eingangshalle in Empfang zu nehmen.

Er sah erschöpft und mitgenommen aus, aber Gott sei Dank war er zu Hause. Sie wollte sich gerade durch all die Menschen, die ihn umschwärmten, nach vorne drängen, als ihr gerade noch rechtzeitig ihre Position bewusst wurde. Sie war nicht seine Freundin, gehörte nicht zur Familie, noch nicht einmal wirklich zum Personal. Also hielt sie sich zurück, musterte ihn jedoch besorgt von Kopf bis Fuß.

Im Gesicht hatte er einige Abschürfungen und einen scharfen Schnitt über der Nasenwurzel, ebenso auf einer Wange. Seine Lippe sah aus, als würde sie in Kürze dick anschwellen.

Offensichtlich hielt er sich nur mühsam auf den Beinen. Dankbar nahm er die Hilfe des Butlers und eines Hausstewards in Anspruch, die ihn unterhakten und ihn behutsam die Treppe hinauf zu seiner Suite führten. Der Koch wurde angewiesen, heißen Tee und eine warme Mahlzeit zuzubereiten, und ein Hausmädchen eilte herbei, um Feuer im Kamin zu machen.

Als Marcu Monet auf der Treppe begegnete, trafen sich ihre Blicke. Seine Miene drückte großes Bedauern aus. „Ich hätte auf dich hören sollen“, sagte er.

„Du bist jetzt in Sicherheit. Das ist das Einzige, was zählt.“

Es sah so aus, als wollte er noch etwas sagen, doch dann schien er es sich anders zu überlegen und ging weiter nach oben.

Monet sah Marcu erst zum Dinner wieder. Inzwischen hatte er geduscht und einige Stunden fest geschlafen.

Erholt setzte er sich zu ihr und den Kindern an den Esstisch. Ängstlich betrachteten die Geschwister die Abschürfungen und Schnitte in seinem Gesicht. Er erzählte ihnen, dass er einen Autounfall gehabt hatte und dann zu Fuß weiter gegangen war, um Hilfe zu suchen. Nach fünfundvierzig Minuten Fußmarsch durch Schnee und Eis war er zu einer Farm gelangt. Der Farmer hatte sofort seinen Schneepflug bereit gemacht und Marcu zum Castello gebracht.

Die Kinder bestürmten ihn mit Fragen, die Marcu geduldig beantwortete.

Zur Feier des Tages hatte der Koch einen leckeren Mandelkuchen mit Gewürzbirnen und Crème Anglaise zum Dessert gezaubert. Nachdem die Kinder aufgegessen hatten, forderte Monet sie leise auf, ihren Vater zu umarmen und ihm einen Gutenachtkuss zu geben.

Marcu schien völlig überwältigt von all den Umarmungen und Küssen. Er reagierte ein bisschen unbeholfen, doch das störte die Geschwister nicht. Rocca drückte ihren Vater noch einmal besonders innig und küsste ihn auf die Wange.

„Kommst du nachher noch runter?“ Marcu sah Monet an, die die Kinder zur Tür dirigierte.

Sie nickte. Es dauerte jedoch fast eine Stunde, bis sie sich zu ihm gesellen konnte. Die Kinder hatten so viele Fragen an sie, Fragen, die sie nicht alle beantworten konnte. Würde Papa jetzt trotzdem Weihnachten wegfahren? Oder würde er hier bei ihnen bleiben?

Das fragte Monet sich auch …

„War es schwierig, sie heute zu bändigen?“, erkundigte sich Marcu, als Monet den kleinen Salon betrat.

Er lag auf dem Sofa, den Arm über die Augen gelegt.

„Schmerzt dich das helle Licht?“, wollte sie sofort besorgt wissen.

„Ich habe einfach nur schreckliche Kopfschmerzen.“

„Soll ich dir etwas dagegen bringen?“

„Danke, nicht nötig. Ich habe schon ein paar Tabletten genommen. Morgen ist es bestimmt besser.“

„Vermutlich hast du eine Gehirnerschütterung.“

„Gut möglich. Es war ein ziemlich heftiger Sturz.“

„Ist der Airbag denn nicht aufgegangen?“

„Doch, aber ich habe mir den Kopf gestoßen, als ich versucht habe, aus der Schlucht zu klettern. Ich bin mit dem Kopf gegen einen Felsvorsprung geprallt und mit dem Gesicht zuerst im Schnee gelandet.“ Er ließ den Arm sinken und setzte sich auf. „Geschieht mir recht. Es war dumm, bei diesem Wetter loszufahren. Ich war der einzige Idiot auf der Straße.“

„Mach dir keine Vorwürfe. Hauptsache, du bist zu Hause und in Sicherheit.“ Sie setzte sich in den Sessel ihm gegenüber. „Die Kinder haben ein extra Dankgebet für dich gesprochen. Ich glaube, sie würden sich freuen, wenn du abends einmal mit ihnen zusammen betest.“

„Das liegt mir nicht so.“

„Dann lass sie ihre Gebete sprechen, und lies du ihnen eine Geschichte vor. Sie möchten einfach nur mehr Zeit mit dir verbringen, und das abendliche Zubettbringen ist ein wichtiges Ritual. Es gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit, und es ist wichtig, dass sie dich mit diesem Gefühl verbinden.“

„Ich gebe ihnen doch Sicherheit und werde sie immer beschützen.“

Monet wägte ihre nächsten Worte sorgfältig ab. „Dass du immer auf sie aufpassen wirst, steht außer Frage, das meine ich nicht. Es geht um emotionale Sicherheit, das Bewusstsein, dass du sie so annimmst, wie sie sind. Sie brauchen das Gefühl, sich in deiner Gegenwart einfach wohlfühlen und sie selbst sein zu können. Das allabendliche Ritual ist perfekt geeignet, um Nähe und Vertrauen herzustellen. Und es dauert höchstens eine halbe Stunde. Wenn du nicht gerade auf Geschäftsreise bist, solltest du dir und ihnen diese Zeit gönnen.“

Er schloss die Augen, rieb sich die Schläfen. „Du lässt wohl nie locker …“

„Weil ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man von klein auf allein schlafen gehen muss. Das war immer so gewesen und hat sich auch bei euch im Palazzo nicht geändert. Meine Mutter hatte keine Zeit für mich, weil sie stets mit deinem Vater beschäftigt war.“ Sie biss sich auf die Zunge. Warum erzählte sie Marcu das alles? Sie wollte ihn nicht damit belasten, wie einsam sie sich früher gefühlt hatte.

„Du musst uns ganz schön gehasst haben“, meinte er leise.

„Nicht wirklich. Höchstens meine Mutter ab und zu. Deine Familie habe ich geliebt. Zum ersten Mal lernte ich richtiges Familienleben kennen. Auch Weihnachten lernte ich durch euch lieben. Ihr hattet eure Traditionen und Rituale, das hat mir gefallen.“

„Und dann habe ich dir das alles genommen“, fügte er tonlos hinzu.

„Ich hätte euch sowieso früher oder später verlassen müssen“, wiegelte sie ab.

„Später wäre aber besser gewesen, nicht wahr?“

Sie blickte auf ihre ineinander verschränkten Finger. „Es war nicht geplant, dass ich ständig bei meiner Mutter lebe. Wir hatten abgemacht, dass ich mich ab meinem achtzehnten Geburtstag selbst durchschlage. Und ich war gerade achtzehn geworden, also passte es eigentlich.“

„Trotzdem wünschte ich, du wärst nicht ausgerechnet meinetwegen gegangen.“

Monet seufzte. Wie waren sie jetzt bloß wieder auf dieses Thema gekommen? „Wir wollten doch über die Kinder sprechen und wie viel es ihnen bedeuten würde, wenn du ihnen abends ein bisschen Gesellschaft leistest.“

„Morgen Abend bringe ich sie zu Bett“, versprach er. Er sah sie belustigt an. „Ich hoffe, das macht dich glücklich.“

„Das tut es, weil es die Kinder glücklich macht.“

Ihre Blicke trafen sich. „Und was würde dich sonst noch glücklich machen, Monet Wilde?“

Sie spürte, wie ihre Wangen brannten. „Keine Ahnung.“ Zögernd fügte sie hinzu: „Wie gesagt, ich würde mich freuen, wenn du deinen Kindern ein bisschen näherkommst und ihnen das Gefühl gibst, dass sie das Wichtigste in deinem Leben sind.“

„Das sind sie doch, und sie wissen es auch“, unterbrach er sie. „Aber jetzt sprechen wir über dich.“

Monet wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Denn sie war sich ihrer eigenen Gefühle nicht sicher. Seit ihrer Ankunft im Castello fühlte sie sich hin- und hergerissen. Marcus Nähe brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht. Sie wollte ihn, aber sie konnte ihn nicht haben. Sie wünschte sich, dass er sie auch wollte, doch gleichzeitig fürchtete sie sich vor seiner Berührung, denn sie wusste, sie würde ihm nicht widerstehen können.

„Ich habe mit Vittoria Schluss gemacht“, erklärte er abrupt. Marcu stand auf und trat zum Kamin. „Ich habe ihr gesagt, dass es nicht funktionieren würde und es mir sehr leidtut.“

Diese Nachricht musste Monet erst verdauen.

„Sie war nicht überrascht“, fuhr Marcu fort. „Tatsächlich klang sie beinahe erleichtert. Offenbar war sie nicht besonders begeistert über die Aussicht, Stiefmutter von drei kleinen Kindern zu werden.“

„Hat sie das etwa so gesagt?“

„Das hat sie und noch mehr.“ Achselzuckend wandte er sich zu Monet um. „Sie hatte befürchtet, dass unser gesellschaftliches Leben durch die Kinder leiden würde. Und dass sie nicht so oft würde verreisen können, wie sie es sich wünscht.“

„Das tut mir leid.“

„Mir nicht. Du hattest recht, wie in so vieler Hinsicht.“

„Zum Beispiel?“

„Eine Ehe ist mehr als nur ein Vertrag. Gefühle sind wichtig. Und Vittoria empfand nichts für mich und die Kinder.“

„Warum wollte sie dich dann heiraten?“

Er lachte humorlos. „Ich bin reich.“

„Und gut aussehend.“

Marcu warf ihr einen raschen Blick zu. „Bin ich?“

Monet wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Du bist einfach unmöglich.“

„Das behauptest du ständig.“

„Marcu, du hattest einen harten Tag …“

„Der zum Glück gut ausgegangen ist. Ich bin hier zu Hause mit meiner Familie und habe mich aus einer Beziehung gelöst, die sowieso zum Scheitern verurteilt war.“ Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. „Vermutlich muss ich dir dankbar sein.“

„Nicht nötig. Als ich damals einen Freund brauchte, warst du für mich da. Und jetzt, wo du jemanden brauchst, versuche ich, für dich da zu sein.“

Wieder trafen sich ihre Blicke. Frustriert musste sich Monet eingestehen, dass sich nichts zwischen ihnen geändert hatte. Sie wollte Marcu mehr denn je. Sie hatte immer nur ihn gewollt, all die Jahre. Deshalb hatte sie auch niemals Interesse an einem anderen Mann aufbringen können.

Himmel, wie sehr sie sich danach verzehrte, endlich ihm zu gehören. Schließlich war sie eine erwachsene Frau, und sie konnte sich ihrer Leidenschaft hingeben, mit wem sie wollte.

Und sie wollte Marcu.

Er war der einzige Mann, dem sie gehören wollte.

„Ich glaube, ich gehe jetzt auch schlafen.“ Ihre Stimme klang rau. „Es ist schon spät, und es war ein aufregender Tag.“

„Was hast du morgen vor?“

„Mit den Kindern spielen, sie beschäftigen, damit sie sich nicht einsam fühlen.“

Er sah sie erstaunt an. „Warum sollten sie sich einsam fühlen? Sie haben doch einander.“

„Aber sie haben dich nicht. Jedenfalls nicht oft genug. Sie würden so gerne mit dir spielen. Karten, Schach, irgendwas.“

„Das habe ich seit Jahren nicht mehr getan.“

„Mein Reden. Vielleicht wird es Zeit, wieder damit anzufangen. Die beiden Jungs würden zu gerne mit dir durch die Gänge toben und Schwertkampf spielen. Und Rocca wäre begeistert über eine Teeparty oder ein Puppenspiel.“

„Wie bitte? Eine Teeparty?“ Er lächelte mild.

„Vielleicht auch einen Schwertkampf. Mädchen spielen ja häufig ohnehin dasselbe wie Jungs.“ Monet stand auf. „Gute Nacht, Marcu. Ich bin so froh, dass du heil wieder zu Hause bist. Schlaf gut.“

Sie spürte seinen Blick im Rücken, als sie zur Tür ging. Gerade legte sie die Hand auf die Klinke, da sagte Marcu: „Ich war schon auf dem Rückweg nach Aosta, als der Unfall passierte. Ich wollte hierher zu dir zurückkommen …“

„Das ist doch Unsinn“, unterbrach sie ihn scharf und versuchte, das wilde Klopfen ihres Herzens zu ignorieren.

„Ist es nicht. Ich habe deinetwegen mit Vittoria Schluss gemacht.“

„Nein.“ Monets Herz schlug Purzelbäume. „Nein, sag so etwas bitte nicht, denn es stimmt nicht.“

„Doch, es stimmt. Ich habe dir versprochen, dich nicht anzurühren, solange ich in einer anderen Beziehung bin, daran habe ich mich gehalten. Aber jetzt bin ich nicht mehr mit Vittoria zusammen.“

„Anscheinend hast du dir wirklich ziemlich heftig den Kopf gestoßen. Du solltest dich besser wieder hinlegen.“

„Du willst es doch auch, dass spüre ich. Es hat mich fast umgebracht, die Hände von dir zu lassen.“

„Ich glaube, wir sollten den Arzt rufen. Dir geht es nicht gut.“ Ihr Puls raste.

Er verdrehte die Augen. „Jetzt sei kein Feigling, Monet. Da gibt es etwas zwischen uns, etwas sehr Starkes. Mir ist heute so einiges klar geworden. Warum sollte ich mit einer Frau zusammen sein, für die ich kaum etwas empfinde, wenn ich mit dir zusammen sein könnte?“

„Nein.“ Abwehrend hob sie die Hände, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Wir werden nie zusammen sein. Wir haben keine Beziehung und werden auch nie eine haben.“

Marcu stand auf und kam zu ihr. „Wir hatten jahrelang eine Beziehung, wir haben das einfach nur ignoriert. Jetzt bin ich nicht länger bereit dazu.“

Sie wich zurück, verschanzte sich hinter der Couch. „Was für eine Beziehung, wovon redest du? Marcu, vor acht Jahren war ich ein unerfahrenes junges Mädchen, das dich angehimmelt hat. Ich hatte keinerlei Lebenserfahrung, keine Erfahrung mit Sex. Okay, ich war bis über beide Ohren in dich verliebt. Aber das ist keine Basis für eine Beziehung.“

„Warum nicht?“

„Einseitige Gefühle bringen doch nichts.“

„Die Sache ist nicht einseitig, das habe ich dir gesagt. Ich hätte nicht mit Vittoria Schluss gemacht, wenn ich nicht etwas für dich empfinden würde.“

„Du empfindest gar nichts für mich! Und du hast nicht meinetwegen mit Vittoria Schluss gemacht. Ich bin dir im Grunde völlig egal.“

„Wenn das so wäre, warum fürchtete mein Vater so sehr deinen Einfluss auf mich?“

Sie beugte sich über die Sofalehne. „Du redest wirklich Unsinn. Setz dich, und ruh dich aus. Ich mache mir allmählich Sorgen um dich.“

„Monet, ich habe nicht den Verstand verloren, sondern nur Kopfschmerzen.“

„Wieso behauptest du dann, dein Vater hätte meinen Einfluss gefürchtet? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.“

„Mein Vater wusste, was ich für dich empfand. Natürlich hat er gemerkt, wie niedergeschlagen ich war, nachdem du abgereist warst. Ich hatte sogar einen Flug gebucht, um dir nachzukommen, aber er hat es geschafft, das zu verhindern.“

„Dein Vater hat ganz offensichtlich gewusst, was das Beste für dich war. Galeta hat perfekt zu dir gepasst.“

„Ich hätte meinem Vater nicht erlauben dürfen, mich derart zu beeinflussen. Später habe ich mir schlimme Vorwürfe deswegen gemacht.“

„Das klingt ja ganz so, als seist du dir meiner Gefühle für dich völlig sicher gewesen. Als hätte es irgendetwas geändert, wenn du mir damals nach London gefolgt wärst.“

„Glaubst du wirklich, dass die Dinge sich nicht anders entwickelt hätten, wenn ich zu dir nach London gekommen wäre, um dir zu sagen, wie viel du mir bedeutest?“

Monet nahm ein Kissen von der Couch und warf es nach ihm. „Ja. Du hast es nie ernst mit mir gemeint. Du wolltest eine nette, unkomplizierte Abwechslung, und da kam ich gerade recht. Doch plötzlich war ich nicht länger unkompliziert zu händeln, und das änderte alles.“ Sie versuchte, sich zu beruhigen. „Ich mache dir keine Vorwürfe, Marcu, aber das sind nun einmal die Tatsachen. Wir hätten sowieso nicht zusammengepasst, da wir gänzlich gegensätzliche Ansichten über das Leben haben. Du hast dich ausschließlich als ältesten Sohn und Erben von Matteo Uberto definiert.“

„Das hat doch gar nichts mit uns zu tun.“

„Und ob es das hat. Für dich und deine Familie mit dem beeindruckenden Stammbaum ist es wichtig, aus welcher Familie deine Frau stammt. In eurer Liga kann ich absolut nicht mitspielen. Ich habe mein halbes Leben damit verbracht, mich aus dem Schatten meiner Mutter zu lösen, um bloß nicht so zu werden wie sie.“

„Deine Mutter war eine charmante und sehr schöne Frau.“

„Und gänzlich unsicher.“ Monet zog eine Grimasse. „Sie war versessen darauf, geliebt zu werden. Nicht von mir, von anderen. Deine Zuneigung und die deiner Geschwister waren ihr wichtiger als meine. Warum? Weil ich sowieso zu ihr gehörte, gewissermaßen verpflichtet war, sie zu lieben. Deine Familie … das bedeutete eine Herausforderung.“

Seufzend fuhr sie fort: „Jetzt reden wir schon wieder über die Vergangenheit. Ich habe es satt, ständig in alten Wunden zu stochern. Lieber möchte ich mich auf die Gegenwart konzentrieren, auf die Zukunft. Deshalb fühle ich mich in London so wohl, da erinnert mich gar nichts an früher. Ich habe eine interessante Arbeit, ein erfülltes Leben. Ich schaue niemals zurück, fühle mich nicht ständig wie ein Mensch zweiter Klasse.“

„Du warst niemals ein Mensch zweiter Klasse.“

Monet lachte spöttisch auf. „Allerdings war ich das, jedenfalls in den Augen deines Vaters. Gut genug fürs Bett, aber nicht für die Ehe. Gute Nacht, Marcu.“

Er folgte ihr in den Flur hinaus. „Monet, warte.“

„Das ist nicht der passende Moment für tiefschürfende Gespräche. Du hast heute eine Menge durchgemacht und …“

„Nicht nötig, mir das zu sagen, ich weiß es selbst. Es war verdammt hart. Zweimal dachte ich, ich schaffe es nicht mehr nach Hause. Diese Erfahrung hat mir die Augen geöffnet. Das Leben ist kurz, wir haben alle keine Zeit zu verschwenden.“

„Wie schön für dich. Aber das ändert nichts zwischen uns.“

„Ich will Vittoria nicht, ich will dich.“

„Nein. Nein.“ Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. „Du kannst Vittoria nicht einfach durch mich ersetzen. So funktioniert das nicht.“

„Der Kuss neulich Abend …“

„… hätte niemals passieren dürfen.“

„Aber es ist passiert. Und seitdem stelle ich alles infrage.“ Marcu machte einen Schritt auf sie zu. „Ich war fest entschlossen, ohne romantische Verwicklungen durchs Leben zu gehen, aber anscheinend funktioniert das nicht. Für niemanden.“ Er wickelte sich eine ihrer Haarsträhnen um den Finger. „Und du … du hast dich darauf versteift, dass ich dich nur zu meinem Vergnügen wollte, aber das stimmt nicht.“

„Bitte, Marcu, ich bin nicht naiv. Du hast Galeta wenige Monate, nachdem ich Palermo verlassen hatte, geheiratet. Du kanntest sie doch bestimmt schon, als du damals versucht hast, mit mir zu schlafen.“

„Wir sind ab und zu zusammen ausgegangen. Es war aber nichts Ernstes.“

„So, wie es auch mit mir nichts Ernstes war.“

„Ich habe nie etwas vor dir verheimlicht. Du hast gewusst, dass ich mit anderen Mädchen ausging.“

„Es bringt doch nichts, ständig in der Vergangenheit herumzuwühlen“, meinte Monet abweisend.

„Ich will nur sagen, dass ich immer ehrlich zu dir war. Und ich bin auch jetzt ehrlich zu dir, wenn ich dir erzähle, dass der Kuss alles geändert hat. Irgendwas ist in mir erwacht …“

„Nein!“

„Doch.“ Sachte hob er ihr Kinn an. „Jahrelang war ich wie tot, habe überhaupt keine Gefühle gehabt. Und dann bist du in mein Leben zurückgekehrt.“

„Weil du mich dazu gezwungen hast!“

Marcu schmunzelte. „Okay, ich gebe zu, ich habe ein bisschen Zwang angewendet. Und allmählich fange ich an zu begreifen, warum ich diesen Gefallen unbedingt einfordern musste. Ich brauche dich nämlich.“

Sie riss sich von ihm los und begann, Stufe für Stufe die Treppe hinaufzusteigen. „Für deine Kinder.“

„Nicht nur, auch für mich. Mir war das nur noch nicht bewusst.“

„Das merkst du jetzt, nachdem du mich hier unter fadenscheinigen Gründen festhältst?“

„Du kannst jederzeit gehen.“

Sie hob spöttisch die Brauen, ihre braunen Augen blitzten. „Du hättest also nichts dagegen, wenn ich dich bitte, mich nach London zurückkehren zu lassen?“

„Nein.“

„Es wäre dir recht, wenn ich morgen abreise?“

Ein scharfer Stich durchzuckte seine Brust. „Ja“, erwiderte er zögernd. Irgendwie entwickelte sich das Gespräch nicht so wie geplant. Er war zu ihr zurückgekommen, und jetzt wollte sie ihn verlassen.

Marcu holte tief Luft. „Ja“, wiederholte er. „Aber ich fürchte, morgen wird das nicht gehen. Du musst erst abwarten, bis der Sturm sich legt. Das kann ein paar Tage dauern.“

„Dann möchte ich weg, sobald es das Wetter erlaubt. Einverstanden?“

Ihre Worte trafen ihn wie ein Boxhieb. „Ja“, presste er hervor.

Monet schien einen Moment zu überlegen, dann nickte sie. „Ich danke dir.“ Im nächsten Moment beugte sie sich vor und gab ihm einen Kuss. „Ich hasse dich nicht, Marcu“, flüsterte sie dicht an seinen Lippen. „Aber ich kann nicht bleiben. Das wäre für uns beide nicht gut.“

Es war, als hätte sie mit ihrem Kuss ein Feuerwerk in Brand gesetzt. Die Leidenschaft explodierte förmlich in ihr und in Marcu ebenso. Das Feuer, das in ihnen beiden aufloderte, war stärker als jede Vernunft.

Marcu zog Monet an sich, hielt sie fest umfangen, während er den Kuss vertiefte. Seufzend öffnete sie die Lippen, und er strich mit der Zungenspitze über ihre Unterlippe, bevor er mit wachsendem Begehren das Innere ihres Mundes erkundete. Sie schmeckte nach Mandeln und Zimt. Es fühlte sich so gut und richtig an, sie in den Armen zu halten. Nie zuvor hatte ihn ein Kuss so erregt.

Monet schmiegte sich an ihn, legte ihm die Arme um den Nacken und zog ihn verlangend an sich, während sie sich in dem Kuss verloren. Als sie mit den Fingerspitzen durch sein Haar und über seinen Hals strich, erschauerte Marcu lustvoll.

„Bring mich in dein Schlafzimmer“, hauchte sie.

Das tat er nur zu gern. Marcu hob sie hoch und trug sie in seine Suite. Sie war ganz leicht und fühlte sich warm und weich an. Er wollte nur eins, sie glücklich machen. Auch wenn das vielleicht bedeutete, dass er sie nicht wirklich haben konnte, sich mit ein paar leidenschaftlichen Küssen begnügen musste. Hauptsache, sie war glücklich, denn das hatte sie mehr als verdient.

Es war, als hätte sie ihr ganzes Leben lang nur auf diesen Moment gewartet. Und auf Marcu. Ohne Scheu ließ Monet sich von ihm ausziehen, es schien ihr das Natürlichste auf der Welt.

Er war der einzige Mann, mit dem sie je hatte zusammen sein wollen. Monet beschloss, sich jetzt weder über die Zukunft noch über die Vergangenheit den Kopf zu zerbrechen, sondern einfach nur das Hier und Jetzt zu genießen, diese kostbaren Stunden mit Marcu, an die sie sich dann immer würde erinnern können.

Als Monet nackt war, sah er sie lange an, bevor er begann, sie mit seinen Lippen zu liebkosen. Erst ihren Mund, dann ihren Hals und schließlich die kleine Kuhle unter dem Ohr, die besonders empfindlich war.

Behutsam wanderte er weiter, strich mit der Zunge über ihr Schlüsselbein, was in ihr weiteres heißes Erschauern hervorrief.

Dann widmete er sich ausführlich ihren Brüsten. Mit den Lippen, der Zunge und den Zähnen reizte er die sensiblen Spitzen, saugte und knabberte abwechselnd sanft daran, bevor er mit der Zunge ganz leicht darüberstrich. Ihre Knospen richteten sich auf, ihre Brüste fühlten sich schwer und voll an. Heiße Schauer des Begehrens durchfuhren sie, während er nun weiter nach unten wanderte. Als er mit der Zungenspitze ihren Bauchnabel umkreiste und federleichte Küsse auf ihren Bauch hauchte, während er gleichzeitig die Innenseite ihrer Schenkel streichelte, keuchte sie laut auf und bog sich ihm sehnsüchtig entgegen.

Jetzt spreizte er vorsichtig ihre Beine. Im nächsten Moment spürte sie seine Lippen an ihrer sensibelsten Stelle, und ihr Atem beschleunigte sich. Während er sie mit der Zunge liebkoste, hatte sie das Gefühl, dass ihr Innerstes zu glühen begann. Marcu ersetzte seinen Mund durch seine Hand, streichelte sie und drang mit einem Finger behutsam in sie ein, und sie spürte, wie sich alles auf ihren geheimsten Punkt konzentrierte.

Monet sog scharf die Luft ein, als er den Kopf neigte und eine ihrer Brustspitzen mit den Lippen umschloss, wobei er nicht aufhörte, die empfindsame Stelle zwischen ihren Beinen zu umspielen. Lustvolle Schauer durchfuhren Monet, immer schneller, immer heißer, bis sie sich völlig in der sinnlichen Ekstase verlor.

Danach lag sie schwer atmend da, das Herz pochte ihr wild gegen die Rippen. Ihre Haut prickelte, während die Nachbeben der Lust langsam abebbten. „Das war fantastisch“, sagte sie leise. „Aber bei Weitem nicht genug. Ich will dich.“

„Wir müssen nicht …“

„Nein, müssen tun wir nicht, aber ich will es, Marcu. Seit damals in Palermo sehne ich mich danach.“

„Bist du dir sicher?“

„Absolut.“ Wie zur Bestätigung umfasste sie seine harte Männlichkeit, die sich heiß und wundervoll seidig anfühlte.

Aufstöhnend schob Marcu ihre Hand weg und schützte sich mit einem Kondom, bevor er mit den Knien ihre Beine spreizte und sich über sie schob. Hungrig suchte er ihre Lippen, während er sich sanft gegen ihre sensibelste Stelle presste, die heiß pulsierte.

Kurz überlegte Monet, ob sie ihn bitten sollte, vorsichtig zu sein, entschied sich aber dagegen. Hier ging es nicht um ihre Jungfräulichkeit, sondern um sie beide und die Magie, die sie gerade zusammen erlebten.

Im nächsten Augenblick glitt er in sie hinein. Es war einfach unbeschreiblich schön, wie er sie ausfüllte. Monet zwang sich, ruhig weiterzuatmen und sich zu entspannen, während er tiefer in sie eindrang. Einen Moment meinte sie, es nicht länger aushalten zu können, doch dann ließ der kurze Schmerz nach, und als Marcu sich in ihr zu bewegen begann, spürte sie ein leises, angenehmes Pulsieren, das nach mehr verlangte.

Sehnsuchtsvoll hob sie ihm die Hüften entgegen. Marcu zog sich ein Stück aus ihr zurück, bevor er wieder in sie eindrang, diesmal noch etwas tiefer. Das heiße Pulsieren verstärkte sich, und Monet trieb ihn immer weiter an. Die Hitze seines Körpers machte sie ganz schwindlig vor Erregung, und das Gefühl, komplett von ihm ausgefüllt zu werden, ließ sie alles andere vergessen.

Während sie ihren Rhythmus beschleunigten, löste Marcu die Lippen nicht eine Sekunde von ihren, sondern küsste sie immer tiefer, immer leidenschaftlicher.

Als sie diesmal kam, folgte er ihr unmittelbar darauf auf den Gipfel der Lust. Es war eine berauschende Erfahrung, die sie nie in ihrem Leben vergessen würde, egal, was auch passierte. Monet war unendlich dankbar für diese kostbaren Momente in Marcus Armen, in seinem Bett, in seinem Leben.

Als Monet erwachte, brauchte ein bisschen Zeit, um sich zu orientieren. Es war sehr früh am Morgen, draußen war es noch dunkel. Seufzend drehte sie sich auf die Seite.

Monet lag in Marcus Bett. Sie hatten miteinander geschlafen. Er hatte sie zweimal zum Höhepunkt gebracht, sie war also nicht länger eine unerfahrene Frau.

Doch nun musste sie sein Badezimmer benutzen, dringend. Monet schlüpfte aus dem Bett und tappte in das angrenzende Bad. Als sie zurückkam, versuchte sie möglichst leise zu sein, um Marcu nicht zu wecken. Doch er war schon wach, starrte stirnrunzelnd auf das Laken, wo sie gerade eben noch gelegen hatte.

„Habe ich dich verletzt?“, fragte er besorgt.

Sie spürte, wie sie errötete. „Nein.“ Nach einer kurzen Pause gestand sie zögernd: „Ich war noch Jungfrau.“

„Was? … Das hättest du mir sagen müssen!“

„Wozu?“

„Dann wäre ich vorsichtiger gewesen.“

„Du warst wundervoll.“ Sie lächelte. „Ehrlich.“

Inzwischen war er auch aufgestanden, stand jetzt nackt vor ihr und sah sie ungläubig an. „Ich hatte ja keine Ahnung …“

„…, dass ich noch Jungfrau war? Warum ist das so wichtig?“

„Ich dachte … na ja, ich nahm an, dass du inzwischen mit einem Mann zusammen gewesen bist.“

„Nein. Bis jetzt hat mich Sex wenig interessiert. Und ich bedauere nicht, dass ich dir meine Jungfräulichkeit geschenkt habe, im Gegenteil.“

Marcu fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Mio Dio.“

„Jetzt werde bitte nicht melodramatisch. Wieso ist es so wichtig, dass ich noch Jungfrau war? Ich wollte mit dir schlafen, und ich bin froh, dass ich es getan habe. Für ein erstes Mal war es einfach fantastisch, denke ich. Für kommende Erfahrungen hast du die Messlatte ziemlich hoch gehängt.“

Er sah sie scharf an. „Was soll das heißen?“

„Na ja, ich habe mich schon unwohl gefühlt wegen meiner Unerfahrenheit. Aber jetzt ist alles anders. Von nun an werde ich mir mehr Spaß erlauben und hoffentlich ein paar nette Männer kennenlernen.“

„Was redest du denn da.“ Marcu stürmte ins Badezimmer und kam kurz darauf in einen schwarzen Bademantel gewickelt wieder heraus.

„Es wird höchste Zeit für mich, die Vergangenheit loszulassen und nach vorne zu schauen. Und anderen Männern eine Chance zu geben.“

„Nein.“

Sie bedachte ihn mit einem spöttischen Blick. „Du hast kein Recht, mir das zu verbieten.“ Monet schlüpfte ins Bett zurück und zog sich das Laken bis über die Brust.

„Ich will aber nicht, dass du anderen Männern eine Chance gibst. Ich will dich. Und ich will, dass du hier bei uns bleibst.“

„So funktioniert das aber nicht.“

„Und warum nicht?“

„Mach dich bitte nicht lächerlich. Du weißt genau, dass ich nicht hierhergehöre. Das ist nicht mein Zuhause, du bist nicht meine Familie. Und ich habe überhaupt keine Lust, für den Rest meines Lebens die Rolle der Nanny zu spielen!“

„Das sollst du auch gar nicht, dafür habe ich Miss Sheldon.“

„Du wolltest unbedingt heiraten, damit deine Frau sich um die Kinder kümmern und dir den Rücken freihalten kann. Ohne mich. Dafür musst du dir eine andere suchen, ich bin raus.“

„Du bist ja nicht einmal bereit, mir eine Chance zu geben!“

„Also, das ist jetzt wirklich die Höhe, nachdem ich mit dir geschlafen und dir meine Jungfräulichkeit geschenkt habe!“

„Heirate mich.“

Sollte das ein Witz sein? Seufzend warf sie das Laken zurück und fing an, ihre Kleidung zusammenzusammeln. „Tut mir leid, das höre ich mir nicht länger an. Ich muss jetzt gehen.“

Er versperrte ihr den Weg und nahm ihre Hände. „Ich meine es ernst. Heirate mich. Bleib bei uns. Wir brauchen dich.“

Seine Worte stellten seltsame Dinge mit ihr an – gute und weniger gute. Heirate mich. Bleib bei uns. Das ließ ihr Herz hüpfen. Wir brauchen dich erfüllte sie jedoch mit Misstrauen. Monet versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Sie wollte bloß noch weg. „Das ist wohl der lausigste Heiratsantrag, den man sich vorstellen kann. Ich will großzügig sein und so tun, als hättest du gar nichts gesagt. Jetzt lass mich bitte los, damit ich mich anziehen und von hier verschwinden kann.“

Marcu tat das Gegenteil. Er zog sie in die Arme und küsste sie so leidenschaftlich, dass sie sofort erneut dahinschmolz. Sie spürte seine Hände auf ihrem nackten Rücken, ihre Haut prickelte. Als er ihre Wirbelsäule entlangstrich, erschauerte sie wohlig. Immer wenn er sie berührte, fühlte sie sich so wunderbar lebendig und empfindsam …

Jetzt umfasste Marcu ihren Hinterkopf, sodass er den Kuss vertiefen konnte. Und alles, woran Monet denken konnte, war, wie wundervoll sich das anfühlte und wie sehr sie sich danach sehnte, ihn wieder in sich zu spüren, eins mit ihm zu werden. Wenn sie mit ihm zusammen war, fühlte sie sich geliebt.

Moment! Monet kam wieder zu sich. Das Verlangen erlosch, sie stieß Marcu zurück. Mühsam rang sie um Beherrschung, spürte, wie Tränen in ihren Augen brannten. „Merkst du gar nicht, wie erniedrigend dein Antrag für mich war?“

„Weil ich keinen Ring für dich habe? Oder auf die Knie gesunken bin? Das habe ich auch bei Vittoria nicht gemacht.“

„Mir ist egal, wie du dich mit Vittoria oder Galeta oder wem auch immer verhalten hast. Hier geht es um mich. Was du mir da angeboten hast, bedeutet gar nichts.“

„Wie kannst du so etwas sagen? Ich würde immer für dich da sein, dir alles geben, was du dir wünschst.“

„Aber keine Liebe.“ Sie blinzelte heftig, um die verräterischen Tränen zurückzuhalten. „Von Liebe war keine Rede. Das zwischen uns ist rein körperlich. Kurz gesagt: Wir sind scharf aufeinander. Der Sex mit dir war unglaublich. Und ich werde es nie bereuen, dass du mein erster Liebhaber warst.“ Monet wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Das hätte schon vor acht Jahren passieren sollen, dann hätte ich dich vergessen können. Jetzt endlich hat sich der Kreis geschlossen. Ich kann mit meinem Leben weitermachen. Es ist alles in Ordnung zwischen uns.“

„Das ist es absolut nicht“, konterte er aufgebracht. „Zwischen uns ist gar nichts in Ordnung. Ich habe nicht mit dir geschlafen, um dich jetzt gehen zu lassen!“

Nun musste Monet lachen und konnte gar nicht mehr damit aufhören. „Oh, Marcu, was dachtest du, was passieren würde? Dass ich dir, wenn ich mit dir ins Bett gehe, mein ganzes Leben opfere? Meine Träume …“

„… in einem Kaufhaus zu arbeiten?“

„Zufällig macht mir das Spaß, also spar dir deine Ironie!“

Marcu seufzte frustriert. „Ich mache mich nicht über dich lustig, ich versuche nur zu verstehen, wieso du so stur bist.“

„Weil du die Ehe als geschäftlichen Deal betrachtest. Ich sehe das ein bisschen anders, außerdem brauche ich keinen Mann. Ich brauche Unabhängigkeit. Selbstachtung. Ich muss meinen eigenen Weg gehen. Ich wollte dich. Deshalb habe ich mit dir geschlafen. Ich habe es getan, damit ich …“ Sie brach abrupt ab, nicht bereit, die Wahrheit zu zugeben.

… damit ich mich immer daran erinnern kann.

Das war ihr Geheimnis, ihre kostbare Erinnerung an diese Nacht. Marcu brauchte nicht zu wissen, wie bittersüß diese Erinnerung war. Er brauchte nicht zu wissen, dass es für sie der Himmel auf Erden gewesen war, ihm so nah zu sein. Ihn jetzt zu verlassen würde schrecklich wehtun. Aber ihr blieb nichts anderes übrig.

„Rede ruhig weiter“, forderte er sie ungehalten auf. „Ich hänge an deinen Lippen, begierig, dich endlich zu verstehen.“

„Da gibt es nichts zu verstehen. Ich habe mit dir geschlafen. Das war’s. Und ich möchte abreisen, sobald der Sturm sich gelegt hat.“

Er verschränkte die Arme. „Das gefällt mir gar nicht.“

„Das dachte ich mir. Sobald ich weg bin, wirst du mich schnell vergessen. Ich war gerade zufällig da, doch du wirst schon jemand anderen Passenden finden.“

„Wie kannst du nur so etwas Schreckliches sagen.“

„Weil es die Wahrheit ist.“ Monet zog sich ihren Pullover über den Kopf. „Es ist doch ganz einfach. Wir beide sind endlich frei. Und du hast die Möglichkeit, nach der nächsten standesgemäßen Frau Ausschau zu halten.“

Monet wollte in ihre Hose schlüpfen, doch Marcu ließ sie nicht. Blitzschnell packte er sie und trug sie zurück zum Bett.

„Du irrst. Für mich ist die Sache überhaupt nicht erledigt.“ Mit sanftem Druck hielt er sie fest. „Warum will ich dich sonst mehr denn je?“

„Weil du immer haben willst, was du nicht haben kannst.“

„Aber ich kann dich haben. Ich bin mir ganz sicher, du wärst mehr als bereit, wenn ich dir ausführlich erzählte, wie sehr ich dich in diesem Moment will, wie ich mich danach sehne, in dir zu sein, dich zu schmecken.“ Er verflocht seine Finger mit ihren und hielt ihren Blick gefangen. „Falls ich mich irre, sag es mir bitte. Dann lasse ich dich gehen, und die Sache zwischen uns ist wirklich erledigt.“

Die Atmosphäre im ganzen Raum knisterte, und Monet brannte darauf, sich ihm entgegenzudrängen.

War es falsch, dass es ihr gefiel, wie er sie festhielt? War es falsch, dass seine Stärke und seine Männlichkeit sie vor Erregung erschauern ließen?

„Ich will dich auch“, flüsterte sie ehrlich, aber sich ihres Eingeständnisses mehr als bewusst.

Und als sie im nächsten Moment seine heißen Lippen auf ihrem Hals spürte, war sie verloren.

„Dann bleib“, forderte er sie rau auf. „Ich möchte dich hier haben, la mia bella ragazza.“

Mein schönes Mädchen.

Monet schloss die Augen, als er sie küsste, und schenkte ihm ihr ganzes Herz. Sie hatte nie jemand anderen außer ihm gewollt. Doch er durfte nicht erfahren, dass sie ihn aufrichtig liebte.

Diese Macht über sie durfte sie ihm nicht in die Hand geben.

9. KAPITEL

Ein paar Stunden später wachte sie auf, weil ein höchst angenehmes Gefühl sie durchrieselte. Marcu streichelte ihren Bauch, ihre Seite und wanderte schließlich zu ihren Brüsten weiter. Monet spürte, dass sich ihre Brustspitzen aufrichteten, und sie genoss es, wie er darüberstrich und sanft daran zog, während sie so tat, als ob sie noch schliefe.

Es war einfach unglaublich, welche lustvollen Empfindungen er ganz mühelos in ihr wecken konnte.

Als er seine Liebkosungen intensivierte und sie ein heißes Pulsieren zwischen den Beinen spürte, wurde es schon schwieriger, sich weiterhin schlafend zu stellen. Monet sehnte sich danach, ihn wieder ganz tief in sich zu spüren.

Trotzdem blieb sie ruhig liegen und hielt die Augen geschlossen, konzentrierte sich ganz auf die sinnlichen Schauer, die sein Streicheln in ihr auslösten.

Stück für Stück erwachte ihr Körper zum Leben. Es kam einer süßen Qual gleich, nicht zu reagieren, denn am liebsten hätte sie sich umgedreht und ihm alles gegeben … alles, bis auf ihr Herz, denn in dieser Hinsicht vertraute sie ihm immer noch nicht. Aber sie es hatte es ihm doch schon längst geschenkt …

Schnell verscheuchte sie diesen Gedanken.

„Ich weiß, dass du wach bist“, murmelte Marcu dicht an ihrem Nacken, was einen weiteren Wonneschauer auslöste.

Monet musste lächeln. „Hmmm …?“

„Du tust nur so, als ob du schläfst.“ Er strich mit der Hand über ihre Hüften, bevor er sie zwischen ihre Schenkel schob. „Ich weiß es besser.“ Sanft begann er, ihre sensibelste Stelle zu reiben.

Als er mit dem Finger in sie eindrang, schnappte Monet nach Luft. Schnell rollte sie herum und zog ihn an sich. Marcu küsste sie, positionierte sich zwischen ihren gespreizten Beinen, drang aber nicht in sie ein. Erst angelte er sich ein Kondom vom Nachttisch und streifte es sich über, dann glitt er mit einem geschmeidigen Stoß in sie.

Endlich … Monet seufzte lustvoll auf, genoss es, wie er sie ausfüllte. Er war so wundervoll.

Sehnsüchtig legte sie ihm die Hände in den Nacken und zog seinen Kopf zu sich herab, um ihn zu küssen, während er seinen Rhythmus behutsam beschleunigte. Oh ja, das war genau das, was sie sich wünschte. Es war nicht nur Sex, sondern ein Gefühl tiefster Glückseligkeit, ihm endlich ihre Liebe und ihr Verlangen zeigen zu können.

Doch dieses Mal wurde die berauschende Ekstase des Höhepunkts von einem bittersüßen Beigeschmack getrübt. Denn je mehr Monet sich auf Marcu einließ, desto mehr brach ihr Herz.

Anschließend lag sie an seine Brust geschmiegt da. Die Nachbeben der Lust machten sie schläfrig, und Monet ließ ihre Gedanken wandern.

Marcu zu verlassen würde wirklich schwer werden.

Ihn zu vergessen unmöglich.

„Deshalb bin ich zurückgekommen“, sagte er leise, während er zärtlich durch ihr seidiges Haar strich. „Deinetwegen.“

„Marcu.“ Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals. „Lass uns bitte nicht darüber reden.“

„Warum nicht? Es ist die Wahrheit. Gestern hatte ich plötzlich überhaupt keine Lust mehr, loszufahren. Unterwegs habe ich mich scheußlich gefühlt. Ich wollte nicht weg von dir, wollte Weihnachten nicht ohne euch alle verbringen. Ich wollte hierbleiben, bei dir und den Kindern.“

Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Mach nicht den Fehler, Verlangen mit Liebe oder Zuneigung zu verwechseln. Begehren ist keine Basis für eine echte Beziehung.“

Er schwieg eine Weile. Dann fragte er: „Fürchtest du dich vor einer Beziehung?“

Heiße Röte schoss ihr in die Wangen. „Nein!“

„Warum können wir dann nicht darüber reden?“

„Weil es zu nichts führt!“ Monet löste sich aus seiner Umarmung und stand auf. Gedankenverloren griff sie nach der Kaschmirdecke über der Sessellehne und wickelte sich hinein. „Das habe ich dir doch schon lang und breit erklärt. Was wir zusammen hatten, war wundervoll, und ich bereue nichts. Aber sobald ich abreise, ist es vorbei.“

„Warum?“

Seine Hartnäckigkeit fing an, sie zu ärgern. „Das fragst du noch? Ich bin herkommen, um mich um deine Kinder zu kümmern, nicht um deine Geliebte zu werden. In die Fußstapfen meiner Mutter möchte ich nicht treten. Das lässt meine Selbstachtung nicht zu.“

„Mein Vater und deine Mutter haben einander geliebt.“

Sie lachte bitter auf. „So würde ich es nicht ausdrücken.“ Matteo Uberto hatte die Zügel in der Hand gehabt, ihre Mutter war völlig von ihm abhängig gewesen.

„Mein Vater hat ihr zweimal einen Heiratsantrag gemacht. Sie hat beide Male abgelehnt.“

Das hatte ihre Mutter ihr auch erzählt, aber Monet hatte ihr nicht geglaubt. „Was ihn nicht davon abgehalten hat, sie durch ein junges Model zu ersetzen, als sie vierzig wurde.“

„Das stimmt so nicht. Als deine Mutter krank wurde, hat sie meinen Vater verlassen. Sie wollte auf keinen Fall, dass er sie hinfällig erlebte. Mein Vater hat deine Mutter geliebt. Und er hat sie ganz bestimmt nicht durch ein junges Model ersetzt. Nach ihrem Tod hat es keine andere Frau mehr für ihn gegeben.“

Monet war erschüttert. Stimmte das? Oder beschönigte Marcu nur die Vergangenheit?

„Das ist jetzt auch egal.“ Sie trat ans Fenster und blickte hinaus. Inzwischen war es hell geworden, aber es schneite immer noch. „Jedenfalls möchte ich an unserer Abmachung nichts ändern. Ich bin hier, um mich um die Kinder zu kümmern, bis ihre Nanny wieder da ist. Daran ändert auch der fantastische Sex nichts.“

„Wie geht es nun also weiter?“, wollte Marcu grimmig wissen.

„Ich mache mich jetzt fertig und bereite mich auf einen Tag mit den Kindern vor. Und du tust, was du auch sonst tun würdest.“

Wieder überraschte er sie mit seiner Antwort. „Ich würde den Tag gerne mit den Kindern verbringen … und mit dir.“

Sie nickte zustimmend, obwohl seine Antwort sie irritierte. „Gut, das ist genau das, was sie brauchen. Zeit mit dir, aber ohne mich.“

Er wollte etwas sagen, überlegte es sich offensichtlich aber anders. Schließlich erwiderte er nur: „Du hast recht. Nimm dir den Tag frei.“

Monet genoss es, den Vormittag für sich zu haben. Doch nachmittags fühlte sie sich gelangweilt und unkonzentriert. Ständig musste sie daran denken, was letzte Nacht passiert war.

Es war pure Magie, mit Marcu zusammen zu sein. Sie liebte seine Wärme und seine Stärke, seinen Geruch und seine Liebkosungen, mit denen er sie um den Verstand brachte. In seinen Armen fühlte sie sich lebendig und schön. Sollte sie nicht vielleicht doch in Erwägung ziehen für ein Leben mit Marcu Opfer zu bringen? Nein. Sie würde ihre sichere Zukunft für das Glück der Gegenwart opfern.

Monet wusste, dass die Realität sie irgendwann einholen und sie ihre Dummheit bitter bereuen würde. Romantische Träumereien konnte sie sich nicht leisten, das wäre naiv. Auch wenn sie Marcu noch so sehr begehrte, er liebte sie nicht. Er wollte sie nur für den Moment, und wenn das Verlangen irgendwann erloschen wäre – denn das würde passieren –, was blieb dann übrig? Nichts.

Marcu genoss den Tag mit den Kindern. Erst tobten sie sich bei einer Schneeballschlacht aus, dann bauten sie zusammen einen großen Schneemann. Nach dem Essen machten sie es sich im Musikzimmer gemütlich. Und plötzlich schien es ihm nur natürlich, sich an den Flügel zu setzen und den Kindern etwas vorzuspielen. Die Geschwister lauschten mit geröteten Wangen und glänzenden Augen. Er konnte sich sogar dazu überwinden, ein altes italienisches Weihnachtslied zu spielen. Die vertraute Melodie weckte zwar Wehmut in ihm, aber der befürchtete scharfe Schmerz blieb aus.

Wie immer hatte Monet recht gehabt. Sich der Realität zu stellen, anstatt wegzulaufen, war schon der halbe Weg zur Heilung.

Er würde sicher noch einige Zeit brauchen, um wieder zu sich selbst zu finden, doch der erste Schritt war getan. Auf einmal wusste er, dass er es schaffen würde, und ein Gefühl tiefer Zufriedenheit erfüllte ihn. Er war Monet so unendlich dankbar.

Da kam der Vorschlag der Kinder gerade recht, einen Weihnachtsball zu veranstalten. Die Idee hatte Rocca aus der Geschichte „Der Nussknacker“, die Monet ihnen zurzeit abends vorlas.

Erst wollte Marcu aus einem Reflex heraus ablehnen, aber dann überlegte er es sich anders. Warum eigentlich nicht? Sie waren sich einig, Monet damit zu überraschen, und würden alle Dorfbewohner und das Personal dazu einladen.

Marcu versprach, mit seinen Angestellten zu besprechen, welcher Tag ihnen am besten passen würde. Und er merkte zu seinem eigenen Erstaunen, wie glühende Vorfreude ihn mit einem Mal erfüllte.

Ein Weihnachtswunder war geschehen.

An diesem Abend schlüpfte Monet wie selbstverständlich in Marcus Schlafzimmer, ohne dass sie es vorher verabredet hatten. Marcu empfing sie mit einer leidenschaftlichen Umarmung und trug sie wortlos zu seinem Bett. Er ließ sich Zeit, während er sie sanft auszog, hielt immer wieder inne, um jedes Stück Haut, das er entblößte, mit Lippen und Zunge zu liebkosen.

Seufzend genoss sie es, wie er sich von ihrem Hals über ihre Schultern, ihre Brüste, den Bauch bis zu ihrer sensibelsten Stelle zwischen ihren Beinen vorarbeitete. Dieser Stelle ließ er besondere Aufmerksamkeit zukommen, er saugte und leckte und küsste sie, bis Monet vor Lust laut stöhnte und ohne jede Scheu lustvoll seinen Namen rief. Erst dann beschleunigte er seinen Rhythmus und brachte sie zu ihrem ersten Höhepunkt in dieser Nacht.

Es folgten noch zwei weitere. Anschließend schlief Monet dicht an Marcu gekuschelt zufrieden ein.

Als sie früh am nächsten Morgen aufwachte, setzte sofort das quälende Gedankenkarussell wieder ein. Es war doch verrückt, was sie da tat! Sie sollte nicht hier sein, gleichzeitig war es ihr unmöglich, sich von Marcu fernzuhalten. Monet wollte ihn, fühlte sich aber auf der anderen Seite leer und deprimiert. Trotz der Erfüllung, die er ihr schenkte.

Schuld daran waren ihre tiefen Gefühle für ihn. Sinnlos, es noch länger zu leugnen, denn sie liebte ihn von ganzem Herzen, hatte ihn schon immer geliebt. Und das machte die ganze Sache so schrecklich kompliziert, denn er erwiderte ihre Gefühle ganz offensichtlich nicht.

„Woran denkst du?“, erklang seine tiefe Stimme in der Dunkelheit.

Sie schmiegte sich noch dichter an ihn. „An gar nichts.“

„Das stimmt nicht, ich spüre doch, dass dich etwas bedrückt. Sag es mir.“

Unmöglich, es würde alles kaputtmachen. „Ich bin nur müde. Wir kommen nicht viel zum Schlafen, wenn wir zusammen sind.“

Er lachte zärtlich und strich ihr über die Wange. „Dann versuch jetzt, noch ein bisschen zu schlafen.“

Es dauerte ein Weilchen, schließlich bedeuteten ihre regelmäßigen Atemzüge ihm, dass Monet wieder eingeschlafen war. Marcu fand keine Ruhe mehr in dieser Nacht. Immerzu gingen ihm ihre Worte durch den Kopf.

Sie hatte ihm vorgeworfen, dass er nie von Liebe gesprochen hatte, und das stimmte. Das abstrakte Konstrukt Liebe – damit hatte er tatsächlich seine Probleme.

Er liebte seine Kinder, aber auf eine zurückgenommene, kontrollierte Art und Weise. Für ihn war Liebe gleichbedeutend mit Pflicht und Verantwortung, Liebe bedeutete Loyalität.

War er wenigstens einmal in seinem Leben richtig verliebt gewesen?

Jedenfalls nicht in Galeta oder Vittoria.

Marcu versuchte sich in die Zeit vor acht Jahren zurückzuversetzen. Das fiel ihm schwer, denn er hatte sich sehr verändert. Damals hatte er Monet verzweifelt begehrt. Nicht nur sexuell, er hatte sie um sich haben, sie beschützen wollen.

Sie gehörte wie selbstverständlich zu ihm, war schon immer ein Teil seines Lebens gewesen. Keiner kannte ihn besser als sie. Sie hatte ihm alles anvertraut, hatte ihm endlose Stunden zugehört. Niemand lächelte wie sie, wenn er ins Zimmer kam. Ihr Gesicht leuchtete auf, ihre Augen strahlten. Bei ihrem Anblick hatte er immer an Orangenblüten, Honig und Sonnenschein denken müssen.

War das Liebe gewesen?

Hatte er es nur nicht begriffen?

Er stand auf, schlüpfte in seinen Bademantel und ging nach oben, um nach den Kindern zu sehen, die noch fest schliefen.

Ein Gefühl unendlicher Zärtlichkeit stieg in ihm auf. Marcu beugte sich über die Betten seiner Kinder und küsste sie auf die Stirn. Was auch immer der Grund war, weshalb es ihm so schwerfiel, Liebe zuzulassen, er würde dagegen ankämpfen, das nahm er sich fest vor.

In ihm nahm ein Plan Gestalt an. Es würde einiges an Anstrengung kosten, aber er würde es schaffen.

Ja, das würde er.

Als Monet das nächste Mal erwachte, fielen die hellen Strahlen der Sonne ins Zimmer und zauberten warme goldene Lichtreflexe auf den Fußboden.

Noch leicht benommen setzte Monet sich auf und entdeckte Marcu in einem Sessel vor dem Kamin, wo er ein Buch las.

„Wie viel Uhr ist es?“ Gähnend fuhr sie sich mit der Hand durch das zerzauste Haar.

„Fast neun.“

„So spät schon? Die Kinder!“

„Elise kümmert sich um sie, keine Sorge. Wir können also ganz in Ruhe unser Frühstück im Bett genießen.“

„Das geht nicht, ich dürfte doch gar nicht hier sein. Wenn uns jemand hier das Frühstück serviert, dann ist klar, dass ich die Nacht hier verbracht habe.“

„Das wissen sowieso schon längst alle“, entgegnete er augenzwinkernd. „In den Fluren gibt es Überwachungskameras, und das Zimmermädchen hat unser zerwühltes Bett gemacht.“

„Oh, mein Gott, was denken sie jetzt bloß?“

„Ehrlich gesagt, ist mir das völlig egal.“

„Mir aber nicht.“ Rasch sprang sie auf und wickelte sich in ihren Bademantel.

Im nächsten Moment klopfte es an der Tür, und das Frühstück wurde gebracht: aromatischer Cappuccino, ein Korb mit warmem, duftendem Brot und fluffige Rühreier.

Nachdem sie mit großem Appetit das köstliche Frühstück verspeist hatte, streckte Monet sich seufzend auf dem Bett aus. „Das war genau das, was ich jetzt gebraucht habe. Danke.“

Marcu setzte sich zu ihr und küsste zärtlich ihren Handrücken. „Wären wir verheiratet, könnten wir das jedes Wochenende machen.“

„Bitte fang nicht schon wieder damit an.“

„Warum nicht? Es ist ein wichtiges Thema, und wir müssen darüber reden.“ Ernst fügte er hinzu: „Weißt du, ich habe lange nachgedacht. Du hattest recht. Ich brauche dich nicht zu heiraten, damit du auf meine Kinder aufpasst. Dafür kann ich auch eine Nanny engagieren. Ich brauche dich … für mich. Eine Zukunft ohne dich mag ich mir gar nicht mehr vorstellen, denn ich möchte immer mit dir zusammen sein.“

Abrupt entzog sie ihm ihre Hand und sprang auf. Monet fühlte sich in die Ecke gedrängt und völlig durcheinander. „Dann ist es an der Zeit für mich zu gehen.“

„Das wird jetzt nichts, du musst erst abwarten, bis das Wetter besser wird.“

Sie schloss kurz die Augen. „Na gut, aber sobald die Wetterverhältnisse es erlauben, reise ich ab.“

„Verstanden.“

„Erzähl den Kindern jetzt noch nichts davon. Wir müssen sie da nicht mit hineinziehen.“

„Okay.“

„Sobald ich weg bin, sag ihnen bitte, wie wundervoll ich die Zeit mit ihnen empfunden habe und dass ich nur gehe, um Miss Sheldon wieder Platz zu machen.“

„Verstehe. Ich halte mich an dein Drehbuch …“

Sein spöttischer Ton gefiel ihr gar nicht. Monet funkelte ihn böse an. „Du hast das Ganze doch erst eingefädelt.“

„Schuldig, Euer Ehren. Würden wir im Mittelalter leben, würde ich dich jetzt einfach hier gefangen halten. Da ich das leider nicht kann, helfe ich dir, so schnell wie möglich nach London zurückzukehren.“

„Gut.“ Monet zögerte. „Außerdem komme ich nicht mehr zu dir in dein Schlafzimmer, das geht nicht. Es würde die Kinder ganz durcheinanderbringen, wenn sie mich hier erwischen.“

„Wie immer Sie wünschen, Signorina.“

„Spar dir deinen Sarkasmus“, fauchte sie.

„Aber ja, entschuldige bitte. Monet Wilde ist clever und unabhängig. Sie braucht keinen Mann, sie ist eine starke und emanzipierte junge Frau.“

Monet straffte sich. „Ganz genau, ich brauche keinen Mann. Und ebenso wenig einen Aufpasser oder Kümmerer. Ich bin nicht wie meine Mutter …“

Mio Dio … Bitte nicht schon wieder diese Leier“, fuhr Marcu sie gereizt an. „Wie oft soll ich dir noch beteuern, dass du nicht wie sie bist? Langsam wird diese Diskussion absurd.“

Monet biss sich auf die Lippe. „Es ist wohl am besten, wenn wir uns möglichst aus dem Weg gehen, bis ich abreise.“

„Einverstanden.“

„Jetzt muss ich nach den Kindern sehen.“

„Nur zu, worauf wartest du?“

10. KAPITEL

An diesem Tag bekam Monet Marcu nicht noch einmal zu Gesicht. Am nächsten Morgen, es war Heiligabend, nahm sie sich vor, ihr Bestes zu tun, um die Kinder bei Laune zu halten. Gleich nach dem Frühstück gingen sie zusammen draußen im Park Skilaufen. Erstaunt registrierte sie, dass sich Marcu nach einer Weile zu ihnen gesellte, als sei alles in bestser Ordnung.

Als sie alle vor Kälte gerötete Wangen hatten, schlug Marcu vor, wieder hineinzugehen und sich aufzuwärmen. Überrascht stellte Monet fest, dass im Musikzimmer heiße Schokolade und eine Schale mit Plätzchen bereitstanden.

Dann forderte Marcu die Kinder auf: „Jetzt ist Zeit für ein heißes Bad, und dann zieht euch um. Es ist Heiligabend, und in zwei Stunden steht unser traditionelles Festessen auf dem Tisch.“ Beiläufig fügte er an Monet gewandt hinzu: „Du bist natürlich herzlich eingeladen, uns Gesellschaft zu leisten. Aber falls unsere Traditionen dir nicht behagen, habe ich natürlich vollstes Verständnis.“

Den Kindern zuliebe ignorierte sie die kleine Spitze. „Danke für die Einladung. Ich komme sehr gerne.“

Bene, dann erwarten wir ich dich in zwei Stunden.“

Das Weihnachtsdinner verlief genauso wie damals im Palazzo. Wehmütige Erinnerungen stiegen in ihr auf, während sie das delikate Essen genoss.

Nach dem Dessert machten sie es sich im Musikzimmer gemütlich. Monet war fast sprachlos vor Überraschung, als Marcu sich an den Flügel setzte und Weihnachtslieder zu spielen begann. Dann fing er an zu singen, ein wundervolles altes italienisches Weihnachtslied, das Monet schon immer geliebt hatte. Tränen stiegen ihr in die Augen, und ein Gefühl der Zärtlichkeit durchströmte sie.

Marcu und die Kinder würden klarkommen. Er liebte seine Kinder, sie brauchte sich keine Sorgen zu machen.

Schließlich klappte er den Flügel zu und sagte, dass er die Geschwister zu Bett bringen und ihnen eine Geschichte vorlesen würde.

Monet nickte lächelnd. „Gute Nacht. Und Buon Natale.“

„Buon Natale“, erwiderten Matteo, Antonio und Rocco im Chor.

Als sie sich zum Gehen wandte, warf Marcu ihr einen seltsamen Blick zu, den sie nicht zu deuten wusste. An diesem Abend weinte sich Monet in den Schlaf.

Am nächsten Morgen brachte Marcu ihr höchstpersönlich das Frühstück aufs Zimmer.

Schnell strich Monet sich über das verwuschelte Haar, um es zu glätten. „Guten Morgen“, begrüßte sie ihn heiser.

„Buon Natale.“ Er stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab. „Wie ich sehe, hast du die Lichter deines kleinen Weihnachtsbaums schon eingeschaltet.“ Zögernd fügte er hinzu: „Heute Nachmittag planen wir eine kleine Party“, bemerkte er beiläufig. „Die Gäste werden wohl so gegen vier Uhr eintreffen. Vielleicht bist du so nett, den Kindern nachher mit ihrer Festtagskleidung zu helfen.“

„Selbstverständlich.“ Verwundert wollte sie wissen: „Wann hast du denn beschlossen, eine Party zu feiern? Das hast du gar nicht erwähnt.“

„Ach, die Idee kam mir ganz spontan. Ich habe nichts gesagt, weil ich erst noch abwarten wollte, ob sich das Wetter bessert.“ Er schmunzelte. „Das war Roccas Idee. Du hast den Kindern wohl ‚Der Nussknacker‘ vorgelesen, und jetzt ist sie ganz wild auf die Rolle der Clara.“

„Dass sie von der Geschichte so beeindruckt ist, hätte ich nicht erwartet“, meinte Monet belustigt.

„Es war gar nicht so einfach, diese Märchenfantasie ausgerechnet im schlimmsten Schneesturm seit Jahren zu realisieren.“

„Und doch hast du es getan …“

„Ich habe es zumindest versucht. Keine Ahnung, ob jemand aus dem Dorf kommt, aber eingeladen sind sie alle. Ebenso wie mein ganzes Personal mit ihren Familien. Das wird ein Spaß.“

Spaß. Er hatte wirklich das Wort Spaß benutzt. Gestern Abend hatte er Klavier gespielt und Weihnachtslieder gesungen. Und heute veranstaltete er eine Weihnachtsparty und redete über Spaß. Wenn das kein Wunder war …

„Die Kinder wissen Bescheid?“

„Sie wissen, dass ich die Dorfbewohner und das Personal eingeladen habe. Aber den Ballsaal haben sie noch nicht gesehen. Wir haben uns alle Mühe gegeben, ihn ein bisschen festlich zu schmücken.“

Vor Rührung zog sich ihr Herz zusammen. „Die Kinder werden sich so freuen. Am allermeisten Rocca.“

Er schwieg einen Moment. „Rocca hat dich sehr lieb gewonnen, weißt du.“

„Ich sie auch, sie ist einfach entzückend.“

Er sah Monet noch einmal lange an, dann verließ er das Zimmer. Sie seufzte wehmütig auf, als die Tür sich hinter ihm schloss.

Nachdem Monet am Nachmittag den Kindern geholfen hatte, sich für die Party hübsch zu machen, blieben ihr gerade noch fünfzig Minuten Zeit, sich selbst umzuziehen. Als sie in ihre Suite zurückkehrte, erwartete sie eine Überraschung. Ein atemberaubendes trägerloses rotes Ballkleid hing auf einem Bügel an ihrem Himmelbett.

Es war das schönste Kleid, das sie je gesehen hatte, mit einem schmal geschnittenen Oberteil. Der seidig schimmernde Rock war mit winzigen weißen Blüten und grünen Blättern bestickt, und die bodenlange Glockenform endete in einer eleganten Schleppe.

Monet kannte den Designer. Dies war italienische Haute Couture vom Feinsten. Vermutlich hatte das Kleid mehr gekostet, als sie in einem halben Jahr verdiente.

Passende High Heels in Rot standen auf dem Fußboden neben dem Bett.

Hinter Monet erklang leises Kichern. Rocca.

„Papa hat das Kleid gekauft“, verkündete das kleine Mädchen stolz und strich sich über den dunkelroten Seidenstoffs ihres eigenen Kleids. „Er hat es aus Mailand einfliegen lassen. Ein sehr berühmter Mann hat es gemacht.“

„Es ist wunderschön“, rief Monet überwältigt aus. Rasch scheuchte sie Rocca aus ihrem Schlafzimmer, damit sie sich in Ruhe umziehen konnte.

Als sie knapp eine Stunde später mit vor Vorfreude klopfendem Herzen den Ballsaal betrat, war sie völlig überwältigt von dem Anblick, der sich ihr bot: ein prachtvolles Winterwunderland mit einem riesigen Weihnachtsbaum in der Mitte, an dem unzählige winzige weiße Lichter funkelten.

Fenster und Türen waren mit würzig duftenden Tannengirlanden umrahmt. Auf einem der langen Banketttische standen fantastisch dekorierte Lebkuchenhäuser, wahre Kunstwerke des Schweizer Sternekochs, der extra für diese Feier engagiert worden war. Die übrigen Tische bogen sich unter der Last der köstlichen Speisen und Getränke. Es war genau so, wie Rocca es sich gewünscht hatte: eine schillernde Weihnachtsparty mit fröhlicher Musik und Tanz und Gelächter. Anscheinend war tatsächlich das ganze Dorf Marcus Einladung gefolgt.

Mehr als einmal brannten Tränen der Rührung in Monets Augen. Alle waren heute Abend so glücklich. So sollte Marcus Leben immer sein: geschäftig, warm, voller Liebe und Musik und fröhlichem Gelächter.

Dieses Weihnachtsfest würde sie nie vergessen. Es war wie ein Wunder, und sie würde immer dankbar dafür sein, dass sie daran teilhaben durfte.

Marcu konnte einfach nicht den Blick von Monet abwenden. In ihrem roten Ballkleid sah sie hinreißend aus. Ihre nackten Schultern schimmerten, das dunkle Haar trug sie zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt. Sie war die schönste Frau, die er je gesehen hatte, und er liebte sie. Jetzt brauchte sie nur noch eine Hochzeits-Tiara und seinen Ring am Finger.

Ja, er liebte sie.

Es war das erste Mal, dass er so empfand. Nie hatte es sich vollkommener angefühlt, eine Frau in den Armen zu halten, nie war ihm jemand so wichtig gewesen, dass er bereit war, jede Vernunft in den Wind zu schlagen. Nur ein einziges Mal hatte er den Kopf verloren, das war vor acht Jahren mit Monet gewesen. Und an der gegenseitigen Anziehung hatte sich bis heute nichts geändert.

Ihr Lächeln erhellte sein Leben, er fühlte sich durch und durch lebendig. Ein Blick aus ihren ausdrucksvollen Augen, und er war in ihrem Bann. Er brauchte Monet. Brauchte ihre Aufrichtigkeit, ihre Fähigkeit, ihm die Stirn zu bieten, wenn er stur in die Irre ging. In seinem Umfeld gab es einfach zu viele Leute, die ihm nach dem Mund redeten. Dazu gehörte sie nicht, hatte sie nie gehört.

Nachdem die Gäste gegangen waren und Elise die Kinder zu Bett gebracht hatte, blieben Monet und Marcu allein im Ballsaal zurück. Marcu war aufgeregt wie ein Teenager, der seine Auserwählte zum ersten Mal ausführte.

Sie standen vor dem prachtvoll geschmückten, glitzernden Weihnachtsbaum mit seinen kostbaren silbernen Glasornamenten, handgeschnitzten Engeln und funkelnden weißen Lichtern.

„Es war eine wunderschöne Party.“ Monet seufzte glücklich.

„Die Idee haben wir Rocca zu verdanken. Aber ohne dich wäre diese Party wohl nicht zustande gekommen. Seitdem du da bist, hat sich so viel verändert, ich habe mich verändert.“

Er senkte die Stimme, und ihm war deutlich anzumerken, wie bewegt er war. „Ich bin dir für so vieles dankbar, Monet, am meisten für deine Liebe und dein Vertrauen. Selbst wenn du wütend auf mich bist, glaubst du noch an mich, und das hat alles geändert.“

Marcu zog einen zierlichen Goldring mit einem funkelnden Rubin aus der Hosentasche, den er vor zehn Jahren zu ihrem sechzehnten Geburtstag für sie gekauft hatte. „Der ist nur vorübergehend, bis ich den perfekten Ring für dich gefunden habe. Diesen habe ich all die Jahre aufgehoben, und er ist mein Versprechen an dich, dass ich immer für dich da sein, dich lieben werde, für den Rest unseres Lebens.“

Im nächsten Moment kniete er sich vor sie hin und nahm ihre Hand. „Monet, willst du mich heiraten? Ich liebe dich, und ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen.“

Monet stand reglos da, als Marcu ihr den Ring auf den Ringfinger ihrer linken Hand steckte.

Diesen Ring hatte sie damals, als sie Palermo verlassen hatte, nicht mitgenommen, genauso wenig wie die anderen kostbaren Geschenke der Familie.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ein Gefühl tiefer Traurigkeit durchströmte sie, weil sie nicht Ja sagen konnte. „Marcu, bitte“, flüsterte sie beschwörend. „Steh bitte auf.“

„Du hast mir noch nicht geantwortet.“

„Was soll ich denn bloß sagen? Du liebst mich nicht wirklich.“

„Doch, das tue ich. Ich liebe dich sogar sehr.“

Bekümmert schüttelte sie den Kopf, zog sich den Ring vom Finger. „Vielleicht hältst du es für Liebe, das will ich dir gerne glauben. Aber ich bin sicher, du wirst mich ganz schnell vergessen, sobald ich wieder in London bin. Das hast du schon einmal bewiesen.“

„Weil ich Galeta geheiratet habe?“

„Ja! Und zwar nur wenige Monate, nachdem ich Palermo verlassen hatte. Das kannst du nun nicht leugnen.“

„Monet, sie war schwanger von mir. Ich kannte sie schon, seit wir Kinder waren. Als du mit deiner Mutter nach Palermo gekommen bist, war sie im Internat. Ich hatte sie jahrelang nicht gesehen, aber es war leicht, sie zu mögen. Du hättest sie auch gemocht.“

„Das bezweifle ich.“

„Nein, das hättest du wirklich. Sie war nicht die typische verwöhnte Erbin, legte keinen Wert darauf, in der Öffentlichkeit zu glänzen. Unser beider größter Feind waren die Paparazzi und die unwillkommene Aufmerksamkeit der Medien. Wir hassten es, wie unsere Hochzeit in den Klatschblättern breitgetreten wurde. Eigentlich hatten wir eine ganz private Hochzeit geplant und konnten uns nicht erklären, wer so viele private Fotos an die Presse weitergegeben hatte. Ich stellte Nachforschungen an und fand es heraus. Mein Vater war der Schuldige. Auf diese Weise wollte er sicherstellen, dass du erfährst, dass ich verheiratet und nicht länger zu haben war.“

„Er muss mich wirklich sehr verabscheut haben.“

„Verabscheut hat er dich ganz sicher nicht. Aber in gewisser Hinsicht war er sehr konservativ und wünschte sich eine echte sizilianische Schwiegertochter und sizilianische Enkel.“ Marcu zuckte ungeduldig die Achseln. „Ihm mache ich keinen Vorwurf, aber mir. Ich hätte mich nicht davon abhalten lassen dürfen, dir nach London zu folgen, dich zu beschützen, der Mann zu sein, den du brauchtest.“

„Ich war erst achtzehn und überhaupt noch nicht reif für die Ehe. Es ist schon alles richtig so, wie es ist.“ Plötzlich kam sie sich albern und overdressed in ihrem roten Ballkleid vor. Sie war keine Prinzessin, nicht einmal Cinderella. Sie war ein Niemand, und jetzt wollte sie nach Hause. Nie in ihrem Leben hatte sie sich etwas sehnlicher gewünscht. „Es tut mir sehr leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich werde gleich morgen früh abreisen. Und zwar ohne großes Aufsehen.“

Marcu schwieg.

„Du hast es mir versprochen …“ Ihre Stimme zitterte.

„Ich sorge dafür, dass der Helikopter startklar ist“, unterbrach er sie knapp. „In Mailand erwartet dich dann mein Privatjet, um dich nach London zu bringen.“

Monet blickte voller Wehmut auf den Rubinring in ihrer Hand. „Du hast ihn mir zweimal geschenkt, und jetzt gebe ich ihn dir zum zweiten Mal zurück“, sagte sie leise.

„Nein.“ Er schloss seine Hand um ihre. „Er gehört dir. Nimm ihn bitte mit. In London kannst du damit machen, was du willst. Aber lass ihn nicht hier. Ich habe ihn all die Jahre für dich aufbewahrt, das schaffe ich nicht noch einmal.“

Sie nickte stumm, heiße Tränen stiegen in ihr hoch. Nach einem letzten Blick auf Marcu wirbelte sie herum und verließ fluchtartig den Ballsaal.

Monet riss sich das Ballkleid herunter und wusch sich energisch das Make-up vom Gesicht.

Sie konnte nicht weinen.

Sie konnte nicht nachdenken.

Sie konnte nicht fühlen.

Nur schnell zu Bett und schlafen. Irgendwie die nächsten acht Stunden überstehen, dann war sie weg. Endlich frei.

Erschöpft kroch sie unter die Bettdecke und vergrub das Gesicht in ihrem Kissen. Versuchte sich zu beherrschen.

Marcu hatte ihr einen Antrag gemacht, hatte endlich die Worte ausgesprochen, nach denen sie sich so lange gesehnt hatte … und sie hatte abgelehnt, weil sie ihm nicht glaubte.

Jetzt konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten, und sie weinte sich in den Schlaf. Doch sie fand keine Ruhe, wachte immer wieder auf und wälzte sich im Bett hin und her. Irgendwann gab sie es auf. In ihre Daunendecke gewickelt setzte sie sich in den Sessel am Fenster und beobachtete, wie die Sonne über den Bergen aufging und das Tal in fließende Schattierungen von Gold und Rosa tauchte.

Allmählich wurde es Zeit, sich anzuziehen, denn der Helikopter wartete sicher schon auf sie.

Monet machte sich einen Becher Tee und packte ihre Sachen, fest entschlossen zu verschwinden, bevor die Kinder aufwachten. Das Ballkleid und die roten High Heels ließ sie im Schrank zurück. Die Sachen würden in London nur schmerzliche Erinnerungen wecken.

Nachdem sie ihre Koffer geschlossen und neben die Tür gestellt hatte, räumte sie noch rasch auf und machte ihr Bett.

„Was tust du da?“, erklang plötzlich Marcus dunkle Stimme hinter ihr.

Monet erschrak, sie hatte ihn nicht hereinkommen hören.

„Das siehst du doch, ich räume auf.“

„Das ist wirklich nicht nötig, dafür gibt es Personal.“

„Ich weiß, aber ich fühle mich wohler, wenn ich es selbst mache. So bin ich nun einmal erzogen.“ Sie sah ihn an, und versuchte mit aller Kraft das wilde Klopfen ihres Herzens zu beruhigen. Marcu sah müde und erschöpft aus. Wahrscheinlich hatte er letzte Nacht genauso wenig geschlafen wie sie.

„Monet.“ Er schaute sie ernst an. „Wollen wir uns jetzt wirklich übers Aufräumen streiten? Warum tust du alles, um vor der Wahrheit wegzulaufen?“

„Was redest du da?“ Sie funkelte in ihn. „Das ist doch lächerlich.“

„Du liebst mich, das weiß ich genau. Ich weiß, du hast mich immer geliebt, so wie ich dich immer geliebt habe. Aber weil ich nicht in der Lage bin, es auf deine Art zu zeigen, beschließt du einfach, es sei nicht genug.“

„Das stimmt doch gar nicht.“

„Ach nein? Warum hast du mich dann zurückgewiesen, anstatt uns eine Chance zu geben?“

Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, dann schloss sie ihn wieder. Die Wahrheit war, sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wusste nicht, warum sie seinen Antrag nicht annehmen konnte. Es ging einfach nicht, ihr fehlte das Vertrauen. „Ich bin bereit zur Abreise. Mein Gepäck steht neben der Tür.“

Sein Blick fiel auf die geöffneten Türen des Kleiderschranks. Ihr rotes Ballkleid hing an der Stange. „Ich nehme deine Koffer“, sagte er knapp.

„Wir sehen uns dann unten.“

Marcu versuchte, nicht nachzudenken, während er Monet zum Hubschrauberlandeplatz im Tal brachte. Die Brust war ihm eng, und er fühlte sich an den Tag vor acht Jahren zurückversetzt, als er Monet nach Palermo gefahren hatte. Heute fühlte er sich genauso miserabel wie damals. Das Letzte, was er wollte, war, sie gehen zu lassen, doch er hatte es ihr versprochen.

Er liebte sie, aber sie glaubte ihm nicht. Dabei hatte er alles versucht, um es ihr zu beweisen, hatte ihretwegen diese Weihnachtsparty organisiert, um ihr zu zeigen, dass er bereit war, sich zu ändern, sich sogar schon geändert hatte.

Für die Kinder brauchte er Monet nicht, die würden mit ihrer liebevollen Nanny bestens klarkommen. Und sie hatten einen Vater, der sie liebte.

Die Wahrheit war, er brauchte Monet. Sein Leben war nie wieder dasselbe gewesen, seit sie Palermo verlassen hatte. Und jetzt verließ sie ihn schon wieder.

Das Gate kam in Sicht, der Hubschrauber war schon startbereit. Marcu lenkte den Wagen in die Parkbucht.

Einen Moment lang war ihm ganz schlecht, dann traf er eine Entscheidung. Er ließ die Vergangenheit und den Schmerz endgültig los. Auch wenn es diesmal wieder genauso endete wie vor acht Jahren in Palermo, wusste er jetzt ohne jeden Zweifel, dass er Monet liebte. Es würde nie mehr eine andere Frau für ihn geben.

Monet besaß sein Herz, ja, sie war sein Herz.

11. KAPITEL

Monet war gerade rechtzeitig zum großen Schlussverkauf nach Weihnachten wieder im Geschäft, der sich bis Mitte Januar hinzog. In der Woche hielt sich der Ansturm der Kunden noch in Grenzen, doch am Wochenende wurden sie regelrecht überflutet.

Das war ihr gerade recht, denn es lenkte sie ab und hinderte sie am Grübeln. Jeden Tag stellte sie ihre Entscheidung infrage, Marcus Antrag abgelehnt zu haben. Warum hatte sie ihn nicht wenigstens um etwas Bedenkzeit gebeten?

Stattdessen hatte sie sich stur und dickköpfig verhalten, hatte sich von ihren Ängsten und Vorurteilen leiten lassen und damit vermutlich ihre einzige Chance auf Liebe zunichtegemacht.

Dabei hatte Marcu doch wirklich versucht, ihr zu beweisen, dass er bereit war, sich zu ändern. Obwohl er nicht der Typ für großartige romantische Gesten war, war er mit der wundervollen Weihnachtsparty über seinen Schatten gesprungen. Er hatte alles so arrangiert, dass er ihr einen Antrag unter dem glitzernden Weihnachtsbaum machen konnte. Wenn das nicht romantisch war …

Monets Augen brannten, und sie hatte einen Kloß im Hals. Aber sie würde nicht zusammenbrechen, nicht hier bei der Arbeit. Deshalb durfte sie jetzt auch nicht länger an Marcu denken. Leichter gesagt als getan, wenn die Sehnsucht nach ihm und den Kindern sie regelrecht auffraß. Mit ihm zusammen zu sein fühlte sich an wie Nachhausekommen. So war es schon immer gewesen.

Plötzlich horchte sie auf, als eine Violine erklang. Sie erkannte die Melodie sofort, schon bevor der Gesang einsetzte. Eine Gänsehaut überlief sie.

Puccinis Gianni Schicchi. Ihre Lieblingsoper.

Woher kam die Musik? Aus den Lautsprechern im Geschäft? Oder fand heute irgendwo hier im Kaufhaus eine Vorführung statt?

Suchend durchquerte sie den Laden und entdeckte die Musiker auf Klappstühlen direkt vor dem großen Bogenfenster. Eine Frau kam auf sie zu und sang. Es war dieselbe Frau, mit der Monet noch vor wenigen Minuten über das passende Outfit für die Brautmutter diskutiert hatte. Jetzt erkannte sie auch die anderen wieder – vorgebliche Kunden, die nun Musik machten.

Und sie spielten nicht irgendein Lied, sondern È Lui, in dem Gianni Schicchi seiner Tochter Lauretta verbietet, ihre Jugendliebe Rinoccino zu heiraten. Alle fangen an zu streiten, und es entsteht ein großes Durcheinander.

Mit klopfendem Herzen lauschte Monet der wunderschönen Musik, die den ganzen Raum erfüllte. Nachdem die letzte Note verklungen war, war es für einen Moment ganz still, bevor eine hübsche junge Frau auf Monet zuging und ihre Lieblingsarie O Mio Babbino Caro anstimmte, in der Lauretta ihren Vater anfleht, ihr zu erlauben, ihren Geliebten zu heiraten, weil sie ohne ihn nicht leben kann.

Monet lauschte zu Tränen gerührt.

Nur einer wusste, wie sehr sie diese Oper und speziell diese Arie liebte. Und nur einer wusste, dass sie sich früher selbst mit Lauretta verglichen hatte, die aus ärmlichen Verhältnissen stammte und keine Mitgift vorzuweisen hatte …

Inzwischen waren unzählige Menschen stehen geblieben und lauschten der Musik ebenso hingerissen wie Monet. Als die Arie vorbei war, setzte donnernder Applaus ein. Auch Monet klatschte, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Das Ganze musste Marcus Werk sein, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Aber wo steckte er?

Und dann war er plötzlich da, kam durch die Menge auf sie zu und hielt ihren Blick fest.

Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. „Erinnerst du dich noch, wie sehr du diese Arie geliebt hast?“

Sie nickte stumm, vor Rührung unfähig, ein Wort zu sagen. „Warum?“, brachte sie schließlich mit tränenerstickter Stimme hervor.

„Ich wollte deine ungeteilte Aufmerksamkeit. Das ist mir hoffentlich gelungen.“

Jetzt fing sie richtig an zu weinen, ob vor Glück oder Schmerz wusste sie selbst nicht zu sagen. Sie wusste nur, dass es sich unfassbar gut anfühlte, Marcus Arme um sich zu spüren. Sie hatte ihn so sehr vermisst. „Wie hast du das nur fertiggebracht?“, fragte sie staunend.

„Na ja, ganz einfach war es nicht, die English National Opera zu engagieren.“

Lachend blinzelte sie die Tränen weg. „Es ist einfach unglaublich, ein richtiges Spektakel.“

„Und ich bin noch nicht fertig.“ Er zog ein Schmuckkästchen aus der Jackentasche und kniete sich vor sie. „Ich möchte, dass die ganze Welt erfährt, wie sehr ich dich liebe, dich schon immer geliebt habe. Und dass ich den Rest meines Lebens damit verbringen werde, wiedergutzumachen, was ich dir angetan habe.“

Monet umfasste seine Hände. „Marcu, du brauchst das jetzt nicht in aller Öffentlichkeit zu sagen …“

„Doch, das muss ich, denn ich liebe dich. Und ich frage dich noch einmal, ob du mich heiraten willst. Nicht, weil ich eine Mutter für meine Kinder brauche, sondern weil ich dich brauche. Wenn du Nein sagst, werde ich dich in sechs Monaten wieder fragen und dann noch einmal in sechs Monaten, bis du endlich Ja sagst.“

Er blickte zu ihr auf, ernst, eindringlich. „Und wenn du sagst, du brauchst sechs Jahre, dann lasse ich dir diese Zeit. Es wird nie eine andere für mich geben außer dir.“ Marcu öffnete das Samtkästchen, und ein atemberaubender Diamantring im Baguette-Schliff kam zum Vorschein. „Ich werde auf dich warten, weil ich dich liebe und mein Leben ohne dich nichts für mich bedeutet.“

Mit tränenschimmernden Augen sah sie ihn an. „Ich liebe dich doch auch so sehr, Marcu. Aber ich habe Angst.“

„Das weiß ich.“

„Ich bin in meinem Leben so lange allein gewesen, und es fällt mir schwer, zu vertrauen.“

„Auch das weiß ich.“

„Doch ein Leben ohne dich kann ich mir auch nicht mehr vorstellen. Ich möchte nicht mehr ohne dich sein.“ Sie streckte die linke Hand aus, an der noch immer ihr Geburtstagsring steckte. „Ich habe ihn nicht abgenommen, denn er war meine letzte Verbindung zu dir.“

„Ich gehe nie mehr weg, das verspreche ich dir.“

„Können wir mit der Hochzeit trotzdem noch ein bisschen warten?“, fragte sie zaghaft.

„Solange du willst.“ Marcu schmunzelte.

Ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht. „Dann, ja. Ich nehme deinen Antrag an. Ja.“

Marcu stand auf, streifte ihr den Geburtstagsring vom Finger und ersetzte ihn durch seinen Verlobungsring. Und dann küsste er sie, lange und heiß und innig, bis der Applaus und die Hurrarufe der Menge von den Wänden widerhallten.

EPILOG

Monet brauchte keine sechs Jahre und auch keine sechs Monate, um sich sicher zu sein, dass sie Marcu heiraten wollte. Sie verbrachten jedes Wochenende zusammen, und schon nach einem Monat traf Monet ihre Entscheidung. Je eher sie heirateten und für immer als Familie zusammen waren, desto besser. Die Kinder brauchten sie ebenso sehr wie Marcu, der immer schlecht schlief und sich Sorgen machte, während sie in London allein war.

Die Hochzeit fand am ersten Juni-Wochenende in der Kathedrale von Palermo statt. Das Wetter war einfach perfekt, der Himmel blau mit kleinen Schäfchenwolken. Es war warm, aber nicht zu warm, und die Glocken läuteten dramatisch, als Monet und Marcu aus dem kühlen Inneren der Kathedrale in den strahlenden Sonnenschein traten.

Als Mann und Frau.

Endlich für immer zusammen.

Sie blickte glücklich zu ihm auf, und er schenkte ihr sein umwerfendes Lächeln, bevor er den Kopf neigte, um sie zu küssen, bis sie von Kopf bis Fuß erbebte. „La mia adorabile moglie“, sagte er mit belegter Stimme. Meine wundervolle Frau.

Monet lächelte, vor lauter Freude schien ihr Herz zu bersten. Seine Frau, endlich.

Jetzt kamen die Kinder auf sie zugelaufen, und alle umarmten sich.

„Ich habe euch so lieb“, sagte Monet und küsste die drei auf die Stirn. „Jetzt gehört ihr mir, für immer und ewig.“

„Und du gehörst für immer mir.“ Marcu legte ihr die Hand um die Taille. „Ich habe alles, was ein Mann sich nur wünschen kann: Liebe und eine wundervolle Familie. Ein größeres Glück kann ich mir nicht vorstellen.“

– ENDE –

PROLOG

Belle

Die Riviera-Sonne brannte heiß auf mich nieder, als ich auf das Grab meines besten Freundes Remy Galanti starrte. Doch ihre Wärme half nicht gegen das Frösteln, das mir seit über einer Woche in den Knochen saß – seit jenem Tag, als Remys Wagen auf der Teststrecke in Nizza in die Leitplanke gerast und in Flammen aufgegangen war. Erneut sah ich diese schrecklichen Augenblicke in quälender Zeitlupe vor mir, doch ich konnte nicht weinen – weder um Remy noch um mich oder seinen Bruder Alexi. Meine Gefühle fühlten sich ebenso betäubt an wie mein Körper.

Während der Priester irgendetwas auf Französisch herunterleierte, sah ich zu Alexi auf der anderen Seite des Grabes hin.

Er trug einen dunklen Leinenanzug und war von Würdenträgern, Promis und hohen Tieren umgeben, die gekommen waren, um einer der berühmtesten Familien Monacos – und des Rennsports – Respekt zu zollen, die ihren Zweitgeborenen verloren hatte. Doch mit seinem gesenkten Kopf und der steifen Körperhaltung wirkte Alexi wie immer einsam. Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte, und sein dunkles Haar war zerzaust, als wäre er seit dem Tag, als wir beide mit ansehen mussten, wie Remy starb, tausend Mal mit den Fingern hindurchgefahren.

Seine Augen jedoch waren trocken, so wie meine eigenen.

Fühlte er sich auch so betäubt wie ich? Remy war mein bester Freund gewesen, seit ich zehn war und meine Mutter den Job der neuen Haushälterin auf dem Anwesen der Galantis an der Côte d’Azur angenommen hatte, nachdem die Mutter von Alexi und Remy mit einem ihrer Liebhaber über alle Berge war. Es fühlte sich an, als hätte man mir einen Teil meiner Seele aus dem Leib gerissen.

Doch Alexi hatte einen Bruder verloren – den einzigen Mensch, der ihm nach dem Verschwinden seiner Mutter nahegestanden hatte. Er musste mindestens so aufgewühlt sein wie ich. Oder mehr als ich.

Doch betäubt wirkte er nicht. Seine schönen Augen funkelten verächtlich, als er den Priester ansah.

Meine Haut prickelte bei der Erinnerung an die Nacht vor Remys Tod. Die Nacht, in der ich gedacht hatte, all meine Träume würden wahr. Die Nacht, in der ich zum ersten Mal mit Alexi geschlafen hatte. Ich erinnerte mich an den Geruch von Salz und Schweiß und Chlor, den Gefühlstaumel, Alexis starke Arme, so vertraut, so aufregend.

Die ganze Wucht der Demütigung erfasste mich, als ich zu Alexi hinübersah. Seit jener Nacht ignorierte er mich. Ich hatte versucht, mit ihm zu reden, doch er war immer beschäftigt. Und jetzt meldete sich mein schlechtes Gewissen, weil mich sein Anblick selbst jetzt ins Schwitzen brachte, bei Remys Beerdigung.

Remy war immer für mich da gewesen, und jetzt wollte ich für Alexi da sein, denn ich wusste, Remy hätte es so gewollt. Als der Priester seine Grabrede beendete und die letzten Worte in der leichten, nach Meer und Bougainvillea duftenden Brise verklangen, fielen mir seine letzte Worte wieder ein.

„Mein Bruder braucht dich, bellissima. Alexi ist einsam. Immer gewesen. Du musst mir etwas versprechen, bellissima. Lass dich nicht von ihm abwimmeln. Okay?“

Das Versprechen, das ich Remy gegeben hatte, klang in mir nach, während Alexi eine Handvoll Erde auf den Sarg warf – seine Bewegungen steif und lethargisch, als lastete ihm ein schweres Gewicht auf den Schultern.

Während die anderen Trauergäste – von denen viele Remy kaum gekannt hatten – noch Schlange standen, um ebenfalls noch eine Handvoll auf den Sarg zu werfen, drehte Alexi sich um, ging zu der Reihe wartender Limousinen und ignorierte jeden, der ihm sein Beileid aussprechen wollte.

Mit einem letzten Blick auf den Sarg schickte ich Remy ein stilles Gebet und folgte Alexi zur Straße. Zum ersten Mal seit Remys Tod begann sich der Nebel der Betroffenheit und Bestürzung zu lichten, und das Adrenalin vertrieb die Kälte aus meinen Knochen.

Atemlos rief ich ihm nach, als er den ersten Wagen erreichte. „Alexi, warte, bitte. Können wir reden?“

Er drehte sich um und wartete, doch seine Haltung blieb steif. Und als ich näher kam, sah ich seinen kalten Blick.

„Belle, was willst du?“ Sein schneidender Tonfall erschreckte mich.

War er sauer auf mich? Ging er mir deshalb seit Remys Tod aus dem Weg? Doch ich verwarf den Gedanken gleich wieder. Sicher bildete ich mir das nur ein, und hier ging es schließlich nicht um mich oder darum, was wir getan hatten. Alexi war wütend über den sinnlosen Tod seines Bruders – und wahrscheinlich auf seinen Vater, der betrunken auf der Beerdigung aufgetaucht war.

Er machte sich einfach nichts aus mir. Er begehrte mich nicht. Das hatte er mehr als deutlich gemacht, nachdem wir vor einer Woche miteinander geschlafen hatten. Es war ein Fehler gewesen.

Doch das bedeutete ja nicht, dass wir nicht Freunde sein konnten. Ich konnte ihm in seiner Trauer beistehen, schließlich war ich die Einzige, die Remy ähnlich nahe gestanden hatte.

„Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht“, sagte ich.

„Natürlich nicht. Ich habe meinen Bruder umgebracht.“

„W…? Was?“ Die Kälte in seiner Stimme, in seinem Blick jagte mir trotz der Hitze einen Schauer über den Rücken. War das sein Ernst? Wie konnte er auch nur für einen Moment glauben, er wäre schuld an Remys Tod?

„Du hast mich sehr gut verstanden“, sagte er aufgebracht.

„Aber er wollte Rennfahrer sein, Alexi. Es war sein Traum, seine Leidenschaft. Du darfst dir nicht die Schuld geben.“

Alexi managte das Galanti-Team jetzt seit zwei Jahren – seit sein Vater Gustavo so schwer trank, dass sich das Ausmaß seiner Alkoholsucht nicht länger verbergen ließ. Alexi hatte Remy eine Chance als Testfahrer gegeben und ihn in dieser Saison zum ersten Mal Rennen fahren lassen. Gab er sich deshalb die Schuld an Remys Tod?

Er starrte mich ausdruckslos an, dann presste er die Lippen aufeinander. „Spiel nicht die Unschuldige. Ein zweites Mal funktioniert das nicht.“

„Ich … Ich verstehe nicht …“, stammelte ich, und der Zynismus in seinem Blick ließ mich frösteln.

Ich hatte nicht geblutet, als ich mit Alexi geschlafen hatte, obwohl er mein Erster gewesen war. Ich hatte den stechenden Schmerz gespürt, das leichte Ziehen, als er tief in mich eindrang, aber der Schmerz war so flüchtig gewesen und das Gefühl der Lust gleich darauf so überwältigend, dass er wahrscheinlich nicht mitbekommen hatte, dass ich noch Jungfrau gewesen war. Zu dem Zeitpunkt war ich ganz froh darüber gewesen, weil ich nicht wollte, dass er mich für ein Kind hielt. Doch als er jetzt fortfuhr, war ich nicht mehr froh.

„Hör auf, die Unschuldige zu spielen. Remy wusste, was wir getan haben. Er hat so getan, als würde es ihm nichts ausmachen, hat einen Witz darüber gemacht, bevor er rausging. Aber du warst immer sein Mädchen. Ich hätte dich nie anrühren dürfen. Deshalb war er abgelenkt und hat die Kurve zu schnell genommen.“

„Aber ich … Ich war nie Remys Mädchen, nicht so. Wir waren nur Freunde“, sagte ich und verstand auf einmal, woher sein schlechtes Gewissen rührte.

Der Muskel in seinem Kinn zuckte wieder, und er verzog spöttisch den Mund.

„Warst du das?“, zischte er. „Hast du ihm gesagt, dass wir Sex hatten, obwohl ich dich gebeten hatte, es nicht zu tun?“

„Ja“, gestand ich.

Ich hätte lügen können, um Alexi zu besänftigen, doch ich schämte mich nicht für das, was wir getan hatten. Und Remy war erfreut über die Möglichkeit gewesen, dass aus uns ein Paar werden könnte, nicht verärgert.

Doch Alexi verstand meine Freundschaft mit Remy nicht, weil er nicht wusste, dass sein kleiner Bruder schwul gewesen war.

Hätte ich ihm das doch nur sagen können. Die Wahrheit lag mir auf der Zunge, doch ich brachte es nicht fertig, weil ich den Schmerz hinter dem Zorn in seinen Augen sah.

Es hätte ihn nur noch mehr geschmerzt zu erfahren, dass Remy sich ihm nicht anvertraut hatte. Und wenn Remy gewollt hätte, dass Alexi es wusste: Hätte er es ihm dann nicht selbst gesagt? Ich durfte Remys Vertrauen nicht missbrauchen, nur um mich vor dem Zorn seines Bruders zu schützen.

„Warum hast du es ihm gesagt?“, fragte er anklagend.

„Weil …“ Ich verstummte.

Weil Remy schwul war, weil wir Freunde waren, weil er wusste, dass ich dich schon immer geliebt habe. Und er sich gewünscht hat, dass wir ein Paar werden.

Doch die Worte blieben mir im Hals stecken, als ich den Ekel auf Alexis Gesicht sah.

„Spar dir die Antwort“, sagte er, bevor ich etwas herausbekam. „Ich glaube, wir wissen beide, warum du es ihm gesagt hast. Weil du dachtest, ich bin die bessere Partie, stimmt’s?“

Ich war so bestürzt über seine Anschuldigungen, dass ich nicht einmal versuchte, mich zu verteidigen.

„Du kleine Nutte. Ich wusste, ich hätte die Finger von dir lassen sollen.“

Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Wie hatte ich je glauben können, dass er sich etwas aus mir machte, dass er mich überhaupt kannte, wenn er mir so etwas zutraute?

„Ich will, dass du verschwindest“, sagte er knapp. „Dass du aus dem Haus meines Vaters verschwindest. Noch heute.“

„Aber …“ Ich konnte nicht sprechen, konnte mich nicht wehren, und die Ruhe in seiner Stimme war fast so schlimm wie sein ausdrucksloser Blick.

„Meine Anwälte zahlen dir eine Abfindung. Ich will dich nie wiedersehen.“ Er wollte in den Wagen steigen, doch ich packte ihn am Arm.

„Bitte, Alexi, tu das nicht“, flehte ich. „Du bist aufgebracht, du trauerst, das verstehe ich, mir geht es genauso. Wir haben Remy beide sehr geliebt. Keiner von uns trägt Schuld an seinem Tod. Es war ein Unfall. Wir stehen das zusammen durch.“

Sein bitteres Lachen traf mich bis ins Mark.

„Wir haben ihn nicht geliebt. Wir haben ihn umgebracht. Jetzt müssen wir beide mit diesem Verrat leben. Wenn du bei meiner Rückkehr noch da bist, rufe ich die Polizei. Du hast zwei Stunden, um deine Sachen zu packen und zu verschwinden.“

Er riss sich los. Dann musterte er mich von oben bis unten, und zu meiner Beschämung prickelte meine Haut selbst jetzt unter seinem Blick.

„Keine Sorge, du bekommst eine großzügige Abfindung. Dein kleiner Auftritt Freitagabend war locker ein paar tausend Euro wert.“

Ich blieb zitternd zurück, als er einstieg und die lange, schwarze Limousine davonfuhr. Er schaute sich kein einziges Mal um.

Die Taubheit kehrte zurück, und das dumpfe Gefühl in meinem Innern wurde zu einem schwarzen Loch. Die Trauer um Remy vermischte sich mit der Erkenntnis, dass alles, was ich seit meiner Pubertät in Alexi gesehen hatte, nur Wunschdenken war.

Er war nicht der Mann, für den ich ihn gehalten hatte. Der Mann, den ich aus der Ferne angehimmelt hatte.

Und er war auch nicht der Mann, für den Remy ihn gehalten hatte.

Alexi war nicht einfach nur zurückhaltend oder einsam oder misstrauisch. Er war innerlich tot. Toter, als Remy es je sein würde.

Ich verließ den Friedhof und nahm mir ein Taxi zum Anwesen der Galantis, wo ich fast meine ganze Kindheit verbracht hatte.

Doch ich war kein Kind mehr. Ich fühlte mich uralt, als ich meine Sachen packte. Keine Stunde später saß ich im Bus nach Nizza. Ich hatte ein paar Ersparnisse, genug, um Monaco zu verlassen. Ich wollte Alexis Geld nicht, und ich wollte auch nicht, dass er wusste, wo ich bin.

Ich würde nach London zurückkehren, beschloss ich, erstaunlich gefasst. Dort hatte ich eine entfernte Cousine, bei der ich unterkommen konnte. Seit dem Tod meiner Mutter vor zwei Jahren war sie meine einzige lebende Verwandte.

Ich musste weg von Alexi, weg von den quälenden Erinnerungen an meinen besten Freund Remy, dem Loch, das er für immer in meinem Leben hinterlassen hatte. Ich musste meine Kindheit hinter mir lassen – und den Traum, der sich als Hirngespinst entpuppt hatte.

Ich war so lange in Alexi verliebt gewesen, dass ich ihn auf ein Podest gestellt hatte. Und als ich endlich mit ihm geschlafen hatte, schien es wie die Erfüllung all meiner Träume.

Eigentlich hatte ich ihn gar nicht richtig gekannt. Nicht einmal, als ich in seinen starken Armen lag, Haut an Haut, und das Gefühl genoss, ihn tief in mir zu spüren.

Doch jetzt kannte ich ihn. Ich kannte seinen Zynismus, seine Bitterkeit, seine Wut, denn ich hatte alles drei abbekommen.

„Es tut mir so leid, Remy“, flüsterte ich, als der Bus Monaco verließ und die Küste entlang Richtung Nizza fuhr. „Ich konnte mein Versprechen nicht halten.“

Die Tränen, die vorher nicht hatten kommen wollen, strömten jetzt über meine Wangen, während die glitzernden Lichter von Monaco hinter den Klippen verschwanden.

Ich wischte die Tränen mit der Faust ab, bevor einer der anderen Passagiere sie sehen würde, unterdrückte die Schluchzer, von denen meinen Rippen schmerzten, und hielt den Blick auf die Straße gerichtet.

Endlich kehrte die Taubheit zurück. Diesmal war ich dankbar dafür, weil sie mich vor der Trauer schützte, die mich zu überwältigen drohte.

Die Taubheit gab mir Kraft. Kraft, die ich brauchte, um mit Remys Tod fertigzuwerden – und mit Alexis brutaler Zurückweisung. Und ein neues Zuhause zu finden, einen neuen Job und ein neues Leben, weit weg von den Galantis.

1. KAPITEL

Fünf Jahre später

Alexi

„Also, wen sehe ich da, und wie hoch ist sein Preis?“ Ich blinzelte durch meine Sonnenbrille auf die Rennbahn und richtete meine Mütze – mit dem Logo meines Rivalen Renzo Camaro –, um sicherzugehen, dass der Schirm mein Gesicht versteckte, während ich mit Freddie Graham sprach.

Freddie war Mechaniker und ein alter Freund. Vor zwanzig Minuten hatte er mir Bescheid gegeben, dass er ein junges Talent entdeckt hatte, das auf der Rennstrecke in Barcelona Camaros Prototyp für die nächste Saison testete.

Ich suchte händeringend Ersatz, seit Galantis Reservefahrer Carlo Poncelli mit Krebs diagnostiziert worden war. Es war uns gelungen, die Neuigkeit ein paar Tage unter Verschluss zu halten, doch sobald sich rumsprach, dass Carlo sich einer Chemotherapie unterziehen musste, würden die Agenten die Preise in die Höhe treiben. Ich brauchte also jemanden, und zwar schnell. Jemanden, der ebenso talentiert wie unbekannt war und sich darum reißen würde, als Reservefahrer einzuspringen. Das war ein bisschen viel verlangt, aber wenn jemand ein Auge für neue Talente hatte, dann Freddie.

„Nicht so laut“, zischte Graham. „Wenn Camaro spitzkriegt, dass du hier bist, bin ich meinen Job los.“

In diesem Moment kam Camaros neuestes Modell um die Kurve geschossen, und der Motorenlärm übertönte die letzten Worte. Der Wagen beschleunigte auf dreihundertzwanzig Stundenkilometer, und die Hinterräder drehten durch, doch der Fahrer brachte ihn mühelos wieder unter Kontrolle. Ein neues großes Talent zu entdecken verschaffte mir immer einen Adrenalinkick.

Ich musste mir erst die Statistiken ansehen und mich über den Fahrer informieren, bevor ich ihm ein Angebot machte, aber ich wusste sofort, dass er unser Mann war. Ich hatte einen sechsten Sinn für so etwas. Dafür war ich in der Branche berühmt. Beziehungsweise berüchtigt. Und dafür, bei jedem Rennen ein neues Model oder Starlet an meiner Seite zu haben.

„Wer ist das? Ist er überhaupt schon bei Camaro unter Vertrag? Und warum habe ich noch nichts von ihm gehört?“ Ich bombardierte Freddie mit Fragen, als der Wagen in die Boxen zurückkehrte.

Wenn er bei einem anderen Teams unter Vertrag war, musste ich ihn auslösen. Das konnte teuer werden, doch ich wollte ihn unbedingt.

Camaro würde wahrscheinlich ausrasten. Der Typ war für seine knallharten Geschäftspraktiken bekannt, und sein Destiny-Team war Galantis schärfster Konkurrent. Doch wenn Renzo diesen Jungen nur als Testfahrer einsetzte, war er selbst schuld. Ich musste schnell handeln. Wir mussten den neuen Fahrer noch vor Beginn der Wintersaison mit unserem Wagen vertraut machen.

„Immer mit der Ruhe, Junge“, sagte Freddie mit seinem schweren Brooklyner Akzent. „Es heißt, dass sie zu Camaros Entwicklungsteam gehört. Sie ist eigentlich gar keine Fahrerin. Angeblich ist sie Renzos Geliebte, und er hat sie aus London mitgebracht, weil sein Reservefahrer Grippe hat. Er brauchte jemanden, um den Wagen zu testen, und er weiß, dass sie Talent hat, aber als ich sie fahren sah …“

Freddies Stimme verstummte. Doch ich hatte ihm sowieso nicht mehr zugehört, weil mein Gehirn an einem seiner Worte hängen geblieben war.

Sie.

Der Fahrer war eine Frau? Dio!

Das war ja …

Meine Gedanken überschlugen sich.

Was für eine unglaubliche PR-Chance! Selbst wenn ich nicht so verzweifelt und sie nicht so gut gewesen wäre, hätte ich sie unter Vertrag nehmen wollen.

Zwar gab es ein paar Frauen im Rennsport, aber eine Frau, die so gut war und zudem keinem Team angehörte?

Allerdings … Meine Begeisterung legte sich wieder.

Allerdings stand sie in einem persönlichen Verhältnis zu Renzo.

„Du sagst, sie ist Renzos Geliebte?“, fragte ich Freddie, der immer noch schuldbewusst dreinschaute.

„Das hat mir einer der Mechaniker erzählt. Jedenfalls hab ich sie zusammen gesehen, und Renzo kann die Finger nicht von ihr lassen. Obwohl sie eigentlich gar nicht seinem Typ entspricht. Sie ist eher burschikos.“

Ich runzelte die Stirn. Wer hätte gedacht, dass Freddie so ein Tratschmaul ist? Doch in diesem Fall profitierte ich davon. Ich wollte mehr über das Mädchen erfahren, bevor ich sie ansprach. Wenn sie mit Renzo zusammen war, musste ich eine aggressivere Taktik anwenden, um sie in mein Team zu holen.

Ich lächelte zynisch.

„Egal, in welchem Verhältnis sie zu Camaro steht, ich bin sicher, ich kann ihr ein besseres Angebot machen“, sagte ich, und davon war ich überzeugt. Sie war eine Frau, und meiner Erfahrung nach waren alle Frauen käuflich, entweder mit Geld oder Orgasmen oder beidem. Wenn ich sie verführen musste, würde ich das tun. Ich war Single und hatte kein Problem damit, Arbeit und Vergnügen zu vermischen. Als Workaholic war das von Vorteil.

„Immer mit der Ruhe, Casanova“, sagte Freddie. „Renzo ist nicht dein einziges Problem. Derselbe Mechaniker hat mir auch erzählt, dass sie keinen Rennen fahren will. Offenbar wollte Renzo sie für sein Nachwuchsteam unter Vertrag nehmen, und sie ist nicht interessiert.“

„Was? Warum?“ Ich konnte mein Entsetzen nicht verbergen, dass so ein Naturtalent sich gegen eine Karriere als Profi entschied. Zumal niemand so gut werden konnte, wenn er nicht für den Rennsport brannte.

„Keine Ahnung, aber sie wird wohl ihre Gründe haben.“

Meine Zuversicht kehrte zurück. Egal, was ihre Gründe waren, ich würde einen Weg finden. Ich wusste, wie man Frauen manipulierte, und ebenso meine Rivalen.

Charme und Verführung fielen mir leicht, und ich hatte gelernt, beides zu meinem Vorteil zu nutzen. Ich pflegte mein Playboy-Image, um die Unbarmherzigkeit zu kaschieren, die mich seit Remys Tod antrieb.

Bei dem Gedanken an ihn erstarb das Lächeln auf meinen Lippen, denn es erinnert mich nicht nur an meinen unbesonnenen, vertrauensseligen Bruder und seinen sinnlosen Tod, sondern auch an das Mädchen – sein Mädchen –, das mir immer noch durch den Kopf spukte.

Belle Simpson war nach Remys Beerdigung spurlos verschwunden, und ich hatte so getan, als würde mir das nichts ausmachen. Dabei dachte ich ständig an sie – so rein, so unschuldig, so verführerisch – und unsere eine gemeinsame Nacht. Sie war eine Illusion gewesen, nicht reiner oder unschuldiger als ich. Nur weil sie sich nie gemeldet hatte, um die Abfindung zu kassieren, die ich ihr angeboten hatte, war sie nicht unschuldig.

Ich verdrängte meine Schuldgefühle. Remy war tot. Ich konnte die Zeit nicht zurückdrehen und jene Nacht nicht ungeschehen machen, in der Belle mich mit ihren smaragdgrünen Augen verzaubert hatte. Der ganze Abend war verkorkst gewesen. Meine Wange hatte noch von der Ohrfeige meines Vaters gebrannt, mein Kopf sich vom Tequila gedreht. Ich musste aufhören, mir Vorwürfe zu machen, dass ich der Anziehung zwischen uns nachgegeben hatte.

Ich hasste es, dass ich jedes Mal, wenn ich an Remy dachte, automatisch auch an sie dachte. An die Verzweiflung, die Tränen in ihren tiefgrünen Augen.

Ich schob den Gedanken an meinen toten Bruder und jene verhängnisvolle Nacht beiseite und verabschiedete mich von Freddie, nicht ohne ihm eine saftige Belohnung zu versprechen, falls es mir gelang, das Mädchen unter Vertrag zu nehmen.

Ich ging zur Fahrerlounge hinter den Fahrzeughallen. Rennen fahren war ein Knochenjob, vor allem in Barcelona im Frühling. Das Mädchen würde duschen und sich umziehen müssen. Die Camaro-Mütze tief ins Gesicht gezogen, erkannte mich niemand, als ich am Mechaniker-Team vorbeischlenderte, das damit beschäftigt war, die neuen Reifen des Wagens zu überprüfen.

Ich entdeckte Camaro, der mit seinem Chefmechaniker redete, doch das Mädchen war nirgends zu sehen.

Meine Vermutung war also richtig. Sie musste direkt in die Lounge gegangen sein. Ich konnte nur hoffen, dass mein Glück anhielt und ich sie alleine antraf, nachdem sie sich umgezogen hatte – um ihr ein Angebot zu machen, das sie nicht ausschlagen konnte.

Adrenalin pumpte durch meine Venen. Ich liebte die Jagd – egal ob nach einem neuen Design, einem talentierten Fahrer oder einer schönen Frau. Dieses Mädchen war möglicherweise eine Kombination aus allen drei.

Die Lounge war leer. Mir fiel ein behelfsmäßiges Schild an einer der Umkleidekabinen der Rennfahrer auf: Solo Mujeres.

Nur für Frauen.

Fast hätte ich laut gelacht, als ich mich auf eines der Ledersofas setzte.

Perfekt, niemand war hier. So konnte ich Renzos Geliebte ganz in Ruhe abwerben. Und dafür sorgen, dass sie ihr volles Potenzial ausschöpfte – nicht nur als Fahrerin.

Ich setzte Mütze und Sonnenbrille ab, während ich der Dusche in der Umkleide nebenan lauschte. Und wartete.

Irgendwann wurde die Dusche abgestellt, und ich hörte eine sanfte britische Stimme, die ein französisches Schlaflied sang.

Ich stutzte. Warum klang die Stimme so vertraut?

Bevor ich der Frage auf den Grund gehen konnte, stand das Mädchen in der Tür. Ihre Silhouette hob sich vor dem hellen Sonnenlicht ab, das durch ein Fenster hinter ihr fiel. Sie zuckte zusammen und schnappte nach Luft, als sie mich sah, wahrscheinlich weil sie nicht mit einem fremden Mann in der Lounge gerechnet hatte, und ich stand auf, um mich vorzustellen.

„Hallo, Miss …“ Ich verstummte, als mir auffiel, dass Freddie mir ihren Namen nicht gesagt hatte. „Ich bin Alexi Galanti. Ich manage das Galanti-Team. Wir brauchen für den Rest der Saison einen Reservefahrer, und ich möchte Ihnen den Job anbieten. Egal, was Camaro Ihnen zahlt, ich zahle das Doppelte.“

Es war wohl etwas überstürzt von mir, ihr den Job anzubieten, ohne Probezeit und bevor ich überhaupt mit meinen Anwälten gesprochen hatte. Ich konnte nicht einmal ihr Gesicht richtig sehen, und sie hatte noch keinen Ton gesagt. Verdammt, ich wusste nicht einmal ihren Namen. Doch bisher hatte ich mich auf meinen Instinkt immer verlassen können.

Was ich von ihrer Figur erkennen konnte – dezente Kurven, die in einer lässigen Jeans und einer weißen Bluse steckten –, brachte mein Blut in Wallung. Vielleicht war es eine Kombination aus Lust und Verlangen und dem Wissen, wie brillant sie Camaros PS-starken Wagen gefahren war, denn ich wusste gerade nicht, wo ich sie lieber sehen wollte: in meinem Wagen oder in meinem Bett.

Sie stand nur da, ohne etwas zu sagen, und ich hörte ihren schnellen, unregelmäßigen Atem.

Irgendetwas stimmte nicht. Warum wirkte sie so nervös? Ihre Körperhaltung so abweisend, als hätte ich sie beleidigt und ihr nicht gerade einen millionenschweren Vertrag angeboten?

Dann stieg mir ihr Duft in die Nase – frisch, blumig, vertraut, verstörend – und weckte die Erinnerung an jene Nacht vor fünf Jahren, die ich nie hatte vergessen können. Als sie ins Licht trat und ich ihr Gesicht zum ersten Mal sah, erkannte ich sie. Das hübsche Gesicht, die weiche, durchscheinende Haut, die Sommersprossen auf der Nase, die verträumten grünen Augen und die wilden rostroten Locken, genau so wie in meiner Erinnerung – und in meinen Albträumen.

„Ich will nichts von dir, Alexi“, flüsterte sie gequält. „Ich habe nie etwas von dir gewollt.“

2. KAPITEL

Belle

Das war nicht die Wahrheit.

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte ich alles von Alexi Galanti gewollt. Nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Liebe. Ich war nicht ganz sicher, ob er real war oder eine Ausgeburt meiner überbordenden Fantasie, als er jetzt vor mir stand, sein muskulöser Körper in T-Shirt und verwaschenen Jeans, aber eines wusste ich immerhin sicher: Mein närrische Verliebtheit war die eines Kindes gewesen. Und ein großer Fehler.

Den Traum von Alexi hatte ich vor fünf Jahren begraben, nachdem er mich als Neunzehnjährige so grausam verbannt hatte und ich auf der Straße stand – einsam, verzweifelt und mittellos.

Und, wie ich zwei Monate später feststellte, schwanger mit seinem Kind.

Ich wehrte mich dagegen, dass jetzt alles wieder hochkam, nur weil er mit dreißig noch attraktiver und unwiderstehlicher aussah als mit fünfundzwanzig.

Ich war jetzt vierundzwanzig und hatte überlebt, was er mir angetan hatte. Und ich hatte einen wundervollen Sohn, den ich über alles liebte.

Ich bemühte mich, das Verlangen zu unterdrücken, das mich bei seinem Anblick sofort wieder erfasste. Ein Verlangen, wie ich es nie wieder für einen Mann empfunden hatte.

Hitze schoss mir in die Wangen, als ich sah, wie er sich versteifte, weil ihm schlagartig klar wurde, wen er vor sich hatte.

Gut so. Soll er sich ruhig genauso schlecht fühlen wie ich.

Doch kaum hatte ich das gedacht, fiel mir etwas Furchtbares ein – und das schlechte Gewissen, das ich seit fünf Jahren mit mir herumtrug, kam wieder hoch.

Oh, nein! Meine Cousine Jessie wollte heute Nachmittag mit Cai, meinem Sohn, auf die Rennbahn kommen.

Ich hatte gewusst, dass es ein Risiko war, nach Barcelona zu kommen, um den Wagen zu testen, den ich als Camaros Expertin für Treibstoffeffektivität in der Londoner Forschungs- und Entwicklungsabteilung mitentworfen hatte. Doch Renzo, mein Chef, hatte mich überredet, und ich hatte mich vorher vergewissert, dass das Galanti-Team heute nicht auf der Teststrecke sein würde.

Cai liebte Autos, und diese Reise war für ihn etwas ganz Besonderes. Doch ich wollte nicht, dass er zufällig seinem Vater über den Weg lief.

Ich hatte nie Verbindung zu Alexi aufgenommen, um ihm von seinem Sohn zu erzählen. Ich war völlig neben mir gewesen und noch damit beschäftigt zu verarbeiten, dass ich nicht nur Remy, sondern auch meinen Job und mein Leben in Monaco verloren hatte, als ich entdeckt hatte, dass ich schwanger war.

Damals hatte ich weder den Mut noch die Kraft gehabt, Alexi gegenüberzutreten, und während die Schwangerschaft weiter voranschritt, begann ich rasch, meine Feigheit vor mir selbst zu rechtfertigen.

Alexi hatte mehr als deutlich gemacht, dass er mich hasste und mir die Schuld an Remys Tod gab. Er hatte gesagt, dass er mich nie wiedersehen wollte, dass er mich sonst verhaften lassen würde. Er hatte mich eine Nutte geschimpft und angedeutet, dass ich nur auf sein Geld aus sei. Wahrscheinlich hätte er mir sowieso nicht geglaubt, dass das Kind von ihm ist. Wozu also?

Und in den Jahren seit Cais Geburt war es von Tag zu Tag leichter geworden, mich nicht bei Alexi zu melden. Mein süßer kleiner Junge, der seinem Vater so ähnlich sah, sollte den Zynismus, die emotionale Kälte des Mannes, der ihn gezeugt hatte, nie erleben. Im Grunde beschützte ich meinen Sohn nur.

In den zurückliegenden Jahren hatte ich auch die Berichte übers Alexis Liebesleben in der Presse, in Klatschkolumnen und Celebrity-Blogs verfolgt und mir eingeredet, dass ich Alexi einen Gefallen tat, indem ich ihn nicht mit seinem Sohn belästigte. Sicher wollte er nicht, dass ein Kleinkind sein glamouröses Party- und Playboy-Leben störte.

Doch jetzt, da die Möglichkeit bestand, dass er Cai zum ersten Mal begegnete, begannen all meine konstruierten Rechtfertigungen zu bröckeln.

Die Kombination aus Schuldgefühlen und Sehnsucht drohte mich in dasselbe schwarze Loch wie damals zu ziehen, und ich geriet in Panik.

Ich hatte mir immer gesagt, dass ich eines Tages – wenn Cai älter war und ich es zur führenden Expertin für Forschung und Entwicklung im Rennsport gebracht hatte – den Mut aufbringen würde, Alexi über die Existenz seines Sohnes zu informieren.

Doch heute war nicht dieser Tag. Ich war noch nicht bereit. Und Cai auch nicht. Und ich bezweifelte, dass es Alexi überhaupt interessierte, dass er einen Sohn hatte.

„Ich will, dass du gehst“, sagte ich mit fester Stimme, obwohl ich vor Angst und Verlangen zitterte.

Er hatte nichts gesagt, stand nur wie angewurzelt da, doch er fing sich schneller als ich, und das Entsetzen wich dem zynischen Gesichtsausdruck, den ich schon von unserer Abschiedsszene am Grab kannte. Auch wenn sein glühender Blick etwas anderes sagte.

Wie konnten wir einander immer noch so begehren, obwohl wir uns so hassten, fragte ich mich flüchtig, während ich panisch überlegte, wie ich die bevorstehende Katastrophe abwenden konnte.

Beruhig dich, Belle, biete ihm keine Angriffsfläche.

Ich hatte zwanzig Minuten. Sie würden erst um drei hier sein. Mir blieb noch Zeit. Ich musste Alexi nur dazu bekommen zu gehen, bevor Jessie und Cai eintrafen. Das konnte doch nicht so schwer sein, nachdem er nun wusste, wer ich war. Schließlich war er vor fünf Jahren bereit gewesen, Tausende von Euro zu bezahlen, damit er mich nie wiedersehen musste.

„Das Angebot steht noch“, sagte er schließlich.

„Ich … Was? Das meinst du doch nicht ernst“, sagte ich fassungslos. Er konnte nicht wirklich glauben, dass ich für ihn arbeiten wollte.

„Todernst. Ich brauche einen Reservefahrer, und ich will dich … Du gehörst auf die Rennbahn. Sobald du bei Galanti unter Vertrag bist, besprechen wir deine Perspektive für die nächsten Saison. Ich verspreche dir, es wird sich für dich lohnen, dich von Camaro zu trennen …“ Er senkte den Blick, und ich begriff, dass er glaubte, ich hätte eine Affäre mit Renzo.

Ich wusste, dass im Camaro-Team das Gerücht umging, ich würde mit dem Boss schlafen. Renzo war mein Mentor, er hatte mich sofort für seine Forschungs- und Entwicklungsabteilung engagiert, nachdem ich letztes Jahr mein Diplom in Bioingenieurswesen und Brennstofftechnik gemacht hatte. Er war sehr großzügig, was meine Verpflichtungen als alleinerziehende Mutter anging, und hatte sich sogar mit Cai angefreundet – der ihn vergötterte –, und manchmal fragte ich mich, ob er in mir mehr sah als eine Angestellte und eine Freundin. Doch er hatte die Grenze nie überschritten, und ich hatte ihn auch nicht dazu ermutigt.

„Ich lasse mich nicht kaufen“, sagte ich rundheraus, ohne mir anmerken zu lassen, wie sehr mich seine Andeutungen kränkten.

Ich brauchte den Segen dieses Mannes nicht. Ich hatte fünf Jahre gebraucht, um über seine Zurückweisung hinwegzukommen. Als ich damals nach Großbritannien kam und feststellte, dass ich schwanger war, hätte mich die Trauer um Remy und alles, was ich verloren hatte, fast kaputtgemacht.

Mein Selbstbewusstsein war im Keller, doch mithilfe meiner wundervollen Cousine Jessie hatte ich mich wieder gefangen und es geschafft, mich auf die wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren.

Ich bekam mein Kind, hielt uns mit zwei Jobs gleichzeitig über Wasser und lernte bis spät in die Nacht, um meinen neuen Traum zu verwirklichen, der immer mehr Gestalt annahm.

Es war ein Fehler gewesen, ihm seinen Sohn zu verheimlichen, wie mir jetzt klar wurde, und ich würde ihn zu gegebener Zeit korrigieren. Sobald ich sichergestellt hatte, dass Cai dabei nicht verletzt wurde.

Doch was meinen Job anging, war ich weder Alexi noch sonst irgendwem Rechenschaft schuldig.

„Wie schade“, sagte Alexi, und seine raue Stimme jagte mir einen Schauer durch den Körper. „Denn egal, was Renzo dir zahlt, du bist mehr wert. Und nach dem, was ich da draußen gesehen habe, solltest du unbedingt fahren.“

„Ich will keine Rennen fahren“, sagte ich durch den Nebel des Verlangens, der mich umgab, und versuchte, mich darauf zu konzentrieren, ihn loszuwerden. Ich hatte keine Zeit für Diskussionen.

„Wieso das denn nicht?“, fragte er verständnislos. „Das war doch immer dein Traum, oder?“

Ich war überrascht, dass er sich erinnerte. Als Jugendlicher und später als Mann hatte er mich immer demonstrativ ignoriert. Bis zu jener Nacht.

„Es war einmal mein Traum“, sagte ich. „Aber jetzt nicht mehr. Würdest du also bitte gehen, bevor ich den Sicherheitsdienst rufe?“ Es war eine leere Drohung, und wir wussten es beide. Kein Sicherheitsmann würde Alexi Galanti – den König des Rennsports – von der Rennbahn verbannen. Doch ich war verzweifelt.

Er ignorierte also die Drohung und kam stattdessen näher. So nah, dass mir sein berauschend-würziger Duft in die Nase stieg. Ich bekam weiche Knie und fühlte mich wieder in jene Nacht zurückversetzt.

Doch ich riss mich zusammen, um Alexi gegenüber keine Schwäche zu zeigen.

Autor

Jane Porter

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Pippa Roscoe

Pippa Roscoe lebt mit ihrer Familie in Norfolk. Jeden Tag nimmt sie sich vor, heute endlich ihren Computer zu verlassen, um einen langen Spaziergang durch die Natur zu unternehmen. Solange sie zurückdenken kann, hat sie von attraktiven Helden und unschuldigen Heldinnen geträumt. Was natürlich ganz allein die Schuld ihrer Mutter...

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Jackie Ashenden
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Ella Hayes

Ella Hayes lebt zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden erwachsenen Söhnen in einer ländlich geprägten Region von Schottland. Ihre frühere Arbeit als Kamerafrau fürs Fernsehen und als professionelle Hochzeitsfotografin habe ihr eine Fülle an Material für ihre schriftstellerische Tätigkeit beschert, vor allem im Hinblick auf ihre Liebesromane, so die...

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Dani Collins

Dani Collins verliebte sich in der High School nicht nur in ihren späteren Ehemann Doug, sondern auch in ihren ersten Liebesroman! Sie erinnert sich heute immer noch an den atemberaubend schönen Kuss der Helden. Damals wurde ihr klar, dass sie selbst diese Art von Büchern schreiben möchte. Mit 21 verfasste...

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Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

Sharon träumte davon, Journalistin zu werden, doch...
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Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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Susan Meier
Susan Meier wuchs als eines von 11 Kindern auf einer kleinen Farm in Pennsylvania auf. Sie genoss es, sich in der Natur aufzuhalten, im Gras zu liegen, in die Wolken zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben. Dort wurde ihrer Meinung nach auch ihre Liebe zu Geschichten und zum Schreiben...
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Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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