Wie verführt man einen Highlander?

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Schottland, 1710: Gegen ihren Willen wurde die junge Engländerin Margot mit dem schottischen Clanführer Arran McKenzie verheiratet. Schockiert vom rauen Leben in den Highlands floh die unerfahrene Adelige jedoch nach drei Monaten zurück in ihre Heimat. Jetzt, drei Jahre später, ist sie zu ihrem Gatten zurückgekehrt - erneut nicht freiwillig! Weil England der Krieg droht, soll sie Arrans Pläne ausspionieren, denn der stolze Schotte gilt als Verräter an der Krone. Um ihr Ziel zu erreichen, muss Margot die liebende Ehefrau spielen - mit ungeahnt leidenschaftlichen Folgen! Denn Arran verlangt, dass sie fortan seine willige Geliebte ist …


  • Erscheinungstag 30.01.2018
  • Bandnummer 323
  • ISBN / Artikelnummer 9783733734046
  • Seitenanzahl 320
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Norwood Park, England

1706

Miss Lynetta Beauly fragte Miss Margot Armstrong, was ihr an den jungen Gentlemen am besten gefiel, die sie umschwärmten wie Bienen den Honig. Damit meinte sie natürlich nur diejenigen der Herren, die über Vermögen und die richtigen Verbindungen verfügten, doch Miss Armstrong kam dennoch keine einzelne Sache in den Sinn, die sie mit Überzeugung hätte nennen können.

Die Wahrheit war nämlich, dass sie alles an ihnen mochte. Sie mochte die Großen genauso gern wie die Kleinen, die Breitschultrigen und die schmal Gebauten. Sie gefielen ihr, wenn sie ihre gepuderten Perücken trugen und wenn sie ihr natürliches Haar zu Zöpfen flochten. Es gefiel ihr, wenn sie sie zu Pferd sah und wenn sie in der Kutsche fuhren und auch, wenn sie durch die weitläufigen Gärten von Norwood Park schritten, wo sie mit ihrem Vater und ihren zwei Brüdern wohnte. Sie mochte es, wie sie sie ansahen und dabei lächelten, aber vor allem, wenn sie beim Lachen den Kopf zurückwarfen, wenn sie etwas Amüsantes gesagt hatte. Das kam ganz offensichtlich häufig vor, denn einer – oder auch fünf – schien immer zu lachen und sagte dann: „Wie geistreich Sie sind, Miss Armstrong!“

Margot mochte die jungen Gentlemen sogar so gern, dass sie ihren Vater zu Lynettas sechzehntem Geburtstag dazu überredet hatte, ihrer lieben Freundin zu Ehren einen Ball auf Norwood Park veranstalten zu dürfen.

„Lynetta Beauly?“, hatte ihr Vater mit einem gelangweilten Seufzer gefragt, während er in einen Brief vertieft war, der ihm Neuigkeiten aus London gebracht hatte. „Die ist doch noch gar nicht alt genug dafür.“

„Aber sie wird doch sowieso diese Saison in die Gesellschaft eingeführt“, erinnerte Margot ihn zuversichtlich.

„Warum veranstalten ihre Eltern dann kein Fest für sie?“, entgegnete ihr Vater und fuhr sich dabei mit der Spitze seiner Schreibfeder unter die Perücke, um sich am Kopf zu kratzen.

„Papa, du weißt doch, dass ihren Eltern die Mittel fehlen.“

„Du hast dazu auch nicht die Mittel, Margot. Ich bin der Einzige hier auf Norwood Park, der in der Lage ist, für diese junge Dame, für die ich keine spezielle Zuneigung empfinde, einen Ball auszurichten.“ Bei diesen Worten schüttelte er den Kopf, so albern fand er den Vorschlag seiner Tochter. „Warum liegt dir denn so viel daran?“

Ganz offensichtlich war Margot bei dieser Frage rot geworden. Lynetta fand, dass das einer ihrer gravierendsten Fehler war – Margot konnte nie verbergen, was in ihrem Kopf vorging, weil ihre helle Haut schon beim kleinsten Anlass rosa und schließlich puterrot wurde.

„Ich verstehe“, meinte ihr Vater schließlich wohlwollend, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und faltete die Hände auf seinen Bauch. „Hast du etwa ein Auge auf einen jungen Gentleman geworfen? Geht es darum?“

Also … sie war nun wirklich nicht erpicht darauf, ihn darüber aufzuklären, dass sie auf alle ein Auge geworfen hatte. Sie nestelte an einer Haarsträhne, die auf ihrer Schulter lag. „Also, ganz so hätte ich das nicht ausgedrückt“, murmelte sie, während sie angelegentlich das Brokatmuster eines Sessels im Arbeitszimmer ihres Vaters betrachtete. „Es gibt niemand Besonderen, ehrlich nicht.“

Ihr Vater grinste. „Also gut. Ihr sollt ja auch euren Spaß haben. Veranstalte von mir aus deinen Ball“, sagte er und scheuchte sie mit einer Handbewegung hinaus.

Ein paar Wochen später fielen alle Bewohner aus einem Umkreis von fünfzig Meilen um Norwood Park herum in der Gegend ein, denn es war in ganz England bekannt, dass die Bälle auf Norwood Park so luxuriös und elegant waren, wie man es sonst nur in den Häusern von Mayfair in London erlebte.

In den fünf vergoldeten Leuchtern brannten Dutzende von Bienenwachskerzen und auf der Tanzfläche drehten sich junge Damen in Kleidern in allen Farben des Regenbogens. Beim Zuschauen konnte einem schwindelig werden. Die lebhafte Musik stammte von einer Kapelle, die eigens aus London angereist war. Die Damen hatten ihr Haar mithilfe von Draht und Netzen hoch und kunstvoll aufgetürmt. Ihre Frisuren wirkten, als ob es keine Schwerkraft gäbe. Ihre Tanzpartner waren attraktive junge Männer aus gutem Hause. Sie kleideten sich in Brokat und Seide, ihre Westen und Jacken waren kunstvoll bestickt. Ihre Perücken waren frisch gepudert und ihre Schuhe waren so auf Hochglanz poliert, dass sich das Kerzenlicht, das sich von den Leuchtern an der Decke in den Saal ergoss, in ihnen spiegelte.

Sie tranken französischen Champagner, obwohl es eigentlich verboten war, Handel mit Frankreich zu treiben, aßen Kaviar und schlüpften hin und wieder hinter eine der großen Topfpflanzen, um einen Kuss zu ergattern.

Margots Kleid war extra für diesen Anlass genäht worden – ihr Umhang war aus hellgrüner Seide und Lynetta sagte, dass diese Farbe ihre grünen Augen und ihr kastanienbraunes Haar besonders schön zur Geltung brachte. Ihren Haarturm hatte sie mit kleinen Vogelfiguren geschmückt, die kunstvoll aus Papier gefertigt waren. Um den Hals trug sie eine glitzernde Kette aus Diamanten und Perlen, die ihrer verstorbenen Mutter gehört hatte.

Margot hatte zu Ehren von Lynettas Geburtstag eine Torte backen lassen. Dieses essbare Bauwerk hatte drei Etagen, die Norwood Park nachempfunden waren. Sie war mitten im Saal aufgestellt worden und wurde von allen Gästen bestaunt. Auf den mit Zuckerguss verzierten Brüstungen tanzten kleine Figürchen aus Marzipan. In einer Ecke standen zwei Mädchenfiguren, eine blond und eine mit kastanienbraunem Haar, die Margot und Lynetta darstellen sollten.

Es waren so viele Gäste gekommen, dass es nicht genug Platz für alle zum Tanzen gab. Besonders Margot hatte an diesem Abend noch fast gar nicht getanzt. Trotzdem ließ sie Mister William Fitzgerald nicht aus den Augen, vielleicht hatte sie ja später noch Glück.

Mister Fitzgerald sah wirklich blendend aus in seinem silberfarbenen Brokat und der lockigen Perücke. Margot himmelte ihn jetzt schon seit zwei Wochen aus sicherer Entfernung an und dachte eigentlich, dass das Interesse beiderseitig sei, so wie er sich um sie bemühte. Aber heute Abend hatte er bereits alle anderen unverheirateten Frauen zum Tanz aufgefordert, nur sie nicht.

„Nimm dir das nicht so zu Herzen“, riet Lynetta ihr, die noch immer errötet war, weil sie die letzten drei Tänze getanzt hatte. „Es kann dafür nur zwei Gründe geben – entweder spart er sich den besten Tanz des Abends für dich auf oder er bringt es nicht über sich, dich aufzufordern, weil du so eine fürchterliche Tänzerin bist.“

Margot warf ihrer Freundin einen vernichtenden Blick zu. „Danke Lynetta, ich freue mich immer, wenn man mich daran erinnert, dass ich nicht tanzen kann.“ Wenn man Lynetta glauben durfte, war das ihr zweitgrößter Fehler – sie hatte einfach kein natürliches Rhythmusgefühl.

„Tja“, sagte Lynetta mit einem Schulterzucken, „ich wollte ja bloß eine plausible Erklärung dafür geben, warum er dir heute so gar keine Aufmerksamkeit schenkt.“

„Bitte, Liebes, pass auf, dass du dich nicht überanstrengst, wenn du mir dabei hilfst, zu verstehen, dass er an mir einfach nicht interessiert ist.“

„Aber es ist immer noch besser, wenn deine Art zu tanzen der Grund ist, als irgendetwas anderes, noch Schlimmeres“, stellte Lynetta gut gelaunt fest.

„Und was könnte das wohl sein?“, entgegnete Margot, die jetzt wirklich ein wenig gekränkt war.

„Ich wollte doch bloß sagen, dass es mir lieber wäre, wenn jemand etwas an meinen Tanzkünsten auszusetzen hätte, als wenn man es langweilig fände, sich mit mir zu unterhalten“, sagte Lynetta sanft. „Und sich mit dir zu unterhalten ist niemals langweilig.“

Margot wollte gerade zu einer Gegenrede ansetzen, aber im selben Augenblick ging ein Aufruhr durch die Menge der Gäste. Margot und Lynetta sahen sich um. Margot konnte keinen Anlass für die Aufregung erkennen. „Was ist denn los?“

„Ich kann überhaupt nichts erkennen“, meinte Lynetta, während sie und Margot die Hälse reckten, um zu sehen, was bei der Tür vor sich ging.

„Es ist irgendjemand gekommen“, erklärte ein Gentleman neben ihnen. „Ein unerwarteter Gast, wie mir scheint.“

Margot und Lynetta schnappten gleichzeitig nach Luft und rissen die Augen auf, während sie einander ansahen. Es gab nur einen einzigen Menschen von Bedeutung, der heute Abend nicht dabei war: der ausgesprochen begehrenswerte Montclare, der mit großem Bedauern abgesagt hatte, weil er nach London gerufen worden war. Lord Montclare hatte alles, was einen Mann zu einer ausgezeichneten Partie machte. Sein Vermögen verschaffte ihm ein Einkommen von zehntausend Pfund im Jahr; er würde eines Tages den Titel des Viscount of Waverly erben; er hatte rehbraune Augen mit dichten Wimpern und ein gewinnendes Lächeln und er kannte keine Allüren. Die Gerüchteküche behauptete allerdings, dass Montclare bereits ein Auge auf eine Erbin aus London geworfen hatte … aber trotzdem machten sich Margot und Lynetta Hoffnungen.

Die beiden Mädchen, die wie immer genau wussten, was die jeweils andere dachte, rannten fast aus dem Ballsaal auf den Balkon über der Eingangshalle, um sich den unerwarteten Gast anzusehen. Sie hatten es so eilig, dass sie mit ihren Handschuhen auf dem glatt polierten Stein der Brüstung beinahe abgerutscht wären, als sie sich darüber beugten.

Es war nicht Montclare. „Oh, bitte nicht“, murmelte Lynetta.

Es war nicht einmal einer der vielen Männer, die ständig von London nach Nordwood Park kamen, um Geschäfte mit Margots Vater oder ihren Brüdern zu besprechen. Die Männer, die eben durch das Eingangstor hereingekommen waren und jetzt auf den Marmorplatten in der Eingangshalle standen, sahen ganz anders aus als alle Männer, die Margot je gesehen hatte.

„Du lieber Gott“, wisperte Lynetta.

Du lieber Gott, das konnte man wohl sagen. Sie waren zu fünft, sie alle waren groß, breitschultrig und ziemlich muskulös. Ihr natürliches Haar war zu Zöpfen geflochten, jedenfalls bei allen außer dem Mann, der ganz vorne stand – seine dunklen Locken hingen ihm wild um den ganzen Kopf, so als hätte er sich überhaupt nicht frisiert. Ihre Mäntel waren mit Schlamm bespritzt, sie waren lang und hatten hinten einen Schlitz, damit man damit auf einem Pferd sitzen konnte. Ihre Reithosen und Westen waren weder aus Seide noch aus Brokat, sondern aus grober Wolle. Die Stiefel, die sie trugen, waren abgenutzt und an den Fersen abgetragen.

„Wer ist das denn?“, flüsterte Lynetta. „Ist das vielleicht fahrendes Volk?“

„Wegelagerer“, erwiderte Margot leise, und Lynetta kicherte ein wenig zu laut.

Als er Lynettas Lachen hörte, hob der Mann an der Spitze sofort den Kopf, er wirkte fast wie ein Tier, das etwas gewittert hatte. Er fixierte Margot mit seinem Blick. Sie hielt den Atem an. Sogar aus dieser Entfernung konnte sie erkennen, dass seine Augen eisblau und sein Blick durchdringend war. Er sah ihr in die Augen, während er mit großer Sorgfalt seine Reithandschuhe auszog. Sie dachte, dass sie den Blick abwenden sollte, aber sie konnte nicht. Ihr lief ein Schauer über den Rücken; sie hatte das schreckliche Gefühl, dass dieser Blick ihr direkt in die Seele drang.

Jemand sagte etwas und die fünf Männer setzten sich in Bewegung. Doch ganz kurz bevor er endgültig unter dem Balkon und damit aus ihrem Blickfeld verschwand, sah der Mann noch einmal zu Margot hinauf. Sein Blick war erschreckend klug und zog sie in seinen Bann.

Ein weiterer Schauer lief ihr über den Rücken.

Als die Männer nicht mehr zu sehen waren, gingen Margot und Lynetta in den Ballsaal zurück. Sie waren beide enttäuscht, dass der Fremde nicht Montclare gewesen war und suchten nach etwas, mit dem sie sich ablenken konnten.

Lynetta tanzte, während Margot einfach nur dastand und versuchte, sich die Angst, die sie empfand, nicht anmerken zu lassen. Tanzte sie wirklich so schlecht? Ganz offensichtlich, denn es hatte sie noch niemand aufgefordert.

Endlich wurde die Glocke geläutet und die Torte serviert und Margot kam es so vor, als wären Stunden vergangen. Einer der Lakaien reichte Margot einen Champagnerkelch. Sie mochte es, wie die Bläschen sie in der Nase kitzelten und nippte eifrig daran, während Lynetta und sie nebeneinander standen und darauf warteten, dass Quint, der Butler von Norwood Park, ihnen ein Stück Torte brachte.

„Oh mein Gott!“, flüsterte Lynetta aufgeregt und stupste Margot mit der Schulter an.

„Was ist?“

„Da ist Fitzgerald.“

„Wo denn?“, flüsterte Margot mindestens ebenso aufgeregt und tupfte sich die Lippen ab, um jede Spur von Champagner zu beseitigen.

„Er kommt direkt auf uns zu!“

„Sieht er mich an? Möchte er zu mir?“, fragte Margot, aber noch ehe Lynetta die Frage beantworten konnte, stand Mister Fitzgerald schon vor ihnen.

„Miss Armstrong“, sagte er und beugte sich tief über sein ausgestrecktes Bein, während er den Arm zur Seite streckte. Ihr war schon seit einiger Zeit aufgefallen, dass die jungen Männer aus London sich jetzt auf diese Art und Weise verbeugten. „Miss Beauly, erlauben Sie mir, dass ich Ihnen meine herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem Geburtstag überbringe?“

„Vielen Dank“, meinte Lynetta. „Ähm … ich bitte vielmals um Verzeihung, aber ich wollte, äh … ich glaube, ich sollte mir ein Stück Torte holen.“ Sie entfernte sich zögerlich, sodass Margot allein mit Fitzgerald zurückblieb.

„Ah … “ Du lieber Gott, Margots Herz flatterte wie ein Schmetterling. „Wie gefällt Ihnen der Ball?“

„Prachtvoll“, sagte er. „Sie sind wirklich zu beglückwünschen.“

„Aber nicht doch.“ Sie fühlte, wie sich wegen seines Kompliments ein albernes Grinsen in ihrem Gesicht ausbreitete. „Lynetta hat mir natürlich geholfen.“

„Natürlich.“ Mister Fitzgerald trat auf seinen anderen Fuß, um sich neben sie zu stellen, und Margot spürte durch den engen Ärmel ihres Kleides hindurch, wie ihre Haut an der Stelle zu kribbeln begann, an der sein Arm sie berührt hatte. „Miss Armstrong, würden Sie mir die Ehre erweisen? Darf ich Sie um den nächsten Tanz bitten?“

Margot schob die aufkeimende Angst beiseite, dass sie ihm dabei einen Zeh brechen könnte. „Es wäre mir ein großes Vergnügen …“

„Miss Armstrong.“

„Wie bitte? Was ist?“, fragte sie geistesabwesend, als jemand sie am Ellenbogen fasste.

Mister Fitzgerald lächelte. „Ihr Butler“, sagte er und deutete dabei mit einem Nicken auf jemanden hinter ihr.

Margot riss ihren Blick von Mister Fitzgerald los und drehte sich um, um Quint anzusehen. „Ja?“, fragte sie unwirsch.

„Ihr Vater bittet darum, dass Sie ihm im Esszimmer der Familie Gesellschaft leisten.“

Margot blinzelte verwirrt. Was für ein ungünstiger Zeitpunkt! „Jetzt sofort?“ Sie versuchte, ihrer Stimme einen engelsgleichen Klang zu geben, konnte aber nicht verhindern, dass sie ein wenig fauchte.

„Soll ich auf Ihren Champagner aufpassen, bis Sie zurück sind?“, fragte Mister Fitzgerald.

Margot hoffte, dass man ihr nicht ansah, wie lächerlich froh sie über dieses Angebot war. Aber sie traute den jungen Damen keine Sekunde lang über den Weg, die sie beziehungsweise Mister Fitzgerald wie Haie umkreisten. „Ähm … “ Sie warf Quint einen bittenden Blick zu. „Kann Papa sich nicht vielleicht ein wenig gedulden?“

Doch Quint sah sie wie immer vollkommen gelassen an. „Er hat darum gebeten, dass Sie sofort kommen.“

„Gehen Sie schon“, sagte Mister Fitzgerald mit einem warmen Lächeln. „Wir können immer noch zusammen tanzen, wenn Sie wieder da sind.“ Er nahm ihr das Glas aus der Hand und neigte höflich den Kopf.

„Sie sind zu gütig, Mister Fitzgerald. Es dauert sicher nur einen Augenblick.“ Margot wirbelte herum und bedachte den armen alten Quint mit einem wütenden Blick. Dann raffte sie ihre Röcke und stürmte hinaus.

Als sie das Esszimmer betrat, wurde sie von einer Wolke aus Pferde- und Männergeruch eingehüllt. Margot schluckte schwer, um ihren Ekel zu verbergen. Zu ihrer Überraschung saß ihr Vater mit den raubeinigen Männern zusammen, die vorhin auf Norwood Park angekommen waren. Ihr Bruder Bryce war auch da und betrachtete die Männer mit einem Blick, als ob er es mit wilden Tieren zu tun hätte. Vier von den fünf Männern waren noch dabei, eine Mahlzeit zu verschlingen. Die Geräusche, die sie dabei machten, erinnerten tatsächlich an ein Rudel Tiere, das lange nichts zu fressen bekommen hatte.

„Ah, da ist sie ja, meine Tochter Margot“, sagte ihr Vater und erhob sich, um sie an der Hand zu fassen.

Zögernd ging sie auf ihn zu und ergriff seine Hand, dabei machte sie vor ihm einen Knicks. Aus der Nähe konnte sie sehen, dass der Mann mit den eisblauen Augen vor Dreck starrte. Wahrscheinlich waren sie mehrere Tage lang unterwegs gewesen. Er trug einen dunklen, ungepflegten Bart, und sie fragte sich beiläufig, ob er vielleicht sein Rasierzeug verloren hatte. Er selbst musterte sie mit einem anmaßenden Blick. Sein Blick blieb an ihrer Frisur hängen – die Papiervögel schienen ihn besonders zu interessieren –, an ihrem Gesicht und ihrem Mieder und schließlich beäugte er sie noch einmal von oben bis unten.

Wie ungehobelt. Margot sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, aber der Ärger in ihrem Blick schien ihn zu amüsieren. Seine blauen Augen funkelten, als er sich langsam von seinem Stuhl erhob. Er war mehr als einen Kopf größer als sie.

„Margot, ich möchte dir Chieftain Arran Mackenzie vorstellen. Mackenzie, meine einzige Tochter, Miss Margot Armstrong.“

Mackenzie zog einen Mundwinkel hoch. Wusste er denn nicht, dass es unhöflich war, sie so anzustarren? Margot machte noch einen formvollendeten Knicks und streckte die Hand aus. „Wie geht es Ihnen, Sir?“

„Sehr gut, Miss Armstrong.“

Er sprach mit einem tiefen, melodischen Dialekt, der ihr fremd war, und beim Klang seiner Stimme verspürte sie ein Kribbeln im Nacken.

„Und wie geht es Ihnen?“, fragte er und nahm ihre Hand. Seine Hand war riesig, und Margot spürte Schwielen an seinem Daumen, als er ihr damit über die Knöchel strich. Margot musste an Mister Fitzgerald denken – an seine langen, schlanken und perfekt gepflegten Finger. Mister Fitzgerald hatte die Hände eines Künstlers. Dieser Mann hier hatte Bärenpranken.

„Mir geht es gut, danke“, entgegnete sie und entzog ihm blitzschnell ihre Hand. Sie sah ihren Vater erwartungsvoll an. Er schien es ganz und gar nicht eilig zu haben, sie wieder gehen zu lassen, nachdem er sie den Männern vorgestellt hatte. Wie lange sollte sie denn noch bleiben? Mister Fitzgerald stand schließlich immer noch im Ballsaal mit zwei Champagnerkelchen in den Händen. Sie sah die jungen Damen geradezu vor sich, die sich ihm immer weiter näherten und ihn umkreisten, sodass sie zuschlagen und ihre Beute forttragen konnten wie ein Schwarm Raubvögel.

„Mackenzie wird demnächst Baron“, sagte ihr Vater. „Dann ist er der Lord of Balhaire.“

Und warum sollte sie das interessieren? Aber Margot war eine pflichtbewusste Tochter und deshalb lächelte sie den Mann vage an und sagte: „Sie sind bestimmt sehr zufrieden.“

Der Mann legte den Kopf zur Seite, damit er ihr in die Augen sehen konnte, ehe er antwortete. „Aye, allerdings.“ Nun blickte er ihr ungeniert auf den Mund. „Ich glaube, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie zufrieden ich bin, Miss Armstrong.“

Ein heftiger Schauer überlief Margot. Wieso sah er sie so an? Er war so unverschämt, so direkt! Und ihr Vater? Der stand einfach nur daneben!

„Vielen Dank, Margot“, meinte ihr Vater irgendwo neben ihr – sie war sich nicht ganz sicher, woher seine Stimme kam, denn sie konnte den Blick kaum von diesem Tier von einem Mann abwenden. „Du kannst jetzt wieder zu deinen Freunden gehen.“

Was sollte das? Sie kam sich vor wie ein preisgekröntes Zuchtschaf, das man auf einer Ausstellung präsentierte. Sehen Sie sich die feine Wolle von dem hier an. Sie war aufgebracht – manchmal schien ihr Vater einfach zu vergessen, dass sie nicht nur ein Gegenstand war, den man hochhalten konnte, damit andere ihn bestaunten.

Sie sah dem Mann direkt in seine eisblauen Augen und sagte: „Es hat mich sehr gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Es freute sie überhaupt nicht – es war ein Ärgernis – und sie hoffte, dass der Mann das in ihren Augen erkennen konnte. Und wenn er es nicht begriffen hatte, dann vielleicht einer von seinen Leuten. Sie hatten alle aufgehört zu essen und starrten sie an, fast so, als hätten sie noch nie zuvor eine Frau gesehen. Ihrem Aufzug und ihren Tischmanieren nach zu urteilen, konnte das sogar gut sein.

„Vielen Dank, Miss Armstrong“, sagte der Chieftain mit einer Stimme, die so tief und melodisch war, dass Margot das Gefühl hatte, man glitte ihr mit einer Feder das Rückgrat entlang. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, aye?“ Er lächelte.

Bei diesen Worten und diesem Lächeln fühlte sich Margot seltsam warm und schwach. Sie machte, dass sie wegkam, sie wollte so weit von diesen Männer fort, wie es ging.

Als sie in den Ballsaal zurückkehrte, war sein Name jedoch schon wieder vergessen, denn Mister Fitzgerald tanzte gerade mit Miss Remstock. Von Margots Champagner war weit und breit nichts zu sehen und sie konnte an nichts anderes mehr denken.

Am nächsten Nachmittag eröffnete ihr Vater ihr, dass er sie dem Tier Mackenzie zur Ehe versprochen hatte und kümmerte sich überhaupt nicht darum, dass sie weinte.

1. KAPITEL

Schottische Highlands

1710

Es war eine warme Sommernacht mit Vollmond in Schottland und es regte sich kein Lufthauch, sodass man das Meer in der Ferne so deutlich hören konnte, als ob man in der Grotte am Strand unter Castle Balhaire stünde. Die Fenster der alten Festung standen offen, um die kühle Nachtluft hereinzulassen, und die große Halle wurde von unzähligen Fackeln erleuchtet.

Das Innere des mittelalterlichen Gemäuers war luxuriös umgebaut worden, passend für einen König – oder zumindest für einen schottischen Chieftain, der einen florierenden Seehandel betrieb. Der Clanchef, der Baron of Balhaire, Arran Mackenzie, saß dort inmitten seiner Männer. Sie hatten sich frisches Ale bringen lassen und ein paar Mädchen, die ihnen Gesellschaft leisteten.

Auf der Spitze des Wachturms von Balhaire vertrieben sich drei Wachmänner die Zeit mit Würfelspielen. Seamus Biven hatte seinen alten Freund Donald Thane mit dem letzten Wurf schon um zwei Sgillin erleichtert. Zwei Sgillin waren für einen Wachmann auf Balhaire kein Vermögen, denn Mackenzie war großzügig zu denen, die ihm gegenüber loyal waren, aber trotzdem, wenn Seamus noch zwei Sgillin gewann, fühlte Donald den Verlust schmerzlich an seiner Geldbörse und auch an seiner Ehre. Ein heftiger Wortwechsel entbrannte, und die beiden Männer rappelten sich auf und wollten gerade nach ihren Musketen greifen, die sie an die Mauer gelehnt hatten. Sweeney Mackenzie, ihr Kommandant, hatte nichts dagegen, wenn seine Männer so eine Sache im Kampf klärten, aber er hatte ein Geräusch gehört. Deshalb sprang er auf und schob sich zwischen die beiden Streithähne, sodass er sich mit den Händen zwischen sie stemmen konnte. „Pssst!“, zischte er, um sie zum Schweigen zu bringen. „Habt ihr das nicht gehört?“

Die beiden Männer schwiegen, reckten die Hälse und lauschten. Das Getrappel einer Kutsche, die sich der Burg zu nähern schien, hallte im Schatten der Hügel wider. „Wer zum Teufel?“, murmelte Seamus und hatte seine Wut auf Donald schon vergessen. Er beugte sich über die Mauer, um Genaueres erkennen zu können.

„Und?“, erkundigte Donald sich, der sich hinter ihm an die Mauer drängte. „Wer kommt denn da? Einer von den Gordons vielleicht?“

Seamus schüttelte den Kopf. „Bestimmt kein Gordon.“

„Dann einer von den Munros“, meinte Sweeney. „Ich habe gehört, die haben ein Auge auf Mackenzies Land geworfen.“ Balhaire hatte relativ friedliche Zeiten hinter sich, aber das Gleichgewicht in den Bündnissen zwischen den Clans konnte jederzeit wieder kippen.

„Auch kein Munro“, sagte Seamus.

Jetzt konnten sie alle die Kutsche sehen, die von vier Pferden gezogen wurde. Zwei Reiter folgten ihr, und zwei Wächter ritten neben dem Kutscher her. Der Postillion hielt eine Laterne hoch, um ihnen den Weg zu leuchten, dazu kam noch das Licht von den Laternen an der Kutsche.

„Wer zur Hölle taucht denn hier nach Mitternacht noch auf?“, rief Donald.

Seamus schnappte plötzlich nach Luft. Er starrte blinzelnd zur Kutsche hinunter. „Nein“, sagte er mit ungläubig.

Seine beiden Begleiter sahen sich an. „Wer ist es denn jetzt?“, fragte Donald. „Bloß kein Buchanan“, fuhr er fort, dabei war seine Stimme nur noch ein Flüstern. Die Buchanans hatten den Mackenzies über die Jahre am meisten Ärger bereitet.

„Schlimmer“, erwiderte Seamus mit ernster Stimme. Er wirkte verängstigt.

„Um Gottes willen, jetzt sag schon, wer es ist, bevor ich es aus dir herausprügle“, fluchte Sweeney, der jetzt sichtlich beunruhigt war.

„Das ist … das ist Lady Mackenzie“, sagte Seamus so leise, dass er kaum noch zu verstehen war.

Die beiden anderen schnappten nach Luft. Doch dann drehte Sweeney sich auf dem Absatz um, griff nach seiner Waffe und beeilte sich, Mackenzie zu warnen, dass seine Frau nach Balhaire zurückgekehrt war.

Leider war es ziemlich mühsam, vom höchsten Punkt der Burg deren Hof zu erreichen, und als Sweeney schließlich an seinem Ziel angelangt war, kam die Kutsche bereits auf den Hof gerollt. Die Türen wurden aufgerissen und ein Tritt wurde ausgeklappt. Er erblickte einen kleinen Fuß in einem eleganten Schuh auf der Stufe und rannte los.

Arran Mackenzie genoss das Gefühl des weichen Hinterteils einer Frau auf seinem Schoß und den Duft ihrer Haare in seiner Nase, ganz besonders wenn er dabei auch noch in der goldenen Wärme von gutem Ale badete. Er hatte ausführlich von dem Fass probiert, das sein Cousin und sein Heerführer gebraut hatten. Jock Mackenzie hielt sich selbst für einen echten Braumeister.

Arran lag eher auf seinem Stuhl als dass er saß und strich mit den Fingern den Rücken der Frau hinab, dabei versuchte er beiläufig, sich an ihren Namen zu erinnern. Wie hieß sie noch gleich – Aileen? Irene?

„Mylord! Mackenzie!“, rief jemand.

Arran legte den Kopf zur Seite, um an den blonden Locken der Frau vorbeisehen zu können, die auf seinem Schoß saß. Sweeney Mackenzie, einer seiner besten Wachleute, brüllte ihn vom hinteren Teil der Halle her an. Der arme Mann hielt sich dabei die Brust, als ob sein Herz kurz davor wäre zu versagen und er war anscheinend ganz außer sich, während er sich überall in der großen Halle umsah. „W-w-wo ist er?“, fragte er einen Betrunkenen, der neben ihm stand. „W-w-wo ist Mackenzie?“

Sweeney war ein furchtloser Krieger und ein gewissenhafter Kommandant. Aber wenn er sich aufregte, stotterte er manchmal noch immer wie damals, als sie Kinder gewesen waren. Normalerweise gab es wenig, was den alten Haudegen aus der Fassung bringen konnte, deshalb wurde Arran hellhörig. „Hier, Sweeney“, rief er und schob das Mädchen von seinem Schoß. Er setzte sich auf und winkte seinen Gefolgsmann zu sich. „Was hat dich denn so durcheinandergebracht?“

Sweeney eilte herbei. „Sie ist z-z-z-zurück“, stieß er atemlos hervor.

Arran runzelte verwirrt die Stirn. „Wie bitte?“

„Die L-L-L… “ Sweeneys Zunge schien ihm an den Lippen zu kleben. Er schluckte und versuchte noch einmal, die Worte herauszubringen.

„Atme tief durch, mein Junge“, sagte Arran, der jetzt aufgestanden war. „Immer mit der Ruhe. Wer ist gekommen?“

„L-L-L-Lady Mackenzie“, sagte er endlich.

Der Name schien in der Luft zwischen Arran und Sweeney zu hängen. Das musste ein Missverständnis sein – Arran sah Jock an, der genauso ratlos wirkte wie er selbst. Kam ihm das nur so vor oder war es in der Halle inzwischen sehr ruhig geworden?

Er wandte sich wieder Sweeney zu und sagte ruhig: „Atme noch einmal tief durch, Mann. Du musst dich irren …“

„Er irrt sich keineswegs.“

Beim Klang dieser vertrauten, scharfen, englischen Frauenstimme drehte Arran sich abrupt um. Er blinzelte, um in den hinteren Teil der Halle sehen zu können, aber die Fackeln qualmten und flackerten, sodass er kaum etwas erkennen konnte. Er konnte kaum einzelne Personen unterscheiden – aber das war auch gar nicht nötig: Die Laute des Erschreckens, die von den zwei Dutzend Anwesenden kamen, bestätigten ihm, was er wissen musste. Die Hure, mit der er verheiratet war, war nach Balhaire zurückgekehrt. Nachdem sie sich drei Jahre lang nicht hatte blicken lassen, war sie jetzt plötzlich unerklärlicherweise wieder da.

Die eine Hälfte seines Clans würde das bestimmt als großes Ereignis betrachten, die andere Hälfte als Katastrophe. Arran selbst konnte sich nur drei mögliche Gründe dafür vorstellen, dass seine Ehefrau jetzt plötzlich vor ihm stand: Entweder war, erstens, ihr Vater gestorben, und sie konnte nirgendwo hin außer zu ihrem ihr rechtmäßig angetrauten Ehemann. Oder ihr war, zweitens, Arrans Geld ausgegangen. Vielleicht wollte sie sich auch, drittens, von ihm scheiden lassen.

Er verwarf den Gedanken an einen möglichen Tod seines Schwiegervaters sofort wieder. Falls der Mann gestorben wäre, hätte er bereits davon erfahren – er hatte einen Mann nach England geschickt, der immer ein Auge auf seine treulose Ehefrau hatte.

Die Menge teilte sich, als die kastanienbraune Schönheit in die Halle geglitten kam wie eine schlanke Galleone. Sie wurde von zwei Engländern begleitet, die Jacken aus feiner Wolle und gepuderte Perücken trugen.

Sie konnte unmöglich schon sein ganzes Geld ausgegeben haben. Er war doch immer großzügig zu ihr gewesen. Was ein Fehler gewesen war, wenn man Jock Glauben schenkte. Vielleicht hatte er recht, aber Arran ließ sich nicht nachsagen, dass er nicht gut für seine Frau sorgte.

Der spektakuläre Auftritt dieser seiner Frau wurde plötzlich von einem von Arrans alten Jagdhunden unterbrochen, der fast blind war. Roy hatte sich ausgerechnet diesen Augenblick ausgesucht, um über die plötzlich frei gewordene Fläche zu trotten und sich dort niederzulassen. Er legte seinen Kopf zwischen seine Pfoten auf den kalten Steinboden und kümmerte sich nicht im Geringsten um das Treiben der Menschen um ihn herum. Er seufzte laut und war offensichtlich dabei, es sich für ein Nickerchen bequem zu machen.

Seine Frau raffte elegant ihren Umhang und stieg über das Tier hinweg. Ihre beiden Begleiter umrundeten den Hund.

Während sie auf ihn zukam, ging Arran auf, dass die dritte Möglichkeit wohl die wahrscheinlichste war. Sie war hier, um um die Scheidung zu bitten oder eine Annullierung der Ehe – was eben nötig war, um sich von ihm zu befreien. Andererseits konnte er sich nicht vorstellen, dass sie den ganzen Weg auf sich genommen hatte, nur um ihn darum zu bitten. Hätte sie dafür nicht jemanden schicken können? Oder vielleicht, überlegte er weiter, während sie auf die Empore zuhielt, wollte sie ihn noch einmal demütigen.

Margot Armstrong Mackenzie stand nun vor ihm, hatte die Hände vor sich gefaltet und lächelte die erschrockenen, sprachlosen Menschen um sich herum zögernd an. Ihre beiden Begleiter hatten sich direkt hinter ihr postiert und blickten sich misstrauisch in der Halle um, dabei umklammerten sie die Griffe ihrer kurzen Schwerter. Glaubten die etwa, dass sie sich den Weg nach draußen freikämpfen mussten? Vollkommen abwegig war dieser Gedanke nicht, denn auf den Gesichtern von einigen von Arrans Leuten war deutlich abzulesen, dass sie einer Auseinandersetzung nicht abgeneigt waren – es lag den Schotten nicht, einer Rauferei aus dem Weg zu gehen.

Also kein Todesfall. Kein Geldmangel. Er hatte die Scheidung noch nicht ganz abgeschrieben, aber was auch immer der Grund sein mochte, Arran wurde plötzlich sehr wütend. Wie konnte sie es wagen zurückzukommen?

Er sprang von der Empore herab und trat auf sie zu. „Schneit es in der Hölle?“, fragte er mit ruhiger Stimme, während er sich ihr näherte.

Sie sah sich in der Halle um. „Ich kann keine Spur von Schnee erkennen“, erwiderte sie und zog sich die Handschuhe aus.

„Bist du mit dem Schiff gekommen oder auf deinem Besen?“

Irgendjemand auf der Empore lachte leise. „Mit dem Schiff und mit der Kutsche“, entgegnete sie freundlich, ohne auf seine Beleidigungen einzugehen. Sie neigte den Kopf und sah ihn von oben bis unten an. „Es scheint, dass es dir gut geht, Mylord, mein Ehemann.“

Arran schwieg. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Drei Jahre waren eine lange Zeit, und er musste befürchten, dass alles, was er tat, einen Sturm von Emotionen auslösen könnte, die er lieber nicht mit seinen Leuten teilen wollte.

Während er sie schweigend ansah, blickte Margot sich um, sie musterte die Fackeln, die eisernen Kronleuchter, die Hunde, die in der großen Halle herumliefen. Hier war alles anders als auf Norwood Park. Sie hatte sich nie etwas aus diesem riesengroßen Saal gemacht, der jetzt schon seit Jahrhunderten das Herz von Balhaire war. Sie hatte sich immer nach etwas Kultivierterem gesehnt; einem eleganten Salon, einem Ballsaal in London oder Paris. Aber für Arran hatte diese Halle alles, was er brauchte. Es gab zwei lange Tafeln, an denen sein ganzer Clan Platz hatte, auf beiden Seiten waren riesige gemauerte Feuerstellen, um die Halle zu heizen. Das hallende Klackern von Stiefeln auf dem Steinboden wurde von einigen Teppichen gedämpft, und ihm gefiel das flackernde Licht der Fackeln.

„Es sieht hier noch immer so entzückend altmodisch aus“, sagte sie, als wüsste sie, was in ihm vorging. „Alles ist genau wie immer.“

„Nicht alles“, stellte er fest, „mit dir habe ich nicht gerechnet.“

„Ich weiß“, gab sie zurück und zuckte dabei ein klein wenig zusammen. „Und dafür entschuldige ich mich.“

Er wartete ab, ob sie noch mehr zu sagen hatte. Sie war ihm eine Erklärung schuldig. Eigentlich hätte sie ihn auch um Verzeihung bitten müssen. Aber das war ganz offensichtlich schon alles, denn sie blickte jetzt an ihm vorbei zur Empore hinauf. „Oh, wie wunderbar“, sagte sie. „Du hast doch tatsächlich etwas Neues angeschafft.“

Blinzelnd sah er sich um. Die Empore war das Einzige, abgesehen vom Fußboden und den Mauern, was seit dem Bau der großen Halle unverändert geblieben war. Auf der einfachen, erhöhten Plattform hatten der Chieftain und seine Berater über die Jahre all ihre Mahlzeiten eingenommen. Jetzt waren die Regeln nicht mehr ganz so streng, aber Arran bevorzugte den Platz auf der Empore trotzdem, weil er von dort oben die ganze Halle überblicken konnte.

Es dauerte eine Weile, bis ihm klar geworden war, dass sie den geschnitzten Tisch und die gepolsterten Stühle gemeint hatte, die er kürzlich von einer seiner Handelsreisen mitgebracht hatte, genau wie die beiden silbernen Leuchter, die den Kopf des Tisches schmückten. Er hatte sie als Bezahlung von einem Mann angenommen, der in Schwierigkeiten geraten war und dringend ein paar Pferde brauchte, um sich vor den Beamten des Königs in Sicherheit zu bringen.

„Die kommen aus Frankreich, oder?“, fragte sie. „Sie sehen auf jeden Fall sehr französisch aus.“

Was sollte französisch aussehen? Und wieso war das jetzt gerade von Bedeutung, wenn sich doch im Moment etwas viel Wichtigeres abspielte? Die Eheleute Mackenzie of Balhaire befanden sich gemeinsam im selben Raum und niemand hatte seine Waffe gezückt! Ruft sofort einen Boten! Verkündet die Neuigkeit! Was zum Teufel wollte seine Frau hier? Drei Jahre lang hatte sie nichts von sich hören lassen und jetzt redete sie plötzlich ununterbrochen von seinem Esstisch. Warum war sie ohne Vorwarnung aufgetaucht, ohne eine Nachricht, vor allem, nachdem sie ihn auf so schmähliche Art und Weise verlassen hatte?

Ihre Unverfrorenheit machte ihn unbeherrschbar wütend; das Herz klopfte ihm unangenehm heftig in der Brust. „Ich hab nicht mit dir gerechnet und würde gern wissen, was dich hier nach Balhaire verschlagen hat, Madam.“

„Aye!“, rief jemand weiter hinten in der Halle.

„Du lieber Himmel, ich bitte um Verzeihung.“ Sie sank sofort in einen tiefen Knicks. „Ich war so abgelenkt von der vertrauten Umgebung hier, dass ich ganz vergessen habe, meine Heimkehr zu erklären.“ Sie lächelte selig und streckte ihm die Hand entgegen, damit er ihr aufhelfen konnte.

„Deine Heimkehr?“ Er schnaubte, so absurd fand er diese Aussage.

„Ja, Heimkehr. Du bist mein Ehemann. Das heißt, das hier ist mein Zuhause.“ Sie wedelte mit den Fingern, um ihn daran zu erinnern, dass sie ihm noch immer die Hand entgegenstreckte.

Oh, er war sich ihrer Hand sehr wohl bewusst und vor allem ihres Lächelns, denn bei diesem Anblick brannte es in Arrans Brust. Sie hatte auf beiden Seiten des Mundes Grübchen, und ihre leuchtend grünen Augen funkelten im düsteren Licht der Halle. Er bemerkte, dass einige Strähnen ihres kastanienbraunen Haars unter der Kapuze des Umhangs hervorlugten, dunkle Locken, die sich vor ihrer glatten, blassen Haut scharf abzeichneten.

Sie lächelte noch immer und wedelte abermals mit den Fingern. „Willst du mich nicht endlich begrüßen?“

Arran zögerte. Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, seine schlammbespritzte Reitkleidung zu wechseln, nur seine Jacke hatte er irgendwo abgelegt und dann sein Hemd bis zur Brust geöffnet. Sein Haar hatte er nur mit den Fingern gekämmt und es hing ihm in einem losen Zopf über den Rücken. Außerdem hatte er sich seit Tagen nicht rasiert, wahrscheinlich stank er sogar ein wenig. Aber schließlich ergriff er dennoch ihre Hand und hielt sie fest.

Sie hatte so zarte, zerbrechliche Knochen. Er schloss seine schwieligen Hände um ihre Finger und zog Margot mit solcher Kraft zurück auf die Füße, dass sie einen kleinen Satz nach vorn machte. Jetzt stand sie so nah vor ihm, dass sie den Kopf auf ihrem Schwanenhals in den Nacken legen musste, wenn sie ihm in die Augen schauen wollte.

Er sah sie zornig an und versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging.

Sie hob eine ihrer dunklen Augenbrauen. „Heißt mich zu Hause willkommen, Mylord“, sagte sie und dann – mit einem teuflischen Funkeln in den Augen – überraschte sie ihn damit, dass sie sich auf die Zehenspitzen stellte, ihm die Arme um den Hals legte und seinen Kopf zu sich heranzog, um ihn zu küssen.

Verfluchte Hölle, Margot küsste ihn. Das war mindestens ebenso überraschend wie ihr plötzliches Auftauchen. Und es war auch ganz und gar kein unschuldiger Kuss, nicht wie die Küsse, die er bisher von seiner jungen Braut gewohnt war, schüchtern und prüde, wie vor drei Jahren, als sie ihn verlassen hatte. Das hier war ein richtiger Kuss, wie von einer reifen Frau, mit vollen Lippen. Dabei spielte sie mit ihrer Zunge und zupfte mit den Zähnen an seiner Unterlippe. Nachdem sie ihn geküsst hatte, sank sie zurück auf die Füße und lächelte ihn an. Dabei glänzten ihre grünen Augen im Licht der Fackeln, mit denen die Halle beleuchtet wurde.

Der Kuss hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Ein kleines bisschen von Arrans Wut verwandelte sich in Lust, während er sie anstarrte. Sie sah noch genauso aus wie früher – nur vielleicht ein bisschen kräftiger – aber das hier war nicht mehr die Braut, die Balhaire in Tränen aufgelöst den Rücken gekehrt hatte. Arran zog ihr mit einer groben Geste die Kapuze vom Kopf. Ihr Haar war dicht und kastanienbraun und er berührte die Locken, die ihr Gesicht umrahmten. Er achtete nicht darauf, dass sie die Stirn runzelte, während er die Spange ihres Umhangs löste. Als er ihn öffnete, kam darunter ein knapp geschnittenes Reisekleid zum Vorschein und die makellose Wölbung ihrer Brüste unter goldfarbenem Brokat. Dann fiel ihm jedoch noch etwas anderes auf – die Kette mit den Smaragden, die er ihr zur Hochzeit geschenkt hatte, glitzerte an ihrer Kehle. Sie sah hinreißend aus. Verführerisch. Sie war ein köstliches Mahl für einen Mann, das man Stück für Stück genießen musste.

Aber sie hatte sich geirrt, wenn sie glaubte, dass er noch immer von ihrem Tisch essen wollte.

„Ich habe den Eindruck, mein Geldbeutel ist dir nicht fremd“, sagte er, während er ihr Seidenkleid bewunderte. „Und du erfreust dich offensichtlich bester Gesundheit.“

„Vielen Dank“, antwortete sie höflich und hob ein wenig den Kopf. „Und du siehst …“ Sie schwieg, während sie ihn in seinem schlampigen Aufzug von oben bis unten musterte. „… aus wie immer.“ Sie rang sich ein schiefes Lächeln ab.

Der Duft, der von ihr ausging, war berauschend, und in seinem Kopf schwirrten lauter Bilder aus seiner Erinnerung umher. Wie sie nackt in seinem Bett lag. Wie sie ihre langen Beine um ihn geschlungen hatte, ihr parfümiertes Haar, ihre jungen, vollen Brüste in seinen Händen.

Sie wusste genau, woran er dachte; das konnte er ihr ansehen. Sie wandte sich etwas von ihm ab und sagte: „Darf ich dir Mister Pepper und Mister Worthing vorstellen? Sie waren so nett, mich hierher zu begleiten.“

In der Menge entstand plötzlich Unruhe – auch wenn die Königreiche Schottland und England seit Kurzem vereinigt waren, herrschte nicht gerade Liebe zu den Engländern in seinem Clan, vor allem nicht, nachdem sich diese Ehe als Katastrophe herausgestellt hatte.

Arran würdigte die englischen Lackaffen kaum eines Blickes. „Wenn ich gewusst hätte, dass du zurück nach Balhaire kommst, hätte ich meine besten Männer geschickt, um dich abzuholen, aye? Es ist wirklich nachlässig von dir, dass du nicht Bescheid gesagt hast.“

„Das wäre wirklich sehr nett von dir gewesen“, sagte sie beiläufig. „Darf ich dich darum bitten, dass wir etwas zum Abendessen bekommen? Ich bin ganz ausgehungert und bin sicher, diesen guten Männern hier geht es nicht anders. Ich hatte ganz vergessen, wie wenig Gasthäuser es in den Highlands gibt.“

Arran war ein wenig betrunken und ein bisschen erschrocken … aber nicht so sehr, dass er seiner Frau gestattet hätte, nach drei verdammten Jahren einfach so in seine Burg gesegelt zu kommen und so zu tun, als wäre das alles vollkommen normal und sie wäre ihm keine Erklärung schuldig. Er wollte Antworten haben, aber nicht, wenn ihnen dabei alle Ohren der Mackenzies lauschten. „Musik!“, bellte er.

Jemand hob eine Flöte an den Mund und fing an zu spielen, dabei ergriff Arran Margots Handgelenk und zog sie an sich. Er sprach so leise, dass niemand hören konnte, was er zu sagen hatte. „Du kommst nach Balhaire, ohne Vorwarnung, nachdem du einfach abgehauen bist und dann besitzt du noch die Frechheit, um ein Abendessen zu bitten?“

Sie runzelte kaum merklich die Stirn, genau wie damals, als sie sich zum ersten Mal gesehen hatten. „Willst du etwa den Männern, die deine Frau sicher zurückgebracht haben, die Gastfreundschaft verweigern?“

„Zurückgebracht?“, wiederholte er spöttisch.

„Wenn ich mich richtig erinnere, hast du doch ständig mit der schottischen Gastfreundschaft angegeben.“

„Sag mir bloß nicht, was ich zu tun und zu lassen habe, Madam. Antworte mir – warum bist du hier?“

„Oh Arran“, sagte sie und lächelte plötzlich. „Ist das nicht offensichtlich? Weil ich dich vermisst habe. Weil ich endlich zur Vernunft gekommen bin. Weil ich es mit unserer Ehe noch einmal versuchen will, natürlich. Warum sonst hätte ich wohl den langen Weg hierher auf mich nehmen sollen?“

Er sah zu, wie sich ihre vollen Lippen bewegten, hörte die Worte, die sie gesagt hatte, und schüttelte den Kopf. „Warum sonst? Ich habe da einen Verdacht, aye?“, entgegnete er kalt. „Mord. Aufruhr. Oder um mir in der Nacht die Kehle durchzuschneiden.“

„Oh nein!“, meinte sie ernst. „Das wäre wirklich zu schrecklich, das ganze Blut. Kannst du wirklich nicht glauben, dass ich meine Meinung geändert habe?“, fuhr sie fort. „Immerhin bist du, auf deine ganz spezielle Weise, gar nicht so übel.“

Machte sie sich jetzt auch noch über ihn lustig? Seine Wut wallte wieder auf.

„Offen gesagt, wäre ich auch schon früher gekommen, wenn du mir irgendein Zeichen gegeben hättest, dass dir etwas daran liegt“, fügte sie ruhig hinzu.

Arran konnte nicht anders, er brach in bellendes Gelächter aus. „Bist du verrückt geworden, Weib? Ich hab kein einziges verdammtes Wort von dir gehört, die ganze Zeit, die du fort gewesen bist.“

„Ich hab von dir doch auch nichts gehört.“

Das wurde ja immer besser. Arran hatte keine Ahnung, was sie für ein Spiel spielte, aber sie würde nicht gewinnen. Er schlang ihr den Arm um die Taille, zerrte sie heftig an sich und hielt sie fest an sich gepresst. Er legte ihr eine Hand an den Kopf und fuhr ihr dabei mit dem Daumen über die Wange. „Ich krieg die Wahrheit also nicht aus dir raus?“

„Wieso glaubst du mir denn nicht?“, fragte sie sanft.

Er sah, dass ihre Augen verwegen glitzerten. Sie hatten die Farbe reifer Birnen, aber jetzt lag ein verräterisches Funkeln in ihnen. „Ich glaube dir kein einziges verfluchtes Wort.“

Sie lächelte und blickte ihm geradewegs in die Augen. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie sich nicht mehr vor ihm fürchtete. Sie war ihm gegenüber immer ein bisschen ängstlich gewesen, aber jetzt war davon nichts mehr zu spüren.

„Du bist wirklich schrecklich misstrauisch“, sagte sie. „War ich nicht immer vollkommen aufrichtig dir gegenüber? Warum sollte sich daran jetzt plötzlich etwas geändert haben? Ich bin noch immer deine Frau, Mackenzie. Wenn du mir nicht glauben willst, muss ich dich wohl überzeugen, oder?“

Arran kochte das Blut in den Adern. Er sah ihr ins Gesicht, sah hinab auf die schmale Nase, die dunklen Augenbrauen. „Du hast mich überrascht“, gab er zu, während er den Blick weiter auf ihr Dekolleté senkte. „Ist es das, was dein verdorbenes kleines Herz will, aye? Aber sei gewarnt, Weib, ich bin kein Dummkopf. Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, bist du abgehauen. Ich nehme dir einfach nicht ab, dass du plötzlich da drinnen Platz für mich gefunden hast“, erklärte er und tippte mit Nachdruck auf die Wölbung ihrer Brüste direkt über ihrem Herzen.

Sie lächelte noch immer, so als ließen seine Worte sie kalt, aber ihm entging nicht, dass sich eine leichte Röte auf ihrem Gesicht ausgebreitet hatte. „Es wäre mir ein Vergnügen, dir zu beweisen, dass du dich täuschst. Aber erlaube mir, zuerst zu Abend zu essen, bitte. Es ist doch offensichtlich, dass ich dafür meine ganze Kraft brauchen werde.“

Arrans Puls raste noch schneller in einer explosiven Mischung aus Wut und Lust. „Ich frage mich, was aus der zerbrechlichen kleinen Primel geworden ist, die mich verlassen hat.“

„Sie ist zu einem Rosenstock herangewachsen.“ Sie klopfte ihm auf die Brust. „Etwas zu essen, wenn du so lieb sein würdest, für Mister Pepper und Mister Worthing.“

„Fergus!“, sagte er scharf und wandte den Blick dabei nicht von Margot ab. „Bring Lady Mackenzie und ihren Männern Brot und etwas zu essen, aye? Beeil dich, Junge.“

Er umklammerte mit den Fingern ihren Ellenbogen und bohrte sie dabei in den Stoff ihres Kleides, um sie hinter sich herzuziehen. Sie erwähnte seine schmutzige Hand auf ihrem Kleid mit keinem Wort, wie sie es früher getan hätte, sondern ließ sich widerstandslos führen. Es erschien beinahe, als hätte sie erwartet, dass man sie so behandelte. Als wäre sie darauf vorbereitet.

Arran bemerkte hektisches Stolpern und Geflüster um sich herum, die Leute bemühten sich offensichtlich, einen Blick auf die geheimnisvolle Lady Mackenzie und die beiden Bulldoggen zu erhaschen, die ihr auf dem Fuß folgten.

„Musstest du unbedingt bewaffnete Leibwächter mitbringen?“, fragte er ungehalten, während er sie zur Empore brachte, und sah sich über die Schulter hinweg nach den beiden Engländern um. „Ihr habt Sweeney einen tödlichen Schrecken eingejagt.“

„Mein Vater hat darauf bestanden. Man kann ja nie wissen, ob man vielleicht Wegelagerern begegnet.“ Sie sah ihn von der Seite an.

Er hatte sie schon immer ungewöhnlich schön gefunden, und jetzt war sie sogar noch schöner geworden, falls das überhaupt möglich war. Aber er begehrte sie nicht mehr mit derselben Leidenschaft wie früher – jetzt verspürte er in erster Linie Verachtung. Es hatte Zeiten gegeben, da hätte ein Lächeln von ihr gereicht, und er hätte jede Laune einfach so hingenommen. Jetzt hatte es keine Wirkung mehr auf ihn. Vielleicht sollte er ihr einfach nichts zu essen geben, sie einsperren und nicht mehr herauslassen, weil sie ihn so rücksichtslos verlassen hatte.

Aber das konnte er ja immer noch tun.

Margot legte ihren Umhang ab und setzte sich vorsichtig auf den Stuhl, den Arran auf der Empore für sie zurechtgerückt hatte, doch sie balancierte nur auf der Kante. Ihr anspruchsvolles Naturell lauerte noch immer unter der ruhigen Oberfläche.

„Deine Männer, die können sich hier hinsetzen“, sagte er und zeigte auf einen Tisch neben ihr.

Ihre Wächter zögerten, aber Margot nickte kaum merklich, um ihnen zu signalisieren, dass sie einverstanden war.

Arran unterdrückte das Bedürfnis, ihr zu sagen, sie sei hier nicht die Königin, vor allem jetzt nicht mehr. Stattdessen nahm er neben ihr Platz und hielt den Mund. Zumindest fürs Erste.

„Du hattest ja Gesellschaft“, sagte sie freundlich, als ihr Blick auf das Mädchen fiel, das auf seinem Schoß gesessen hatte, aber jetzt von der Empore gestiegen war und den Mund zu einem Schmollen verzog.

„Ich hatte Gesellschaft von meinem Clan, aye.“

„Von Männer und von Frauen?“

Er legte seine Hand wieder um ihr Handgelenk und drückte leicht zu. „Was hast du denn gedacht, Margot? Dass ich lebe wie ein Mönch? Dass ich ein Gelübde ablege und beim Abendgebet vor einem Schrein zu deinen Ehren knie?“

Sie lächelte, aber sie entzog ihm den Arm. „Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass du vor irgendeinem Schrein gekniet hast.“ Sie wendete den Blick ab und wickelte sich eine Locke um den Finger.

„Und du bist bestimmt eine keusche kleine Prinzessin“, entgegnete er schnaubend.

„Na ja“, sagte sie leichthin, „so ganz keusch bin ich vielleicht nicht gewesen. Aber wer von uns ist das schon?“ Sie wandte den Kopf und sah ihm direkt in die Augen, dabei lächelte sie kühl, doch ihre Wangen waren rot geworden.

Was war das jetzt wieder für ein Spiel? Sie flirtete mit ihm und machte Anspielungen, dass sie sich ungehörig verhalten hatte? Das ergab überhaupt gar keinen Sinn und es stank nach irgendeiner Intrige. Wer war diese Frau? Die Frau, die ihn verlassen hatte, wäre entsetzt gewesen, wenn jemand auch nur angedeutet hätte, dass sie nicht jungfräulich war. Aber die Frau hier spielte mit ihm, machte vage Bemerkungen und lächelte, sodass einem Mann die Knie weich werden konnten.

Er gab dem Jungen ein Zeichen, dass er den Wein einschenken sollte, dabei fiel ihm auf, dass mindestens die Hälfte seiner Männer sie noch immer anstarrte. „Schon gut, schon gut“, rief er verärgert und forderte sie mit einer Handbewegung dazu auf, sich irgendeine andere Beschäftigung zu suchen als zu glotzen. „Kannst du nicht irgendwas Fröhlicheres spielen, Geordie?“, fragte er seinen Musiker.

Geordie ließ die Flöte sinken, nahm stattdessen seine Geige in die Hand und fing an zu spielen.

Als Margot den Weinbecher an die Lippen hob, sagte Arran: „Jetzt, da du deinen großen Auftritt gehabt hast, will ich aber wissen, wieso du nach Balhaire gekommen bist. Ist vielleicht jemand gestorben? Hat dein Papa sein Vermögen verloren? Musst du dich vor der Königin verstecken?“

Sie lachte. „Meine Familie erfreut sich ausgezeichneter Gesundheit, danke. Unser Vermögen ist nicht in Gefahr und die Königin hat alles in allem keine Ahnung, dass es mich gibt.“

Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte sie prüfend.

Sie lächelte vorwitzig. „Du glaubst mir noch immer nicht. Ich hatte ganz vergessen, wie misstrauisch du sein kannst, aber eigentlich mochte ich das irgendwie immer an dir.“

„Sollte ich dir gegenüber etwa nicht misstrauisch sein? Vor allem, nachdem du wie aus dem Nichts hier aufgetaucht bist?“

„Was wäre denn ein besserer Weg gewesen, um zu dir zurückzukehren? Kannst du mir das sagen?“, entgegnete sie. „Wenn ich dir einen Brief geschrieben hätte, hättest du mich nicht herkommen lassen. Oder doch? Ich dachte, wenn du mich siehst, bevor du meinen Namen gehört hast, dann…“ Sie zuckte mit den Schultern.

„Dann was?“

„Ich dachte, dann wird dir vielleicht klar, dass du mich auch vermisst hast.“ Sie lächelte sanft. Hoffnungsvoll.

Da war es schon wieder, was auch immer es war, das sein Blut zum Kochen brachte. Gleichzeitig tauchte eine neue Flut von Bildern vor seinem inneren Auge auf, von den langen Beinen seiner Frau, mit denen sie ihn umschlang, von ihrem seidigen Haar, das auf seiner Brust lag. Er schob die Bilder beiseite. Die Wahrheit war, dass er ihren Anblick nicht ertragen konnte. „Ich vermisse dich überhaupt nicht, Margot. Ich verabscheue dich.“

Ihre Wangen waren knallrot geworden, und sie senkte den Blick auf ihren Schoß.

„Aye, und seit wann denn genau, hast du angefangen, mich zu vermissen, Leannan? Hab ich dir nicht genug Geld geschickt?“

„Du bist mir gegenüber immer sehr großzügig gewesen, Mylord.“

„Aye, das bin ich allerdings“, sagte er nachdrücklich.

„Wann ich angefangen habe, dich so schrecklich zu vermissen?“ Sie tat so, als müsste sie darüber nachdenken, während sie mit der Kette an ihrem Hals spielte. „Das kann ich gar nicht so genau sagen. Aber das Gefühl war irgendwann da und es ist immer stärker geworden.“

„Und du konntest dich kaum dagegen wehren“, sagte er spöttisch.

„So ungefähr. Ich dachte immer, dass du irgendwann kommst und dich davon überzeugst, dass es mir gut geht. Ich war ein wenig enttäuscht, als du Dermid geschickt hast.“

„Du dachtest wirklich, dass ich dir ganz bis nach England hinterlaufe wie ein Fuchs, der eine Henne jagt?“

„Jagen ist ein ziemlich böses Wort. Aber ich hätte schon gedacht, dass du mich zumindest mal besuchen kommst.“

„Du hast mich nie zu dir eingeladen, oder?“

„Wozu hättest du denn eine Einladung gebraucht? Du bist doch mein Ehemann! Du hättest kommen können, wann immer du wolltest. Das hast du doch früher auch immer so gemacht“, fügte sie mit einem vielsagenden Blick hinzu. „Hast du mich denn gar nicht vermisst, Arran? Nicht einmal ein bisschen?“

„Du hast mir in meinem Bett gefehlt“, meinte er und hielt ihrem Blick dabei stand, „es ist verdammt lange her.“

Eine leichte Röte breitete sich auf Margots Wangen aus, aber sie sah ihm trotzdem in die Augen, ohne zu blinzeln. „Ist es wirklich so lange her?“

Sein Blick fiel auf ihren Mund. Eine Ewigkeit. Er richtete sich auf und beugte sich vor. „Eine verdammt lange Zeit, Mädchen. Drei Jahre, drei Monate und eine Handvoll Tage.“

Margots Lächeln erstarb. Sie öffnete leicht die Lippen und ihre Wimpern flatterten ein wenig, während sie ihn überrascht ansah.

„Aye, Leannan, ich weiß ganz genau, wie lange ich deine Last schon los bin. Überrascht dich das vielleicht?“

Das Funkeln in ihren Augen war schwächer geworden. „Ein bisschen“, gab sie leise zu.

Arran grinste wie ein Wolf. Sein Puls trommelte jetzt im vertrauten Rhythmus der Lust. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und sagte: „Schade, dass mir nichts daran liegt, diesen Teil unserer Bekanntschaft zu erneuern.“

Da war es schon wieder, eine Spur von Gefühl in ihren Augen. Hatte er ihr einen Schlag versetzt? Es war ihm gleichgültig, wenn es so war – das war alles nichts gegen den Schlag, den sie ihm verpasst hatte.

2. KAPITEL

Balhaire in den schottischen Highlands

1706

Seit Tagen und Tagen wurde Margot nun schon in einer Kutsche herumgeschleudert, sie fühlte sich ganz zerschlagen und zerschunden, und die anstrengende Reise in den Norden war noch immer nicht vorbei. Margot war jetzt schon völlig erschöpft. Doch schließlich erreichten sie doch jenen Ort, der von jetzt an ihr Zuhause sein sollte.

Sie war vollkommen mutlos.

Balhaire war eine dunkle, trostlose Burg, die hoch über ihr aufragte und von Nebelschwaden verdeckt wurde, genau wie die Hügel um sie herum. Es war ein gewaltiges Bauwerk, das schon vor langer Zeit errichtet worden war, gehalten von zwei Türmen und von einer Burgmauer umschlossen. Vor der Burgmauer lag ein kleines Dorf mit reetgedeckten Häuschen, aus deren Schornsteinen Rauch in einen bleigrauen Himmel aufstieg.

Die Kutsche verlangsamte ihre Fahrt, und Margot konnte hören, wie Hunde bellten und Kinder schrien. Sie hörte, wie der Kutscher eine Kuh verfluchte, die mitten auf der Straße stand und sich nicht bewegen wollte. Die Kutsche hielt erst an und fuhr dann ruckelnd weiter.

Sie rückte auf die andere Seite, um aus dem gegenüberliegenden Fenster zu schauen, dabei sah sie, dass die Leute aus den Häusern gelaufen kamen. Sie säumten die Straße und riefen Mackenzie etwas zu, der irgendwo vor der Kutsche ritt. Sie hörte auch, wie er antwortete – einsilbig und in einer Sprache, die sie nicht verstand.

Margot rückte vom Fenster wieder ab. Dieser Ort hier jagte ihr Angst ein.

Sie war noch immer starr vor Schreck, weil sie überhaupt hier war. Sie hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, es sei möglich, gegen ihren Willen verheiratet zu werden, aber genau das hatte man ihr angetan. Sie hatte ihren Vater angefleht, hatte gebettelt, dass er es sich noch einmal überlegen möge, aber er war unerbittlich geblieben. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er es als ihre Pflicht der Familie und auch England gegenüber betrachtete, diese Ehe einzugehen, weil ihre Vermählung mit Mackenzie das Vermögen der Armstrongs auf Generationen hinaus absichern würde. „Du bist meine einzige Tochter, Margot“, erklärte er. „Es ist deine Pflicht, das zu tun, was ich für richtig halte und du wirst mir in diesem Punkt gehorchen.“

Margot wehrte sich so gut sie konnte dagegen, aber ihr Vater ließ ihr keine Wahl: Er schwor, dass er für keinen anderen Verehrer eine Mitgift stellen werde. Sie werde Lynetta nie wiedersehen, weil er genau wusste, dass die beiden Mädchen immer unter einer Decke steckten. Sie dürfe nie wieder in der Gesellschaft verkehren; er werde sie auf Norwood Park einsperren, und sie würde eine alte Jungfer werden, ohne Hoffnung auf das kleinste bisschen Glück.

Sie war erst siebzehn, Margot hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie hätte tun sollen, um dieser Tyrannei zu entkommen. Schließlich zahlte sich das Spiel ihres Vaters mit ihrer Verwirrung und Unsicherheit aus, und sie gab klein bei.

Gerade einmal zwei Wochen vor ihrem achtzehnten Geburtstag wurde Mackenzie der Titel eines Barons verliehen. Noch am selben Tag kam er nach Norwood Park, um mit Margot und ihrer Familie zu Abend zu essen. Sie sah ihn kaum an. Immerhin hatte er sich ordentlich angezogen und diesen furchtbaren Bart abrasiert. Aber als er versuchte, ein Gespräch mit ihr in Gang zu bringen, antwortete sie so einsilbig, wie sie nur konnte, in der verzweifelten Hoffnung, dass er sie langweilig finden und die Hochzeit abblasen würde.

Doch offensichtlich konnte ihn nichts abschrecken. Zwei Tage nach ihrem achtzehnten Geburtstag legte Margot in der Kapelle von Norwood Park vor ihrem Vater und ihren zwei Brüdern ihr Ehegelöbnis ab. Mackenzie hatte einen riesenhaften Kerl mitgebracht, der sein Trauzeuge war.

In ihrer Hochzeitsnacht hatte ihr Ehemann so schnell er konnte die Ehe mit ihr vollzogen, so als wäre ihm diese Aufgabe zuwider und war anschließend verschwunden. Nur zwei Tage darauf waren sie nach Schottland aufgebrochen. Am ersten Tag ihrer Reise hatte Margot so lange geweint, bis ihr übel geworden war. Als sie keine Tränen mehr hatte, fühlte sie sich wie betäubt. Ihr Ehemann hatte sie mehr als einmal gefragt, ob er irgendetwas tun könne, um es ihr leichter zu machen, doch sie hatte den Kopf geschüttelt und den Blick abgewandt.

Seitdem sie in den schottischen Highlands angekommen waren, hatten sie tagelang keinerlei Anzeichen von Zivilisation gesehen, und Margot fürchtete sich.

Doch jetzt rollte die Kutsche durch ein Dorf, in dem Menschen die Straße säumten und versuchten, einen Blick auf sie zu erhaschen, ehe der Wagen hinter den dicken Mauern verschwand, die die gewaltige Burg umgaben.

Aus der Nähe betrachtet war Balhaire noch imposanter. Margot musste den Kopf in den Nacken legen, wenn sie die Spitzen der Türme sehen wollte, als die Kohorte langsamer wurde und schließlich zum Stehen kam. Sie richtete sich auf und krallte sich mit den Fingern an den Sitzpolstern der Kutschbank fest.

Die Tür wurde abrupt aufgerissen. Jemand stellte eine Trittleiter auf. Margot versuchte noch schnell ihre Frisur in Ordnung zu bringen – sie sah bestimmt fürchterlich aus, vor allem, weil sie die ganze Reise ohne ihre Zofe hatte machen müssen. Nell Grady würde später nachkommen, mit Margots ganzem Gepäck.

In der Tür erschien der dunkle Kopf ihres Ehemanns. „Komm“, meinte er nur und streckte ihr eine behandschuhte Hand entgegen.

Das Einzige, was Margot dazu bewegte, sich ins Freie zu begeben, war ihr Bedürfnis, endlich der trostlosen Enge der Kutsche zu entkommen. Sie strauchelte ein wenig, weil ihre Beine nach der langen Reise ganz steif geworden waren. Doch sie fing sich gleich wieder und blieb einen Moment stehen, um sich umzusehen.

„Willkommen auf Balhaire“, sagte Mackenzie.

Hier sollte sie willkommen sein? Margot war so überwältigt vom Anblick des Burghofs, dass sie kein Wort herausbrachte. Es wimmelte nur so von Tieren und Menschen. Hühner rannten vor den Hufen von Pferden weg, und Hunde beschnüffelten die Stiefel der Reiter, die gerade abgestiegen waren. Sie hatte jedoch kaum Zeit, sich umzusehen, denn in diesem Augenblick wurde auch schon das Eingangstor geöffnet, und eine Frau kam unter lautem Rufen herausgestürmt. Sie war groß und schlank und trug ihr rotes Haar zu einem langen Zopf geflochten. Die Frau würdigte Margot keines Blickes, sondern überschüttete Mackenzie mit einem Schwall von Worten in der Sprache der Highlander, die Margot nicht verstand.

Was immer er ihr auch geantwortet hatte, sie warf Margot daraufhin einen verachtungsvollen Blick zu.

„Miss Griselda Mackenzie. Meine Cousine“, sagte Arran mit einem Seufzer.

Margot machte einen Knicks. Griselda hob die Augenbrauen bis zum Haaransatz, verschränkte die Arme vor der Brust und trommelte sich mit den Fingern auf die Schultern, während sie Margot prüfend musterte. „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen“, sagte Margot.

Die Frau kniff die Lippen zusammen.

„Ich hoffe, dass wir Freundinnen werden“, fügte Margot schnell hinzu.

Das war ganz offensichtlich genau das Falsche gewesen, was sie jetzt hätte sagen können, denn die Frau zischte Mackenzie sehr schnell und wütend etwas zu, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand im Haus.

Verwirrt blinzelnd schaute Margot ihr hinterher. „Ich wollte nicht… Hat sie mich nicht richtig verstanden? Spricht sie überhaupt Englisch?“

„Aye.“ Mackenzie nickte mit düsterer Miene. „Sie spricht sehr gut Englisch.“

In diesem Augenblick war Margot fest davon überzeugt, dass ihre Lage jetzt nicht mehr übler werden konnte.

Doch dann führte Mackenzie sie ins Innere dieser gewaltigen Burg.

Es war dunkel und eng, die Gänge wurden von Kerzen erleuchtet, die in alten Haltern an den Wänden steckten. Es roch modrig, so als wäre hier noch nie gelüftet worden. Außerdem hörte Margot immer wieder ein Geräusch, das klang wie ein Stöhnen und bei dem ihr das Blut in den Adern gefror. Es hörte sich an, als läge jemand im Sterben – es dauerte etwas, bis sie schließlich begriff, dass das, was sie hörte, der Wind war, der sich in den uralten Kaminen fing und durch alle Türen zog.

Verängstigt lief sie minutenlang hinter Arran her durch die sich windenden, dunklen Gänge, ehe sie schließlich einen Saal betraten, den er stolz als seine große Halle bezeichnete. Es trieben sich einige Leute darin herum, die sich vergnügten. Sie alle trugen Kleidung, die aussah, als wäre sie aus mehreren Lagen Wolle genäht, von Seide oder Satin war weit und breit nichts zu sehen. Niemand trug eine Perücke oder hatte sich überhaupt eine Frisur gemacht. Schlimmer noch: Überall liefen Hunde herum, und das waren keine kleinen Hündchen, wie Margot sie aus vornehmen Häusern gewohnt war, wo sie bei Damen auf dem Schoß saßen, sondern große Hunde. Riesige Jagdhunde, die sich frei in der großen Halle bewegten, als ob sie hier zu Hause wären. Zwei von ihnen kamen sogar auf sie zu und beschnüffelten ihr Kleid, während Arran sie zu einer erhöhten Plattform geleitete, auf der ein langer Holztisch stand.

Er hielt auf zwei gepolsterte Stühle zu, die mit Blick in die große Halle in der Mitte der Tafel standen. Er setzte sich.

Margot blieb unschlüssig stehen und fragte sich, ob wohl ein Butler oder ein Lakai ihr beim Hinsetzen behilflich sein würde. Arran sah zu ihr auf und anschließend vielsagend auf den Platz neben sich.

Sie setzte sich.

„Hast du Hunger?“, fragte er, nachdem sie vorsichtig auf der Kante des Stuhls Platz genommen hatte, der mit fadenscheinigem Stoff bezogen war.

„Ein bisschen.“

Er hob eine Hand und gab irgendjemandem ein Zeichen – es liefen so viele Leute herum, dass es unmöglich war, zu sagen, wem genau es gegolten hatte. Kurz darauf tauchte ein Junge auf und stellte zwei Krüge Ale vor sie hin. Er schaute Margot mit weit aufgerissenen Augen an. Er tat ihr leid – wahrscheinlich hatte er noch nie eine Frau mit ordentlich gepudertem Haar gesehen. Sie hingegen beäugte entsetzt den Krug mit dem Ale. „Trinken wir denn keinen Wein?“, fragte sie, an niemanden im Besonderen gewandt.

„Ale“, sagte Arran, hob seinen Krug und trank durstig, als säße er in einer Schänke mit seinen Männern und nicht am Tisch mit seiner Frau. Sie starrte ihn entgeistert an. Was waren denn das für Manieren? Und sollte sie etwa wie ein Seemann trinken? Doch dann wurden ihre Gedanken von einer Frau unterbrochen, die an den Tisch trat. Sie hatte graues Haar und trug ein Plaid über eine Schulter gelegt. Das Ende davon hielt sie zwischen den Fingern zusammengeknüllt.

Autor

Julia London

Julia London hat sich schon als kleines Mädchen gern Geschichten ausgedacht. Später arbeitete sie zunächst für die US-Bundesregierung, sogar im Weißen Haus, kehrte aber dann zu ihren Wurzeln zurück und schrieb sich mit mehr als zwei Dutzend historischen und zeitgenössischen Romanzen auf die Bestsellerlisten von New York Times und USA...

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