Kümmern erlaubt, verlieben verboten

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"Pass auf sie auf!" Levi Talbot hat versprochen, sich um die Witwe seines besten Freundes zu kümmern - nicht, sich in sie zu verlieben! Doch Valerie ist einfach zu betörend. Vergeblich wehrt Levi sich dagegen, dass er die schöne junge Mutter mit jedem Tag heftiger begehrt …


  • Erscheinungstag 11.10.2018
  • Bandnummer 7
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738242
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Schweißüberströmt saß Levi Talbot in seinem Pick-up. Er beobachtete Valerie Lopez dabei, wie sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Zierleiste am Fenster eines Hauses strich, in das er seit … verflixt, wie lange? … in das er seit mindestens zehn Jahren keinen Fuß gesetzt hatte.

Valerie war noch dünner, als Levi sie in Erinnerung hatte. Ihre knochigen Schulterblätter drückten sich durch das weiße Tanktop. Dessen Saum war ihr aus dem Bund der tief sitzenden Jeans gerutscht. Sie trug ihr helles Haar immer noch lang, und ein paar Strähnen flatterten ihr um den Kopf. Neben ihr in einem Laufstall saß ein dunkelhaariges Baby und kaute auf einem Plastikspielzeug herum, während seine ältere Schwester bäuchlings auf den rissigen Holzdielen lag und beim Zeichnen leise vor sich hin summte. Die nackten Füße wippten vor und zurück. Schließlich kniete sich das kleine Mädchen hin und hielt das geöffnete Malbuch ihrer Mutter hin.

„Mama! Ich habe ihre Haare genau wie meine gemacht. Siehst du?“

Levi sah, wie Val sich lächelnd über das Buch beugte. Dabei streichelte sie die dunkelbraunen Locken des Mädchens.

„So ist es wirklich viel besser“, lobte sie. Das Mädchen giggelte, und Vals Lächeln wurde breiter. Levis Herz krampfte sich zusammen.

Warum hatte er eigentlich damals so gehandelt? Und wie sollte er seinen Plan jetzt nur in die Tat umsetzen?

Warum war ihm nie in den Sinn gekommen, dass er dieses bescheuerte Versprechen möglicherweise eines Tages einlösen müsste, das er Tomas beim Antritt ihres Militärdienstes gegeben hatte?

Eine plötzlich aufkommende Brise ließ ihn in seinem verschwitzten Hemd frösteln. Stirnrunzelnd blinzelte er in den Sonnenstrahl, den das Blechdach des Hauses reflektierte. Es handelte sich um eine seltsame Mischung aus viktorianischem Baustil und robuster Blockhütte. Irgendwie wirkte das Haus müde – fast so, als wollte es jeden Moment in sich zusammenbrechen. Oder als hätte es sich mit seiner Baufälligkeit abgefunden. Allein mit etwas Farbe an den Wänden würde sich der Verfall jedenfalls nicht übertünchen lassen.

Levi konnte das Gefühl gut nachempfinden.

Er ließ einen SUV auf der Main Street vorbeifahren – dieser Teil der Straße stellte den letzten Rest von Zivilisation dar, bevor sie sich im Niemandsland verlor –, ehe er aus seinem Pick-up kletterte. Seine Stiefel knirschten auf dem Asphalt, der seit dem vergangenen schneereichen Winter noch rissiger geworden war. Ein Habicht, der auf einer Kiefer saß, stieß ein lautes Krächzen aus, und im Haus begann ein Hund wütend zu bellen. Val und das Kind drehten sich um. Das Mädchen sah eher neugierig als besorgt drein. Die Mutter allerdings …

Val hatte schon vor Tommys und Levis Einberufung in den Militärdienst nicht zu Levis Anhängern gehört. In Anbetracht dessen bezweifelte er, dass sich diese Haltung nun ändern würde – Versprechen hin oder her. Was er in ihren blauen Augen las, konnte nur als … nun ja, vielleicht als zornig beschrieben werden. Eher noch sauer.

Vor der Treppe zur Veranda blieb er stehen.

„Levi.“ Val hob das Baby aus dem Laufstall und drückte es an die Brust. Aus der Nähe sah sie noch viel kleiner aus. Sie reichte ihm nicht einmal bis zu den Schultern. Er erinnerte sich jedoch an ihr Lächeln, denn es konnte die ganze Stadt zum Leuchten bringen. Leider hatte sie ihm dieses Lächeln nie geschenkt. „Hab schon gehört, dass du wieder hier bist.“

Er nickte unsicher, weil er nicht wusste, was als Nächstes kommen würde. Es irritierte ihn kolossal, dass diese zierliche blonde Frau ihn nervöser machte als eine Fahrt im Versorgungslaster durch feindliches Taliban-Gelände.

„Seit letzter Woche.“

Das Baby griff nach einer Haarsträhne seiner Mutter. Das ältere Mädchen – er schätzte es auf sieben – drängte sich näher. Val legte den Arm um die Schultern des Mädchens. Die dunklen Augen, mit denen es Levi musterte, hatten den gleichen intensiven Blick wie die seines Vaters. Ob Val ihrer Tochter jemals von Levi erzählt hatte? Oder von Tommy?

„Für immer?“

„Jedenfalls fürs Erste.“ Der Hund bellte wütender. „Das also sind deine Mädchen?“

Val warf ihm einen irritierten Blick zu, ehe sie antwortete. „Ja. Das ist Josie.“ Sie tätschelte die Schulter des älteren Mädchens. „Und das ist Risa.“

Das bedeutet Lachen auf Spanisch. Levi spürte einen Stich im Herzen. Tommy hatte seine zweite Tochter nicht mehr kennengelernt.

„Es tut mir leid …“

„Sei still“, wisperte Val. In ihren Augen glänzte es verdächtig.

„Ich konnte damals nicht kommen“, vollendete Levi den Satz mit einem Kloß in der Kehle, als er sich an den Schock erinnerte, den ihm der Anruf von Tommys Vater versetzt hatte. „Ich habe gefragt, aber sie haben Nein gesagt.“

Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände: Was hätte es schon gebracht?

Und auch: Du kannst jetzt gehen. Doch er konnte es nicht, denn er hatte ein Versprechen gegeben. Und Levi war entschlossen, es einzulösen – egal ob es der Witwe seines besten Freundes nun gefiel oder nicht.

Val hatte damit gerechnet, Levi irgendwann zu begegnen – seine Eltern wohnten in der Nähe, und es gab nur einen ordentlichen Supermarkt im Ort –, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie ausfindig machen würde.

Natürlich war ihr klar, dass Levi Talbot nicht für den Tod ihres Mannes Tommy verantwortlich war. Diese zweifelhafte Ehre gebührte demjenigen, der die Landmine auf die Straße dieses gottverlassenen afghanischen Dorfs gelegt hatte – eines Dorfs, dessen Namen Val nicht einmal aussprechen konnte. Aber wäre Levi nicht vor sechs Jahren zur Army gegangen, wäre Tommy gewiss nicht dem Beispiel seines Freundes gefolgt. Den vergötterte er nämlich schon seit Schultagen – aus Gründen, die Val nie so ganz verstanden hatte.

Der Gedanke riss kaum verheilte Wunden wieder auf.

„Josie, geh doch schon mal rein“, forderte sie ihre Tochter auf. Vermutlich erinnerte sich die Ältere an ihren Daddy – allerdings, so oft, wie Tommy von zu Hause fort gewesen war …

„Mama …?“

„Levi und ich müssen uns kurz allein unterhalten, Schatz. Und pass auf, dass der Hund nicht aus dem Haus läuft, okay?“

Josi warf Levi einen fragenden Blick zu, ehe sie die widerspenstige Tür einen Spaltbreit aufstieß und sich an dem aufgeregten Hund vorbei in den Flur drängte. Erst als die Tür ins Schloss gefallen war, wandte Val sich wieder Levi zu. Im Gegensatz zu Tomas, der ein Leichtgewicht gewesen war, hatte Levi überall Muskeln. Und er sah verdammt gut aus – auch wenn der Dreitagebart ihm nicht gerade zum Vorteil gereichte …

„Du wohnst jetzt also hier“, stellte Levi fest. Val setzte Risa in den Laufstall zurück und gab ihr ein Spielzeug.

„Vorübergehend. Als Tommys Großmutter zu ihrer Familie gezogen ist, hat sie mir erlaubt, so lange zu bleiben, wie ich will.“

„Viel Platz für drei Leute.“

Und eigentlich viel zu groß für Val. Fünf Schlafzimmer, drei Bäder. Dunkel. Trostlos. „Stimmt.“ Sie bemerkte Levis Blick, der über die marode Veranda mit dem morschen Geländer schweifte.

„Hier ist eine Menge zu reparieren.“

Val lächelte schief. „Ein Teil der Abmachung besteht darin, dass ich mich darum kümmere. Damit sie das Haus irgendwann zum Höchstpreis verkaufen können. Nach allem, was sie für mich getan haben, konnte ich nicht absagen. Außerdem …“, ihr Lächeln wurde breiter, „… würde es Lita das Herz brechen, wenn ich nicht hier leben würde.“

Levi runzelte die Stirn. „Und du sollst das alles bezahlen?“

„Natürlich nicht. Es ist schließlich nicht mein Haus.“

Seine grünen Augen ruhten auf ihr. So hatte er sie schon immer angesehen, als sie noch jünger waren und er nicht so recht wusste, woran er mit ihr war. Als ob er sich fragte, warum sein bester Freund seine Zeit lieber mit ihr als mit ihm verbrachte. Unvermittelt kehrte das unbehagliche Gefühl zurück, das sie damals immer empfunden hatte …

„Warum um alles in der Welt bist du hier, Levi?“

Falls ihre Frage ihn irritierte, ließ er es sich nicht anmerken. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, ehe er antwortete: „Tommy war mein bester Freund, Val. Ich war euer Trauzeuge. Glaubst du, ich komme nach Hause, ohne mich zu erkundigen, wie es dir geht?“

Risa begann zu quengeln, und Val nahm sie wieder auf den Arm. „Du bist wenigstens nach Hause gekommen“, murmelte sie. Der betroffene Blick in seinen Augen bereitete ihr fast ein schlechtes Gewissen, aber nur fast. Es gab nämlich Tage, da bewahrte sie allein die Wut davor, den Verstand zu verlieren. Die Wut und die Liebe zu ihren Töchtern.

„Wie du sehen kannst, geht es mir gut“, antwortete sie, ohne auf das Brennen in ihren Augen zu achten.

Wieder schaute Levi sie auf seine unverwechselbare Art an. Die Betroffenheit in seinem Blick war etwas gewichen, das Val nicht benennen konnte … das ihr allerdings nicht gefiel.

„Vor fünfzehn Jahren war dieses Haus eine Ruine. Ich weiß nicht, wie es jetzt da drinnen aussieht. Tommys Kinder …“ Er holte tief Luft. „Sie haben etwas Besseres verdient.“ Er machte eine Pause. „Und du auch.“

Seine Worte trafen sie wie Schläge. Nicht, dass die Menschen sie seit ihrer Rückkehr nicht freundlich behandelt hätten. Aber es war eine aufgesetzte Freundlichkeit – ein paar hilflos gemurmelte Worte Es tut mir so leid oder eine linkische Umarmung, gefolgt von einem lastenden Schweigen oder einer übertriebenen Fröhlichkeit, bei der sie am liebsten laut geschrien hätte. Bei Levi war das allerdings etwas anderes. Obwohl es doch eigentlich genauso sein sollte, oder?

„Danke.“

„Wenn du willst, mach mir doch eine Liste mit den Dingen, die zu tun sind. Ich könnte mit der Veranda anfangen. Einige der Dielen sehen ziemlich morsch aus.“

„Warum?“ Mehr brachte sie nicht heraus.

„Ich komme morgen noch mal wieder“, sagte er leise, statt ihre Frage zu beantworten. Dann drehte er sich um und ging zu seinem schwarzen Pick-up auf der anderen Straßenseite. Er stieg ein, knallte die Tür zu und fuhr los – vermutlich zum Haus seiner Eltern, wo er wohnte, wie sie gehört hatte.

Val griff nach dem nassen Pinsel, und mit dem inzwischen eingeschlafenen Baby im Arm betrat sie das Haus, warf den Pinsel ins Spülbecken und ging hinauf, um Risa in ihre Wiege zu legen. Ihr Zimmer und das von Josie waren die einzigen, die sie gestrichen hatte: blassblau das eine, gelb das andere. Der Boden musste noch renoviert werden. Es gab noch so viel zu tun …

Das Haus befand sich wirklich in einem erbärmlichen Zustand. Seit Jahren war es vernachlässigt worden – auch weil Lita, Tommys Großmutter, nicht mehr so gut sehen konnte. In der Nähe von Tommys Eltern zu wohnen erwies sich zwar als ein Segen, zumal sich die Familie in vielerlei Hinsicht sehr großzügig zeigte, aber die Vorstellung, sich auch noch um die Renovierung kümmern zu müssen – nach allem, was sie durchgemacht hatte …

Es hatte sich alles so einfach angehört, als Angelita Lopez ihnen vor zwei Jahren das Haus versprochen hatte – für die Zeit nach Tommys Rückkehr. Traurig betrachtete Val die schlafende Risa – und musste doch lächeln. Sie sollte nicht der Vergangenheit nachtrauern, sondern sich auf die Zukunft freuen. Die Geschenke akzeptieren, die das Leben ihr bot. Selbst wenn sie auf den ersten Blick mehr Probleme schufen als Lösungen boten. Wie dieses potthässliche Haus beispielsweise.

Oder das Angebot eines Mannes, den sie derzeit am allerwenigsten sehen wollte. Und der ihr bei der Renovierung dieses heruntergekommenen Hauses helfen wollte.

Val seufzte.

Auf dem Weg ins Erdgeschoss schaute sie in das höhlengleiche Wohnzimmer, ein Raum voll von dunklem Holz und Möbeln, die nicht zusammenpassten. Josie saß im Schneidersitz auf dem Sofa und schaute fern. Neben ihr auf dem Kissen lag der Hund, Kopf und Pfoten auf die Sofalehne gestützt.

„Ist er weg?“, fragte Josie.

„Ja. Was schaust du da?“ Als ob sie es nicht wüsste.

„Buddy – der Weihnachtself.“

Val lächelte. „Schon wieder?“

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Er gefällt mir“, antwortete sie, und Vals Herz verkrampfte sich. Bei Tommys letztem Weihnachtsurlaub – vor zwei Jahren – hatte er mit Josie den Film immer und immer wieder gemeinsam angeschaut. Danach hatte Josie die Geschichte vergessen – bis sie beim Auspacken der Umzugskartons die DVD wiedergefunden hatte.

„Das war Daddys Lieblingsszene“, sagte ihre Tochter leise, und Val dachte bei sich, dass Josie solche Momente brauchte, um wieder Mut zu schöpfen. Wenn dieser Film ihre kleine Tochter mit ihrem Vater verband, dann würde sie es akzeptieren. Irgendwann würden die Erinnerungen verblassen, und neue Erlebnisse und Erfahrungen würden an ihre Stelle treten.

„Wie wär’s mit gebratenem Hühnchen zum Abendessen?“

Josie nickte und zog die Knie bis ans Kinn. Mit ernsten Augen, viel zu ernst für ihr Alter, schaute sie Val an. „Das war also Levi“, sagte sie, und Val schnürte es die Kehle zu.

„Ja. Hat … hat Daddy mit dir über Levi gesprochen?“

„Hmh“, bejahte das Mädchen und schaute wieder zum Fernseher. „Er hat gesagt, wenn mit ihm irgendetwas passiert, dann würde Levi sich um uns kümmern.“

Wann hat Daddy das gesagt?!“ Nur mit Mühe brachte Val die Worte hervor.

Josie zuckte mit den Schultern. „Bevor er gegangen ist. Das letzte Mal. Er sagte, wenn er nicht zurückkommt, dann würde Levi dafür sorgen, dass es uns gut geht. Weil sie beste Freunde sind und dass er auch Levi immer helfen würde. Und dass …“, sie runzelte die Stirn, als versuchte sie, sich an etwas zu erinnern. Dann grinste sie, „… dass er, von dir abgesehen, Levi mehr als jedem anderen Menschen auf der Welt vertraut.“

Val ließ sich auf den wackligen Sessel neben dem Sofa fallen. Sie spürte eine neue Welle der Wut in sich hochsteigen. Was hast du dir bloß dabei gedacht, Tommy? Sich seiner Tochter anzuvertrauen statt seiner Frau – Josie war damals gerade erst fünf gewesen …

Er hatte dem Mädchen mit seinen Worten möglicherweise zu verstehen gegeben, dass er nicht zurückkommen könnte.

Val schloss die Augen und holte tief Luft. Komisch, dass sie sich immer für eine Realistin gehalten hatte – und das bei ihrer Vergangenheit. Nicht für eine Pessimistin, obwohl sie sehr wohl wusste, wie oft die Dinge schiefgehen konnten. Tomas dagegen war ein Träumer gewesen, der Silberstreifen am Horizont bemerkte, wo Val nur Wolken sehen konnte. Er hatte Hoffnung in ihr Leben gebracht, das geprägt gewesen war von dumpfer Traurigkeit. Kein Wunder, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Und jedes Mal, wenn er wieder zu einem Militäreinsatz musste, hatte sie gegen den Gedanken ankämpfen müssen, dass er möglicherweise nicht mehr zurückkommen würde. Bei seinem Job … Es war maßlos untertrieben, ihn als Risikojob zu beschreiben.

Aber kleine Mädchen sollten sich über derlei Dinge keine Gedanken machen müssen oder Angst davor haben, was passieren könnte. Val wollte ihren Kindern nur ein sicheres, glückliches Leben bieten. Tomas wusste das. Und dass er nun irgendwie ihr Vertrauen missbraucht hatte und damit alles infrage stellte, wofür sie so sehr gekämpft hatte …

„Mama? Was ist los?“

„Ich … ich wusste nicht, dass Daddy so etwas gesagt hat.“

„Bist du jetzt böse?“

Sie lächelte etwas gezwungen, ehe sie die Arme ausstreckte. Josie rutschte vom Sofa und kletterte auf Vals Schoß. Val schloss die Arme um sie und legte den Kopf in das weiche Haar ihrer Tochter.

„Ich bin nur überrascht.“

„Dass Daddy es dir nicht gesagt hat?“

„Mhm.“

Josie spielte mit Vals Armband, das Tommy ihr am Anfang ihrer Beziehung vor mehr als einem Dutzend Jahren geschenkt hatte. Das Freundschaftsband sah schon ziemlich schäbig aus, aber Val würde es niemals ablegen.

„Ich musste Daddy versprechen, es keinem zu sagen. Er hat gesagt, es sei unser Geheimnis. Und ich sollte wissen, dass das mit Levi okay ist.“ Das Mädchen lehnte sich zurück, um seiner Mutter in die Augen schauen zu können.

Val bezweifelte das aus einer ganzen Reihe von Gründen, die in ihrer Erinnerung gespeichert waren. Aber sie wollte sich ihrer kleinen Tochter gegenüber nicht anmerken lassen, in welchen Gefühlsstrudel Levis Besuch sie gerissen hatte. Trotzdem konnte er ruhig ihre Veranda ausbessern, denn die morschen Dielen machten ihr auch zu schaffen. Sie selbst würde wohl kaum je in der Lage sein, sie zu ersetzen.

Eine Arbeit konnte sie ihm jedenfalls geben. Alles andere jedoch …

Sie drückte ihre Tochter fester an sich und beschloss einmal mehr, dankbar dafür zu sein, was sie noch hatte – ihre wunderbaren Töchter, Tommys fürsorgliche Eltern, ein Dach über dem Kopf –, auch wenn es nicht ihr eigenes war. Immerhin mehr, als sie sich jemals in ihrem Leben erhofft hatte.

Und sie würde verrückt sein, wenn sie sich das von Levi Talbott vermasseln lassen würde.

Levi schloss die Hecktür seines Pick-ups, nachdem er die Holzdielen im Kofferraum verstaut hatte – genug, wie er hoffte, um Vals Veranda zu reparieren, die er dummerweise gar nicht ausgemessen hatte. Noch immer klang ihm ihre Frage Warum? in den Ohren. Und ihre blauen Augen hatten ihn eiskalt angeschaut.

Wenigstens hatte sie ihn nicht in die Wüste geschickt, überlegte er, während er sich hinters Steuer setzte. Er wünschte nur, Tomas hätte seine Aufforderung Pass auf sie auf, Junge! etwas klarer formuliert. Levi bog von der Hauptstraße ab auf den schmalen Weg, der zu Whispering Pines führte. In diesen Höhen war es sogar im Mai im Norden von New Mexico noch kühl. Er dachte darüber nach, worauf er sich da eingelassen hatte, und sagte sich einmal mehr, dass nichts und niemand einen auf die Realität vorbereiten konnte. Jedenfalls nicht auf diese Realität. Doch er hatte ein Versprechen gegeben, und er würde es einhalten. Das war eines der wenigen Dinge, in denen er wirklich gut war.

Das Dorf lag fast noch im Schlaf. Die Touristenfallen, die Kunstgalerien und die schicken Restaurants auf der Main Street waren noch nicht auf Besucher eingestellt, die hierherkamen, um das wahre New Mexico kennenzulernen. Levi fuhr über die kurvenreiche Hauptstraße des Orts, vorbei am Büro des Sheriffs, an der Grund- und Mittelschule, am Supermarkt und an der Tankstelle, an der einzigen Bank und den drei Kirchen.

Als Vals Haus in Sicht kam, sah Levi sie auf der Veranda stehen. Sie trug Jeans und einen Kapuzenpulli. Wartete sie etwa auf ihn? Natürlich nicht, Dummkopf! Er setzte rückwärts in die Einfahrt, und prompt begann der Hund – ein ziemlich großes Tier, wie er nun sah – ohrenbetäubend zu bellen. Vorsichtshalber blieb Levi erst einmal hinter dem Steuer sitzen und blickte zwischen Val und dem Tier hin und her.

„Kannst du ihn bitte zurückrufen?“

„Keine Sorge, der beißt nicht. Bis jetzt jedenfalls nicht.“

Kopfschüttelnd stieg Levi aus dem Wagen und strich an dem Hund vorbei, der nun um ihn herumsprang und seine kalte Nase in Levis Hand drückte. Levi musste grinsen. „Falls man dir den hier als Wachhund verkauft hat, solltest du dein Geld zurückfordern.“

„Ich habe ihn nicht gekauft. Tommy hat ihn eines Tages mitgebracht. Er hatte ihn am Übungsplatz gefunden. Es war ein richtig süßer kleiner Hund.“ Levi schaute auf. Ihr Blick war nicht mehr so kühl wie zuvor.

„Wie heißt er denn?“

„Radar.“

„Na ja, der Name Frühwarnsystem wäre ja auch zu offensichtlich.“

Um Vals Mundwinkel zuckte es. „Und für ein Kleinkind möglicherweise zu schwierig auszusprechen.“ Sofort presste sie wieder die Lippen zusammen, als bereute sie ihren Scherz.

„Wo sind die Mädchen?“

„Bei ihrer Großmutter. Connie und Peter wohnen näher an der Schule, und Connie passt auf das Baby auf, während ich im Restaurant bin.“

„Im Restaurant?“

„Annies Café. Ich arbeite dort in Teilzeit.“

„Als Kellnerin?“

„Ich muss mich ablenken, um nicht verrückt zu werden. Und wir müssen wohl ein paar Dinge klarstellen.“

Levi stellte einen Fuß auf die oberste Treppenstufe. „Und das wäre?“

Vals Wangen wurden rosig. Er glaubte nicht, dass es an der kalten Luft lag. „Das hier ist ein rein geschäftliches Arrangement. Wie du gestern ganz richtig festgestellt hast, gibt es im und am Haus viel zu reparieren – Dinge, die ich nicht tun kann.“

Levi beschloss, den Grund, warum er hier war, erst einmal auf sich beruhen zu lassen. „Weil du weniger wiegst als der Hund?“

„Weil ich keine Ahnung habe, wie man ein Haus ausbessert. Und ich nehme an, du weißt es.“

„Zumindest einiges. Wenn es allerdings um Elektrizität oder Rohrleitungen geht, dann müsstest du schon einen Profi bestellen. Ich kann zwar Armaturen auswechseln, aber mehr auch nicht.“

„Verstehe. Trotzdem engagiere ich dich. Ich erwarte also eine Rechnung für deine Arbeit.“

„Vergiss es.“

„Okay. Dann lassen wir’s.“ Entschlossen sah sie ihn an.

„Das meinst du doch nicht ernst?“

Eine Pause entstand. „Doch. Und was du gerade gesagt hast …“

Abwehrend hob Levi eine Hand, um diese blödsinnige Unterhaltung zu beenden. Er erinnerte sich, dass Tommy öfter von Vals Dickköpfigkeit erzählt hatte. Sein Freund fand es amüsant – vermutlich, weil er bis über beide Ohren in dieses Mädchen verliebt gewesen war. Levi dagegen war eher verärgert. Er schob die Hände in die Taschen seiner Jacke und runzelte die Stirn.

„Verabscheust du mich wirklich so sehr?“

Ihrem Blick nach zu urteilen, hatte er sie mit seiner Frage schockiert. Gut. Sie brauchte einen Moment, um ihre Stimme wiederzufinden. „Meine Gefühle dir gegenüber haben nichts damit zu tun. Aber wenn wir keine klaren Grenzen ziehen, kann es … ungemütlich werden.“

Autor

Karen Templeton

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