Zum Verzweifeln? Zum Verlieben!

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Singledad Silas Garrett hat genaue Vorstellungen von seiner Traumfrau: Zielstrebig und ordentlich soll sie sein. Also das genaue Gegenteil von Jewel, der hübschen, aber chaotischen Lieblingsnanny seiner Söhne. Deshalb ist die magische Spannung zwischen ihnen Silas ein Rätsel …


  • Erscheinungstag 11.10.2018
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738228
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Silas Garrett saß in dem engen Büro seines Vaters am Computer. Aus den Augenwinkeln sah er jemanden an der offenen Tür vorbeisausen, dann wieder zurück – und schließlich in der Tür stehen bleiben.

„Hi!“ Jewel Jasper versuchte, das Kreischen der Sägen im Hintergrund der Tischlerei zu übertönen, wobei gleichzeitig ein spanischer Radiosender auf höchster Lautstärke einen aktuellen Hit dröhnte. „Ist Noah da?“

Silas konnte nichts dagegen tun – jedes Mal, wenn er sie sah, musste er an ein Häschen denken. Und nicht von der Sorte, die in knappem Höschen, Fliege und High Heels daherkam.

Wenn Jewel mit ihrem glänzenden braunen Pferdeschwanz, den großen blaugrauen Augen hinter der ovalen Brille und dem zu engen Pullover über den kleinen Brüsten das Häschen war, dann fiel seinem Bruder Noah zweifellos die Rolle des großen bösen Wolfs zu. Gut, da vermischte er vielleicht ein paar Märchen, aber Silas ging davon aus, dass der große böse Wolf sicher hin und wieder ein Häschen vernaschte.

Zumal wenn das Häschen dem Wolf immer wieder über den Weg lief.

Dies musste schon das dritte oder vierte Mal in ebenso vielen Wochen sein, dass die junge Krankenschwester Noah suchte, weil irgendetwas zu reparieren war. Sie machte eine Zusatzausbildung zur Hebamme und wohnte vorübergehend in dem Haus neben der Werkstatt, das Eli, ein weiterer Bruder von Silas, nach seiner Hochzeit geräumt hatte.

„Keine Ahnung, wo er ist.“ Silas wandte sich wieder dem Buchhaltungsprogramm zu. Zahlen, die verstand er – Frauen eher nicht. Schon gar nicht Frauen, die auf die Maschen seines Bruders hereinfielen. „Er kommt wohl später.“ Er machte einen Eintrag, bevor er sich zur Höflichkeit zwang und hinzusetzte: „Möchtest du ihm eine Nachricht hinterlassen?“ Ihre naive Unbefangenheit ging ihm auf die Nerven.

„Es geht wieder um das Dach.“ Jewel ließ sich auf den schäbigen Plastikstuhl fallen. „Diesmal leckt es ins Wohnzimmer. Es tut mir leid, damit nerven zu müssen – und das, wo ich nicht einmal Miete zahle! –, aber ich kann schlecht selbst auf das Dach klettern und es ausbessern.“

Sie kicherte. Und das war nun etwas, das Silas überhaupt nicht ausstehen konnte. Zumindest nicht bei jemandem, der über zehn war.

„Falls Eli das Haus verkaufen will, kann ihm nichts an Wasserschäden gelegen sein. Ach, noch etwas: Ich habe vor ein paar Tagen versucht, abends ein Feuer zu machen. Meine Güte! Es war alles voll Rauch!“ Sie warf die Hände dramatisch in die Luft. „Ich nehme an, der Schornstein ist verstopft. Oh! Noah!“ Sie sprang auf, als sein jüngerer Bruder erschien. „Silas sagte, du kommst erst später.“

Noah hängte seine Jeansjacke an den Haken an der Tür, bevor er achtlos einen Stapel Quittungen auf den Tisch warf. „Vom Manning-Auftrag.“ Er fuhr sich mit dem Arm über die verschwitzte Stirn. „Ich dachte, ich gebe sie dir gleich, bevor ich den Überblick verliere …“

„Noah?“ Jewel tippte ihm auf die Schulter. „Tut mir leid, wenn ich nerve, aber jemand muss sich um das Dach kümmern. Noch einmal. Und der Schornstein ist auch verstopft.“

Noahs Blick drückte unverkennbar ein gereiztes Wieso-immer-ich? aus. Offensichtlich waren sogar Wölfe wählerisch. Und Jewel schien nicht auf seiner Speisekarte zu stehen. Zumindest im Moment noch nicht. Kurzsichtige Häschen waren wohl zurzeit nicht gefragt, aber das konnte sich sehr schnell ändern.

„Ich schicke jemanden vorbei“, knurrte Noah und ging.

Jewel ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. „Also wirklich! Man könnte meinen, ich hätte die Pest!“

„Ist dir je in den Sinn gekommen, dass er vielleicht nicht interessiert ist?“, gab Silas vorsichtig zu bedenken.

Sie schürzte die rosigen Lippen zu einem Schmollmund. „Ja, mag sein, aber …“ Sie erhob sich und zerrte den Saum des zu kurzen Pullovers nach unten. Sie trug darunter noch ein T-Shirt und ein Tanktop, die beide farblich nicht zum Pullover passten. Trotz der drei Schichten war ziemlich deutlich, dass sie keinen BH trug. „Weißt du eigentlich, dass du meine Brüste anstarrst?“

Silas wandte sich hastig wieder dem Bildschirm zu. „Entschuldige.“

„Ist doch eigentlich ganz schmeichelhaft – die meisten Männer achten gar nicht darauf.“

Silas seufzte stumm. In einer kleinen Stadt wie Tierra Rosa kannte jeder jeden, zumindest dem Namen nach. Nach allem, was er gehört und gesehen hatte, war Jewels Persönlichkeit die merkwürdigste Mischung aus Naivität und Abgeklärtheit, die ihm je bei einer Frau untergekommen war. Und er hatte wirklich schon viele Frauen in seinem Alter kennengelernt – wenngleich nicht immer aus freien Stücken. Seine Mutter war fest entschlossen, seinen Tagen als alleinerziehender Vater ein Ende zu machen. Es war ihm ein Rätsel, wie Jewel dem wachen Auge von Donna Garrett bisher entkommen war.

Zumal Silas keinerlei Zweifel hatte, dass Jewel nach Meinung seiner Mutter perfekt für ihn war. Sie war eine Frau, und sie atmete, mehr schien nicht nötig.

„Ich verstehe das nicht – wieso bist du so hinter meinem Bruder her?“

„Was geht dich das an? Oder sprichst du mit all seinen Freundinnen über Noah?“

Wow! Das Häschen hatte Biss. Wer hätte das gedacht?

„Zuerst einmal: Sie ‚Freundinnen‘ zu nennen, geht wohl etwas zu weit“, bemerkte Silas, ohne auf ihre erste Frage einzugehen. „Und zweitens – nein. Meist habe ich keine Ahnung, mit wem er gerade … zusammen ist.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wieso redest du dann mit mir darüber?“

Er vermutete, dass ihr das Bild vom Häschen und dem großen bösen Wolf nicht gefallen würde. „Weil ich ernsthaft Zweifel habe, dass du weißt, worauf du dich da einlässt“, wich er aus. „Noah ist nicht an etwas Dauerhaftem interessiert.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Zuerst einmal …“ Sie imitierte ihn ganz bewusst. „Es ist wesentlich sicherer für dich, meine Brüste anzustarren, als hier den Oberlehrer zu geben. Und zweitens kenne ich den Ruf deines Bruders …“

„Und du bist überzeugt, du könntest ihn ändern, stimmt’s?“

„Ihn ändern?“ Sie lachte. „Du siehst das vollkommen falsch. Ich habe nicht das geringste Interesse an etwas Dauerhaftem. Deswegen wäre Noah ja perfekt. Ich will nur ein wenig … Spaß.“ Sie räusperte sich. „Könntest du nicht vielleicht einmal etwas in der Richtung fallen lassen …?“

Nachdem Silas sie ein paar Sekunden schweigend angesehen hatte, zuckte sie die Schultern. „Es war einen Versuch wert.“ Sie trat zur Tür und warf ihm im Gehen noch einen Blick zu. „Du musst wirklich lockerer werden, Silas. Du bist viel zu verklemmt.“

Dann war sie fort. Silas starrte blind auf seinen Monitor.

„Ist sie weg?“

„Ich glaube, nicht annähernd weit genug“, bemerkte Silas trocken.

Noah fuhr sich mit der Hand durch das kurze braune Haar und atmete tief durch. „Sie ist ja ganz süß, aber … sie ist einfach nicht mein Typ.“

„Im Ernst?“

„Meine Güte, sie kommt mir vor wie zwölf!“

„Tatsächlich müsste sie Mitte zwanzig sein. Auf jeden Fall schon volljährig und noch nicht an der Grenze zur Verzweiflung. Nach deinen Maßstäben also genau richtig.“

Noah schien seine Worte einen Moment zu bedenken und schüttelte dann den Kopf. „Diese süßen Dinger sind schon seit Jahren nicht mehr mein Fall.“

Silas’ Anspannung verflog. „Dann solltest du ihr das sagen. Vielleicht nicht genau mit diesen Worten …“

„Das habe ich. Schon mehrfach. Aber sie bekommt dann nur diesen völlig entrückten Ausdruck. Richtig unheimlich.“ Er schwieg einen Moment. „Davon einmal abgesehen – ich habe da am letzten Wochenende eine Frau in Espanola kennengelernt …“

„Bitte keine Details!“, sagte Silas hastig, und Noah verschwand lachend. Das Telefon klingelte.

„Tischlerei Garrett …“, meldete Silas sich, kam aber nicht weiter.

„Den Jungen geht es gut“, sagte seine Mutter rasch. Sie wusste: Silas hasste es, wenn sie anrief, während sie auf seine Söhne aufpasste. „Mir allerdings weniger …“ Sie seufzte. „Ich habe Feuerholz hereingeholt, und irgendjemand hat sein Spielzeugauto auf den Stufen zur Veranda stehen lassen. Ich bin darüber gestolpert und gestürzt – das wäre wahrscheinlich eine gute Lachnummer für Youtube, aber jetzt ist mein Fußgelenk geschwollen und ganz blau angelaufen. Ollie sagt, es sieht aus wie …“

Silas drückte drei falsche Tasten seiner Tastatur, bevor er sich endlich aus dem Programm ausgeloggt hatte. Er sprang auf. „Ich bin schon auf dem Weg …“

„Sieh doch nach, ob Jewel zu Hause ist. Vielleicht könnte sie sich den Fuß mal ansehen?“

So viel also zu seinem Eindruck, dass Jewel seiner Mutter entgangen war! „Sie ist Hebamme, Mom. Ich glaube, das ist eher nicht dein Problem.“

„Sie ist auch Krankenschwester, du Neunmalkluger.“

Sie hatte recht. Leider. „Gut. Wenn ich sie finde, bringe ich sie mit.“

„Was ich noch sagen wollte …“ Donna senkte die Stimme. „Beeil dich – bevor die Jungen merken, dass sie das Haus in Brand stecken könnten, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.“

Jewel zuckte zusammen, als sie die Tür öffnete und Silas mit grimmiger Miene vor sich sah.

„Meine Mutter hat sich den Fuß verletzt. Sie fragt, ob du herüberkommen könntest …“

„Natürlich!“ Sie riss die Jacke vom Haken und schob sich an ihm vorbei die Stufen hinunter. „Ist er gebrochen?“

„Keine Ahnung.“ Sie hörte, wie er die Tür schloss und sie dann einholte. „Sie hat nur gesagt, er sei geschwollen und ganz blau.“

„Hoffentlich ist es nur eine Verstauchung.“ Jewel zog den Kopf ein, um sich vor dem kühlen Wind zu schützen. Die September im Norden von New Mexico konnten sehr wechselhaft sein. Sie eilte den gepflasterten Weg hinunter und wollte am Ende scharf nach links abbiegen. Fast hätte sie ein Schleudertrauma erlitten, als Silas sie beim Ellenbogen packte und sie nach rechts zu seinem Explorer steuerte.

„So geht es schneller“, beschied er knapp und hielt ihr die Tür auf, bevor er zur anderen Seite des Wagens eilte. Der Wind zerzauste sein für gewöhnlich immer sehr ordentlich gekämmtes dunkelbraunes Haar. Wahrscheinlich irritierte ihn das. Oh ja, Jewel hatte ihn durchschaut: Es war ein Mann, bei dem immer alles exakt und ordentlich sein musste. Gnade demjenigen, der es wagte, diese Ordnung zu stören!

Silas rammte den Schlüssel ins Zündschloss. „Anschnallen!“, herrschte er sie an.

„Meine Güte, die paar Meter!“

„Anschnallen!“

Um des lieben Friedens willen schloss Jewel den Gurt, um ihn schon dreißig Sekunden später wieder zu öffnen. Natürlich war ihnen kein einziger Wagen begegnet.

Kaum waren sie ausgestiegen, flog die weiße Haustür auf, und zwei kleine Jungen sahen mit großen Augen heraus. Der jüngere, ein blonder Lockenschopf von vielleicht vier Jahren, stürzte auf seinen Vater zu und griff nach seiner Hand.

„Gramma ist hingefallen und hat sich am Fuß wehgetan.“ Er zerrte Silas ins Haus. „Er ist riesig! Ich habe ihr das Handy gegeben, damit sie dich anrufen konnte.“

„Hast du nicht!“, widersprach der ältere Junge und versetzte seinem Bruder einen kleinen Stoß in die Seite.

„Hab ich doch!“

„Nicht jetzt, Jungs.“ Silas sprach mit einer ruhigen Autorität, die das Gerangel der beiden augenblicklich beendete. Er eilte zu seiner Mutter, die auf dem alten blauen Sofa saß und den Fuß hochgelegt hatte. Ihr rötliches Haar, das die ersten grauen Strähnen aufwies, war zerzaust, ihr Gesicht blass. Jewel warf einen Blick auf den Fuß.

„Silas, wirf einen Haufen Eiswürfel in einen Plastikbeutel und leg ein Handtuch darum. Es hat keinen Sinn, den Fuß jetzt zu untersuchen. Wir legen das Eis darauf, damit die Schwellung zurückgeht – danach muss der Fuß geröntgt werden.“

Donna seufzte. „Ich glaube, ich habe etwas knacken gehört, als ich zu Boden gegangen bin.“

„Das ist kein gutes Zeichen. Aber dennoch …“ Jewel legte das Eis, das Silas gebracht hatte, vorsichtig um den Fuß. „Vielleicht ist es ja nicht ganz so schlimm.“ Sie sah Silas an. „Du solltest deine Mutter sofort in die Notaufnahme fahren.“

„Ja, natürlich. Okay, Jungs, setzt euch ins Auto …“

„Meine Güte, Silas!“ Donna sah ihren Sohn entsetzt an. „Sie können nicht mitkommen! Wer weiß, wie lange es dauert? Außerdem: Ein Wartezimmer in der Notaufnahme ist nichts für Kinder.“

„Sie kennen dort doch sowieso schon jeden mit Vornamen“, sagte Silas, aber Donnas Blick machte weiteren Protest überflüssig. „Gut, aber wer soll auf sie aufpassen? Noah ist am anderen Ende der Stadt bei den Mannings. Eli und Dad sind in Santa Fe. Wir könnten sie zu Jess bringen, aber das wäre ein Umweg von einer halben Stunde …“

„Äh … hallo?“ Jewel hob eine Hand. „Ich kann mich gern um sie kümmern.“ Sie lächelte den beiden Jungen zu, erntete aber nur zweifelnde Mienen.

„Siehst du?“ Donna sah ihn triumphierend an. „Der Himmel schickt immer Hilfe.“

Silas räusperte sich. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist …“

„Ich will nicht bei ihr bleiben!“ Der kleinere Junge schob sich dicht an seinen Vater. „Was ist, wenn sie gemein zu uns ist?“

Jewel schluckte. „Ich bin nicht …“

„Meine Güte!“, entfuhr es Donna. „Jewel hilft, Babys auf die Welt zu bringen! Sie liebt Kinder. Das stimmt doch, oder, Honey?“

„Ja, natürlich. Es ist überhaupt kein Problem, Silas. Ich habe heute nichts weiter vor.“

„Dann ist das also geregelt“, entschied Donna. „Ihr bleibt hier. Silas, hilf mir …“

„Aber wir können nicht hier bleiben!“ Oliver hatte Tränen in den Augen. „Wir müssen Toby füttern.“

Jewel ging vor dem Jungen in die Hocke. „Ich mache dir einen Vorschlag: Falls dein Daddy einverstanden ist, können wir zu euch nach Hause gehen, und ihr könnt Toby füttern“ – wer oder was auch immer das sein mochte – „und dann könnt ihr in euren eigenen Betten schlafen. Und vorher“ – sie gab Tad einen kleinen Nasenstüber – „werden wir richtig viel Spaß haben!“

Die Jungen wechselten einen Blick … und zuckten dann die Schultern. Jewel konnte nicht deuten, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Sie vergaß für einen Moment, den Mund zu schließen, als sie sah, wie Silas seine Mutter – nun wirklich kein zartes Fliegengewicht – ohne erkennbare Mühe auf die Arme nahm und sie aus dem Haus trug.

„Mein Daddy ist stark, nicht?“ Der kleine Lockenkopf strahlte sie mit diesem hinreißenden Zahnlückenlächeln an, das von der Natur dafür gedacht war, in allen Frauen augenblicklich den Wunsch nach einem eigenen Kind zu wecken.

Umso mehr, wenn eine Frau gerade Zeugin geworden war, wie ein attraktiver Mann seine Kraft demonstrierte. Jewel verfluchte stumm ihre Urinstinkte und nahm ihre Schützlinge bei der Hand. Sie hielt es für klüger, auf die Bemerkung des Kleinen nicht einzugehen.

Viele Stunden später brachte Silas seine Mutter aus dem Krankenhaus nach Hause. „Für jemanden mit einem gebrochenen Fuß bist du erstaunlich gut gelaunt“, bemerkte er.

Donna lachte leise. „Das liegt an den Schmerzmitteln.“ Sie sah auf ihren Fuß herab, der jetzt geschient war. „Das Gehen dürfte erst einmal schwierig werden und damit auch das Kochen. Dein Vater wird außer sich sein.“

„Er wird es überleben. Außerdem: Wozu hast du die Damen von der Kirche? Du hast doch im Laufe der Jahre schon x-mal für jede von ihnen gekocht. Jetzt können sie sich revanchieren.“

Donna seufzte. „Schade, dass ich mich nun nicht um die Jungen kümmern kann …“

„Mach dir deswegen keine Gedanken. Falls nötig, nehme ich sie mit ins Büro. Das könnte gehen“, setzte er energisch hinzu, als seine Mutter laut auflachte.

„Wir reden gerade von Ollie und Tad, auch bekannt als die Schrecklichen Zwei.“

„Ich dachte, du hättest gesagt, sie seien ruhiger geworden.“

„Das war gelogen.“

Er warf seiner Mutter einen vorwurfsvollen Blick zu. „Du hättest Jewel warnen können.“

„Das Mädchen ist jung. Sie wird mit ihnen fertigwerden. Wenn das nicht Vorsehung war, dass sie Zeit hatte! Sie ist wirklich nett, diese Frau. Richtig nett.“

„Mutter! Du könntest wenigstens versuchen, deine Absichten etwas feinfühliger herüberzubringen. Fehlt nur noch, dass sich herausstellt, du hast dir den Fuß mit Absicht gebrochen, um uns zu verkuppeln. Hey!“ Er sah sie alarmiert an. „Ist alles in Ordnung?“

Donna nickte mit zusammengepressten Lippen. „Ich nehme an, die Wirkung der Medikamente lässt nach.“

„Dann nimm noch etwas.“

„Vergiss es. Ich komme schon zurecht.“ Sie hob das Kinn. „Zumindest bis wir zu Hause sind.“

Silas musterte seine Mutter verstohlen. Die Linien um ihre Mundwinkel verrieten, dass sie nicht mehr der unerschöpfliche Quell der Kraft war, der sie einmal gewesen war. „Wieso hast du vorher nichts gesagt? Wegen der Kinder, meine ich?“

Sie schwieg einen Moment. „Nach allem, was passiert ist“, sagte sie schließlich, „brauchten die Kleinen einfach Wärme und Liebe. Und da sonst niemand da war … Ach, sieh mich nicht so an, ich sage doch nur, wie es ist. Also bin ich in die Bresche gesprungen.“

Donna atmete tief durch. „Du weißt, dass ich die beiden liebe. Aber schon bevor das heute passiert ist, ist mir klar geworden, dass ich nicht mehr so fit bin wie früher. Mich gelegentlich um sie zu kümmern ist in Ordnung – ich meine, wenn der Fuß wieder in Ordnung ist –, aber jeden Tag?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nach einem Tag mit ihnen bin ich derart müde, dass ich kaum noch einen klaren Gedanken fassen kann.“

„Mein Gott, Mom!“

Seine Mutter drückte ihm lachend den Arm. „Tut mir leid, Silas. Der Geist ist willig, aber …“

„Du musst dich nicht entschuldigen.“ Er lächelte ihr zu, während langsam Panik in ihm aufstieg. Niemand wusste besser als er, dass seine Söhne unglaubliche Kraftpakete waren. Es würde nicht leicht werden, eine andere Tagesbetreuung für sie zu finden. Aber es konnte nicht sein, dass er seine Mutter mit diesem Problem belastete. Sie hatte schon mehr als genug geleistet mit der Erziehung von vier Söhnen. „Du hättest doch jederzeit etwas sagen können.“

Im Licht des Armaturenbretts sah er, wie sie sich eine Träne fortwischte. „Das konnte ich nicht. Das hätte bedeutet, sie aufzugeben.“

„Das ist schon in Ordnung. Ich werde mir etwas einfallen lassen“, versprach er, während sie in die Auffahrt seines Elternhauses einbogen. Sein Vater kam aus dem Haus gerannt, kaum dass Silas den Motor abgestellt hatte.

Seine Eltern waren fast vierunddreißig Jahre verheiratet, aber Gene Garrett war seiner Frau gegenüber noch ebenso liebevoll und fürsorglich, wie Silas es aus seiner Kindheit in Erinnerung hatte. Natürlich stritten sie sich wie jedes andere Paar, aber das, was sie verband, war etwas sehr Seltenes, Unbeschreibliches. Etwas Unerklärliches.

Es gab Zeiten, in denen Silas die beiden so sehr beneidete, dass es wehtat.

„Meine Güte, Gene!“, sagte Donna, nachdem ihr Mann ihr aus dem Wagen geholfen hatte. „Ich komme gut allein zurecht. Danke, Honey.“ Silas hatte ihr die Krücken gereicht. Sie betrachtete die Dinger einen Moment skeptisch und klemmte sie sich dann entschlossen unter die Arme. „Es ist wohl besser, du fährst jetzt nach Hause und erlöst Jewel.“

„Es ist fast zehn – die Jungen werden längst schlafen. Bist du sicher, dass du mich nicht mehr brauchst?“

„Halb so wild. Es ist nur ein gebrochener Fuß! Wir telefonieren dann morgen.“

Silas stieg wieder in den Wagen und sah zu, wie sein Vater seine Mutter behutsam die Stufen zur Veranda hinauf ins Haus führte. Und da war er wieder, der Neid. Und ein Bedauern darüber, dass seine eigene Ehe so gescheitert war.

Aber mit vierundzwanzig war er trotz des guten Beispiels, das seine Eltern ihm vorgelebt hatten, doch bei Weitem nicht so bereit gewesen für die Ehe, wie er gedacht hatte. Schon gar nicht mit einer Frau, die offensichtlich nicht zugehört hatte, als der Pfarrer bei der Trauung davon sprach, dass das Eheleben nicht nur aus Sonnenschein bestand und dass mehr als Liebe – und Sex – dazugehörte, um die schwierigen Phasen zu überwinden. Ohne den Willen, eine beständige Ehe zu führen, und ohne die Bereitschaft, Rücksicht auf die Gefühle des anderen zu nehmen und sie vielleicht gelegentlich sogar über die eigenen zu stellen, hatte die Beziehung keine Chance.

Nicht, dass der Pfarrer es mit diesen Worten gesagt hätte, aber genau das hatte er gemeint.

Und Silas hatte wirklich alles versucht. Er hatte es gehasst, Amy so unglücklich zu sehen, vor allem, nachdem das zweite Kind da war. Es wurde immer schwerer, ihre Wünsche zu erfüllen; sie beklagte sich ständig darüber, nicht genug Geld zu haben, reagierte aber absolut hysterisch, wenn er länger als gewöhnlich arbeitete, weil er ihr dann nicht mit den Kindern helfen konnte. Irgendwann erkannte Silas die Zeichen der Zeit und willigte in die Scheidung ein.

Inzwischen hatte er sich von den Schrecken seiner Ehe halbwegs erholt. Die emotionalen Wunden begannen zu heilen, wenngleich er auch alles noch sehr … vorsichtig betrachtete. Falls die richtige Frau kam, dann könnte er es eventuell noch einmal versuchen. Vielleicht.

Aber diesmal hatte er eine ganze Liste an Anforderungen, die er abhaken wollte. Sie müsste akzeptieren, dass die Jungen für ihn immer an erster Stelle standen. Sie sollte Reife mitbringen. Abgeklärtheit. Stabilität. Mit anderen Worten: Er wollte keine Frau, die ihm das Gefühl gab, sich ständig auf schwankendem Boden zu bewegen.

Silas hielt vor seinem Haus. Erstaunt sah er, dass noch alle Lichter brannten.

Das erste Herbstlaub knisterte unter seinen Füßen, als er zur Tür ging, doch das Rascheln war kaum zu hören neben dem Lärm, der von drinnen kam. Kaum hatte er die schwere Tür des hundert Jahre alten Hauses aufgezogen, als Toby sich an sein Bein drückte. Die Lefzen der englischen Bulldogge zitterten unter hervorquellenden, angstvoll aufgerissenen Augen.

Wieso? Wieso hast du diese Verrückte hierhergeschickt? schien der Hund fragen zu wollen.

Unter dem unbändigen Lachen und Gekreisch seiner Sprösslinge bekam Silas den ersten Blick auf das, was einmal sein Wohnzimmer gewesen war.

Es sah jetzt aus wie Tokyo.

Nachdem Godzilla dort gewütet hatte.

2. KAPITEL

„Daddy! Daddy! Du bist zu Hause …!“

„Wir haben soooo viel Spaß gehabt!“

Autor

Karen Templeton

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