Die schöne Sklavin des Wikingers

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Die grüne Insel Irland im Jahr 876. Breannes Schicksal scheint besiegelt: Die unschuldige Schönheit aus königlichem Haus wurde verschleppt und soll auf dem Sklavenmarkt verkauft werden. Doch ein hochgewachsener Wikinger mit eisblauen Augen rettet sie vor den lüsternen Bietern. Fürsorglich befreit er sie von ihren schmerzenden Fesseln – und schenkt ihr schon bald auf ihrem nächtlichen Lager nie gekannte sinnliche Erfüllung! Zu spät durchschaut Breanne, warum der starke Nordmann sie in seine zärtliche Gewalt gebracht hat. Er will sich an seinem Todfeind rächen – ihrem Vater. Und ausgerechnet Breanne soll ihm dabei helfen …


  • Erscheinungstag 17.05.2022
  • Bandnummer 377
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507493
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Königreich Maerr, Norwegen, 874 n. Chr.

Es war am Morgen seiner Vermählung. Die meisten Männer hätten diesen Tag freudig begrüßt, aber Alarr Sigurdsson ahnte, dass etwas nicht stimmte. Der verdunkelte Erntemond der letzten Nacht war kein gutes Omen, und die Seherin hatte ihn gewarnt und ihm geraten, die Hochzeit zu verschieben.

Alarr hatte die Völva ignoriert, denn er war nicht jemand, der an Flüche oder böse Vorzeichen glaubte. Durch diese Verbindung entstand ein starkes Bündnis mit seinem Stamm. Er kannte Gilla Vigmarrsdottir, seit sie Kinder waren. Sie hatte immer ein Lächeln auf den Lippen und ein ausgeglichenes Wesen. Sie war nicht schön im herkömmlichen Sinn, aber das machte nichts. Ihre freundliche Art stimmte ihn in Bezug auf die Heirat zusätzlich positiv. Sein Vater Sigurd hatte den Brautpreis festgesetzt, und der Mundr war hoch. Er demonstrierte das Vermögen der Familie.

„Bist du bereit, dich in die Ketten der Ehe legen zu lassen?“, neckte ihn sein Halbbruder Danr. „Oder glaubst du, dass Gilla die Flucht angetreten hat?“

Er ließ sich nicht provozieren. „Sie wird kommen.“

Alarr hatte seine beste Tunika mit der silbernen Borte am Saum und die dunkle Hose angezogen. Um die Schultern hatte er den schwarzen Umhang gelegt. Dass er keine Waffen trug, störte ihn. Seine Mutter hatte ihn darum gebeten, weil er damit nur die Götter erzürnen würde. Es war eine ungewöhnliche Bitte, die ihm Unbehagen verursachte, vor allem in Anbetracht der vielen auswärtigen Gäste.

Der Aberglaube seiner Mutter würde ihn jedoch nicht davon abhalten, sich zu verteidigen. Während der Vermählungszeremonie würde Gilla ihm ein Prunkschwert als Geschenk überreichen, also blieb ihm wenigstens das. Waffen waren ein wichtiger Teil seines Lebens, und ein gekonnt geschmiedetes Schwert konnte ihm Trost spenden. Kämpfen behagte ihm eher, als sich an einer Unterhaltung zu beteiligen.

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen war ungewohnt für jemanden, der zwei Brüder und zwei Halbbrüder hatte. Als Zweitgeborener kannte Alarr das Gefühl, übersehen und ignoriert zu werden, was ihm für gewöhnlich ermöglichte, sich in die Abgeschiedenheit zurückzuziehen und für den Zweikampf zu trainieren. Die intensive körperliche Anstrengung bescherte ihm ein seltsames Gefühl inneren Friedens. Wenn er mit einem Schwert übte, musste er sich mit niemandem außer sich selbst messen. Und nun, da er den Status eines Kämpfers erreicht hatte, respektierten die Männer ihn. Niemand forderte ihn heraus, und er war überzeugt, jeden Kampf gewinnen zu können.

Nicht, dass Sigurd das je aufgefallen wäre.

Sein Vater tat so, als gebe es keine Feinde, aber Alarr war nicht dumm. Unter den Stämmen braute sich Unruhe zusammen. Er hatte verschiedene benachbarte Jarls besucht und in diesen Fürstentümern mitbekommen, wie dort hinter vorgehaltener Hand von Aufstand die Rede war. Trotzdem wollte sein Vater das nicht wahrhaben.

Danr grinste ihn von der Seite an. „Hast du Angst davor, heute Nacht deine Unschuld zu verlieren?“ Alarr drohte ihm mit der Faust, und Danr duckte sich weg und lachte. „Ich hoffe, sie geht behutsam mit dir um, Bruder.“

„Sei still, wenn du nicht willst, dass ich dir die Zunge herausschneide“, ermahnte Alarr ihn. Aber beide wussten, dass das eine leere Drohung war. Sein Halbbruder meinte es nie ernst und scherzte oft. Die Frauen waren fasziniert von dem Mann mit dem hellen Haar und den blauen Augen, und Danr nahm allzu bereitwillig ihre Angebote an. Alarr wusste, dass sein Halbbruder auch heute Nacht wieder den Weg ins Bett einer Frau finden würde.

Der Duft gebratenen Fleischs lag in der Luft. Kühe und Schafe waren für das Hochzeitsmahl geschlachtet worden. Sigurd hatte die Anführer der benachbarten Stämme mit ihren Töchtern eingeladen. Zweifelsohne würde er versuchen, weitere Vermählungen zu arrangieren, um seine gesellschaftliche Stellung aufzuwerten. Sigurd war ein unbedeutender König, und das reichte ihm nicht. Er wollte größeres Ansehen und mehr Macht.

Alarr ging zum Langhaus seines Vaters. Dort wartete Sigurd auf ihn, bekleidet mit einer einfachen Wolltunika und Kniehosen. Er sah äußerst zufrieden aus. Sein Haar ergraute allmählich, im Bart und auf dem Kopf zeigten sich weiße Strähnen. Dennoch zeigte er kein Anzeichen von Schwäche. Er besaß noch den schlanken, starken Körper eines Kriegers. Selbst in seinem fortgeschrittenen Alter besiegte Sigurd noch immer viele Männer im Zweikampf. „Bist du bereit?“, fragte er.

Alarr nickte, und sie gingen schweigend nebeneinanderher zu dem Hügelgrab außerhalb ihrer Siedlung, in dem die Vorfahren beerdigt waren. Die Gräber früherer Krieger – seines Großvaters und derer, die vor ihm gestorben waren – warteten auf sie. Dort würde Alarr ein Schwert ausgraben. Die Waffe, geschmiedet mit den Kenntnissen und der Geschicklichkeit seiner Vorfahren, würde seine werden, und später würde sie an seinen Erstgeborenen weitergegeben werden.

Als sie am Fuß des Hügels angekommen waren, blieb Sigurd stehen und bedeutete seinem Sohn, eine Entscheidung zu treffen. Alarr wusste bereits, wessen Schwert er wollte.

Er kletterte auf den Hügel und zu der Stelle, an der sein Onkel lag, der erst vor einem Jahr im Kampf gefallen war. Hafr hatte Alarr im Schwertkampf trainiert, sobald dieser stark genug gewesen war, eine Waffe hochzuheben. Es gab niemanden, dessen Schwert er lieber gehabt hätte.

Zusammen mit seinem Vater grub er, bis sie Hafrs Grabbeigaben fanden. Alarr versuchte, die seltsame Ahnung, die ihn überfiel, zu verdrängen, während er den Überresten seines Onkels Respekt zollte. Das Schwert war sorgsam in Leder eingewickelt. Alarr hob es hoch und packte es aus. Das Eisen glänzte im Morgenlicht, aber man würde es säubern und schärfen müssen.

„Willst du dieses Schwert an dich nehmen?“, fragte Sigurd leise.

„Ja, das will ich.“

Sigurd streckte eine Hand aus. Nachdem Alarr ihm das Schwert übergeben hatte, betrachtete er seinen Sohn. „Mit dieser Vermählung ruhen große Erwartungen auf dir. Unser Königreich Maerr steigt zu großer Macht auf, und wir müssen unsere Verbindungen mit den anderen Jarls festigen. Du musst mit Gilla sofort einen Sohn zeugen und sicherstellen, dass das Bündnis stabil bleibt.“ Er wickelte das Schwert wieder ein und legte es zur Seite. „Vielleicht werden die Weisheit und die Stärke meines Bruders auf dich übergehen, nun, da du sein Schwert hast.“

Alarr glaubte nicht daran, nickte aber. Er wollte das Schwert, weil es eine greifbare Erinnerung an seinen Onkel verkörperte. Hafr war für ihn eher ein Vater gewesen als Sigurd, auch wenn es ihm nicht bewusst gewesen war. Alarr hatte die meiste Zeit seines Lebens versucht, Sigurds Anerkennung zu bekommen, jedoch mit wenig Erfolg.

Sie deckten die Überreste seines Onkels und dessen weltlichen Besitz wieder zu, bevor sie zur Siedlung zurückkehrten. Alarr ging zum Badehaus. Es war Zeit für das Reinigungsritual. Gilla hatte er seit ihrer Ankunft nicht gesehen, aber einige ihrer Verwandten und mit ihnen einige andere, die er nicht kannte.

Als er das Badehaus betrat, schlug ihm sofort die Hitze entgegen. Von den heißen Steinen, die man in die Wasserbecken gelegt hatte, stieg Dampf auf. Hölzerne Bänke waren in Abständen darum herum aufgestellt, und darauf lagen Tücher zum Abtrocknen.

Alarr zog seine Kleider aus und bemerkte, dass drei seiner Brüder auf ihn warteten: der jüngste, Sandulf, und der ältere, Brandt, sowie ihr Halbbruder Rurik, der Zwillingsbruder von Danr. Anders als Danr war Rurik dunkelhaarig und still. In vielerlei Hinsicht fiel es Alarr leichter, sich mit ihm auszutauschen. Sie trainierten oft zusammen, und er betrachtete ihn sowohl als Bruder als auch als engen Freund. Sandulf, ihr jüngster Bruder, war begierig, sich zu beweisen. Er hatte dunkelblondes Haar und blaue Augen und war nun fast erwachsen. Trotzdem gefiel Alarr der Gedanke nicht, dass sein Bruder an einer Schlacht teilnehmen könnte. Sandulf trainierte hart, aber sein Reaktionsvermögen ließ zu wünschen übrig. Es stand zu befürchten, dass er nur durch Erfahrung die Geschicklichkeit erlangen würde, die er eigentlich jetzt schon bräuchte.

„Wessen Schwert hast du dir ausgesucht?“, fragte Sandulf.

„Hafrs“, antwortete Alarr. Rurik sah ihn schweigend an und nickte zustimmend. Er hatte Hafr auch nahegestanden, da Sigurd sich gegenüber seinen unehelichen Kindern distanziert verhielt.

Alarr schlenderte zu dem hölzernen Trog und begann mit dem Reinigungsritual, indem er sich das heiße Wasser mithilfe einer Holzschale über den Körper goss und sich mit Seife den Schmutz von der Haut schrubbte. Brandt sagte leise: „Unter den Gästen sind viele Fremde. Ist dir das aufgefallen?“

„Allerdings“, antwortete Alarr. „Aber unser Stamm ist auch im ganzen Norden weit bekannt. Es ist nichts Ungewöhnliches. Und wir wissen, dass Sigurd weitere Verbindungen knüpfen will.“ Er warf Rurik einen bedeutungsvollen Blick zu, den dieser aber ignorierte.

Brandt wirkte trotzdem besorgt. „Er bringt unseren Stamm in Gefahr, wenn er Krieger hereinlässt, die wir nicht kennen. Einige kommen aus Éireann.“

Diese Insel lag mehrere Tagesreisen entfernt. Sigurd war vor Jahren über das Meer dorthin gereist und hatte eine Nebenfrau mitgebracht. Sie hatte einige Monate nach ihrer Ankunft Rurik und Danr geboren und war nie in ihre Heimat zurückgekehrt, selbst dann nicht, als Sigurd sie nicht mehr wollte. Saorla war bereits vor Jahren gestorben, und nun kamen erstmals wieder Besucher von Éireann. Alarr fragte sich, ob es überhaupt eine Verbindung zwischen diesen Fremden und seinen Halbbrüdern gab.

Nichtsdestotrotz sah er keine andere Möglichkeit, als die Besucher an der Vermählungszeremonie teilnehmen zu lassen. „Nun sind sie schon einmal hier. Wir können ihnen unsere Gastfreundschaft nicht vorenthalten.“ Mit einem Schulterzucken fügte er hinzu: „Sigurd hat sie wahrscheinlich eingeladen in der Hoffnung, eine ihrer Töchter mit Rurik oder Danr zu vermählen.“

„Möglicherweise.“ Brandt dachte einen Augenblick nach. „Wir können ihnen nicht verbieten, hier zu übernachten, aber wir können ihnen das Recht verweigern, ihre Waffen mitzuführen. Wir sagen ihnen, dass wir uns an den Wunsch unserer Mutter halten.“

Das wäre eine vertretbare Forderung, und Alarr antwortete: „Ich werde mich darum kümmern.“ Er griff nach seiner Kleidung und zog sich an.

„Warte einen Moment.“ Brandt kam auf ihn zu und hielt ihm einen Lederbeutel hin. „Ein Hochzeitsgeschenk.“ Alarr öffnete ihn und fand darin einen Glücksbringer mit dem Wahrzeichen Thors: eine Halskette aus Bronze mit kleinen Anhängern, die wie Hämmer geformt waren.

Er drehte sich um, sodass Brandt ihm beim Anlegen der Kette helfen konnte. Dann betrachtete er ausgiebig seine Brüder. Es gelang ihm einfach nicht, das Gefühl, dass etwas so gar nicht stimmte, abzuschütteln. Vielleicht lag es an den fremden Kriegern. Vielleicht war es auch einfach die Gewissheit, heute vermählt zu werden.

Eine plötzliche Vorahnung, dass er Gilla nicht wie geplant heiraten würde, bemächtigte sich seiner Gedanken. Alarr wusste nicht warum, aber die Haare auf seinen Armen stellten sich auf, und er wurde diese Unsicherheit nicht los. Er redete sich ein, dass seine Unruhe von der bevorstehenden Feier herrührte. Wahrscheinlich hatte letzten Endes jeder Bräutigam solche Gefühle.

Sandulf gesellte sich zu ihm. „Darf ich mitgehen, Alarr?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wenn du möchtest. Aber wir tauschen bloß den Mundr und Gillas Mitgift aus. Vielleicht willst du lieber warten.“ Die Hochzeitszeremonie würde fast den ganzen Tag dauern, und es gab schon genügend Zeugen. Sandulf würde man dort nicht gebrauchen können. „Du könntest dazukommen, wenn wir den Göttern opfern. Das ist der interessantere Teil der Zeremonie.“

Sein Bruder nickte. „In Ordnung. Und in der Zwischenzeit kann ich unsere Gäste im Auge behalten und versuchen herauszufinden, ob einer von ihnen eine Bedrohung darstellt.“

„Gut.“ Alarr konnte den Drang seines jüngsten Bruders, sich nützlich zu machen, nachvollziehen, und es war sicherlich sinnvoll, die Gäste zu beobachten.

Alarr verließ das Badehaus zusammen mit seinen Brüdern. Brandt begleitete ihn in Richtung Dorfmitte. Er sprach wenig, aber als er seine hochschwangere Frau Ingrid erblickte, begannen seine Augen zu leuchten. Alarr fühlte sich ihm in seiner Vorfreude verbunden. Er fragte sich, ob er Gilla auch so ansehen würde, wenn sie ein Kind in sich trug.

„Jetzt dauert es nicht mehr lange“, sagte er zu Brandt. „Du wirst bald Vater.“

Brandt nickte, und seine Glückseligkeit war offensichtlich. „Ingrid denkt, dass es ein Junge wird, das hat die Völva ihr jedenfalls gesagt. Ich hoffe, dass es stimmt.“

Sie gingen nebeneinanderher zu Sigurd und Gillas Vater, die auf dem Platz in der Mitte der Siedlung auf sie warteten. Es war nun Zeit, den Brautpreis und die Mitgift zu verhandeln. Aber als sie gerade damit beginnen wollten, wurden sie von Alarrs Mutter unterbrochen. Sie eilte herbei und flüsterte Brandt etwas ins Ohr. Dessen Gesicht verdunkelte sich, dann nickte er.

„Ich muss gehen“, sagte er zu Alarr. „Es gibt Unruhen. Im Norden sammeln sich einige Stämme. Ich bin sicher zum Hochzeitsmahl heute Abend wieder zurück, aber ich soll dort eingreifen, um nach Möglichkeit ein Blutvergießen zu verhindern. Es tut mir leid, aber das kann nicht warten.“

Alarr senkte den Kopf. Er fragte sich, ob das das böse Vorzeichen war, von dem die Völva gesprochen hatte. Es kam ihm seltsam vor, dass seine Mutter nicht mit ihrem Mann, sondern mit Brandt sprach. Sie und Sigurd verstanden sich nicht mehr besonders, das war allgemein bekannt. Aber es war natürlich auch möglich, dass der König bereits von der Angelegenheit wusste und angeordnet hatte, dass Brandt statt seiner entsandt würde. Sigurds Anwesenheit bei der Vermählung war schließlich unerlässlich.

„Geh nicht allein“, warnte Alarr seinen Bruder.

„Rurik wird mich begleiten, und noch ein paar weitere Männer“, versprach Brandt. Sein Blick fiel auf seine Frau, die sich gerade zu einer Gruppe anderer Frauen gesellte, und seine Gesichtszüge hellten sich auf. „Ich komme zurück, sobald ich kann.“

„Dann geh“, sagte Alarr. „Und sei heute Abend zum Festmahl zurück.“ Er klopfte Brandt mit der flachen Hand auf den Rücken und konzentrierte sich anschließend wieder auf die Verhandlungen.

Sigurd feilschte bereits mit Vigmarr um Mitgift und Mundr. Da der Brautpreis eigentlich schon feststand, war das Verhandeln mehr ein symbolischer Akt, der die zukünftige Verbindung darstellen sollte.

Gilla stand hinter ihrem Vater. Sie trug ein grünes Wollkleid, das von Goldfibeln zusammengehalten wurde. Ihr dunkles Haar fiel ihr über die Schultern herab, und auf dem Kopf trug sie eine Brautkrone aus geflochtenem Stroh und Blumen. Obwohl sie freundlich lächelte, schien sie etwas nervös zu sein.

Neben ihr bereitete die Völva das Opferritual für die Götter vor. Sie begann, in der alten Sprache zu singen und um Segen zu bitten. Einige der Gäste kamen näher, um sich das anzusehen. Rauch mischte sich mit dem Geruch frischen Blutes. Die Seherin nahm einen Tannenzweig und tauchte ihn in das Blut des Wildschweins, das dem Gott Freyr geopfert wurde. Damit segnete sie die Umstehenden, indem sie das Zeichen des Hammers in die Luft malte.

Obwohl Gilla sich über das Ritual zu amüsieren schien, war Alarr bei dem Anblick der Blutspritzer auf ihrem Gesicht und Haar unwohl. Auch die anderen Gäste wurden mit Opferblut gesegnet, aber anstatt dies ehrerbietig entgegenzunehmen, schienen etliche der Krieger eine stumme Botschaft zu teilen. Alarr konnte das Gefühl, dass das alles auf ein bevorstehendes Blutbad hindeutete, nicht abschütteln.

Beschützt meine Brüder!, betete er zu den Göttern. Lasst sie lebendig zurückkehren.

Alarr beobachtete die Männer. Der irische König Feann MacPherson erregte seine Aufmerksamkeit. Er wusste nicht, ob er eingeladen worden oder auf eigene Initiative gekommen war. Vielleicht strebte er ein Bündnis oder eine Vermählung für seine Tochter an, falls er eine hatte. Der König trug einen Wollumhang, sodass man nicht sehen konnte, ob er Waffen trug. Er war groß, und auf seiner Wange zeichnete sich eine dünne Narbe ab, die auf frühere Schlachten hindeutete. Das dunkle Haar war von grauen Strähnen durchzogen, aber er wirkte noch sehr widerstandsfähig.

Als er bemerkte, dass Alarr ihn anstarrte, versteinerte sich sein Gesicht, und er wandte sich Sigurd zu. Sein Blick war nicht der eines Mannes, der ein Bündnis suchte, sondern der eines Kämpfers.

Jemand musste die Wachen alarmieren, aber Alarr konnte sich nicht mitten in der Zeremonie davonschleichen. Er hielt nach Danr und Sandulf Ausschau, konnte sie aber nirgendwo entdecken. Nur seine Tante stand in der Nähe, und die konnte nichts ausrichten.

Du bildest dir das ein! versuchte er sich einzureden. Aber so sehr er sich auch bemühte, seinen Argwohn zu zerstreuen, seine Instinkte blieben wach. Wenn er jetzt die Zeremonie unterbrechen würde, wäre das eine Demütigung für seine Braut. Heute sollte ein Feiertag sein! Gilla strahlte ihn an.

Sie war eine liebe Frau, und er erwiderte ihr Lächeln und versuchte, sich auf die Hochzeit zu konzentrieren. Ihre Verbindung wurde auf dem soliden Fundament der Freundschaft gegründet, und innerlich schwor er sich, dass es eine gute Ehe werden sollte.

Er stellte sich vor sie hin, und Sigurd brachte Hafrs Schwert, das sie ausgegraben hatten. Alarr überreichte es Gilla und sagte: „Nimm dieses Schwert als Gabe meiner Vorfahren. Es soll das Schwert unseres erstgeborenen Sohnes werden.“

Sie nahm die Waffe entgegen und drehte sich zu ihrem Vater um. Dieser überreichte Alarr im Gegenzug ein anderes Schwert mit den Worten: „Nimm dieses Schwert als dein eigenes an.“

Es war meisterhaft geschmiedet. Er prüfte die Klinge und stellte fest, dass sie scharf war. Gilla kannte seine Liebe zum Schwertkampf, und sie hatte ein Schwert von hervorragender Qualität ausgesucht. Es war ein guter Tausch, und er wusste ihre Wahl zu schätzen.

Alarr legte den Ring für Gilla auf den Griff und wollte ihn ihr gerade reichen, als ihm eine plötzliche Bewegung in der Menge auffiel. Feann hatte seinen dunklen Umhang abgeworfen und ein Schwert gezogen, das er auf seinem Rücken zwischen den Schulterblättern getragen hatte. Seine Männer folgten ihm und zogen ebenfalls ihre Waffen. Die Bedrohung war nun unübersehbar und die wahren Absichten der Männer offensichtlich.

Sigurds Miene verdunkelte sich ob dieser Kränkung. Er griff nach Alarrs Schwert. Alarr reichte es ihm und befahl: „Bring Gilla zum Langhaus und beschütze sie.“ Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war das hitzköpfige Eingreifen seines Vaters. „Vigmarr und ich regeln das.“

Er nahm Gilla das Schwert seines Onkels wieder ab. Sie blickte ihn schockiert an und flüsterte: „Pass auf dich auf!“

Sigurd folgte dem Befehl seines Sohnes und brachte Gilla weg. Ein paar Männer und Alarrs Tante, die mit gerafften Röcken hinter ihnen herlief, begleiteten sie. Alarr hörte den Schrei seiner Mutter, die in die entgegengesetzte Richtung zu einem anderen Langhaus floh. Erst als die Frauen verschwunden waren, atmete Alarr auf.

Die Erleichterung war jedoch fehl am Platz. Als seine Männer zum Waffenlager rannten, brach das Chaos aus. König Feann gab einen Befehl auf Irisch, und seine Männer stürmten vor und metzelten jeden nieder, der ihnen in den Weg lief.

Alarr bewegte sich schnell. Eisen schlug auf Eisen, als er mit dem Feind die Schwerter kreuzte. Er gab sich dem vertrauten Blutrausch hin und ließ das Schwert seines Onkels durch das Fleisch seiner Angreifer gleiten. Es war eine gute Waffe, gestärkt durch den Geist seines Vorfahren. Während Alarr einen Krieger abwehrte, bemerkte er hinter sich einen weiteren. Durch einen Ausfallschritt täuschte er beide und erwischte den ersten an der Kehle, bevor er dem zweiten den Bauch aufschlitzte.

Die Seherin hat recht gehabt, dachte er. Die Vorzeichen waren böse.

Er konnte bereits die erschlagenen Leiber seiner Stammesgenossen ausmachen, und immer noch strömten mehr Männer auf den Kampfplatz. Alarr suchte nach seinen Brüdern, aber Sandulf und Danr waren nirgendwo zu sehen. Er hoffte bei den Göttern, dass sie in Sicherheit waren. Wenn Brandt und Rurik nur da wären, dann könnten sie gemeinsam die Feinde in die Flucht schlagen. Er befahl einem seiner Männer: „Steig auf ein Pferd und reite so schnell du kannst nach Norden. Finde Brandt und Rurik und bringe sie her!“ Der Mann gehorchte und rannte zum Stall.

Eine seltsame Ruhe überkam Alarr. Er wusste, dass er heute wohl sterben würde. Die Schreie seiner Männer mischten sich mit dem Klirren der Waffen. Sie verstummten, wenn sie starben.

Der irische König lief auf das Langhaus zu, in das Gilla gebracht worden war. Alarr schnitt ihm den Weg ab, indem er ihm das Schwert entgegenstieß. Feann wehrte die Klinge mit seiner Waffe ab, fand sein Gleichgewicht und sammelte sich kurz. „Halt dich da raus, Junge! Das ist nicht dein Kampf. Sigurd ist zu weit gegangen, und er wird für seine Taten bezahlen.“

„Das ist meine Vermählung, also ist das sehr wohl mein Kampf“, entgegnete Alarr. Er griff an, der König wehrte den Schwertstoß ab. „Und ich bin kein Junge!“ Alarr begriff langsam, dass Feann hergekommen war, um Rache zu üben. Er hatte die Absicht, Sigurd zu töten. Aber von welchen Taten sprach er?

Sie kämpften, aber der König spielte mit ihm. Alarr mühte sich ab, ihn zu überwältigen, aber mit jedem Hieb wurde ihm klarer, dass Feann Zeit schinden und ihn hinhalten wollte. Schließlich bemerkte er, dass das Langhaus, in dem sein Vater seine Braut beschützen sollte, von Männern umstellt war. Vigmarr versuchte, sie zurückzudrängen und seine Tochter zu verteidigen.

Und dann stieg Alarr der unverwechselbare Geruch von Rauch und Feuer in die Nase. Das Langhaus brannte!

Er griff erneut an. Er musste eine Schwachstelle seines Feindes finden, aber Feann parierte jeden Hieb. Als das Geschrei von Frauen zu ihnen drang und Alarr seine Aufmerksamkeit kurz auf das Langhaus richtete, durchzog ein scharfer Schmerz seine Waden. Feann zog sein blutiges Schwert zurück, während Alarrs Beine unter ihm nachgaben. Er sah seinem Gegenüber in die Augen und wartete auf den Todesstoß. Stattdessen wischte Feann die Klinge ab. „Wenn du schlau bist, bleibst du auf dem Boden liegen, Junge“, sagte er mit grimmigem Gesichtsausdruck und schritt auf das Langhaus zu.

Alarr versuchte aufzustehen, aber der vernichtende Schmerz ließ nicht zu, dass seine Beine ihn trugen. Er rief seinen Männern zu, sie sollten angreifen und das Langhaus verteidigen. Letztlich blieb ihm jedoch nichts anderes übrig, als gequält mitanzusehen, wie die Flammen immer höherschlugen.

Eine Tür flog auf, und Sandulf taumelte heraus. Vier weitere Männer kamen durch einen anderen Ausgang, der Alarr zugewandt war, und ließen das Tor offen. Alarr kämpfte sich mit aller Kraft auf die Knie und erspähte die Körper seines Vaters und Gillas … Vigmarrs und seiner Frau … alle erschlagen.

Sein Magen drehte sich um. Er sah zum Himmel auf. Er hasste die Götter für das, was sie getan hatten. Ein einzelner Kolkrabe zog dort oben seine Kreise, während Alarr in seinem Blut lag und die Feinde die restlichen Hochzeitsgäste niedermetzelten, um dann zu ihren Schiffen zurückzukehren.

Neben sich im Dreck entdeckte er den vertrauten Glanz einer Goldfibel.

1. KAPITEL

Irland, 876 n. Chr.

Das schwere Sklavenhalsband umschloss Breanne Ó Callahans ausgetrocknete Kehle. Sie war durstig, und sie konnte sich kaum erinnern, wann man sie gefangen genommen hatte. Die Tage verschwammen ineinander, seit man sie aus ihrer Ziehfamilie entführt und in die Sklaverei verkauft hatte. Der Händler hatte sie in Ketten gelegt, und sie war zusammen mit anderen Frauen tagelang auf einem Karren unterwegs gewesen. Sie hatte gewusst, dass er sie auf dem Markt von Áth Cliath verkaufen wollte, denn dort konnte man hohe Preise erzielen.

Sie war erschöpft, und ihr Körper schmerzte. Man hatte sie geschlagen. Aber noch demütigender war, dass man sie zu einer Heilerin gebracht hatte. Die hatte sie angefasst und untersucht, und sie wurde jetzt noch rot vor Scham, wenn sie sich daran erinnerte. Die Heilerin hatte bestätigt, dass sie noch unberührt war. Breanne wusste, dass man sie nur deshalb noch nicht vergewaltigt hatte. Der Sklavenhändler konnte mit ihrer Unschuld ein gutes Geschäft machen. Sie hatte entsetzliche Angst und versuchte, die schreckliche Aussicht, heute Nacht von einem Fremden niedergedrückt und bestiegen zu werden, aus ihren Gedanken zu verbannen.

Sie presste die Hände zusammen, um nicht zu zittern. Bis jetzt war ihr noch niemand zu Hilfe gekommen. Vergebens hatte sie nach Männern Ausschau gehalten, die ihr Ziehvater zu ihrer Rettung geschickt hatte. Vielleicht wussten sie einfach nicht, wo sie gefangen gehalten wurde? Mit jedem verstreichenden Tag war ihre Hoffnung ein wenig mehr geschwunden.

Gib nicht auf! sprach sie sich innerlich Mut zu. Noch nicht!

Vielleicht gab es eine Fluchtmöglichkeit hier auf dem Markt, wo so viele Leute waren. Als man die erste Frau zur Versteigerung schleifte, klammerte sie sich an diesen Hoffnungsschimmer. Breanne kannte den Namen des Mädchens nicht, hörte aber, wie sie schluchzte.

Der Händler gab ihren Wert bekannt und zog sie bis auf die nackte Haut aus. Als er die Schönheit ihres schlanken Körpers und ihrer weichen Brüste anpries, wimmerte sie. Er drehte sie um, und die Männer starrten sie lüstern an.

Breanne richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Menschenmenge. Sie musste einen Ausweg finden! Dutzende beladene Holzkarren rollten durch die Straßen. Wenn sie unbemerkt zu einem von ihnen gelangen könnte, würde sie sich darauf zwischen den Fässern oder unter dem Stroh verstecken. Ihr würden nur wenige Augenblicke bleiben, um sich zu befreien. Ihre Hand- und Fußgelenke waren zusammengebunden, aber mit kleinen Schritten würde sie sich fortbewegen können. Sie musste nur warten, bis die Frau, die vor ihr dran war, verkauft wurde. Sie war die letzte in der Reihe. Das war günstig, denn bald wäre niemand mehr an sie gekettet, und sie konnte sich wegschleichen.

Ihr Instinkt warnte sie, dass es fast unmöglich sein würde, sich unbemerkt davonzustehlen. Schließlich hingen schwere Ketten an ihr. Trotzdem versuchte sie, zuversichtlich zu bleiben. Sobald sie sich nämlich die Alternative vorstellte, stieg Panik in ihr auf und drohte sie zu überwältigen.

Die erste Frau ging an einen fetten Kaufmann, der sie an den Haaren wegzog. Er begrapschte ihre nackten Brüste und lachte, bevor er ihren Körper mit einem groben Hemd bedeckte. Breanne unterdrückte ein Zittern und konzentrierte sich auf drei Karren, die in einer Reihe standen. Auf einem von ihnen würde sie sich verstecken können, aber zuvor musste sie für eine Ablenkung sorgen.

In der Nähe brannte ein Torffeuer, und sie entdeckte einen weiteren Karren mit einer Ladung Stroh. Das war es! Ein Feuer. Alle würden damit beschäftigt sein, es zu löschen, sodass sie unbemerkt entkommen konnte.

Die zweite Frau war verkauft, dann die dritte. Bevor die vierte auf das Podest stieg, fiel Breannes Blick auf einen großen Mann, der sich ihr langsam näherte. Sein dunkles Haar fiel ihm über die Schultern, und mit seinen durchdringend blauen Augen blickte er sie direkt an. Offensichtlich war er einer der Lochlannach, der wilden Krieger, die jenseits des Meeres lebten. Seine Haut war dunkel, und um den Hals trug er eine Metallkette mit drei Hämmern. Er sah aus wie jemand, der den ganzen Sommer auf dem Wasser verbracht hatte.

Breanne hob das Kinn und erwiderte den Blick. Sie durfte sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Auf seinen Lippen deutete sich ein Lächeln an, als ob er ihre Herausforderung annahm. Was, wenn er sie kaufen wollte? Sie hatte eindeutig sein Interesse geweckt, und er schien jemand zu sein, der bekam, was er wollte.

Seine starken Hände und die breiten Schultern unter der Tunika fielen ihr auf. Anders als bei dem fetten Kaufmann gab es an seinem Körper keinerlei Anzeichen von Schwäche. Der plötzliche Gedanke, dass man sie vor diesem Mann nackt ausziehen würde, ließ sie erröten. Er wandte seinen Blick nicht von ihr ab, und sie fühlte sich seltsam zu ihm hingezogen. Es kam ihr vor, als habe er sie gestreichelt, ohne sie zu berühren.

Der Krieger ging noch einen Schritt auf sie zu. Diesmal fiel ihr auf, dass er ein wenig hinkte. Er trug eine Rüstung und ein Schwert. Wer war er?

Ihr Herz schlug schneller, aber sie konnte nicht länger darüber nachdenken. Der Sklavenhändler zog sie an der Kette zum Podium. Breanne sah dem Lochlannach in die Augen und fragte sich, was er vorhatte. Es war aber auch egal. Sie würde niemandes Besitz sein.

Widerwillig näherte sie sich dem Podium. Schwäche vortäuschend bewegte sie sich nur langsam vorwärts und wartete den Moment ab, in dem der Händler sie ausziehen wollte und den Griff um die Kette lockerte.

Jetzt!

Breanne machte einen Satz vom Podium in die Menschenmenge. Wie geplant riss die unerwartete Bewegung die Kette aus der Hand des Händlers. Sie bahnte sich einen Weg durch die Zuschauer hindurch und steuerte auf die Holzkarren zu.

Manche versuchten, sie aufzuhalten, aber sie entkam ihnen. Auch wenn die Ketten sie behinderten, so tat sie doch alles, um zu fliehen.

Nach einer Weile jedoch gelang es jemandem, die Kette zu greifen und sie daran zurückzuziehen. Breanne wollte sich befreien, aber es gelang ihr nicht.

„Lass mich los“, knurrte sie, aber sie konnte sich nicht vorwärtsbewegen. Als sie sich umdrehte, sah sie in das Gesicht des Lochlannachs. Sein Blick war unnachgiebig und hart.

Er wickelte sich die Kette um den Arm, sodass sie ihm unmöglich entkommen konnte. Seine blauen Augen waren kalt wie Eis, ohne jedes Anzeichen von Mitleid. Ihr Herz raste. Sie wusste, dass er sie auf keinen Fall loslassen würde.

„Bitte“, bettelte sie und versuchte wieder, sich zu befreien.

Er ignorierte sie und hielt die Kette einfach mit einer Hand fest. Der Händler kam herbeigelaufen und hob eine Hand, um sie zu schlagen, aber der Lochlannach fing die Faust ab, bevor sie Breanne treffen konnte. Er sagte etwas in einer fremden Sprache, die sie nicht verstand, aber schon der Tonfall machte deutlich, dass er keinen Widerspruch duldete. Der Händler wollte mit ihm verhandeln, aber er ging nicht darauf ein. Stattdessen griff er in einen Beutel, der an seiner Hüfte hing, und nahm eine Handvoll Münzen heraus, die er dem Händler in die Hand drückte. Sofort hörte dieser auf zu protestieren.

Und damit war es besiegelt. Der Lochlannach hatte sie gekauft. Hass stieg in ihr auf. Sie wollte nicht die Sklavin dieses Mannes sein, oder, noch schlimmer, seine Konkubine. Wieder versuchte sie, sich zu befreien, aber es nützte alles nichts. Er hielt die Kette fest und führte sie dicht neben sich her zu seinem Pferd. Mit einer einzigen schwungvollen Bewegung hob er sie hinauf und stieg selbst hinter ihr auf den Rücken des Tieres.

Er trat dem Pferd die Hacken in die Flanken, und sie verließen Áth Cliath. Während des kurzen Ritts schwieg er. Sie fragte sich schon, ob er überhaupt ihre Sprache kannte. Der einzige Trost war, dass er nicht versucht hatte, sie anzufassen … noch nicht.

Ihr Unbehagen wuchs. Er war ein Räuber und Nordmann, einer, der sich nahm, was er wollte. Warum hatte er sie gekauft? Sie wollte glauben, dass er es aus einer plötzlichen Laune heraus getan hatte und dass es zu ihrem Glück geschehen war. Aber er hatte sie beobachtet und abgewartet. Er hatte sie daran gehindert zu fliehen, und nun war sie sein Besitz. Jetzt würden die Götter ihr gnädig sein müssen.

Sie kamen an einen Fluss. Er stieg vom Pferd ab und hob sie herunter. Breanne überlegte, ob sie ins Wasser abtauchen sollte, aber er hielt die Kette fest und ließ den Gedanken an Flucht gar nicht erst zu. Innerlich verfluchte sie ihn dafür, dass er sie mitgenommen hatte. Sie hatte nach Hause zurückkehren wollen, nach Killcobar, und nun würde sie Feann vielleicht nie wiedersehen. Er und ihre Pflegebrüder waren ihre einzige Familie, ihre leiblichen Eltern waren schon vor langer Zeit gestorben. Suchte Feann überhaupt nach ihr? Oder hatte er sie bereits aufgegeben in dem Glauben, sie sei tot?

Bei dem Gedanken an ihre Familie bekam sie Heimweh. Der Schmerz, sie zu verlieren, mischte sich mit Gefühlen der Einsamkeit und der Angst. Sie wusste überhaupt nicht, was noch mit ihr geschehen würde. Es kam ihr vor, als zerfiele ihr Leben zu Staub, den der Wind davontrug.

Der Lochlannach führte sie zur Hafenanlage. In einem kleinen Boot, dessen einziges Segel eingezogen war, saß ein dunkelhaariger Mann und wartete auf sie. Ihr Entführer hob sie zu ihm in das Boot. Sie blickte in das dunkle Wasser und fragte sich, ob sie den Mut haben würde, hineinzuspringen. Der Mann schien ihre Gedanken zu erraten, denn er schüttelte warnend den Kopf.

Der Nordmann unterhielt sich mit dem anderen in der Sprache, die sie nicht verstand. Erneut stieg Angst in ihr auf. Vielleicht würden die beiden sie in ihre Heimat mitnehmen. Sie würde Éireann, ihr geliebtes Irland, nie wiedersehen. Der Gedanke quälte sie.

„Wer seid Ihr?“, fragte sie, obwohl sie vermutete, dass die Männer ihre Worte nicht verstehen konnten. Sie zogen den Anker hoch und ruderten auf das offene Wasser hinaus. Wie sie geahnt hatte, bekam sie keine Antwort auf ihre Frage. Sie blickte wieder ins Wasser und stellte sich vor, sie würde hineinspringen. Die Kette würde sie jedoch nur zum Grund des Flusses hinabziehen, und sie würde ertrinken.

Es war noch immer morgens. Der Himmel hing bereits voller dunkler, schwerer Wolken, die die Sonne verdeckten. Bald fielen Regentropfen auf sie herab. Breanne kam das Wasser gerade recht, und sie versuchte, mit geöffnetem Mund ihren Durst zu stillen. Ihr Entführer bemerkte das und hielt ihr einen Trinkschlauch an die Lippen. Sie nahm einen Schluck von dem abgestandenen, aber dennoch willkommenen Wasser. Als sie fertig war, nahm er den Schlauch wieder an sich, griff in eine Holzkiste und zog ein schweres Robbenfell heraus. Als er es ihr umlegte, verstand sie, dass er sie damit vor dem Regen schützen wollte.

Die freundliche Geste überraschte sie. Was kümmerte es ihn, ob sie dem Regen ausgeliefert war oder nicht? Er und sein Bootsfreund waren bereits völlig durchnässt.

Während er ruderte, sah er sie unverwandt an. Diese Aufmerksamkeit machte sie nervös und berührte sie in der Tiefe ihres Herzens. Auch wenn er sie als Sklavin gekauft hatte, so konnte sie doch nicht abstreiten, dass er freundlich zu ihr war. Es fiel ihr schwer, diese beiden Gegensätze in Einklang zu bringen. Was wollte er von ihr?

Sie schwieg, und es regnete stetig weiter. Den Männern machte es nichts aus, den Elementen ausgesetzt zu sein. Ein Blick auf den anderen Mann verriet ihr, dass er sie ebenfalls interessiert beobachtete. Er schien gar nicht überrascht zu sein, eine Sklavin an Bord seines Boots zu haben, so, als hätte er es erwartet. Sie fragte sich, was er sonst noch wusste.

Breanne kauerte sich unter das Fell. Sie ruderten weiter, bis der Fluss sich ins Meer öffnete. Áth Cliath lag nun weit hinter ihnen, und sie konnte um sich herum nur den dünnen Nebel und Wasser erkennen. Sobald sie ein Stück weit aufs offene Meer hinausgerudert waren, bedeutete ihr Entführer ihr, sie solle die Handgelenke ausstrecken. Er beförderte eine Ahle, wie Schuster sie zum Stanzen von Löchern benutzen, und einen kleinen Hammer zutage. Sie verstand, was er vorhatte. Innerhalb kurzer Zeit war der Bolzen draußen, und die Kette fiel auf die Planken des Boots. Als Nächstes nahm er ihr das Sklavenhalsband ab. Sie rieb sich die wunden Stellen und war froh, das Gewicht los zu sein. Als Letztes hielt sie ihm die Fußgelenke hin, und er löste auch diese Fesseln.

Sie bewegte ihre schmerzenden Handgelenke und versuchte, den Mann einzuschätzen. In der Tat gab es hier auf dem offenen Meer keine Möglichkeit mehr zu fliehen. Vielleicht wollte er, dass sie sich wohler fühlte, und dafür war sie ihm dankbar. Trotzdem konnte sie ihre Zweifel nicht abschütteln. Sie war seine Gefangene, und er hatte nicht die Absicht, sie freizulassen. Wollte er ihr Misstrauen abbauen? Oder vielleicht wollte er dafür sorgen, dass sie sich nicht wehrte, wenn er sie in sein Bett zwang. Breanne schluckte und versuchte, nicht daran zu denken.

Während ihres Transports nach Áth Cliath hatten zahllose Hände sie begrapscht, und sie hatte sich dagegen gewehrt. Sie war ausgelacht worden und hatte sich ein paar Wunden eingehandelt.

Breanne zog das Fell enger um sich und schloss die Augen. Sie wollte ausblenden, was sie erwartete. Diese Reise bedeutete zwar eine Galgenfrist, bevor der Lochlannach heute Nacht seine ganze Aufmerksamkeit auf sie richten würde, aber sie zweifelte nicht daran, dass er vorhatte, sie zu seinem Vergnügen zu benutzen. Interessiert blickte er sie mit seinen blauen Augen an, und ihr Körper kribbelte bei der Vorstellung, dass seine Hände ihre nackte Haut berührten. Sie versuchte, den Gedanken zu verdrängen, aber je intensiver er sie anschaute, desto deutlicher spürte sie, dass er nicht brutal vorgehen würde. Stattdessen drängte sich das Bild auf, wie er sie mit diesen rauen Händen liebkoste, und die Vorstellung erregte sie. Unter dem dünnen Stoff ihres Hemdchens wurden ihre Brustwarzen steif, und sie hielt den Atem an. Er war schön und von stoischer Gelassenheit, aber er war auch ein wilder Krieger mit unverkennbarer Stärke. Der Gedanke, dass er sie unter sich auf die Felle seines Bettes drücken würde, ließ ihren Körper wider Erwarten erschauern.

Bei den Göttern, sie hatte keine Ahnung, was er mit ihr machen würde!

Alarr war Rurik dankbar, dass er schweigend mit ihm segelte. Er wusste nicht, ob seine Gefangene ihre Sprache verstand, und das Risiko wollte er nicht eingehen. Er selbst hatte daher kaum gesprochen, bis der neue Tag anbrach.

Er hatte die ganze Woche nach König Feanns Ziehtochter gesucht in der Absicht, sie als Geisel zu nehmen. Ein Soldat war dafür bezahlt worden, Breanne zu ihm zu bringen, und zwar unversehrt. Stattdessen hatte dieser ihn hintergangen und sie an einen Sklavenhändler verkauft, der sie mit einer Ladung Frauen an der Küste entlang nach Áth Cliath gebracht hatte. Es hatte ihn mehrere Tage gekostet, sie dort ausfindig zu machen, und die Verzögerung ärgerte ihn zunächst. Aber jetzt erkannte er, dass sie einen unerwarteten Vorteil hatte. Sie wusste noch nichts davon, in welcher Beziehung er zu Feann stand, und so hatte er Zeit, mehr über die Schwächen ihres Ziehvaters herauszufinden, falls er sie zum Reden brachte.

Feann hatte zwar nicht selbst die Klinge in Sigurds Herz gestoßen, aber Alarr wusste, dass der irische König die Rache geplant hatte. Es gab keinen Zweifel daran, dass er über das Meer gekommen war, um seinem Feind den Tod zu bringen. Aber warum? Was hatte Sigurd ihm je getan, das Feann so gegen ihn aufbringen konnte? Alarr musste die Geheimnisse um den Tod seines Vaters enthüllen.

Nach der Bluthochzeit hatten seine Brüder sich um ihn gekümmert. Sie hatten ihn in ein Versteck gebracht, wo er sich von seinen Verletzungen erholen konnte. Dann hatten sie die Leichen Gillas und ihrer Familie verbrannt und die Asche begraben. Alarr hatte Hafrs Schwert als Erinnerung an die Tragödie behalten. Seinem Bruder Brandt war von König Harald Schönhaar sein Anspruch auf Maerr verwehrt worden. Er hatte es Thorfinn, dem Gemahl seiner Tante, übergeben, und der hatte die Brüder dann für vogelfrei erklärt. Nun mussten Alarr und seine Brüder Maerr verlassen, aber zuvor leisteten sie einen Bluteid. Sie würden Rache üben an jedem, der an dem Gemetzel beteiligt gewesen war. Alle würden büßen für das, was sie getan hatten.

Alarr hatte Rurik gebeten, ihn nach Éireann zu begleiten. Die anderen Brüder waren angeblich nach Alba und sogar nach Konstantinopel gegangen. Alarr hoffte, dass sie innerhalb eines Jahres die Asche ihrer Feinde verstreuen konnten, sodass ihnen ein Platz in Valhalla verwehrt blieb.

Und Breanne, die Ziehtochter König Feanns, würde ihm dazu dienen, die nötigen Informationen zu bekommen. Obwohl Alarr die irische Sprache nicht gut beherrschte, hatte er ein Jahr lang durch Zuhören genug gelernt. Rurik hatte sie schneller aufgenommen, denn seine Mutter war Irin gewesen.

Alarr hatte jede Frage, die Breanne gestellt hatte, verstanden, und auch ihre Frustration bemerkt, als er ihr nicht geantwortet hatte. Aber er hatte ihr ein Stück Brot und etwas getrocknetes Fleisch gegeben, das sie verschlang. Er und Rurik wechselten sich damit ab, sie zu bewachen, bis sie schließlich, unter dem Robbenfell zusammengerollt, vom Schlaf übermannt wurde.

Breanne Ó Callahan war eine Schönheit. Ihr Haar hatte die Farbe eines Sonnenuntergangs, rot und golden schimmernd, wenn das Sonnenlicht darauffiel, und ihre grünen Augen erinnerten ihn an die Hügel Maerrs. Zweifelsohne war sie mutig und willensstark. Er bewunderte sie dafür, dass sie sich weigerte, zu weinen oder aufzugeben. Ihr Gesicht, der Hals und die Arme waren mit Wunden übersät, und ihre Hand- und Fußgelenke waren aufgescheuert. Dennoch hatte sie sich nicht ein einziges Mal beschwert.

Sie waren den ganzen Nachmittag und die Nacht unterwegs gewesen. Die Sterne waren ihre Wegweiser. Rurik hatte eine Weile geschlafen, und auch Alarr hatte sich eine Zeit lang ausgeruht, bevor der Tag anbrach und die Südküste Éireanns zu sehen war. Sie würden die Halbinsel Hook bald erreichen. Alarr wollte dort eine Unterkunft aufsuchen und eine Rast von einigen Tagen einlegen. Sein Vater hatte einmal Styr Hardrata und seine Frau Caragh erwähnt, die in der Nähe der Küste eine Siedlung gegründet hatten. Ein richtiges Bett mit Fellen und ein Herdfeuer wären eine willkommene Abwechslung zu dem elenden Regen, der überhaupt nicht nachlassen wollte. Auch an diesem Morgen schien es kaum hell zu werden.

„Was hast du mit ihr vor?“, fragte Rurik leise.

„Sie wird uns die Informationen über Feann geben, die wir brauchen. Wir benutzen sie, um Einlass in Killcobar zu bekommen. Was danach mit ihr passiert, interessiert mich nicht.“

Rurik richtete das Segel. In der Ferne konnten sie im Hafen die Leuchtfackeln sehen. „Komm ihr nicht zu nahe, Alarr. Stell ihr Fragen, wenn es sein muss, aber lass dich nicht erweichen.“

Alarr wusste, warum sein Bruder ihn warnte. Wenn es um Frauen ging, fiel es ihm schwer, hart zu bleiben. Seine Mutter hatte ihm beigebracht, dass man Mädchen freundlich behandelt, und seine Erziehung ließ sich nicht so einfach verleugnen. Außerdem war Breanne sehr verführerisch.

Eine innere Stimme flüsterte ihm zu, dass er sie zu seiner Konkubine machen konnte. Es wäre ein weiterer Akt der Vergeltung Feann gegenüber, seine Ziehtochter auf diese Art zu entehren. Er stellte sich vor, wie diese schöne Frau sich nackt an ihn schmiegte und ihn wärmte. Ihr rotgoldenes seidiges Haar fiel ihr ins Gesicht, während sie schlief, und er fragte sich, wie es sich auf seiner Haut anfühlen würde.

„Sie wird uns alles verraten“, sagte er. „Aber nur, wenn wir sie glauben machen, dass wir keine bösen Absichten haben. Wir sagen ihr, dass wir sie nach Hause bringen, um ein Lösegeld auszuhandeln.“

„Du hintergehst sie“, sagte Rurik ruhig.

Das war unvermeidlich, aber Alarr wies jede Schuld von sich. Er war tagelang über das Meer gesegelt, von seiner Wut getrieben. „Ich werde tun, was zu tun ist. Die Frau soll glauben, dass wir ihr helfen. Danach werde ich Feann töten für das, was er unserem Vater und mir angetan hat“, verkündete er.

Als sie sich dem Land näherten, konzentrierte sich Alarr auf die Siedlung, die vor ihnen lag. Abwesend rieb er sich die Narben an seinen Unterschenkeln. Es grenzte tatsächlich an ein Wunder, dass er wieder gehen konnte. Die Heilerin hatte sich um die Wunden gekümmert und sie fest umwickelt, damit das Fleisch wieder zusammenwachsen konnte. Ein Jahr lang hatte er um jeden Schritt kämpfen müssen, und selbst jetzt hinkte er noch. Über seine Fähigkeiten als Krieger sprach nun niemand mehr. Allen, auch ihm selbst, war klar, dass seine Zeit als Kämpfer vorbei war. Er konnte kaum das Gleichgewicht halten, geschweige denn einen Feind besiegen. Das nagte an seinem Stolz, und in ihm schwelte ein Groll, den er nicht mehr loswurde.

Die Erinnerung an den düsteren Tag seiner Vermählung hielt ihm ständig vor Augen, was er verloren hatte. Alarr wollte Rache, um die Ehre seiner Familie wiederherzustellen. Der einfachste Weg, an Feann heranzukommen, führte über seine Ziehtochter. Er würde den Augenblick feiern, in dem Feann seinen letzten Atemzug tat. Und sobald er seinen Feind getötet hätte, würden die Geister der Vergangenheit schweigen. Es war ihm egal, dass er dabei sein eigenes Leben aufs Spiel setzte. Den Krieger, der er einst gewesen war, gab es nicht mehr, und er wollte lieber sterben als kein ganzer Mann zu sein. Das Einzige, was jetzt noch zählte, war die Rache.

Die Anlegestelle lag nun vor ihnen, und Alarr nahm ein Seil in die Hand. Breanne bewegte sich, als er sie berührte. „Wo sind wir?“, fragte sie.

Er antwortete nicht, sondern band ihr die Hände vor dem Körper zusammen. Ihre Augen funkelten wütend, aber er wollte schließlich nicht riskieren, eine so wertvolle Gefangene zu verlieren.

„Natürlich wirst du mir nicht antworten“, fuhr sie fort. „Du verstehst ja vermutlich kein Wort von dem, was ich sage.“

Alarr half Rurik, das Langboot festzumachen. Als Breanne versuchte, ins Wasser zu steigen, zog er sie am Seil zurück. Sie verfluchte ihn, was er geflissentlich ignorierte.

Sobald das Boot fest vertäut war, stieg er selbst in das hüfttiefe Wasser, hob seine Gefangene hoch und trug sie zum Ufer. Sie wehrte sich, aber er watete mit ihr durch die Wellen, bis sie sicher an Land waren. Die Siedlung lag nicht weit entfernt an einem Fluss. Alarr setzte Breanne auf dem Sand ab, hielt aber das Seil weiter fest und zwang sie, neben ihm herzugehen.

„Wenn du glaubst, dass ich deine Sklavin bleibe, hast du dich getäuscht“, murmelte sie böse. „Sobald du schläfst, verschwinde ich. Und mögen die Götter dich verfluchen, wenn du es wagst, Hand an mich zu legen. Ich werde sie dir abhacken.“

Mit jedem Schritt, den sie zurücklegten, verfluchte sie ihn weiter und ließ ihrer Frustration freien Lauf. Sie kletterten einen sandigen Hügel hinauf, bis sie offene Weideflächen erreichten. Dort grasten ein paar Schafe. In der Ferne konnte man eine Festung ausmachen. Sie gingen darauf zu. Erst, als sie das Tor erreichten, verebbte ihr Redefluss. Die Siedlung war neu angelegt, und auf der anderen Seite des Schutzwalls wurden mehrere Langhäuser gebaut.

Vier Krieger bewachten das Tor mit langen Speeren. Sie sahen nicht besonders einladend aus. Alarr und Rurik gingen auf sie zu und grüßten. „Sagt Styr Hardrata, dass Alarr und Rurik, Söhne des Königs Sigurd von Maerr, Schutz und Obdach erbitten.“

Einer der Männer nickte und verschwand, aber sie mussten warten, bis er zurückkam. Erst dann durften sie mit Styrs Erlaubnis die Siedlung betreten.

Es herrschte bereits ein geschäftiges Treiben. Der Wachmann führte sie zu einem der Langhäuser in der Mitte. Sie gingen an Männern vorbei, die Torf für ein Feuer herbeitrugen. Eine alte Frau rührte in einem Eintopf und gab noch etwas Fleisch hinzu, während sie die Fremden anstarrte.

Alarrs Sicht verschwamm vor Müdigkeit, aber er ging weiter, immer mit Breannes Seil in der Hand und Rurik an seiner Seite. Er hatte den Häuptling aus dem Norden zwar noch nie getroffen, aber er hoffte herauszufinden, ob er irgendwelche Verbindungen zu König Feann hatte oder ob er sonst etwas wusste, was für ihn interessant sein könnte.

Sie folgten dem Wachmann in das Gebäude hinein und gingen an mehreren Tischen vorbei zum Podium. Styr Hardrata erhob sich von seinem Stuhl und trat ihnen entgegen, um sie zu begrüßen. Er war groß und dunkelblond, nur sein Bart war hell. Seine braunen Augen blickten freundlich, aber auch vorsichtig. Er würde nicht zögern, sie niederzuschlagen, sollten sie eine Bedrohung sein.

„Seid willkommen, Alarr und Rurik, Söhne des Königs Sigurd.“ Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er Breanne und wechselte einen Blick mit seiner Gemahlin. „Wer ist eure Geisel?“

Alarr zog Breanne an dem Seil nach vorn. „Sie ist eine Konkubine. Ich habe sie in Áth Cliath gekauft. Ich möchte sie gegen Lösegeld bei ihrem Vater, König Feann von Killcobar, eintauschen.“

Styrs Gemahlin schien der Anblick der Gefangenen zu erschüttern. Unter der Wollmütze, die sie über ihrem langen braunen Zopf trug, blickten ihre dunklen Augen sanft und mitleidig. „Übergib sie mir, Alarr. Sie ist verletzt. Ich werde mich um sie kümmern und mit ihr sprechen.“

Styr stellte seine Gemahlin den Gästen vor. „Das ist Caragh, meine Frau. Darf sie sich um eure Geisel kümmern?“

Alarr dachte kurz nach. „Sofern sie die Siedlung nicht verlässt …“

„Wenn sie es versucht, werden meine Männer sie zurückbringen“, nickte Styr und gab den Befehl weiter.

„Bindet sie los“, ordnete Caragh an. „Sie kommt mit mir. Ihr könnt euch eine Weile mit Styr unterhalten, und ich kümmere mich darum, dass ihr ein Lager in einem der Langhäuser bekommt. Ihr wollt euch nach der langen Reise sicher ausruhen.“

Alarr konnte ein Gähnen kaum unterdrücken, und die junge Frau lächelte. „Vielleicht könnt ihr unseren Männern morgen bei der Ernte helfen. Wir könnten ein paar zusätzliche Hände sehr gut gebrauchen.“ Sie erwartete unmissverständlich, dass sie durch ihre Arbeitskraft ihren Aufenthalt bezahlten.

Bei dem Gedanken, Breanne Caragh zu überlassen, war Alarr nicht ganz wohl. Er traute ihr zu, dass sie versuchen würde zu fliehen, aber er wollte auch nicht seine Gastgeber beleidigen, indem er ihnen unterstellte, dass sie sich nicht um eine Geisel kümmern konnten.

„Bring sie so bald wie möglich zu mir“, sagte er zu Caragh. Es war das Einzige, was nicht wie eine Kränkung klang. Er konnte nur hoffen, dass er Breannes Vertrauen allmählich gewinnen konnte, wenn er die Leine ein klein wenig lockerer ließ.

Autor

Michelle Willingham

Michelle schrieb ihren ersten historischen Liebesroman im Alter von zwölf Jahren und war stolz, acht Seiten füllen zu können. Und je mehr sie schrieb, desto mehr wuchs ihre Überzeugung, dass eines Tages ihr Traum von einer Autorenkarriere in Erfüllung gehen würde.
Sie besuchte die Universität von Notre Dame im Bundesstaat...

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