Prickelnde Stunden der Leidenschaft

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„Gehen Sie nicht!“ Als sie Miles Riveras Hand auf ihrem Rücken spürt, steht Chiara in Flammen. Eigentlich ist sie nur auf der Party in Milesʼ Haus, um die Wahrheit über den Tod ihres Jugendfreundes Zach herauszufinden. Chiara glaubt, dass Miles mehr darüber weiß, als er zugibt. Aber der charismatische Unternehmer weckt ein nie gekanntes Verlangen in ihr. Obwohl sie Miles nicht traut, verbringt Chiara prickelnde Stunden der Leidenschaft mit ihm. Doch am nächsten Morgen macht sie eine schockierende Entdeckung …


  • Erscheinungstag 08.06.2021
  • Bandnummer 2188
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503693
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Chiara Campagna schlüpfte in das Arbeitszimmer ihres Gastgebers, schloss leise die schwere Eichentür hinter sich und sperrte den Partylärm aus. Sie roch guten Bourbon und Leder. Still blieb sie in dem abgedunkelten Zimmer stehen und lauschte, ob ein Geräusch draußen auf dem Flur verriet, dass ihr jemand gefolgt war.

Doch sie hörte nichts bis auf den Popsong, zu dem die Leute im Wohnzimmer von Miles Riveras weitläufigem Ferienhaus in Montana tanzten. Chiara atmete aus und rang mit sich, ob sie eine Lampe anschalten sollte oder nicht. Einerseits würde Licht, das unter der Tür hindurchdrang, jedem, der vorbeikam, verraten, dass jemand im Zimmer war. Andererseits würde sie sich noch verdächtiger machen, wenn jemand sie dabei ertappte, im Dunkeln herumzuschnüffeln.

Als prominente Influencerin aus Los Angeles hatte Chiara allen Grund, auf dieser Party zu sein, die die Besitzer der Mesa Falls Ranch gaben, um ihren Einsatz für den Umweltschutz bekannter zu machen. Aber es gab keinen vernünftigen Grund dafür, genau hier zu sein – in Miles Riveras privatem Arbeitszimmer. Doch sie war auf der Suche nach Geheimnissen aus seiner Vergangenheit.

Sie betätigte den Schalter an der Wand neben der Tür, und die schweren, maskulinen Möbel wurden in warmes Licht getaucht. Sie dimmte es, bis es gerade noch hell genug war, dass sie das graue Ledersofa, den Glastisch und den Retrostil-Schreibtisch erkennen konnte. Ihr Silbermetallic-Kleid – ein wunderschönes Stück mit asymmetrischem Saum und einem Schlitz bis zum Oberschenkel – raschelte leise, als sie zur Anrichte ging. Dort stand eine Karaffe mit Whisky. Chiara setzte ihre silberne Handtasche ab und goss sich etwas davon in eines der bereitstehenden Gläser. Wenn jemand sie entdeckte, war der Drink die perfekte Ausrede dafür, dass sie hier war, obwohl sie nicht in dieses Zimmer gehörte.

„Was für Geheimnisse hast du, Miles?“, fragte sie ein gerahmtes Foto ihres Gastgebers. Es war ein sehr schmeichelhaftes Bild eines ohnehin schon gut aussehenden Mannes. Gemeinsam mit den fünf anderen Besitzern der Mesa Falls Ranch stand er vor der Gästelodge. Bisher hatte Chiara selten alle sechs auf einem einzigen Foto gesehen.

Die Ranchbesitzer waren ehemalige Klassenkameraden aus einem Internat an der Westküste. Es lag in der Nähe der privaten Mädchenschule, die Chiara besucht hatte – wenn auch nur bis zur elften Klasse. Damals hatte ihr Vater sein Vermögen verloren, und sie hatte auf eine staatliche Schule wechseln müssen. Das hätte sie nicht gestört, wenn ihre neue Schule einen Kunstzweig gehabt hätte. Ihre Träume, an einer prestigeträchtigen Universität Kunst zu studieren, waren geplatzt. Dank ihrer Social-Media-Kenntnisse hatte sie es als Influencerin trotz ihrer begrenzten Mittel zu Ruhm und Geld gebracht. Aber ein Instagramstar war nicht dasselbe wie eine Künstlerin.

Das spielt jetzt keine Rolle, sagte sie sich und betrachtete noch einmal Miles’ viel zu attraktives Gesicht auf dem Foto. Er stand zwischen dem Casinobesitzer Desmond Pierce und dem Spieleentwickler Alec Jacobsen. Neben dem kultivierten Desmond und dem lässigen Alec wirkte der blonde Miles wie ein strahlender Surfertyp.

Jeder der sechs Männer war unabhängig von den anderen erfolgreich. Mesa Falls war ihr einziges gemeinsames Unternehmen. Das Projekt ging auf ihre gemeinsame Internatszeit zurück. Eigentlich hätte auch Zach Eldridge mit dabei sein sollen, das siebte Mitglied des Freundeskreises. Doch er war vor vierzehn Jahren unter mysteriösen Umständen gestorben.

Zach war der Junge gewesen, den Chiara heimlich geliebt hatte.

Im Wohnzimmer brandete Jubel auf und erinnerte Chiara daran, dass sie nicht trödeln durfte. Sie nippte an dem Bourbon und wandte sich dem Schreibtisch zu, um den Computer einzuschalten. Zwar hatte sie ein schlechtes Gewissen, in Miles’ Privatsphäre einzudringen, aber die Besitzer von Mesa Falls wussten mehr über Zachs Tod, als sie zugaben.

Letzte Weihnachten hatte eine prominente Besucherin der Ranch publik gemacht, dass der Mentor der Ranchbesitzer anonym einen Bestseller verfasst hatte. Und plötzlich hatten die Männer von Mesa Falls im Rampenlicht gestanden.

Das hatte Chiara angespornt, endlich herauszufinden, was in ihrer Schulzeit mit Zach passiert war.

Als der Computer ein Passwort von ihr verlangte, gab Chiara die vier Zahlen ein, die sie Miles Rivera vorhin in sein Handy hatte eintippen sehen. Das Bild einer Berglandschaft verschwand, und Miles’ Desktop mit seinen wohlgeordneten Dateien erschien.

„Bingo.“ Sie war froh, dass er so wenig auf Sicherheit achtete, denn weiter reichten ihre Fähigkeiten als Hackerin nicht.

„Z-A-C-H“, buchstabierte sie laut, als sie den Namen in die Suchmaske eingab.

Prompt erschien ganze Seite voller Ergebnisse. Sie überflog die Dateinamen. Die meisten Dateien schienen Vierteljahresberichte zu sein. Zachs Name tauchte nirgendwo im Titel auf. Anscheinend wurde er nur in den Dateien selbst erwähnt.

Sie wollte gerade eine vielversprechende Datei öffnen, als der Türgriff gedreht wurde. Aus Angst, ertappt zu werden, schaltete sie den Computer sofort ab.

Gerade noch rechtzeitig, um aufzuschauen und Miles Rivera in der Tür stehen zu sehen.

Er trug einen maßgeschneiderten Smoking, der seinen schlanken, athletischen Körper perfekt zur Geltung brachte. Er hielt sein Handy in der Hand, schob es dann aber in die Tasche. Im schwachen Licht wirkte sein Haar eher braun als dunkelblond. Der gepflegte Dreitagebart an Kinn und Oberlippe war unbestreitbar sexy. Obwohl Miles die Rivera Ranch, ein riesiges Anwesen in Kalifornien, leitete, war er immer perfekt gekleidet, wenn die Besitzer von Mesa Falls abgelichtet wurden. In seinen Anzügen wirkte er elegant und maskulin zugleich. Genau wie ihr würde es ihren Followern gefallen, dass er so sexy war und sich sichtlich wohl in seiner Haut fühlte. Allerdings hatte sie Angst, dass er sie gleich aus seinem Ferienhaus werfen würde, weil sie hier herumgeschnüffelt hatte.

Aus blauen Augen sah er sie an, und seinem Laserblick schien nichts zu entgehen.

Chiaras Herz raste. Sie griff nach ihrem Bourbon und hob das Glas langsam an die Lippen. Hoffentlich sah ihr Gastgeber nicht, dass ihre Hand zitterte.

„Sie haben mich auf frischer Tat ertappt.“ Der starke Alkohol brannte ihr in der Kehle, und sie rang um Beherrschung.

„Wobei genau?“ Miles zog eine Augenbraue hoch. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.

Hatte er gesehen, wie sie den Computer abgestellt hatte? Sie musste sich sofort entscheiden, wie sie mit der Situation umgehen sollte.

„Dabei, mich aus Ihren privaten Vorräten zu bedienen.“ Sie hob das Kristallglas, als wollte sie den Inhalt im Licht bewundern. „Ich bin hergekommen, weil ich eine Atempause von all dem Lärm brauche. Da habe ich die Karaffe entdeckt und gehofft, dass es Ihnen nichts ausmacht, wenn ich mir etwas nehme.“

Sie wartete darauf, dass er ihr ins Gesicht sagen würde, dass sie log. Ihr Herzschlag dröhnte ihr so laut in den Ohren, dass sie überzeugt war, dass auch er ihn hörte.

Kurz neigte er den Kopf, zog dann die Tür hinter sich zu und kam näher. „Sie sind mein Gast. Sie dürfen sich gern nehmen, was auch immer Sie möchten, Ms. Campagna.“

Warum betonte er ihren Namen? Wusste er, dass sie log? Oder erinnerte er sich daran, dass sie nicht immer so geheißen hatte? Vielleicht lag es auch nur daran, dass er sie nicht mochte. Sie spürte, wenn jemand auf sie und ihre Karriere herabsah. Sie hatte den Verdacht, dass Miles Rivera sie als oberflächlich einstufte, weil sie im Internet Beauty-Beiträge postete.

Als wäre es Zeitverschwendung, dafür zu sorgen, dass Frauen mit sich zufrieden waren.

„Sie sind kein Fan von mir“, bemerkte sie leichthin, kam hinter seinem Schreibtisch hervor, um zu den Bücherregalen an der Rückwand zu spazieren, und tat so, als interessierten die Titel sie. „Liegt das an meinem Beruf? Oder daran, dass ich ihnen etwas Bourbon stibitzt habe? Er ist übrigens hervorragend.“

„Das ist eine limitierte Edition.“ Er knöpfte sein Jackett auf und goss sich selbst ein Glas ein. Dabei blitzten seine diamantbesetzten Manschettenknöpfe auf. „Fünfundzwanzig Jahre alt. Aber ich meine es ernst: Meine Gastfreundschaft umfasst auch meinen Bourbon.“

Er kam zwei Schritte auf sie zu und blieb dann an seinem Schreibtisch stehen, um sich dagegenzulehnen. Einen Moment lang geriet sie in Panik. Spürte er, dass der Computer eben noch an gewesen war?

Aber er nippte nur an seinem Drink und musterte sie so aufmerksam, dass sie sich fragte, ob er sich doch erinnerte, wer sie einmal gewesen war. Die wenigen Male, die sie sich bei gesellschaftlichen Anlässen begegnet waren, hatte Miles nie die Verbindung zwischen dem Social-Media-Star Chiara Campagna und Kara Marsh gezogen. So hatte sie als Teenager geheißen, als sie in Zach verliebt gewesen war. Er hatte sich im Internat ein Zimmer mit Miles geteilt. Das alte Verlustgefühl flammte erneut in ihr auf. Sie beschloss, das Thema zu wechseln.

„Mir ist aufgefallen, dass sie sich lieber nicht zu meinem Beruf äußern.“ Sie stellte ihr Glas auf die Granitplatte eines Schränkchens neben die Metallskulptur eines Pferds.

Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Der Lärm der Party drang gedämpft in das schwach beleuchtete Arbeitszimmer. Endlich sah Miles ihr wieder in die Augen.

„Vielleicht beneide ich Sie um den Job, der Ihnen gestattet, um die Welt zu reisen und jeden Abend auf einer Party zu verbringen.“ Spöttisch prostete er ihr zu. „Irgendetwas machen Sie offenbar richtig.“

„Sie sind nicht der Erste, der glaubt, dass ich mein Leben im Müßiggang verbringe und mich nur auf teuren Yachten und mit einem Glas Champagner wohlfühle“, erwiderte sie gereizt. Es störte sie, dass er unterschätzte, welch harte Arbeit es war, sich einen Platz in dem umkämpften Markt zu erobern.

„Und doch sind Sie hier.“ Er machte eine ausladende Handbewegung, die sein ganzes zweites Zuhause auf dem exklusiven Anwesen Mesa Falls einzuschließen schien. „Und verbringen wieder einmal einen Abend mit Hollywoodgrößen, Spitzensportlern und Schwergewichten aus der Musikindustrie.“

Erneut nippte sie an dem Bourbon, doch der Schluck war zu groß. Das Brennen in ihrer Kehle verriet ihr, dass sie zuließ, dass ihr dieser arrogante Mann unter die Haut ging.

Sie hätte seine Vermutung, dass sie so oberflächlich war, einfach lachend abtun sollen. Aber sie war zornig.

„Sie sind doch auch auf dieser Party.“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu, bevor ihr klar wurde, was sie da tat. Bevor sie sich eingestand, dass sie seinen selbstgefälligen Blick verscheuchen wollte. „Ist Ihre Anwesenheit nicht ebenfalls Teil Ihres Jobs?“

„Ich bin der Gastgeber.“ Er straffte die breiten Schultern, rührte sich aber nicht vom Schreibtisch weg. „Natürlich ist das eine berufliche Verpflichtung. Wenn ich heute Abend nicht damit dran wäre, Mesa Falls zu repräsentieren, wäre ich zu Hause auf der Rivera Ranch.“

Seine raue Stimme ließ ihre Nervenenden auf äußerst angenehme Art vibrieren. Er war ganz anders als die Männer, mit denen sie normalerweise zu tun hatte – Männer, die sich in der Beauty- und Unterhaltungsindustrie auskannten. Unter seiner maßgeschneiderten Kleidung verbarg Miles Rivera etwas Bodenständiges und Echtes. Etwas, das sie verlockte, ihm näherzukommen.

„Und ich repräsentiere meine Marke. Für mich ist es auch ein beruflicher Termin.“

„Na klar.“ Er schüttelte den Kopf, und ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. Seine blauen Augen verdunkelten sich etwas. „Wie toll, dass Sie eine Marke geschaffen haben, bei der sich alles um Lippenstift und Modenschauen dreht.“

Seine Einschätzung ihres Berufs klang so verächtlich, dass sie sich fragte, ob es ihm darum ging, ihr heimzuzahlen, dass sie in sein Arbeitszimmer eingedrungen war. Offenbar wollte er sie provozieren. Sie zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren.

„Es überrascht mich, dass ein so geschäftstüchtiger Mann wie Sie derart engstirnige Ansichten vertritt.“ Betont lässig zuckte sie die Schultern, konnte sich aber nicht davon abhalten, ihn scharf anzusehen. Und noch einen Schritt näher zu kommen. „Vor allem da Ihnen sicher klar ist, dass meine Arbeit nicht nur die Bereitstellung von Content, sondern auch Marketing, Finanzmanagement und Verwaltungstätigkeiten umfasst. Ganz zu schweigen von den unzähligen Stunden, die es dauert, eine Marke aufzubauen, die Sie als Nichtigkeit abtun.“

Vielleicht drang das, was sie sagte, zu ihm durch, denn sein herablassender Gesichtsausdruck verwandelte sich in etwas anderes. Etwas Heißeres und Komplexeres. Im selben Moment wurde ihr klar, dass sie keinen halben Meter mehr von ihm entfernt war. So nahe hatte sie ihm eigentlich gar nicht kommen wollen.

Sie wusste nicht, was sie mehr verstörte: dass Miles Rivera plötzlich so menschlich wirkte oder dass sie einem Mann, der … irgendetwas in ihr auslöste, so nahe war. Ob er etwas Gutes oder Schlechtes in ihr hervorrief, wusste sie nicht, aber sie wollte jetzt nichts mit heftigen Emotionen zu tun haben. Und schon gar nicht mit der Hitze, die sie in seiner Gegenwart verspürte.

Sie redete sich ein, dass ihre Unruhe nur eine Mischung aus gerechtem Zorn und Nervosität wegen ihrer Schnüffelei war, und griff nach ihrer Handtasche auf dem Schreibtisch.

Als sie das Arbeitszimmer verließ, warf sie keinen Blick zurück.

Immer noch ganz durcheinander von seiner unerwarteten Begegnung mit Chiara Campagna, tat Miles sein Bestes, sich unter die Gäste zu mischen. Und das, obwohl die laute Musik ihn störte, die Leute ihm zu jung und anmaßend vorkamen und die ständigen SMS von den anderen Ranchbesitzern ihn ablenkten. In seinem übergroßen Wohnzimmer lehnte er an der Granittheke, die eine niedrige Barriere zwischen dem Essbereich und der Sitzecke am steinernen Kamin bildete. Die Gewölbedecke ließ das Zimmer noch geräumiger wirken, während der Hartholzboden die perfekte Tanzfläche bildete. Die Menge hatte offensichtlich Spaß an dem, was der DJ, der sein Pult gleich neben der Treppe hatte, auflegte.

Miles nickte geistesabwesend, ohne wirklich zu hören, was die blonde Popsängerin sagte, die neben ihm stand.

Ihm ging eine andere Frau nicht aus dem Kopf.

Eine gewisse schwarzhaarige Influencerin, die jeden Mann im Raum in ihren Bann zog.

Miles beobachtete Chiara, die mit zwei Mitgliedern einer Boyband vor einer Wand aus roten Blumen für ein Foto posierte, und konnte den Blick nicht von ihren weiblichen Kurven losreißen. Ihr gewagtes Kleid umschmeichelte sie wie flüssiges Silber. Es reflektierte das Blitzlicht mehrerer Handykameras. Obwohl die beiden jungen Männer nur höflich die Arme um sie legten, kämpfte Miles gegen den Drang an, ihnen Chiara zu entreißen. Eine lächerliche Reaktion, die völlig untypisch für ihn war.

Aber alles an seiner Reaktion auf Chiara, die er unglaublich sexy fand, war untypisch für ihn. Seit wann äußerte er sich abfällig darüber, wie andere ihren Lebensunterhalt verdienten? Er bereute seine herablassende Aussage über Chiaras Arbeit. Ihm war klar, dass es sich um eine instinktive Abwehr gehandelt hatte. Irgendetwas an dieser Frau ging ihm unter die Haut. Zweifelsohne begehrte er sie. Aber da war noch mehr. Er hielt nichts von ihrer Femme-fatale-Fassade. Sie erinnerte ihn an eine Frau aus seiner Vergangenheit, die er lieber vergessen hätte. Aber das war nicht fair: Chiara war nicht Brianna. Er musste sich bei ihr entschuldigen, bevor sie heute Abend ging.

Und das, obwohl sie vorhin eindeutig an seinem Computer gewesen war. Kurz hatte er das blaue Licht des Bildschirms auf ihrem Gesicht gesehen, bevor sie ihn ausgeschaltet hatte.

„Woher kennen Sie eigentlich Chiara Campagna?“, fragte die Frau neben ihm.

Bisher hatte er sich nicht auf das Gespräch konzentriert, aber Chiaras Name ließ ihn aufmerken. Schnell riss er den Blick von der Influencerin los und sah die Popsängerin an.

Er war nur für ein paar Wochen auf der Mesa Falls Ranch, um hier alles im Auge zu behalten. In seinem echten Leben auf der Rivera Ranch zu Hause in Kalifornien hatte er nie mit der Art von Leuten zu tun, wie sie heute Abend auf der Gästeliste standen. Aber auch der Zweck dieser Party – die umweltfreundliche Bewirtschaftung von Mesa Falls bekannt zu machen, damit die Promis ihre Plattformen nutzten, um darüber zu berichten – war weit von seiner üblichen Routine, die aus Rinderzucht und Getreideanbau bestand, entfernt. Auch sein modernes Wunder von einem Feriendomizil in Mesa Falls hatte kaum Ähnlichkeit mit dem historischen Haupthaus der Rivera Ranch.

„Ich kenne sie gar nicht“, antwortete Miles und versuchte krampfhaft, sich an den Namen der Sängerin zu erinnern. Trotz ihrer zierlichen Gestalt hatte sie eine kraftvolle Stimme. Laut den Infos über die Gäste, die er von der PR-Abteilung der Ranch erhalten hatte, war ihre letzte Single in den Top Ten gelandet. „Aber ich glaube, der Umweltschutz, für den Mesa Falls steht, liegt ihr am Herzen. Ihre Social-Media-Präsenz könnte mithelfen, uns bekannter zu machen.“

Die Sängerin lachte und hob ihr Handy, um Chiara und die beiden Männer zu fotografieren. „Ach, geht es heute Abend um Umweltschutz?“

Er runzelte die Stirn, als ihm wieder einfiel, was der eigentliche Grund für diese Party war. Normalerweise standen bei ihren Events die umweltfreundlichen Ranchmethoden im Vordergrund, aber heute ging es um mehr. Das öffentliche Interesse an Mesa Falls hatte seit Bekanntwerden, dass ihr ehemaliger Lehrer der Autor des Enthüllungsromans Ein junges Paar aus Hollywood war, immer mehr zugenommen. Alonzo Salazar hatte vor seinem Tod viel Zeit in Mesa Falls verbracht. Das hatte wilde Spekulationen ausgelöst, ob er vielleicht in die Ranch investiert hatte.

Heute Abend wollten die Ranchbesitzer den Gerüchten ein Ende setzen, indem sie enthüllten, dass die Einkünfte aus Ein junges Paar aus Hollywood in Alonzos Entwicklungshilfeprojekte auf der ganzen Welt geflossen waren. Sie hofften, dass sich das Medieninteresse danach legen würde. Zu Beginn der Party hatte es eine Pressemitteilung und im Laufe des Abends einen Toast auf Alonzo gegeben. Im Foyer lagen Informationen über seine Projekte für die Reporter aus.

Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Neben den Entwicklungshilfeprojekten gab es auch noch einen geheimen Nutznießer, und niemand wusste, warum.

„Also hat Sie heute nicht die Klimakrise hergelockt?“, antwortete Miles mit einer Gegenfrage und beobachtete, wie Chiara die Bandmitglieder stehen ließ und auf Alec Jacobsen zuging, einen der Ranchbesitzer, der auch ein Foto mit ihr wollte. „Hatten Sie einfach Lust auf ein langes Wochenende in Montana?“

Er biss die Zähne zusammen, als er sah, wie Alec Chiara die Hand auf den Rücken legte, weil er sich an den tiefen Rückenausschnitt ihres Kleids erinnerte. An der Stelle war sie nackt. Ihr Haar schimmerte im Licht der Deckenlampen, als sie es sich über die Schulter warf.

„Nein, eigentlich habe ich gehofft, Chiara kennenzulernen“, gestand die Sängerin. „Entschuldigen Sie mich bitte? Vielleicht kann ich auch ein Foto mit ihr bekommen.“

Nur allzu gern beendete Miles das Gespräch, auch wenn es ihn wurmte, dass sein Gegenüber genauso sehr auf Chiara fixiert war wie er. Wie musste das Leben einer Influencerin sein, die noch viel bekannter war als die anderen Gäste, die alle selbst sehr erfolgreich waren?

Miles zückte sein Handy, um nachzusehen, ob sein Freund Gage Striker auf eine SMS geantwortet hatte, die er ihm vor einer Stunde geschickt hatte. Gage hätte längst auf der Party sein sollen.

Miles hatte ihm Folgendes geschrieben:

Wie gut kennst du Chiara Campagna? Ich habe sie in meinem Arbeitszimmer erwischt und könnte schwören, dass sie in meinen Notizen geschnüffelt hat.

Gage hatte ihm endlich geantwortet:

Astrid und Jonah kennen sie schon ewig. Sie ist in Ordnung.

Miles wusste, dass Jonah Norlander, einer der anderen Ranchbesitzer, die Party früh verlassen hatte. Daher würde er ihn und seine Frau Astrid erst später nach Chiara fragen können. Er steckte sein Handy wieder ein und wartete darauf, noch einmal mit Chiara sprechen zu können. Erst einmal musste er sich entschuldigen. Aber dann musste er mehr über sie herausfinden.

Denn er war sich sicher, dass sie nicht einfach nur in seinem Computer herumgeschnüffelt hatte. Nein. Sie war auf einer Mission gewesen. Und sie hatte ihre Spuren nicht verwischt, als sie den Bildschirm hastig abgeschaltet hatte.

Aus irgendeinem Grund wusste Chiara Campagna von Zach.

Miles würde nicht zulassen, dass sie Mesa Falls verließ, bis er in Erfahrung gebracht hatte, was dahintersteckte.

2. KAPITEL

Chiara wiegte sich auf der Tanzfläche zu einer alten Discomelodie. Sie war von einem Dutzend anderer Gäste umgeben und doch zum Glück allein. Vorhin hatte sie viele Fotos mit verschiedenen Leuten gemacht. Deshalb drängte sich ihr jetzt niemand mehr auf, während sie ein letztes Mal die Party auf sich wirken ließ, die sie schon längst hätte verlassen sollen.

Normalerweise blieb sie nur kurz auf solchen Events. Einen ganzen Abend war ihr sonst höchstens die Met-Gala wert. Aber eine Zusammenkunft, die ein Rancher in Montana abhielt, um auf sehr offensichtliche Weise dem Skandal um Alonzo Salazars Buch entgegenzuwirken?

Sie hätte nach fünfzig Minuten wieder gehen sollen, nachdem ihre Spionagemission in Miles Riveras Arbeitszimmer gescheitert war. Überhaupt war sie nur hergekommen, um etwas über Zach herauszufinden. Und doch war sie geblieben. Der Grund dafür war ihr Gastgeber. Das wusste sie, weil sie sich dabei ertappte, nach ihm Ausschau zu halten.

Wie dumm von mir.

Verärgert über sich selbst, weil ein Mann, der sie für oberflächlich hielt, sie so neugierig machte, wollte sie gerade die Tanzfläche verlassen, als Miles erneut auf der Bildfläche erschien. Seine Gegenwart schien die Luft elektrisch aufzuladen.

Einen Moment lang bemerkte er sie nicht, weil er etwas auf seinem Handy las. Sie nutzte die Gelegenheit, ihn heimlich in aller Ruhe zu mustern, und fragte sich, was genau an ihm sie so faszinierte. Sein unglaublich durchtrainierter Körper? Dank seiner breiten Schultern konnte er sich mühelos einen Weg durch die Menge bahnen, und er überragte die meisten Leute um ihn herum. Vielleicht lag es aber auch an seiner beneidenswert selbstbewussten Haltung. Er strahlte eine Autorität aus, die verriet, dass er gut darin war, Probleme zu lösen und die Dinge in die Hand zu nehmen. Aber bevor sie dahinterkommen konnte, was sonst noch seinen Reiz ausmachte, schaute er von seinem Handy auf und sah sie unverwandt an.

Als hätte er die ganze Zeit gewusst, dass sie ihn beobachtete.

Chiara wurde rot. Zum Glück war das Wohnzimmer nur schwach beleuchtet. Er würde ihr also wenigstens nicht ansehen, welch enorme Wirkung er auf sie hatte. Auch wenn er sie dabei ertappt hatte, ihn anzustarren.

Sie beschloss, dass es Zeit wurde zu gehen. Ihre Absätze klapperten über den Hartholzboden, als sie Richtung Foyer lief und ihrer Assistentin eine SMS schrieb, dass sie jetzt aufbrechen wollte. Aber gerade als Jules an ihrer Seite erschien, verstellte Miles ihr den Weg.

„Gehen Sie nicht.“ Seine Worte und sein ernster Tonfall überraschten sie fast so sehr wie die Tatsache, dass er nach ihrer Hand griff. „Können wir unter vier Augen sprechen?“

Es wäre befriedigend gewesen, ihm zur Strafe dafür, wie er sich vorhin verhalten hatte, eine Abfuhr zu erteilen. Hoch erhobenen Hauptes durch seine Haustür in die Nacht hinauszuschreiten. Schnell sah sie zwischen Miles und ihrer Assistentin Jules Santor hin und her, die am Handy gerade die Rückfahrt zu ihrem nahe gelegenen Hotel organisierte. Aber Zach war Chiara wichtiger als ihr Stolz. Sie durfte nicht impulsiv handeln und damit die Chance vertun, etwas über Zachs Tod von Miles zu erfahren.

„Ich habe es mir anders überlegt“, sagte sie zu Jules, einer ehemaligen Volleyballerin, die überall Blicke auf sich zog. „Nimm dir den Rest des Abends frei. Ich bleibe noch ein bisschen.“

Jules biss sich auf die Lippen. „Bist du sicher? Willst du, dass ich ein Auto für dich bereitstelle?“

„Nicht nötig. Ich schreibe dir eine SMS, wenn ich abgeholt werden muss“, versicherte Chiara ihr, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Miles richtete.

Auf ihr Nicken hin geleitete er sie zu der Treppe hinter dem Essbereich. Stufen führten sowohl in ein oberes als auch in ein tiefer gelegenes Stockwerk. Er nahm sie mit nach unten, ohne ihre Hand loszulassen. Vielleicht war es nur eine nette Geste wegen ihrer High Heels, ihres langen Kleids und der offenen Treppe. Aber seine Berührung ließ ihr Herz schneller schlagen.

Unten lag eine kleine Bar mit einem Billardtisch aus Mahagoni, an dem ein paar Männer spielten. Miles führte Chiara an einem Wohnbereich vorbei, der bis auf ein Feuer im Kamin dunkel war, und durch eine zweiflüglige Tür in einen riesigen Raum mit Pool und großen Fenstern auf drei Seiten. Die Wände bestanden aus Naturstein, sodass das Schwimmbad wie eine Grotte wirkte. Aus einem höher gelegenen Whirlpool sprudelte ein kleiner beleuchteter Wasserfall.

„Wie schön!“ Sie blieb stehen, als sie die beiden Sessel erreichten, die links und rechts von einem Cocktailtisch vor der Fensterfront standen, die auf den Garten und den Bitterroot River dahinter hinausging.

Sie entzog ihm ihre Hand und setzte sich auf einen der Sessel, während er es sich auf dem anderen bequem machte.

„Danke.“ Er ließ den Blick über den Poolbereich schweifen. „Eigentlich habe ich schon lange vor, endlich mal im Sommer herzukommen. Dann könnte ich all die Türen und Fenster öffnen und die frische Luft genießen.“

„Sie waren noch nie im Sommer in diesem Haus?“ Sie glaubte, sich verhört zu haben. Warum hatte er ein Viertausend-Quadratmeter-Ferienhaus, wenn er gar nicht herkam?

„Ich bin kaum in Montana.“ Mit seinen blauen Augen fing es ihren Blick auf, als er sich vorbeugte und die Ellbogen auf die Knie stützte. „Normalerweise leitet mein Bruder Mesa Falls, während ich mich um die Rivera Ranch kümmere. Aber Weston hat dieses Jahr alle Hände voll zu tun, deshalb helfe ich hier aus.“ Er biss die Zähne zusammen. „Aber mir ist klar, dass ich vorhin ein schlechter Gastgeber war.“

Überrascht, dass er es zugab, zog sie die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Dann und wann waren die Geräusche des Billardspiels zu hören, aber ansonsten übertönte das Plätschern des Wasserfalls den Lärm der Party, die jetzt ohnehin zu Ende ging.

Autor

Joanne Rock
Joanne Rock hat sich schon in der Schule Liebesgeschichten ausgedacht, um ihre beste Freundin zu unterhalten. Die Mädchen waren selbst die Stars dieser Abenteuer, die sich um die Schule und die Jungs, die sie gerade mochten, drehten. Joanne Rock gibt zu, dass ihre Geschichten damals eher dem Leben einer Barbie...
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