Gefährlicher Flirt mit dem Milliardär

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Eine Affäre mit Milliardär Weston Rivera? Dafür hat Ermittlerin April keine Zeit! Schließlich ist sie auf seiner Luxus-Ranch, um einen Skandal aufzudecken, nicht um heiß zu flirten. Doch seit der berüchtigte Abenteurer ihr auf einer Bergtour das Leben gerettet hat, fühlt April in seiner Nähe ein permanentes Kribbeln. Nur für eine Nacht will sie ihrer Sehnsucht nachgeben und sich an Westons starke Schulter schmiegen. Gefährlich, denn April weiß: Wenn sie den Fall lösen möchte, darf sie Weston nicht trauen …


  • Erscheinungstag 22.12.2020
  • Bandnummer 2164
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726492
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Vielleicht hätte ein klügerer Mann ihre Telefonnummer gesperrt.

Weston Rivera umklammerte sein Handy, während er aus dem Arbeitszimmer ins tiefer gelegene Wohnzimmer hinüberging. Er wusste, dass er nicht so tun konnte, als hätte er die WhatsApp-Nachricht einer gewissen sexy Privatdetektivin übersehen. Dabei musste er ihr unbedingt aus dem Weg gehen.

Draußen wurde es bereits dunkel, aber durch die bodentiefen Fenster konnte er in der Ferne noch schwach die Umrisse der Bitterroot Mountains erkennen. Die zerklüfteten Gipfel waren teilweise von aufziehenden Sturmwolken verhüllt.

Leise fluchend starrte er noch einmal die Nachricht auf dem Display an.

Irgendwelche Tipps für eine Wanderung den Northeast Couloir rauf? Habe gerade mein Lager aufgeschlagen, hoffe aber, morgen den Gipfel zu erreichen.

Hatte er Tipps?

Als erfahrener Kletterer und ehrenamtlicher Bergretter hatte er in der Tat einen guten Rat für April Stephens, die höchst attraktive Finanzermittlerin, die derzeit als ungebetener Gast auf der Mesa Falls Ranch logierte. Mitten im Winter hätte sie niemals allein eine derart anspruchsvolle Wanderung in Angriff nehmen sollen. Schon gar nicht bei dem Wetter, das sich da draußen zusammenbraute.

Leider hatte sie ihn nicht gefragt, bevor sie sich auf den Berg gewagt hatte.

Er hatte geglaubt, er sei April endgültig los. Als sie ihn neulich im Ranchbüro in die Enge getrieben hatte, hatte er ihr unmissverständlich klargemacht, dass er sich nicht zu ihren Ermittlungen über Alonzo Salazars Finanzen äußern würde. Salazar war oft zu Gast auf der Ranch gewesen, die Weston, seinem Bruder und vier anderen Partnern gehörte. Er war ihnen allen Mentor und Freund gewesen, seit in ihrer Jugend einer ihrer Klassenkameraden bei einem entsetzlichen Unfall ums Leben gekommen war. Weston würde sich nicht an Spekulationen darüber beteiligen, was Salazar mit seinem Geld angestellt hatte. Loyalität war ihm wichtig.

Doch er hatte die Nummer der Detektivin nicht gesperrt. Deshalb hatte sie ihm eine WhatsApp schicken können.

Wollte sie ihn aus der Reserve locken, um wieder mit ihm ins Gespräch zu kommen? Oder dachte sie ernsthaft daran, den Berg zu besteigen? Von einem der Fremdenführer hatte er gehört, dass sie nach ihrer Ankunft in einem Laden für Outdoorbedarf gewesen war. Es wunderte ihn nicht, dass sie in die Berge wollte. Aber im Winter war schon ein Tagesausflug dorthin anstrengend genug.

Fluchend ließ er sich auf das Ledersofa am Kamin fallen. Ein Scheit knackte im Feuer. Funken flogen gegen den Kaminschirm. Was sollte er antworten? Er wollte nicht, dass April im Dunkeln allein wieder vom Berg hinunterstieg. Aber das Wetter wurde jede Minute schlechter. Es war riskant, die Nacht dort oben zu verbringen. Er wusste, dass er übervorsichtig war, wann immer andere in Gefahr waren, obwohl er selbst gern Risiken einging. Wahrscheinlich lag das an der Tragödie, die sein Schicksal vor über einem Jahrzehnt mit dem von Alonzo Salazar verbunden hatte.

Wo sind Sie?

Heftiger als nötig tippte er die Worte ins Handy und wusste jetzt schon, wohin dieses Gespräch führen würde.

Sie antwortete mit einem Link. Kartenkoordinaten, wie jede gute Wanderin sie benutzte, zeigten ihre exakte Position.

Seine Beklemmung ließ nach. April war offenbar erfahren. Sie wusste, wie wichtig es war, jederzeit ihren genauen Aufenthaltsort zu kennen. Aber als er die Karte heranzoomte, schnürte sich ihm sofort wieder die Kehle zu.

Und das sogar stärker als zuvor.

Denn April campte nicht an einem sicheren Ort am Gem Lake oder am Baker’s Lake. Stattdessen war sie direkt am Northeast Couloir. Die Stelle war für ihre Lawinenabgänge berüchtigt.

Es spielte keine Rolle, wie viel Bergerfahrung sie hatte und ob sie die Risiken kannte. Sie war Gast auf seiner Ranch. Jemand, für den er sich verantwortlich fühlte. Und jetzt hatte sie ihn direkt um seinen Rat gebeten. Er hatte keine Wahl: Er musste ihr helfen.

Bleiben Sie, wo Sie sind. Lassen Sie das Handy eingeschaltet. Zünden Sie kein Feuer an. Ich bin unterwegs.

Sie würde sich vielleicht nicht unbedingt freuen, ihn zu sehen. Aber das war Weston egal. Er steckte sein Handy ein und rannte die Treppe zu seinem Schlafzimmer hinauf, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm. Er zog sich um und hoffte, dass die Bergtour, die ihm bevorstand, nicht zur Rettungsmission werden würde. Allein der Gedanke daran ließ ihn erschaudern. Dabei hatte er das Haus noch nicht einmal verlassen.

Auf seinem Gewissen lastete schon eine Katastrophe. Eine zweite würde er nicht überleben.

„‚Ich bin unterwegs‘?“, las April Stephens noch einmal laut die WhatsApp, die sie vor knapp einer Stunde bekommen hatte.

Obwohl sie auf einer Isomatte lag und sich in ihren Schlafsack gekuschelt hatte, kroch ihr die Kälte in die Knochen. Der Schauer, der ihr über den Rücken lief, hatte nichts damit zu tun, dass sie wusste, dass Weston Rivera auf dem Weg zu ihr war. Der reiche Rancher war bisher all ihren Versuchen ausgewichen, mit ihm zu sprechen. Die Erinnerung an seine haselnussbraunen Augen ließ ihr warm werden. Und das, obwohl er bei ihrer letzten Begegnung damit gedroht hatte, den Sicherheitsdienst zu rufen, um sie hinauswerfen zu lassen.

Warum wandert er jetzt hierher? Im Dunkeln?

Der Wind heulte um den nahen Trapper Peak und zerrte an ihrem Ein-Mann-Zelt. Sofort fragte sie sich, ob es die richtige Wahl für diese Tour war. Es war leicht, sodass sie die Zusatzausrüstung für eine Winterwanderung problemlos tragen konnte. Aber mit derart heftigen Böen hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte gedacht, sie hätte sich gründlich über die Bitterroot Mountains informiert. Bevor sie aufgebrochen war, hatte sie noch einmal den Wetterbericht überprüft. Aber während ihrer Wanderung hatten sich die Bedingungen dramatisch verändert.

Das war mit ein Grund dafür, dass sie Weston Rivera eine Nachricht geschrieben hatte. Er war ein geübter Bergsteiger. Natürlich hatte sie es dabei nicht nur auf Tipps für ihre Bergtour abgesehen. Sie hatte gehofft, dass sich aus ihrem gemeinsamen Interesse vielleicht ein Gespräch ergeben würde – und damit die Chance, ihm Informationen über ihren kniffligen Fall zu entlocken.

Beim besten Willen hatte sie allerdings nicht damit gerechnet, dass er alles stehen und liegen lassen würde, um zu ihr zu kommen. Angesichts dessen fragte sie sich, ob sie ihre Fähigkeiten überschätzt hatte.

Ihr schlechtes Gewissen machte ihr fast so sehr zu schaffen wie der eisige Wind. War sie in Gefahr? Sie hätte ihm deutlich machen sollen, dass sie reichlich Bergerfahrung hatte. Auch diesen Gipfel hatte sie schon einmal erklommen, wenn auch nicht auf dieser Route. Sie tat nie etwas, ohne es erst gründlich aus jedem Blickwinkel zu betrachten. Diese Eigenschaft machte sich in ihrem Job als Privatdetektivin bezahlt.

Sobald sie Westons kryptische Nachricht erhalten hatte, hatte sie ihm zur Antwort mehrere Fragezeichen geschickt. Dann hatte sie ihm versichert, dass es ihr gut ging, aber nichts mehr von ihm gehört. Vielleicht kletterte er also wirklich mitten in der Nacht auf einen Berg.

Sie öffnete die Zeltklappe ein paar Zentimeter weit und spähte hinaus. Noch immer trug sie ihren Parka, hatte aber Stiefel und Handschuhe für die Nacht ausgezogen. Den herumwirbelnden Schnee spürte sie eher, als dass sie ihn sah. Die winzigen Flöckchen fühlten sich eisig auf ihren Wangen an. Eine Windböe pfiff an ihren Ohren vorbei und peitschte so heftig auf das Zelt ein, dass April befürchtete, der Stoff würde reißen. Seit sie ihr Zelt aufgeschlagen hatte, waren schon mindestens zwei Zentimeter Schnee darauf gefallen.

Leichte Panik erfasste sie, als sie das Gefühl bekam, eingesperrt zu sein. Das Bergsteigen zog sie seit ihrer Teenagerzeit magisch an, weil sie so dem erstickenden Leben mit ihrer Mutter entkommen konnte, die damals schon erste Anzeichen gezeigt hatte, zum Messie zu mutieren. Als junges Mädchen war April geklettert, um an der frischen Luft zu sein und sich frei zu fühlen, ohne all den Krempel, der sich bis zur Decke stapelte. Jetzt, als Erwachsene, hatte sie ein schönes eigenes Zuhause. Aber wann immer sie wegen ihrer Mom Stress hatte, verspürte sie den Drang, wandern zu gehen. April versuchte nach wie vor, ihr zu helfen, und besuchte sie regelmäßig. Sie achtete darauf, dass ihre Mutter zur Therapie ging und die professionelle Aufräumhelferin nicht feuerte, die einmal im Monat vorbeikam. Zwar würde das Haus ihrer Mutter immer vollgestopft sein, aber wenigstens blieb es so bewohnbar.

Aber April wurde die Erinnerungen daran einfach nicht los, wie schlimm es früher gewesen war. Sie wusste, wie schnell ihre Mom einen Rückfall erleiden konnte. Deshalb ging April gern wandern, um einen klaren Kopf zu bekommen.

Als sie jetzt sah, wie der Schnee auf den unteren Reißverschluss ihres Zelts fiel, fast so, als wollte er ihr den Fluchtweg abschneiden, bekam sie Herzklopfen. Trotz der Kälte glühten ihre Wangen. Der Angstschweiß brach ihr aus, und sie sah plötzlich Lichtblitze.

Licht?

Stirnrunzelnd konzentrierte sie sich auf den Lichtschein, der im Schneesturm rauf und runter wippte. Der helle Fleck schien auf sie zuzukommen.

„April.“ Der Wind trug eine heisere Männerstimme zu ihr herüber. Ein dunkler Schatten nahm Gestalt an.

Weston, der eine Stirnlampe trug, kam den Wanderweg herauf.

„Hier“, rief sie zurück. Ihre Stimme ging im Wind fast unter. Sie fand ihre Taschenlampe und schaltete sie ein, damit er sie sehen konnte.

Als er in den Lichtkegel ihrer Taschenlampe trat, wurde ihr klar, wie sehr sich die Bedingungen verschlechtert hatten. Weston war von Kopf bis Fuß schneebedeckt. Seine Jacke und seine Hose hatten ebenso etwas abbekommen wie sein Helm, seine Sturmhaube und sogar seine Schneebrille. Das Wissen, dass er sich bei diesem Wetter zu ihr durchgeschlagen hatte, ließ neue Panik in ihr aufkeimen.

Er hockte sich vor den Zelteingang. Seine breiten Schultern blockten den Wind ab. Jetzt war er ihr so nahe, dass sie ihn hätte berühren können. Er schob die Schneebrille hoch und stellte die Stirnlampe ab. Aus haselnussbraunen Augen sah er sie an. Er wirkte so ernst wie damals, als er gedroht hatte, den Sicherheitsdienst zu rufen. Allerdings schien er in diesem Moment zugleich beunruhigt zu sein.

Wenn nicht gar besorgt.

„Sie müssen hier weg.“ Er musterte sie weiter unverwandt. „Vorsichtig, aber schnell.“

Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Warum?“

„Sie befinden sich in einem berüchtigten Lawinenkorridor“, erklärte er so freundlich, als würde er nicht von einer tödlichen Bedrohung sprechen. „Und die Bedingungen werden bei diesem Sturm immer schlechter.“

Jetzt wurde ihr klar, was er tat. Er sprach mit ihr wie ein Rettungssanitäter. Wie jemand, der es gewohnt war, mit Menschen umzugehen, die in Lebensgefahr schwebten. Das machte ihr fast so viel Angst wie die Worte selbst.

„Warum …“ Plötzlich bekam sie keine Luft mehr, weil die Panik sich in jedem Winkel ihres Körpers ausbreitete. „Warum haben Sie mir das nicht in Ihrer WhatsApp mitgeteilt? Ich war die ganze Zeit hier …“

Sie sah sich im Zelt um und rechnete aus, wie lange sie brauchen würde, um ihre Ausrüstung anzulegen. Eine weitere heftige Böe traf das Zelt. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie Stoff reißen hörte.

„Sehen Sie mich an, April“, bat er geduldig, obwohl sie einen schrecklichen Fehler begangen hatte, als sie hierhergekommen war. Sie hatte nicht nur ihr eigenes Leben riskiert, sondern auch seins. „Hier zu bleiben war für Sie sicherer, als allein abzusteigen. Sie sind mit der Route nicht so genau vertraut. Aber ich kenne sie wie meine Westentasche und bringe Sie jetzt an einen sichereren Ort.“

April nickte. Sie wusste seine beruhigende Gegenwart zu schätzen, aber ihre Gedanken überschlugen sich. Bisher hatte sie öfter im Sommer als im Winter Berge bestiegen. Sie kam sich dumm vor, weil sie sich selbst und – schlimmer noch – Weston gefährdet hatte.

Er konnte nicht wissen, wie sehr sie es hasste, sich zu fühlen, als ob sie alles falsch gemacht hatte.

„Okay. Danke.“ Sie schluckte ihre Furcht hinunter und konzentrierte sich auf seine haselnussbraunen Augen. Sie musste ganz einfach glauben, dass er so selbstsicher war, wie er klang. „Ich lege meine Ausrüstung an.“

Er hatte sie schnell genug aus der Gefahrenzone gebracht.

Mit jedem Schritt, den sie sich von der Schlucht entfernten, in der April ihr Zelt aufgeschlagen hatte, lockerte sich der Knoten in Westons Brust ein wenig mehr. Lawinen stellten dort eine echte Bedrohung da. Er hatte noch an keiner Rettungsmission in dieser Schlucht teilgenommen, aber Mitglieder seines Teams hatten ihm davon erzählt. Außerdem hatte er selbst schon zwei Lawinen miterlebt, und beide hatten ihm höllische Angst gemacht.

Da heute Nacht typische Wetterbedingungen für Lawinenabgänge herrschten, war er verdammt froh, dass er April gefunden hatte und dass sie unversehrt war.

Die Dämonen der Vergangenheit hatten spitze Zähne und würden weiter an ihm nagen, bis er heute Nacht die Augen schloss.

„Wohin gehen wir?“, rief sie ihm durch den Wind zu. Ihr Schal dämpfte ihre Stimme zusätzlich.

Seite an Seite stapften sie bergab. Um kein Geröll unter dem Schnee loszutreten, gingen sie langsam. Er hatte ihr eine zweite Stirnlampe angeboten, die er mitgebracht hatte, aber sie hatte ihre eigene und trug sie jetzt. Sie war besser vorbereitet, als er erwartet hatte – von ihrer Ausrüstung bis zu dem Tempo, in dem sie alles zusammengepackt hatte.

Aber sie hatte Angst gehabt. Das hatte er an ihrer Körpersprache erkannt. Die Anzeichen wären ihm sogar dann aufgefallen, wenn er nicht dazu ausgebildet gewesen wäre, mit verängstigten Menschen in Lebensgefahr umzugehen. Er hatte sein Bestes getan, sie zu beruhigen, aber ihm war klar, dass sie einen großen Schreck bekommen hatte. Und er war überzeugt, dass sie ihn nicht absichtlich hergelockt hatte, um ihn über sein Verhältnis zu Alonzo Salazar zu verhören.

Sie hätte eine sehr gute Schauspielerin sein müssen, um so überzeugend Angst vorzutäuschen. Das Aufblitzen von Panik in ihren blauen Augen. Das Zittern in ihrer Stimme. Da sie jetzt ihre Schneebrille trug, konnte er nicht mehr so genau einschätzen, wie es ihr ging.

„In dieser Richtung liegen sichere Lagerplätze.“ Sie waren noch nicht weit von ihrem Ausgangspunkt entfernt. Bei diesen Wetterbedingungen wollte er in der Dunkelheit keinen Absturz riskieren. Aber sie hatten die Schlucht verlassen und folgten einem Berggrat, den er gut kannte.

„Sollten wir nicht ganz vom Berg absteigen?“, wollte sie wissen.

Wenn er allein gewesen wäre – ja. Dann wäre er zu dem Geländewagen zurückgekehrt, den er am Anfang des Wanderwegs abgestellt hatte. Aber mit April im Schlepptau wollte er das nicht riskieren. Normalerweise war sie bestimmt eine tüchtige Bergsteigerin. Aber es war spät, und sie war müde und gestresst. Er durfte nicht riskieren, weiter als nötig zu gehen.

„Es ist sicherer, an einem geschützten Ort abzuwarten, bis der Sturm vorbeigezogen ist.“ Er zeigte auf eine Stelle ein Stück vor ihnen. Zwischen einem Felsvorsprung und schützenden Bäumen lag nur wenig Schnee. „Ich habe ein großes, wetterfestes Zelt mit.“

Im Schutze des Felsvorsprungs nahm er seinen Rucksack ab und öffnete den Reißverschluss, um die Ausrüstung herauszuholen. Erst als er die Handschuhe ausgezogen hatte, wurde ihm klar, dass April stocksteif stehen geblieben war. Ein paar Schritte von ihm entfernt wirkte sie im Licht seiner Stirnlampe ganz verloren. Der Schnee reichte ihr fast bis zu den Knien.

Sie sagte etwas, aber der Wind übertönte ihre Worte.

Während er sie näher heranwinkte, rief er: „Ich kann Sie nicht hören!“

Er legte seine Taschenlampe auf den Felsvorsprung, sodass sie auf seinen Rucksack herabschien, während April zu ihm kam. Sie nahm sich die Schneebrille und die Stirnlampe ab. Jetzt konnte er ihre blauen Augen wieder deutlich sehen.

„Sie bleiben hier?“, fragte sie. Ihr Atem bildete Wölkchen in der kalten Luft zwischen ihnen. „Bei mir?“

Vielleicht lag es daran, dass sie nicht mehr verängstigt wirkte, vielleicht auch daran, dass er wusste, dass sie hier außer Gefahr waren. Aber etwas an der Art, wie sie die Frage stellte, erinnerte ihn daran, wie ungemein attraktiv er diese Frau fand.

April Stephens war schon eine glühend heiße Ablenkung für ihn gewesen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Dann hatte er herausgefunden, wie gut sie in ihrem Job war. Sie war hinter die Geheimnisse seines Mentors gekommen. Und heute Abend hatte er gesehen, dass sie über eine Zähigkeit verfügte, die er einer Frau, die eher auf das Cover eines Modemagazins als auf eine Ranch in Montana zu passen schien – ganz zu schweigen von einem Berggipfel –, niemals zugetraut hätte.

Ihre zierliche Figur, die hohen Wangenknochen und ihre weichen Lippen verliehen ihr eine erlesene Schönheit, die Männerblicke geradezu magisch anzog. Aber vor allem bewunderte er ihre Entschlossenheit, zu deren Zielscheibe er leider bei ihren Ermittlungen geworden war.

„Ich bin nicht so weit im Dunkeln gewandert, um Sie jetzt alleinzulassen, April.“ Er hätte den Anflug von Vorfreude nicht einmal unterdrücken können, wenn er es versucht hätte. Nicht, dass er eine Frau verführen würde, für die er sich verantwortlich fühlte. Aber er konnte nicht abstreiten, dass sie eine sinnliche Anziehungskraft auf ihn ausübte, wann immer sie in seiner Nähe war. „Ich gehe nicht weg.“

„Das ist … nett von Ihnen.“ Sie klang nicht überzeugt, aber wenigstens schon wieder stärker. Selbstbewusster. „Aber ich habe mein eigenes Zelt.“

Sie nahm ihren Rucksack ab und ließ ihn in den Schnee fallen, während er seinen Eispickel suchte, um ihn als Hammer zu verwenden und die Zeltheringe einzuschlagen.

„In Ihrem ist aber ein Riss“, rief er ihr ins Gedächtnis. Er hatte gehört, wie der Stoff bei einer Windböe gerissen war, bevor er April geholfen hatte, das Zelt abzubauen. „Außerdem ist dies ein Zwei-Mann-Zelt.“

Sein Zelt war hochmodern und hätte selbst den Winden am Mount Everest getrotzt. Der Aufbau dauerte keine zwei Minuten, weil Weston es gewohnt war, in aller Eile einen Unterschlupf zu errichten. Er warf seinen Schlafsack und seine Isomatte hinein und hielt April die Zeltklappe auf.

Unsicher umklammerte sie ihren Rucksack. Der Wind peitschte ihr die Haarsträhnen, die unter der Mütze hervorblitzten, ins Gesicht. Sie schürzte die Lippen und musterte ihn abwägend.

In diesem Moment sackte sein Adrenalinspiegel nach der Rettungsmission endlich ab und wich süßem, heftigem Begehren.

Doch April schien das nicht zu bemerken. Stattdessen holte sie tief Luft und kroch ins Zelt. Das verschaffte ihm einen Blick auf aufreizende weibliche Kurven, die die Glut des Verlangens noch weiter anfachten.

Er schluckte seinen plötzlichen Hunger auf sie hinunter und biss die Zähne zusammen, während er zusah, wie sie die Stiefel auszog und im Eingangsbereich des Zelts zurückließ. Schnell hielt er das Gesicht in den herabfallenden Schnee. Die Abkühlung brauchte er dringend, bevor er sich in Aprils Nähe wagte.

Ohne jeden Zweifel stand ihm eine lange Nacht bevor.

2. KAPITEL

Bei unserer letzten Begegnung hat Weston Rivera mich noch nicht mal gemocht, rief April sich ins Gedächtnis, als sie sich in dem geräumigen Zwei-Mann-Zelt tiefer in ihren Schlafsack kuschelte. Also war es dumm von ihr, den Eindruck zu haben, dass es zwischen ihnen knisterte.

Vor allem in dieser Eiseskälte an einer windumtosten Bergflanke, nachdem er sein Leben riskiert hatte, um ihres zu retten. Wenn überhaupt, hätte er wütend auf sie sein sollen. Sie bildete sich dieses heiße, schwelende Gefühl sicher nur ein, als er die schneebedeckte äußere Schicht seiner Bekleidung auszog. Sie beobachtete ihn im Schein der Laterne, die er auf den Boden gestellt hatte. Sogar in dem harten bläulichen Licht war Weston Rivera gut aussehend. Ein echter Naturbursche.

Sein dunkelblondes Haar reichte bis über den Kragen des grauen Flanellhemds unter seinem Parka. Hellbraune Bartstoppeln bedeckten sein Kinn. Gern hätte sie mit den Fingerspitzen darübergestrichen. Seine breiten Schultern und die haselnussbraunen Augen, in denen eine Frau sich verlieren konnte, verliehen Weston viel zu viel maskulinen Reiz.

Vielleicht empfand nur April dieses unglaubliche Begehren. Bestimmt hatte sie sich geirrt, als sie geglaubt hatte, genauso viel Verlangen in seinem Blick zu sehen. Ihre Emotionen kochten ohnehin über, nachdem sie heute Abend wegen ihrer eigenen Fehlentscheidung hatte gerettet werden müssen. Das erinnerte sie daran, dass er eine Entschuldigung verdient hatte.

Die Worte lagen ihr schon auf der Zunge, als sein Oberschenkel ihren streifte und er die Hose mit den hellgelben Reflektorstreifen auszog. Natürlich trug er darunter eine weitere Hose, aber es wirkte schrecklich intim, dass er sich nur ein paar Zentimeter von ihr entfernt entkleidete. Sogar in einem Zwei-Mann-Zelt war der Platz begrenzt. Er reichte gerade für ihre beiden Schlafsäcke. Bei der Berührung begann ihre Haut zu prickeln.

„Frieren Sie denn gar nicht?“, platzte sie heraus, vor allem um sich von ihrer Reaktion auf ihn abzulenken. Sie hatte einen Großteil ihrer Kleiderschichten anbehalten und nur Stiefel, Schneebrille und wasserfeste Fäustlinge im Eingangsbereich zum Trocknen abgelegt. Jetzt trug sie noch ein weiches Paar Handschuhe, ihre Strickmütze und das Fleecefutter ihres Parkas, genau wie ihre Skihose, weil sie auf dem Weg hierher die ganze Zeit gezittert hatte. Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich fror oder die Erkenntnis, dass sie in einem Lawinenkorridor gecampt hatte, sie frösteln ließ.

„Nein.“ Weston schlüpfte in seinen Schlafsack und breitete seine abgelegte Jacke und seine Hose darauf aus. „Ich benutze die Kleidung als Zusatzdecke. Es ist unbequem, sie anzubehalten, weil ich viele Ausrüstungsgegenstände in den Taschen habe.“

Nachdem er alles zu seiner Zufriedenheit arrangiert hatte, stützte er sich auf einen Ellbogen, hob die Laterne hoch und hielt sie über April. „Kann ich die hier für die Nacht löschen?“

Ihr wurde die Kehle trocken, als sie ihn so nahe bei sich spürte. Dankbarkeit, dass er so viel für sie getan hatte, breitete sich in ihr aus. Aber an diese Wertschätzung waren noch andere, kompliziertere Gefühle geknüpft. Widerstreitende. Aber vor allem Begehren. Und Bedauern, dass sie ihn überhaupt in diese Lage gebracht hatte.

„Ja“, stieß sie heiser hervor. „Ich bin fertig.“

Die Erinnerung daran, wie er in diesem Moment aussah – muskulöse, starke Arme, breite Brust und zärtlich besorgter Blick –, brannte sich ihr so stark ein, dass sie ihn noch lange vor sich sah, als es im Zelt schon dunkel war.

Jetzt nahm sie die Geräusche um sich herum viel deutlicher wahr, während er sich im Schlafsack umdrehte. Sein Knie streifte ihres. Seine Körperwärme weckte eine Hitze in ihr, die nichts mit der tatsächlichen Temperatur zu tun hatte. Draußen pfiff und heulte der Wind, aber der Zeltstoff schien undurchdringlich zu sein, obwohl er wie ihre Nerven zum Zerreißen gespannt war, als sie neben Weston in der pechschwarzen Nacht lag.

„Danke, dass Sie hergekommen sind.“ Es fiel ihr leichter, die Worte im Dunkeln auszusprechen, ohne sein Gesicht oder seine Körpersprache zu sehen. Beides hatte sie bisher immer verwirrt. Sie konnte ihn nicht wirklich einschätzen. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen den Abend verdorben habe, aber ich bin Ihnen dankbar.“

Er erstarrte auf seiner Seite des Zelts. Vielleicht hatte er auch einfach nur eine bequeme Körperhaltung gefunden.

„Ich engagiere mich bei der Bergrettung, um Menschen aus Notlagen zu helfen. Aber ich verhindere lieber Unfälle, statt erst zu kommen, wenn sie passiert sind.“ Er sprach so nahe an ihrem Ohr, dass ihr klar wurde, dass er auf der Seite lag. Ihr zugewandt.

Sie schluckte und versuchte, sich auf seine Worte statt auf seine Nähe zu konzentrieren, während sie sich tiefer in ihren Schlafsack kuschelte. Sie lag auf dem Rücken und wagte es nicht, näher an ihn heranzurücken. Denn sie fühlte sich verletzlich und hatte ein bisschen Angst vor dem, was das Wetter noch bringen mochte. Der Schneesturm war mittlerweile sehr heftig.

„Aber Sie haben viel mehr als nur Ihre Pflicht getan. Ich wollte nicht, dass Sie bei diesen Wetterbedingungen solch ein Risiko eingehen.“

Noch immer hatte sie ein schlechtes Gewissen. Sie hätte das Wetter besser im Blick behalten müssen. Aber der Sturm war eher hereingebrochen, als der Wetterbericht es vorhergesagt hatte.

Seine tiefe Stimme vibrierte in ihr, als er antwortete: „Es war das Beste, Ihnen persönlich zu helfen. Ich kenne Sie nicht gut und wollte Ihnen keine Nachricht schicken, die Sie vielleicht in Panik versetzt hätte.“

Das hatte er vorhin schon gesagt, aber die Vorstellung, dass er sein Leben für sie riskiert hatte, gefiel ihr gar nicht. Was, wenn er sich dabei verletzt hätte? Sie wusste, dass scheinbar harmlose Kleinigkeiten fatale Folgen haben konnten. Schließlich erinnerte sie sich nur zu gut an die Ereigniskette, die zum derzeitigen Gesundheitszustand ihrer Mutter geführt hatte.

„Ich habe ein GPS-Gerät. Ich wäre Ihren Anweisungen gefolgt“, beharrte sie, weil sie es ganz einfach nicht mochte, anderen zur Last zu fallen. Es war ihr lieber, sich nur auf sich selbst zu verlassen, nachdem sie jahrelang erwartet hatte, dass ihre Mutter sich um sie kümmerte. Das hatte ihre Mom nicht gekonnt, und April hatte damit nur umgehen können, indem sie Kraft aus sich selbst geschöpft hatte. Aber was sie jetzt wirklich störte, war, dass sie ihm heute Abend nur eine Nachricht geschickt hatte, um ihre Ermittlungen voranzutreiben.

Sie hatte ihn aushorchen wollen, und er war komplett selbstlos gewesen. Das machte ihr echt zu schaffen.

„Bei dem aufziehenden Sturm konnten sich die Bedingungen von einer Minute auf die andere ändern. Das Wetter bestimmt, welcher Weg aus der Schlucht der sicherste ist. Es war einfacher, mir selbst einen Überblick über die Situation zu verschaffen, als Ihnen von meinem Wohnzimmer aus Anweisungen zu erteilen.“ Er sagte das sehr nüchtern, so, als wäre es offensichtlich.

Sie biss sich auf die Zunge, um nicht zu widersprechen. Alles in allem war sie ihm schließlich dankbar. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass sie sich in solche Gefahr gebracht hatte.

„Danke“, sagte sie. Ihre Augen hatten sich mittlerweile so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie den Umriss seiner Schulter ausmachen konnte. „Aber wenn ich bedenke, wie unser letztes Treffen verlaufen ist, tut es mir sogar noch mehr leid, dass Sie jetzt hier draußen sind. Ich weiß, dass ich auf der Liste Ihrer Lieblingsmenschen nicht gerade ganz oben stehe.“

In der Stille, die darauf folgte, hörte sie nur den Wind und das leise Auftreffen dicker Schneeflocken auf dem Zeltdach.

„Wir sind wegen Ihres Jobs aneinandergeraten“, sagte er am Ende. Es klang, als wählte er seine Worte sorgfältig. „Bis heute hatte ich noch keine Chance, Sie außerhalb Ihrer Ermittlungen kennenzulernen.“

Sie konnte ein Auflachen nicht unterdrücken. „Na, ich glaube nicht, dass Sie heute unbedingt eine höhere Meinung von mir bekommen haben. Jetzt bin ich schließlich der hilflose Ranchgast, den Sie aus einem Schneesturm retten mussten.“

Autor

Joanne Rock
Joanne Rock hat sich schon in der Schule Liebesgeschichten ausgedacht, um ihre beste Freundin zu unterhalten. Die Mädchen waren selbst die Stars dieser Abenteuer, die sich um die Schule und die Jungs, die sie gerade mochten, drehten. Joanne Rock gibt zu, dass ihre Geschichten damals eher dem Leben einer Barbie...
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