Gefährlich sinnliche Versuchung

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Als Medientycoon Marcus Salazar mit seinem skrupellosen Halbbruder über die Macht im Familienunternehmen verhandeln will, schickt der stattdessen seine faszinierende Stellvertreterin Lily. Eine Falle? Vom ersten Moment an, in dem Lily in ihren hochhackigen Stiefeln aus der Luxuslimousine steigt, ist Marcusʼ Verlangen geweckt. Obwohl er fürchten muss, mit einer leidenschaftlichen Affäre nicht nur den wichtigsten Deal seines Lebens, sondern auch sein Herz zu riskieren, kann er Lilys sinnlichen Reizen bald immer weniger widerstehen …


  • Erscheinungstag 27.10.2020
  • Bandnummer 2156
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726416
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Marcus Salazar hätte den nachmittäglichen Ausritt weitaus mehr genossen, wenn er sein Handy auf der Ranch gelassen hätte.

Nachdem er zwei Anrufe aus dem Büro ignoriert hatte, hatte er das Telefon stummgeschaltet. Dennoch ertappte er sich immer wieder dabei, einen Blick darauf zu werfen. Er konnte einfach nicht anders. Schließlich war er hier in Montana auf der Mesa Falls Ranch, um den wichtigsten Geschäftstermin seines Lebens wahrzunehmen: In dem luxuriösen Tagungshotel im Westernstil wollte er einen Deal mit seinem Halbbruder Devon aushandeln, um endlich die volle Kontrolle über Salazar Media zu haben. Ihre Gespräche konnten gar nicht früh genug beginnen.

Als sein Handy erneut vibrierte, fischte er es aus der Brusttasche seines Leinenjacketts und sah, dass Devon ihn anrief. Vielleicht war sein Bruder endlich angekommen. Marcus nahm sich vor, höflich zu sein, damit das Treffen positiv begann. Zwar waren Devon und er nicht einer Meinung, was die Zukunft von Salazar Media – und alles andere – betraf, aber es hatte keinen Sinn, jetzt alte Streitigkeiten aufzuwärmen. Er würde einfach herausfinden, wie er Devons Anteile aufkaufen konnte, und dann würden sie endlich getrennte Wege gehen. Schnell wischte er über das Display, um den Anruf anzunehmen.

„Wir können uns in zwanzig Minuten im großen Salon treffen“, sagte Marcus ohne Einleitung, dankbar, dass das brave Appaloosa-Pferd nichts dagegen zu haben schien, dass er mit etwas anderem beschäftigt war. Die Zügel hielt er ruhig in einer Hand, in der anderen das Telefon. Schon in seiner Schulzeit hatte er Reiten gelernt. „Ich bin ausgeritten, während ich auf dich gewartet habe, aber ich bin gleich wieder bei der Lodge.“

Im Licht des späten Novembernachmittags sah er schon den mit Kiefern bestandenen Hügelkamm, in dessen Schutz der Stall der Zweitausendfünfhundert-Hektar-Ranch stand. Das Gelände lag in der Nähe des Bitterroot River. Sein Vater Alonzo Salazar war oft hier gewesen und hatte mehrfach davon gesprochen, dass er einmal mit Marcus und Devon herfahren wollte.

Als sie noch Kinder gewesen waren, hatte böses Blut zwischen ihren Müttern geherrscht. Deshalb hatte die gemeinsame Reise nie stattgefunden. Später waren sich die beiden Brüder selbst nicht grün gewesen. Und jetzt war es zu spät. Marcus und Devon hatten im letzten Sommer Abschied von Alonzo Salazar genommen, der seinen Kampf gegen den Bauchspeicheldrüsenkrebs viel zu früh verloren hatte. Ihr Vater war nicht mehr da, und nur seinetwegen waren die Brüder auch außerhalb des Familienunternehmens höflich miteinander umgegangen.

Wahrscheinlich hätten sie den Rest ihrer Verbindungen auch auflösen können, ohne herzukommen, aber sie hatten ihrem Vater etwas versprochen, als er auf dem Sterbebett gelegen hatte: Sie sollten sich auf der Ranch treffen, bevor sie getrennte Wege gingen. Noch immer verstand Marcus nicht, warum ihr Dad so entschlossen gewesen war, seine Söhne in diesen westlichen Winkel Montanas zu locken.

„Leider bin ich noch nicht da.“ Devon kämpfte gegen eine Menge Hintergrundgeräusche an. Eine Lautsprecherdurchsage. Stimmengewirr. „Ich bin immer noch auf dem Flughafen in Mumbai.“

„Mumbai?“ Marcus lehnte sich im Sattel zurück und parierte das Pferd auf dem Reitweg durch, um sich vollkommen auf das Telefonat konzentrieren zu können. „Auf der anderen Seite des Erdballs?“

Frustriert erkannte er, dass Devon frühestens morgen eintreffen würde.

„Ich hätte ja schon eher angerufen, aber man hat mir mein Handy und meinen Pass gestohlen, und der Zoll hat mich … festgehalten.“ Devon klang stinksauer. Und erschöpft.

„Hast du das Handy denn jetzt wieder?“ Verwirrt sah Marcus aufs Display und stellte fest, dass es kein normaler Anruf war. Devon hatte ihn über einen Social-Media-Messenger kontaktiert.

„Nein. Ich habe mir ein neues an einem Kiosk auf dem Flughafen gekauft.“ Devons Stimme war so heiser wie die eines Mannes, der schon seit Stunden redete. „Natürlich habe ich die Botschaft benachrichtigt, damit man mir hilft, in die Staaten zurückzukehren, aber bis dahin …“ Ein Rauschen störte den Anruf. „… bald in Montana sein.“

„Das habe ich akustisch nicht verstanden.“ Marcus trieb sein Pferd an und fragte sich, ob in diesem bewaldeten Gebiet das Funksignal schwach war. „Ich habe gerade den Deal abgeschlossen, mit dem wir die Mesa Falls Ranch als Kunden gewinnen.“ Darauf hatte er mit den Besitzern der Ranch hingearbeitet, seit ihm klar geworden war, dass die Reise hierher unvermeidlich war. Vorhin hatte ihm einer von ihnen eine mündliche Zusage erteilt. „Ich kann mir einen zusätzlichen Tag Zeit nehmen, um persönlich ihren Account zu erstellen, aber wenn du nicht binnen achtundvierzig Stunden hier bist, fliege ich zurück nach Los Angeles.“

Marcus leitete das Büro an der Westküste, Devon das in New York. Nur ihr Vater hatte eine höhere Position als sie beide in der Firma eingenommen, war als CEO aber überwiegend das Aushängeschild der Firma gewesen.

„Nicht nötig. Ich …“ Devons Stimme brach ab, als die Verbindung wieder schwächer wurde. „… hingeschickt. Sie kann für mich sprechen …“

Ein lautes Knistern ertönte aus dem Handy.

„Wer?“ Marcus hatte Mühe zu verstehen, was sein Bruder sagte. „Kommt jemand an deiner Stelle auf die Ranch?“

„… dir eine Nachricht. Tut mir leid.“

Jetzt brach die Verbindung völlig ab.

Finster starrte Marcus auf sein Handy. Devons Social-Media-Profilfoto erwiderte seinen Blick. Wie hatte Devon nur bis auf die letzte Minute mit dem Flug nach Montana warten können? Sogar im Firmenjet, der in Mumbai nicht zur Verfügung stand, hätte die Reise etwa achtzehn Stunden gedauert.

Aber da er selbst schon in Übersee vom Zoll festgehalten worden war, wusste Marcus, dass das kein Spaziergang war. Devons schlechtes Gewissen, weil er es nicht zu ihrem Meeting geschafft hatte, würde Marcus vielleicht in die Hände spielen, wenn er endgültig die Kontrolle über Salazar Media übernehmen wollte. Schließlich war die Firma seine Idee gewesen. Sein Vater und sein Bruder hatten sich nur finanziell beteiligt, und sein Vater hatte den CEO-Posten vor allem deshalb übernommen, weil er immer gut darin gewesen war, zwischen seinen zerstrittenen Söhnen zu vermitteln. Seit dem Tod ihres Vaters bestand ein Machtvakuum, das Marcus ausfüllen wollte. Als kreativer Kopf des Unternehmens hatte er die Rolle des CEO verdient, und er würde sie entweder bekommen oder die Firma verlassen, die er gegründet hatte.

Er schob das Handy in die Brusttasche und trieb sein Pferd an. Im Galopp raste er auf die Lodge der Mesa Falls Ranch zu. Das Resort hatte unbestreitbar seinen Reiz. Die Tatsache, dass die Berge und die schier endlos scheinende Weite ihn, wenn auch nur kurzfristig, von seinem Frust ablenkten, zeugte von der Schönheit der Landschaft. Seit acht Jahren teilten sich sechs Besitzer die Ländereien und den Viehbestand. Jeder von ihnen hatte ein Haus auf dem Gelände. Aber vor einem Jahr hatte die Gruppe beschlossen, die Ranch für Gäste zu öffnen, um eine nachhaltigere Bewirtschaftung zu finanzieren. Marcus hatte eine Chance für Salazar Media gewittert und die Besitzer kontaktiert, um sie als Kunden zu gewinnen. Jetzt hatten sie sechs Monate Social-Media-Werbung bei Salazar gebucht und ihm die Option zugesichert, den Vertrag zu verlängern, wenn sie zufrieden waren. Marcus wollte ein paar wichtige Mitarbeiter der Ranch sprechen, um Präsenz zu zeigen, bevor er nach L. A. zurückkehrte, sobald die Verträge unterzeichnet waren.

Da er wenigstens versucht hatte, Devon hier zu treffen, musste er kein schlechtes Gewissen haben, dass es nicht geklappt hatte. Wenn sein Bruder sich nicht die Mühe machte, hier aufzutauchen, war das nicht seine Schuld.

Als er am Stall sein Pferd zügelte, sah er einen glänzenden schwarzen Cadillac Escalade vor dem weitläufigen Hauptgebäude anhalten. Ein Chauffeur in Livree stieg aus und lief zu einer der hinteren Türen. Durch die getönten Scheiben konnte Marcus nicht ins Innere des Autos sehen. Plötzlich musste er an die Worte seines Bruders denken.

Hatte Devon jemanden auf die Ranch geschickt, der ihn vertreten sollte? Marcus war verärgert, denn wenn jetzt schon jemand hier auftauchte, musste Devon das alles schon vor Stunden arrangiert haben. Ihn anzurufen, um ihn über die Verzögerung zu informieren, hatte für seinen Halbbruder offenbar keine Priorität gehabt.

Er ließ sich aus dem Sattel gleiten und reichte die Zügel an einen wartenden Stallburschen weiter. Während er dem Mann dankte, behielt er weiter den Escalade im Blick. Die Autotür schwang auf, und ein eindeutig weibliches Bein wurde hinausgestreckt.

Zum Vorschein kamen ein hochhackiger schwarzer Stiefel, eine schlanke Wade und ein Hauch von einem grauen Nadelstreifenrock.

Sie kann für mich sprechen …

Diese Worte hallten ihm in den Ohren wider, als die einzige Frau, die für Devon Salazar sprechen durfte, in Sicht kam.

Kerzengerade aufgerichtet stand Lily Carrington in der Einfahrt. Sie trug einen offenen schwarzen Mantel über dem hellgrauen Kostüm und der lavendelfarbenen Bluse und eine winzige Ledertasche über der Schulter. Sie war die adretteste Frau, die Marcus je gesehen hatte. Ihr seidiges Haar saß immer perfekt. Und sie war tüchtig. Wortgewandt. Kunden lobten sie über den grünen Klee. In den verrückten Jahren, in denen die Firma rasend schnell expandiert hatte, war Lily Devons rechte Hand gewesen. Sie hatte sich zur Geschäftsführerin hochgearbeitet und stand im New Yorker Büro jetzt an zweiter Stelle.

Sie war das krasse Gegenteil von allem, was Marcus normalerweise an Frauen gefiel: kühl und beherrscht. Im Gegensatz dazu mochte er eher den leidenschaftlichen, künstlerischen Typ. Doch aus irgendeinem nervtötenden Grund hatte er Lily schon immer begehrt und kämpfte bis heute dagegen an.

Zu seinem Glück war sie mit einem anderen verlobt und deshalb tabu.

Zu seinem Pech weckte sie aber immer noch unstillbares Verlangen in ihm, indem sie einfach nur in der Einfahrt stand und mit ihrer Sonnenbrille, die ihr halbes Gesicht verdeckte, wie ein Filmstar aussah.

„Marcus.“ Sie lächelte höflich, als sie ihn erspähte, und kam an ihrem Chauffeur vorbei auf ihn zu. „Was für ein eindrucksvolles Anwesen.“ Sie schob sich die Sonnenbrille ins Haar und deutete auf die gewaltige Lodge, die vor Kurzem als Gästeunterkunft errichtet worden war. Bewundernd ließ sie den Blick über die tadellosen Ställe, das Empfangszentrum, die Pferdekoppel und die sanften Hügel schweifen, hinter denen die Berge aufragten. „Atemberaubend.“

Er fand ihren Anblick noch viel atemberaubender als die Herbstlandschaft, behielt das aber für sich. Schon jetzt überlegte er, wie schnell er sich zurückziehen konnte, ohne seine Position Devon gegenüber zu schwächen. Er hatte in seinem Leben schon Dinge getan, auf die er nicht stolz war. Aber seinem Begehren nachzugeben, wenn eine Frau den Ring eines anderen Mannes trug, war eine Grenze, die er nicht überschreiten würde.

„Ja, es ist sehr malerisch“, räumte er ein und konzentrierte sich auf die Aussicht statt auf Lilys weichen Mund oder ihre hellblauen Augen. „Da Devon sich nicht die Mühe gemacht hat herzukommen, können wir unsere Zeit vielleicht damit verbringen, vor Ort ein paar Informationen zu sammeln, die das Team nutzen kann, um die Marketingstrategie zu optimieren. Ich schicke dir eine Agenda per SMS, damit wir beide bald wieder nach Hause können.“

Sie schwieg eine ganze Weile. So lange, dass er sich umdrehen und sie wieder ansehen musste.

„Das könnten wir tun“, räumte sie langsam ein und musterte ihn argwöhnisch. „Oder wir könnten ein Gespräch darüber führen, wie die CEO-Position besetzt werden soll, da das der eigentliche Grund für dieses Treffen ist. Vielleicht können wir ein paar Optionen für die Zukunft von Salazar Media erarbeiten …“

„Das Treffen war für Devon und mich geplant, nicht für dich.“ Er fragte sich, worauf sie es bei den Verhandlungen abgesehen hatte. Hoffte sie, eine bessere Stelle zu ergattern, indem sie ihn komplett verdrängte und das Westküstenbüro übernahm?

Wenn die Salazar-Brüder nicht an unterschiedlichen Küsten gelebt hätten, wäre die Firma vielleicht schon vor Jahren zerbrochen. Sie kamen nur zurecht, weil sie so unabhängig voneinander wie möglich in Los Angeles und New York operierten.

„Das Ergebnis ist auch für mich wichtig“, rief sie ihm kühl ins Gedächtnis. „Und da euer Vater jetzt nicht mehr da ist, um die Wogen zu glätten, hoffe ich, dass ich bei einem Gespräch zwischen euch vermitteln kann.“

„Hat mein Bruder dich gebeten, mich zu überreden, kampflos aufzugeben?“ Ihm wurde klar, dass sein unstillbares sexuelles Verlangen ihn unversöhnlicher klingen ließ als normalerweise. „Meint er, dass du bessere Chancen hast, mich dazu zu überreden, zu tun, was ihr wollt?“

Im Laufe der Jahre hatte Marcus sich auf zu viele Kompromisse eingelassen, was die Firma betraf. So hatten sie einige Chancen nicht genutzt, weil Devon eine andere Herangehensweise hatte.

„Natürlich nicht“, versicherte sie kopfschüttelnd. „Aber ich weiß, dass auf beiden Seiten viel Frust herrscht, und …“

„Nein, Lily“, unterbrach er sie. „Du kannst unmöglich wissen, wie frustriert ich bin.“

Sie sahen sich in die Augen, während er die Worte wirken ließ, damit sie darüber nachdenken konnte. Er bemerkte, in welchem Moment ihr die Doppeldeutigkeit seiner Aussage aufging. Leise schnappte sie nach Luft.

War ihr bisher wirklich nicht klar, dass ich sie begehre?

Nicht, dass es eine Rolle spielte. Schließlich hatte er schon mit seinem Bruder alle Hände voll zu tun. Da würde er sich nicht auch noch in das emotionale Chaos stürzen, das Lily unweigerlich heraufbeschwor. Also gab er dem Chauffeur, der sie zur Ranch gebracht hatte, ein Trinkgeld und schickte ihn weg. Als er sich wieder der Geschäftsführerin von Salazar Media zuwandte, hatte sie eine Maske der Gleichgültigkeit aufgesetzt.

„In dem Fall warte ich ab, bis ich von dir höre, dass du zu einem Treffen bereit bist.“ Sie hielt ihr Handtäschchen jetzt vor sich. Es war ein lächerlicher Schutzschild. Selbst wenn ein ganzer Konferenztisch zwischen ihnen gewesen wäre, hätte Marcus immer noch den Sog des Verlangens gespürt.

Nickend drehte er sich auf dem Absatz um, froh, dass er sich entschlossen hatte, in einem Gästehaus abseits der Lodge zu übernachten.

Je mehr Abstand zwischen Lily Carrington und ihm lag, desto besser. Die Frau war eine ernsthafte Bedrohung für seine Konzentration – und das, obwohl die Zukunft seines Unternehmens auf dem Spiel stand!

Was war das bloß vorhin mit Marcus?

Diese Frage stellte sich Lily nicht zum ersten Mal, als sie tiefer in die freistehende Badewanne ihrer Gästesuite eintauchte. Nach der anstrengenden Reise gönnte sie sich ein Bad, um ein wenig zu entspannen und einen klaren Kopf zu bekommen. Die Suite war mit Hartholzböden und antiken Balken ausgestattet, um die Westernatmosphäre zu unterstreichen. Doch es gab auch viele moderne Details wie etwa die gläserne Duschkabine neben der Wanne. Lily hatte Feuer in dem eleganten Kamin entfacht, sobald sie angekommen war, obwohl es draußen nicht sonderlich kalt war. Sie wollte einfach das komplette Bergerlebnis.

Langsam ließ sie die Hand durch das schaumige, nach Rosen duftende Wasser gleiten. Es störte sie, dass sie die Schönheit von Montana nicht genießen konnte, weil plötzlich etwas zwischen ihr und Marcus Salazar war.

Etwas Heißes und Unerwartetes.

Sie schloss die Augen, atmete tief ein und dachte an ihre Ankunft zurück. Sie hatte sich gefreut, Marcus zu sehen, auch wenn sie ein bisschen misstrauisch gewesen war. Immerhin wusste sie, dass die Halbbrüder seit Langem zerstritten waren, auch wenn sie nie ganz verstanden hatte, warum. Wenn sie einander so wenig mochten, warum hatten sie dann überhaupt ein Unternehmen gemeinsam gegründet? Allerdings ergänzten sich ihre Talente perfekt. Marcus war das kreative Genie und kannte sich in der Welt der digitalen Medien aus, während Devon so geschäftstüchtig war, dass die Firma immer schwarze Zahlen schrieb.

Devon war seit fünf Jahren nicht nur ihr Vorgesetzter, sondern auch mit ihr befreundet, aber er hatte nie viel über sein Privatleben verraten. Und Marcus war ihr ohnehin ein Rätsel.

Da sie mit Marcus bisher sehr wenig direkt zu tun gehabt hatte, war sie vorsichtig optimistisch gewesen, als Devon sie gebeten hatte, für ihn einzuspringen. Sie hatte sich gefragt, ob sie den beiden Salazars helfen konnte, miteinander ins Gespräch zu kommen. Vielleicht war das naiv von ihr gewesen. Das Unternehmen war immer noch in Familienhand und gehörte beiden Salazar-Brüdern gemeinsam. Sie mussten keinen Aufsichtsrat bei Laune halten und standen auch nicht unter Zeitdruck, was die Besetzung des CEO-Postens anging. Doch da diesbezüglich schon seit Monaten Stillstand herrschte, wurden einige ihrer Kunden ungeduldig, weil es keinen einzelnen Entscheider gab. Der Machtkampf zwischen Devon und Marcus konnte der Firma schaden. Salazar Media brauchte eine starke, einige Führung.

Aber was bei Lilys Ankunft passiert war, würde ihren Bemühungen im Wege stehen. Marcus hatte Gefühle in ihr geweckt, die sie gar nicht hätte empfinden sollen. Sein dunkles Haar und seine noch dunkleren Augen waren so ganz anders als bei seinem Bruder. Und sein hochgewachsener, athletischer Körper …

Sie schluckte und verdrängte den Gedanken.

Dann zwang sie sich, die Augen zu öffnen, und hob die linke Hand aus dem Badewasser, um den großen Diamanten an ihrem Ringfinger zu betrachten. Eliot Winthrop hatte ihr das Familienerbstück vor zwei Jahren geschenkt, als er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Der Fünfkaräter war makellos, und die vielen Facetten fingen das Licht der Wandlampen ein.

Bis vor Kurzem hatte sie ihre lange Verlobungszeit gar nicht hinterfragt, weil sie beide mit ihrer Karriere beschäftigt waren – er bei der Finanzberatungsfirma seiner Familie, sie bei Salazar Media. Schon seit ihrer Kindheit waren sie befreundet; ihre Familien hatten beide ihr Vermögen im Finanzsektor gemacht. Eliot hatte auch dafür gesorgt, dass sie sich trotz ihrer skandalösen Geburt weniger wie eine Außenseiterin vorkam. Lilys Mutter hatte sich geweigert, ihren Eltern zu sagen, wer der Vater war, und am Ende die Verantwortung für ihr Kind ganz aufgegeben. Sie hatte Lily bei ihren Großeltern gelassen, als diese vier Jahre alt gewesen war. Deshalb hatte Lily nie das Gefühl gehabt, wirklich zur luxuriösen Welt von Newport zu gehören, in der sie aufgewachsen war.

Später, auf der Highschool, waren Eliot und sie gute Freunde gewesen. Als er aufs College gegangen war, hatte sie angenommen, dass sie sich auseinanderentwickeln würden. Außerdem war sie tief enttäuscht, dass die Atmosphäre an ihrer Universität von Partys und Alkohol geprägt gewesen war. Deshalb hatte sie begeistert Ja gesagt, als Eliot ihr einen Antrag gemacht hatte. Sie hatte gewusst, dass sie ein gutes Team sein würden. Es war zwar nicht unbedingt die alles verzehrende Liebe, aber eine solide Partnerschaft, die von gegenseitigem Verständnis geprägt war.

Auch hatten sie darüber gesprochen, ihre jeweiligen Familienunternehmen fusionieren zu lassen, sobald sie verheiratet waren. Lily hatte immer Kraft aus ihrer Freundschaft geschöpft und war sich sicher, dass daraus irgendwann die Art von Liebe werden würde, die zwischen ihren Großeltern herrschte. Aber Marcus’ Blick hatte unerwartete Leidenschaft in ihr geweckt, und Lily fragte sich, warum Eliot sie nie so magisch anzog.

Schnell trocknete sie sich die Hände ab und griff nach ihrem Handy, das neben der Wanne lag. Wenn sie erst einmal ihren Verlobten angerufen hatte, würde sie den Vorfall mit Marcus vergessen können. Eliots Stimme zu hören würde sie daran erinnern, warum sie so gut zueinander passten – auch wenn immer noch kein Hochzeitsdatum feststand.

Lily drückte auf das Herzsymbol, das sie Eliot in ihrer Kontaktliste zugeordnet hatte, aber der Anruf ging direkt auf seine Mailbox. Seine Anrufbeantworteransage zu hören war nicht so tröstlich, wie direkt mit ihm zu sprechen. Wenn überhaupt erinnerte es sie nur daran, wie oft sie sich bei ihm meldete, ohne ihn zu fassen zu bekommen. War das normal für ein Liebespaar?

Nachdem sie ihm eine Nachricht hinterlassen hatte, legte sie auf und versuchte, ihre Sorgen zu verdrängen. Was vorhin mit Marcus passiert war, zählte bestimmt nur als Ausrutscher. Schließlich hätte sie nicht einmal im Traum daran gedacht, ihrem Interesse nachzugeben.

Ihre Mutter war die Art von Frau gewesen, die sich von körperlichem Begehren hatte leiten lassen. Das hatte am Ende dazu geführt, dass Maggie Carrington ein Liebhaber wichtiger gewesen war als ihre eigene Tochter. Lilly wusste, dass man sich nicht auf etwas so Flüchtiges wie Verlangen verlassen durfte. Zu heftiges Knistern sorgte nur dafür, dass man übersah, welche Faktoren in einer langfristigen Beziehung wirklich zählten: dieselben Wertvorstellungen und Ziele. Gegenseitiger Respekt und Zuneigung.

Überzeugt, dass sie sich Marcus aus dem Kopf schlagen und doch noch etwas aus dieser Reise machen konnte, stieg Lily aus der Wanne und trocknete sich mit einem der flauschigen Badelaken ab. Ihr Körper duftete nach Rosen. Wenn Marcus ihr die SMS mit der Agenda schickte, konnte sie an die Arbeit gehen.

Bestimmt würde er den Rest ihrer gemeinsamen Zeit in Montana über auf diese langen, brennend heißen Blicke verzichten. Und wenn ein winziges Stück von ihr sich immer noch nach den Schmetterlingen im Bauch sehnte, die er vorhin in ihr geweckt hatte, dann würde sie dieses Bedürfnis einfach dorthin verlagern, wo es hingehörte: in die Beziehung mit ihrem Verlobten.

Am nächsten Tag marschierte Lily professionell gewappnet durch das Foyer der Lodge. Sie war auf dem Weg zu ihrem Meeting mit Marcus. Das Gebäude, in dem sie übernachtete, war seltsam still, weil auf der Ranch an diesem Wochenende keine Tagung stattfand. Obwohl sie der einzige Gast war, waren die Zimmermädchen bei der Arbeit, wie sie gesehen hatte, als sie gestern Abend zu einem Mondscheinspaziergang aufgebrochen war. Unterwegs hatte sie auch entdeckt, dass Personal in den Ställen war und sie jederzeit ausreiten konnte.

Sie war gespannt darauf, die eigentliche Rancharbeit zu beobachten. Die Lodge und das Empfangszentrum wirkten wie ein Luxusresort in den Bergen, aber sie hatte gelesen, dass auf der Mesa Falls Ranch auch Rinder und Schafe gezüchtet wurden.

Sie betrat den Hauptraum. Auf dem gekachelten Boden lagen bunte mexikanische Teppiche, deren Rot- und Orangetöne sich in den Kunstdrucken an den Blockhauswänden widerspiegelten. Die Bar wurde von einem ausgestopften Bison bewacht, der neben dem Billardtisch stand. Die Barhocker, die mit schwarzweißem Kuhfell bezogen waren, waren leer – bis auf den, auf dem Marcus saß.

Bevor er sie sah, nahm sie sich die Zeit, ihn von Kopf bis Fuß zu betrachten. Sein braunes Haar war etwas dunkler als das seines Bruders, und er trug es auch ein Stück länger. Gerade war er dabei, etwas in sein Tablet zu tippen. Seine Kopfhörer sperrten die Welt aus. Als er die braunen Augen auf sie richtete, wappnete sie sich innerlich für das, was gestern schon zwischen ihnen passiert war. Aber diesmal sprühten keine Funken.

Marcus zog die Kopfhörer aus den Ohren und schob sie in die Tasche seines Jacketts, das über der Rückenlehne des Barhockers hing.

„So früh habe ich gar nicht mit dir gerechnet.“ Er stand auf und deutete auf die Bar.

„Ich bin hier, um zu arbeiten“, rief sie ihm ins Gedächtnis.

„Um zu arbeiten – oder um Informationen für Devon zu sammeln?“

„Alle Informationen, die ich sammle, kommen euch beiden zugute. Ich arbeite für Salazar Media, nicht allein für deinen Bruder.“ Sie hasste diese Haarspalterei, aber sie war entschlossen, sich und ihre Position zu verteidigen. Ihr Job war ihr zu wichtig, als dass sie es sich mit einem Mann verscherzen wolllte, dem im Moment noch die Hälfte der Firma gehörte.

„Stimmt.“ Er nickte. „Aber du bist Devons rechte Hand. Bestimmt fühlst du dich ihm verpflichtet.“

Verärgert straffte sie die Schultern.

„Willst du arbeiten oder an meinen Motiven zweifeln?“ Sie legte ihre Laptoptasche auf einen Spieltisch. „Nur damit ich weiß, woran ich bin.“

Marcus kam einen Schritt näher. „Ich arbeite lieber, aber ich glaube nicht, dass ich mich genug entspannen kann, um das zu tun, solange ich nicht weiß, warum Devon dich hergeschickt hat.“

Seine Nähe brachte sie in Schwierigkeiten. Sie sah den Hauch von Bartstoppeln an seinem Kinn. Las das Misstrauen in seinen dunklen Augen. Spürte, dass die Luft elektrisch geladen war. Langsam holte sie tief Luft, um ihm die Meinung zu sagen, aber dabei stieg ihr der Duft seines Aftershaves in die Nase: würzig und maskulin.

„Devon wäre lieber selbst hier, das weißt du doch.“ Sie suchte nach den richtigen Worten, um alles zwischen ihnen wieder ins Lot zu bringen. „Aber nachdem sein Pass gestohlen worden war, hat er mich gebeten herzukommen, falls du Hilfe dabei brauchst, den Vertrag mit Mesa Falls abzuschließen.“

Vor zwei Wochen hatte sie erfahren, dass Marcus Mesa Falls als Kunden zu gewinnen versuchte, weil er Angebotsmaterial aus ihrem Büro angefordert hatte. Sie hatte sofort Recherchen über die Ranch angestellt, weil sie gern auf dem Laufenden über all ihre derzeitigen und potenziellen Kunden blieb. So hatte sie die Gelegenheit, die Ranch selbst zu besuchen und dem wachsenden Druck ihrer Großeltern zu entgehen, endlich einen Hochzeitstermin festzusetzen, gern ergriffen.

Er zog die Augenbrauen hoch. „Falls ich …“ Er schlug sich auf die Brust. „… Hilfe dabei brauche, den Vertrag abzuschließen? Ich hatte die Zusage, dass wir den Auftrag haben, bereits erhalten, bevor du überhaupt hier angekommen bist.“

Sie unterdrückte ein frustriertes Seufzen. Männer und ihre Egos! „Devon wusste noch nicht, dass der Vertrag unter Dach und Fach ist, als er mich angerufen hat. Und ehrlich gesagt hatte er auch Angst, dass du im ersten Flugzeug zurück nach Los Angeles sitzen würdest, wenn er dir nicht seinen guten Willen demonstriert.“

„Und stattdessen sollst du hier guten Willen demonstrieren?“

Sie unterdrückte den Drang, sich die trockenen Lippen zu befeuchten. Das, was zwischen ihnen vorging, verwirrte sie. „Ja, ob es dir gefällt oder nicht.“

Er stand viel zu dicht bei ihr. Musterte sie prüfend. Dann wurde sein Blick ausdruckslos.

„Zu unserem Pech arbeite ich allein effektiver“, sagte er leise. Dann drehte er sich um und hob sein Tablet auf. „Ich schlage vor, wir teilen uns die Aufgaben beim Anlegen des Accounts auf und belassen es dabei.“

Der plötzliche Themenwechsel erwischte Lily eiskalt.

Autor

Joanne Rock
Joanne Rock hat sich schon in der Schule Liebesgeschichten ausgedacht, um ihre beste Freundin zu unterhalten. Die Mädchen waren selbst die Stars dieser Abenteuer, die sich um die Schule und die Jungs, die sie gerade mochten, drehten. Joanne Rock gibt zu, dass ihre Geschichten damals eher dem Leben einer Barbie...
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