Verbotenes Verlangen in deinen Armen

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Gefährlich wie ein Vulkan und ein betörendes Lächeln. Noch nie war Millionär Nick Gentry von einer Frau so fasziniert wie von Lissa Wilde! Doch seit seinem Unfall ist in seinem Leben für Frauen kein Platz. Schließlich lebt der weltbekannte Womanizer nicht umsonst auf einem Anwesen in Montana völlig abgeschirmt. Dass die hinreißende Lissa ihn daran erinnert, was es heißt zu lieben, weiß er zu schätzen, doch über seinen Schatten zu springen ist für Nick keine Option! Warum kann er dann die sinnlichen Nächte mit Lissa einfach nicht vergessen?


  • Erscheinungstag 24.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778651
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es war Lissa Wildes Geburtstag. Der siebenundzwanzigste, wollte man zählen.

Wollte Lissa aber nicht, schließlich war die Geburtstagsparty in vollem Gange. Eine ganz großartige Party, die nichts zu wünschen übrig ließ. Eine hübsch verpackte Schachtel Trüffelpralinen, ein langer Löffel für den Literbecher Eiscreme … und ein Vibrator. In Pink. „Erfüllung garantiert“, so stand es auf dem Karton.

„Bald.“ Sie tätschelte den Karton und machte sich daran, die Pralinenschachtel zu öffnen.

Wer könnte eine Geburtstagsparty besser planen als die Person, die das Geburtskind am besten kannte, nicht wahr?

Mit geschlossenen Augen ließ Lissa die Hand über der Pralinenschachtel kreisen. Welche würde sie erwischen? Weiß? Edelbitter? Vollmilch? Sie schob sich eine Praline in den Mund und kaute. Mmm, himmlisch.

Das war das Gute daran, wenn man einziger Gast auf der Party war: Man konnte sich auf das Wesentliche konzentrieren.

„Was meinst du, Erfüllung?“

Der Vibrator antwortete nicht. Hatte sie auch nicht wirklich erwartet. Um genau zu sein, es war ihr erstes Sex-Spielzeug. Es war eine Erfahrung gewesen, in den Erotik-Shop zu gehen. Erst hatte sie tatsächlich überlegt, ob sie nicht besser einen Trenchcoat überziehen und eine große dunkle Sonnenbrille aufsetzen sollte, bevor sie einen solchen Laden betrat, doch dann hatte sie einen Blick ins Schaufenster riskiert, andere Frauen völlig unbefangen in das Geschäft gehen sehen und sich überwunden.

Die nette Verkäuferin hatte ihr alles Mögliche gezeigt und erklärt und vollstes Verständnis gehabt, dass Lissa von dem Ding in Form und Farbe nicht an einen Mann erinnert werden wollte.

Wer brauchte schon Männer?

Lissa aß noch eine Trüffelpraline, öffnete den Eisbecher und schob einen Löffel Eiscreme nach.

„Nicht sehr ladylike“, ermahnte sie sich, nachdem sie das Eis geräuschvoll vom Löffel gesogen hatte. Das zumindest hätte eine von den Nannys gesagt, die für ihre Erziehung zuständig gewesen waren. „Oh Mann, das ist so sexy“, hätte einer von den Idioten bemerkt, mit denen sie sich ab und zu verabredete.

Es war schlicht die beste Art, um den Geschmack von „Cherry Garcia“ voll zu genießen.

In ihrem kleinen Wohnzimmer legte sie die nackten Füße auf den Tisch, tauchte den langen Löffel wieder in den Eiscremebecher und sah zum Fernsehschirm, wo Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann sich tief in die Augen schauten. Den Ton der DVD hatte sie abgestellt. Den Film hatte sie so oft gesehen, dass sie jedes Wort auswendig kannte.

Außerdem war es albern, bei einem Film zu heulen, der mehr als doppelt so alt war wie man selbst. Lächerlich, dass sie sich die Tränen aus den Augen wischen musste. Sie wusste doch genau, dass es im echten Leben komplett anders ablief. Aber vielleicht ging es ja darum. Vielleicht gab es die wahre Liebe, die einem das Herz brach, sowieso nur in Filmen und Büchern. Nicht, dass sie darauf aus wäre, das Herz gebrochen zu bekommen.

Lissa warf das zerknüllte Papiertaschentuch auf den Tisch, schaltete den Fernseher aus und kostete noch mehr von der Eiscreme.

Aber sie heulte eben immer, wenn sie zusah, wie Ingrid mit dem falschen Mann ins Flugzeug stieg. Im Grunde war es immer der Falsche. Und wenn sie heulte, dann hatte das garantiert nichts damit zu tun, dass sie ihren Geburtstag allein verbrachte.

Von dem nächsten Löffel Eiscreme landete ein Klecks auf ihrem T-Shirt. Wen störte das? Noch ein Plus, wenn man allein war. Eine Gymnastikhose mit Loch am Knie, ein bekleckertes T-Shirt, ungeschminkt und das weder richtig blonde noch richtig braune Haar zum Pferdeschwanz zusammengebunden … das war der neue Stil.

Sie war allein. Und sie war zufrieden.

Das zumindest sagte sie laut in das leere Zimmer.

Sie hatte sämtliche Variationen hinter sich: Die großen Feiern auf El Sueño, wo die ganze Familie um das Geburtstagskind herumflatterte. Die Partys mit Kollegen und Bekannten, bei denen man vor Verlegenheit im Boden versank, wenn sie mit dem Ständchen begannen. Und natürlich auch das romantische Dinner zu zweit in einem exklusiven Restaurant mit dem Lover, der einem dann ein ebenso teures wie geschmackloses Schmuckstück überreichte, das die Assistentin in seinem Auftrag besorgt hatte. Oder Dessous, wenn er das Geschenk selbst ausgesucht hatte. Die dann aber eher zu einem Flittchen passten als zu einer Freundin.

Sie war schon lange niemandes Freundin mehr gewesen. Es war nicht so, als hätte sie etwas gegen Männer. Mit Männern konnte man viel Spaß haben, Männer konnten charmant sein, manche von ihnen waren auch wirklich hübsch anzusehen. Und ab und zu war es sogar ganz praktisch, einen Mann um sich zu haben – wenn man eine Mausefalle aufgestellt haben wollte, oder zum Regenschirmhalten …

Im Allgemeinen waren sie auch ganz okay im Bett, aber meistens einfach nicht den Ärger wert. Zum Beispiel, wenn sie dann besitzergreifend wurden. Zumindest hatte sie andere Frauen sich darüber beschweren gehört. Sie selbst war noch nie lange genug in einer Beziehung geblieben, um diese Erfahrung gemacht zu haben.

Männer waren Lügner und Betrüger, ganz gleich, mit wie viel Begeisterung sie sich anfangs in die Beziehung stürzten. Früher oder später wandelten sie sich alle in den typischen Mistkerl, den man dann nur noch schnellstmöglich loswerden wollte.

Lissa stach den Löffel in die Eiscreme … Was denn, der Becher war schon leer? Aber sie hatte vorgeplant. Der Vorteil, wenn man gelernte Köchin war: Man stockte nötige Zutaten auf. Und genau deshalb hatte sie einen weiteren Becher in der kleinen Gefriertruhe gelagert. Sie ging in die Küche und kramte in den Fächern.

Wie kam es, dass eine Frau clever genug war, um Eiscreme vor sich selbst zu verstecken, aber nicht begriff, dass sich der ganze Aufwand für Männer nicht lohnte? Ausgenommen natürlich ihre Brüder Jacob, Caleb und Travis, ihr Schwager Marco und Zach, der Schwager in spe. Alles ganz großartige Jungs. Sie persönlich aber hatte kein Glück mit den Männern, schon als Teenager nicht. Vielleicht gab es ja nur eine begrenzte Anzahl von anständigen Typen auf der Welt, und die Quote war eben erfüllt.

Und wo war jetzt der verflixte Eisbecher? „Hab dich!“

Im Gegensatz zu ihren Schwestern, die sich an ihre Jungfräulichkeit geklammert hatten, als wären sie Charaktere aus einer viktorianischen Novelle statt moderne texanische Frauen, war sie schon früh neugierig gewesen, was es mit dem Sex auf sich hatte. Und sie hatte es herausgefunden. Sex war okay, nett, angenehm, wurde aber eindeutig überbewertet. Nicht, dass irgendetwas damit verkehrt wäre, aber eigentlich hatte sie sich mehr davon erwartet. Welterschütternde Ekstase, wie sie in Büchern und Filmen beschrieben wurde oder wie ihre Schwestern es erlebten. Nicht, dass Jaimie oder Emily je ein Wort darüber verloren, aber man brauchte nur zu hören, wie sie die Namen ihrer Männer aussprachen, um zu wissen, welches Feuer da loderte.

Nun, ihr sollte es recht sein. Was sie nur absolut nicht mochte, waren die Lügen, die automatisch zum Sex gehörten. Ich bete dich an, Baby. Du bist die Einzige, die ich will. Du bist etwas ganz Besonderes …

Sie stopfte sich die nächste Praline in den Mund. Seit drei Jahren lebte sie jetzt in Los Angeles. Hergekommen war sie, um ihren Traum zu verwirklichen und sich als Chefköchin einen Namen zu machen, nicht, um einen Mann zu finden. Aber in L. A. gab es Männer wie Sand am Meer, und alle sahen sie fantastisch aus. Wer sollte einer solchen Versuchung widerstehen? In drei Jahren war sie mit drei verschiedenen Typen zusammen gewesen. Alle fantastisches Äußeres, alle charmant, mit allen hatte sie viel Spaß gehabt. Und alle Schauspieler.

Synonym für „verlogener Mistkerl“.

„Herrgott, Melissa, du bist entweder unglaublich dumm oder unglaublich begriffsstutzig!“, sagte sie laut. Schauspieler verdienten ihren Lebensunterhalt mit Lügen. Für einen Film war das akzeptabel, fürs echte Leben nicht.

Lissa leckte den Löffel ab. Ihr Herz war auch nie wirklich gebrochen worden, nur angeknackst. Genau wie ihr Ego. Und ja, Los Angeles war eine Stadt, in der man sich schnell einsam fühlen konnte. Vor allem, wenn zu Hause die Brüder einer nach dem anderen die Richtige gefunden hatten.

Dann hatte Emily auch noch ihren Marco getroffen, Jaimie ihren Zach. Fast zeitgleich hatte The Black Pearl, das Restaurant, in dem sie arbeitete, seine Türen für immer geschlossen, und zwar ohne auch nur ein Wort der Vorwarnung.

Um die Zeit hatte sie Raoul kennengelernt. Auch Raoul war Schauspieler, aber er war anders. Er war megareich, hatte ein abgeschlossenes Studium und … er hatte einen Traum. Von dem er ihr bei einem Dinner zu zweit erzählte.

„Ich wollte schon immer ein Restaurant eröffnen. Das beste in L. A.“ Er hatte nach ihrer Hand gefasst, ihre Finger an seine Lippen gezogen. „Und ich möchte dich als meine Chefköchin.“

Fast wäre sie in Ohnmacht gefallen. Im Black Pearl war sie Erster Souschef gewesen, aber das … das war riesig. Der nächste Schritt in ihrer Karriere! Chefköchin! Sie wäre für absolut alles verantwortlich, was in der Küche vor sich ging. Sie würde neue Gerichte kreieren, neue Menüs zusammenstellen, würde allem ihren persönlichen Stempel aufdrücken. Ihr Name würde über die Grenzen hinaus bekannt werden …

Das war die Chance, auf die sie gewartet hatte, von der sie immer geträumt hatte. Lissas Agentin – in dieser Stadt brauchte man definitiv einen Agenten, wenn man nach oben kommen wollte – schien sich allerdings Sorgen um Lissas Aussehen zu machen.

„Bist du dir mit dieser Karriere in der Küche sicher? Oder lässt du alles fallen, sobald irgendein Produzent dir eine Rolle in einem Film anbietet?“

Eine durchaus berechtigte Frage, hofften neunundneunzig Prozent der weiblichen Bevölkerung Hollywoods doch darauf, Filmstar zu werden.

„Ich bin Köchin. Das ist das, was ich gelernt habe, und etwas anderes wollte ich nie sein“, hatte Lissa geantwortet.

Und dank Raoul sollte der Traum, den sie schon seit ihrer Kindheit hegte, endlich wahr werden. Raoul, der ihr gegenüber nichts als Respekt, Aufmerksamkeit und Zurückhaltung gezeigt hatte, sodass sie ihre besten sechs Wochen in L. A. verlebt hatte, würde also nicht ihr Lover, sondern ihr Geschäftspartner werden. Nun, kein richtiger Geschäftspartner, schließlich gehörte ihm das Restaurant, aber zusammen würden sie wirklich Großes schaffen.

Raoul bat sie um Rat und Hilfe bei der Ausstattung von Küche und Speisesaal, teilte seinen großen Traum mit ihr. Sie wiederum vertraute ihm alles an, was sie über die besten Lieferanten von Fisch und Fleisch wusste, gab alle Branchentipps preis – die Namen von Bäckern, die das beste Brot buken, von Chocolatiers, die die besten Pralinen kreierten, von Molkereien, die den besten Käse produzierten. Sie setzte sich mit Küchen- und Bedienungspersonal in Verbindung, mit denen sie schon zusammengearbeitet hatte und daher wusste, dass die Leute absolut vertrauenswürdig und die Besten ihres Fachs waren. Sie erstellte auch eine Liste mit den Namen der einflussreichen Stammgäste des Black Pearl, damit Raoul sie persönlich zur großen Eröffnung des Raoul’s einladen konnte.

Er bedankte sich bei Lissa für ihre Hilfe und Mitarbeit, sagte, ohne sie hätte er seinen Traum nie verwirklichen können, was sie natürlich bescheiden bestritt. Aber sie beide wussten, dass er recht damit hatte.

Und noch immer hatte er keinen Annäherungsversuch unternommen, aber die Blicke, die er ihr zuwarf, besagten, dass ihm gefiel, was er sah.

Ihr gefiel ihr Gegenüber ja auch. Sie hatte sogar schon Träume gehabt, in denen er die Hauptrolle spielte. Vielleicht war er ja ihr Marco, ihr Zach. Vielleicht war Raoul der Mann, der ihre Welt erschüttern würde.

In letzter Zeit verspürte sie nämlich immer öfter dieses Gefühl … obwohl sie das natürlich niemals zugeben würde, aber … in letzter Zeit gab es tatsächlich Momente, da fühlte sie sich …

… einsam.

Die Welt um sie herum schien nur noch aus trauter Zweisamkeit zu bestehen, während sie allein war. Zum ersten Mal tat sie etwas, das sie bisher noch nie getan hatte: Sie erlaubte es sich, eine Fantasiewelt aufzubauen. Und je länger sie über Raoul nachdachte, desto überzeugter wurde sie, dass er zu sehr Gentleman war, um den ersten Schritt zu tun. Er wollte ihre Freundschaft nicht aufs Spiel setzen, das war es. Also würde sie wohl die Initiative ergreifen müssen. Nichts Übertriebenes, das nicht. Sie würde schlicht einen gemeinsamen Drink vorschlagen, vielleicht ein oder zwei Wochen nach der großen Eröffnung …

Wenn sie heute daran zurückdachte, konnte sie nur verächtlich über die eigene Dummheit lachen …

Eröffnungsnacht. Alles lief perfekt. Achtzig VIP-Gäste, einschließlich zweier Restaurantkritiker, die sich bemühten, nicht aufzufallen, und daher umso mehr herausstachen. Das Personal arbeitete als fließende Einheit, jeder Teller, der die Küche verließ, war ein kleines Kunstwerk.

Bis dann irgendwann mitten im geschäftigen Abend Lissas Handy klingelte. Es war Raoul.

„Lissa, hast du eine Minute für mich? Könntest du ins Büro kommen?“

„Nicht wirklich. Uns ist die Fischbouillon ausgegangen, ich musste neue ansetzen. Sicher keine Katastrophe, aber ich hoffe, sie gelingt. Normalerweise lasse ich sie nämlich über Nacht stehen. Ich habe probiert, schmeckt wie immer, aber …“

„Pass auf, bring etwas davon mit, dann holst du dir noch eine zweite Meinung ein, während wir diese kleine Managementsache klären. Dauert bestimmt nicht lange.“

So hatte sie also etwas von der Bouillon in ein Schüsselchen geschöpft, hatte ihrem Souschef für die Dauer ihrer Abwesenheit die Leitung der Küche übergeben und war zu Raouls Büro gegangen.

Nach einem knappen Klopfen war sie lächelnd eingetreten. „Da im Speisesaal geht es hoch her, ich kann wirklich nicht lange …“

Die Worte waren ihr im Hals stecken geblieben, das Lächeln gefror ihr auf den Lippen.

Raoul stand mit verschränkten Armen an seinen Schreibtisch gelehnt. Er trug Smoking, das Haar hatte er elegant aus dem Gesicht gekämmt, seine Miene war gelassen und entspannt wie immer. Das einzig Auffällige an ihm war seine offene Hose, aus der herausstand, was bewies, wie erregt er war.

„Schließ die Tür und geh auf die Knie. Und mach schnell“, sagte er nur.

Lissa war das, was man einen intuitiven Koch nannte, sie agierte oft aus purem Instinkt. Jetzt schoss instinktiv maßlose Rage und Fassungslosigkeit ihr auf.

Eine schnelle Drehung aus dem Handgelenk, und Raouls Schritt glänzte mit Bouillon und Gräten. Ihre letzte Erinnerung an Raoul bestand aus seiner schockierten Miene und dem zerkochten Fischkopf, der langsam an dem einen Smokingbein herabrutschte.

Es war auch die letzte Erinnerung, die sie von ihrer Karriere hatte. Seit jenem Abend hatte sie keine richtige Anstellung mehr finden können.

Sie war von Küche zu Küche gewandert, um Gemüse zu putzen und Kartoffeln zu schälen, hatte hier und da den Springer gespielt. Eine peinliche Woche lang hatte sie sogar gekellnert und dabei gebetet, dass sie niemanden bedienen musste, der sie kannte. Natürlich war Bedienen ehrliche Arbeit, aber eben auch der Beweis ihres Scheiterns.

Deshalb hatte sie auch ihre Familie angelogen, als sie vor zwei Monaten für Emilys Hochzeit nach Hause gefahren war.

Eine Wilde ging mit ihrem Misserfolg nicht hausieren. Die Wildes waren allesamt erfolgreich. Sehr erfolgreich. Jake, der Rancher, Caleb, der Anwalt, Travis, das Finanzgenie. Emily arbeitete als Vize mit ihrem Mann in dem Bauunternehmen zusammen, Jaimie als rechte Hand ihres zukünftigen Ehemannes in dessen Sicherheitsdienst. Ihre drei Schwägerinnen waren großartige Moms und bewiesen sich allesamt in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern Jura, Management und Psychologie.

Zählte man noch den Wilde-Patriarchen, Vier-Sterne-General John Hamilton Wilde, dazu, war Versagen einfach keine Option.

Als man sie fragte, hatte Lissa nur gesagt, sie habe jetzt die Möglichkeit, „an verschiedenen Orten“ zu arbeiten, was die Familie zu der Fehleinschätzung geführt hatte, sie würde mit einer Filmcrew von Set zu Set ziehen.

Sie hatte das Missverständnis nicht aufgeklärt. Das war erheblich besser, als zugeben zu müssen, dass sie in „Grandma’s Hühnerstall“ Hähnchenteile aus einer großen Box zog und in einer Panade drehte, die in Farbe und Konsistenz Zement glich, um sie dann in eine Fritteuse mit blubberndem Fett gleiten zu lassen.

Das war kein Job, das war die Vorhölle. Sie brauchte eine anständige Küche, in der sie wieder kochen konnte!

Außerdem konnte sie von dem Lohn, den „Grandma“ ihr zahlte, nicht leben. Irgendwie musste sie ihre todgeweihte Karriere reaktivieren. Vielleicht sollte sie ihre Agentin anrufen. Irgendwo da draußen musste es doch einen anständigen Job geben, oder? Und dafür waren Agenten schließlich da, oder? Dir eilt der Ruf voraus, schwierig zu sein, hatte Marcia beim letzten Mal gesagt, und Lissa war versucht gewesen, sie aufzuklären – dass an dem Gerücht, das Raoul über sie verbreitete, er habe sie gefeuert, weil sie eine Diva sei, absolut nichts dran war. Aber die Wahrheit war einfach zu erniedrigend …

Ihr Telefon klingelte. Lissa sah zur Uhr. Wer rief um elf Uhr abends noch an? Ihre Geschwister nicht, die hatten ihr heute Morgen schon gratuliert und wunderbare Geschenke geschickt. Sogar ihr Vater hatte angerufen und angekündigt, dass ein Einkaufsgutschein von Tiffany’s an sie unterwegs sei. Sie hatte sich höflich bedankt und war stolz auf sich, dass sie ihm nicht gesagt hatte, was er mit seinem ach so persönlichen Geschenk machen konnte.

Ihr Handy klingelte noch immer. Wo war das verflixte Ding nur? Richtig, in der Rücktasche ihrer Jeans, wo es immer war.

Die Nummer auf dem Display kannte sie. „Marcia! Du musst Gedanken lesen können. Gerade habe ich überlegt, dass ich dich mal wieder anrufen sollte.“

„Hab ja schon länger nichts mehr von dir gehört“, kam es knapp zurück. „Hör zu, ich weiß, es ist spät, aber ich hätte da etwas für dich, und ich brauche eine schnelle Antwort.“

Lissa setzte sich gerader auf. „Etwas Gehobenes?“

„Schätzchen, du bist nicht in der Position, solche Fragen zu stellen. Lass mich die Fragen stellen, ja? Hast du Erfahrung mit richtigem Kochen?“

„Was soll das denn heißen?“, empörte sich Lissa.

„Siehst du, genau das ist dein Problem. Du hast dir ja schon mit diesem Raoul genügend Schwierigkeiten eingehandelt, weil du den Mund so weit aufgerissen hast.“

Genau das hatte sie eben nicht getan, aber jetzt war es wohl zu spät für die Wahrheit.

„Lassen wir das. Beantworte einfach die Frage: Kannst du ganz normales Essen kochen und die mit Mousse gefüllten Blüten und Rosmarinzweigchen vergessen? Ich meine Braten, Eintopf … alltägliche Dinge eben.“

Lissa sah schon alle möglichen Rezepte der Haute Cuisine vor sich, riss sich aber zusammen. „Ja, natürlich.“

„Gut, dann sage ich denen Bescheid, dass du die Stelle antrittst.“

„Einfach so?“

„Einfach so. Sie brauchen schnell einen Koch, du brauchst schnell einen Job.“

Lissa verkniff sich alle weiteren Fragen, die ihr durch den Kopf gingen. Der Lohn war anständig, die Vergütungen auch. Ihr wurde Kost und Logis gestellt und sogar ein Wagen.

„Sonntags hast du frei.“

„Ausgerechnet sonntags?“

Marcia räusperte sich. „Hatte ich noch nicht erwähnt, dass es sich um eine Ranch handelt?“

„Eine was?“

„Eine Ranch. Du weißt schon – Pferde, Kühe und was sonst noch so auf einer Ranch kreucht und fleucht. Das weißt du besser, du bist auf einer Ranch aufgewachsen.“ Eine Pause folgte. „In Montana.“

Ja, sie war auf El Sueño groß geworden, der Ranch von der Größe eines Kleinstaates, die von Generation zu Generation in der Wilde-Familie weitervererbt wurde. Sie hatte die erste Gelegenheit wahrgenommen, um wegzukommen. Nein, Ranchs waren nichts für sie. In Montana war sie noch nicht gewesen, aber sie wusste, dass die Mega-Reichen dort gerne Rancher spielten. Sie erstanden ein riesiges Stück Land, investierten enorme Summen, um es urbar zu machen, stellten Personal ein und tauchten dann alle Jubeljahre auf, um für eine Weile Cowboy zu spielen.

Und sie gaben Gesellschaften. Die Crème de la Crème aus Hollywood. Regisseure, Produzenten, Leute, die es sich leisten konnten, für ein Wochenende vorzugeben, sie wären John Wayne. Daher also Marcias Frage nach Braten und Eintopf. Haute Cuisine als Hausmannskost getarnt. Ihr ständen die frischesten Zutaten zur Verfügung – Buschbohnen direkt aus dem Garten, Eier noch warm aus dem Hühnerstall. Und das Beste überhaupt – sie würde Kontakte knüpfen können …

„Lissa? Ich warte auf deine Antwort.“

„Was ist mit Personal?“

„Das wirst du mit dem Besitzer ausmachen müssen.“

Lissa kaute an ihrer Unterlippe. „Einverstanden, ich mach’s.“

„Gut.“ Dann sagte Marcia, bevor sie einhängte, noch etwas, das sie bisher noch nie gesagt hatte: „Viel Glück.“

Das Telefon auf der Triple G Ranch begann im gleichen Moment zu schrillen, als auch die alte Standuhr in der Diele halb zwölf schlug.

Nick Gentry, der auf dem Bauch auf dem uralten Sofa lag, packte sich ein Kissen und zog es sich stöhnend über den Kopf. Was nicht viel nutzte, denn sowohl Telefon als auch Standuhr lärmten ohrenbetäubend weiter.

„Verdammt“, schnarrte er und drehte sich auf die Seite … um sich gleich darauf auf dem Boden wiederzufinden. Er fluchte laut, als der Schmerz scharf wie ein Messer durch sein Bein fuhr. Es würde besser werden, hatte der Therapeut gesagt. Nur nicht, wann.

Wo, zum Teufel, war er überhaupt? Er öffnete ein Auge, sah den Elchkopf an der Wand hängen, sah den ausgestopften Grizzly in der Zimmerecke stehen und wusste, er war auf Triple G.

Gott, wie er diesen Ort hasste!

Etwas Nasses fuhr ihm übers Gesicht – die riesige Zunge eines riesigen schwarzen Neufundländers. Nick schob den Hund beiseite, setzte sich auf und suchte in den Taschen nach seinem Handy.

„Dafür gibt es besser einen guten Grund“, knurrte er in die Muschel, als er sich das Telefon ans Ohr hielt.

„Mr. Bannister? Marcia Lowry hier, von Cooks Unlimited.“

„Wer?“ Er blinzelte, während die Frau ihren Namen wiederholte. Eigentlich hatte er den Namen Bannister gemeint, denn für einen Moment hatte er vergessen, dass er den bei seinem Anruf bei Cooks Unlimited genutzt hatte. Verflucht, er hatte vergessen, dass er bei der Agentur angerufen hatte. „Haben Sie jemanden für mich?“, fragte er.

„Ja, Mr. Bannister. Wie abgesprochen habe ich ihr gesagt, dass sie morgen mit Ihrer Maschine am Flughafen abgeholt wird.“

Nick griff nach der Krücke und rappelte sich auf. Üble Idee. Sein Schädel fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren, von den Schmerzen im Bein ganz abgesehen. „Wieso reden Sie ständig von einer Sie? Ich hatte Ihnen gesagt, dass dieser Ort hier nichts für eine Frau ist.“

„Sie war die Einzige, die so kurzfristig zu finden war. Hätten Sie mir mehr Zeit gelassen …“

„Ich habe Ihnen genauso viel Zeit gelassen wie der letzte Koch mir. Ich habe hier ein halbes Dutzend Männer zu verpflegen.“

„Das verstehe ich, Mr. Bannister. Versuchen Sie aber bitte auch zu verstehen, dass Miss Wilde die Einzige war, die sich so kurzfristig bereit erklärt hat, eine Stelle dieser Art anzutreten.“

Nick brauchte dringend einen Kaffee. Er humpelte in die Küche, klemmte das Telefon zwischen Schulter und Ohr, um Kaffee aufzuschütten. „Sie weiß, dass wir hier in den Bergen sitzen?“

„Natürlich, Sir, ich habe ihr gesagt, dass die Ranch in Montana liegt.“

„Und sie weiß, dass sie einen Haufen Raubeine bekochen soll?“

„Sie ist gelernte Köchin und hat lange Erfahrung als Chefköchin, Sir.“

„Ich brauche jemanden, der hungrige Männer satt bekommt, keinen Sternekoch.“ Die Kaffeemaschine begann zu brodeln. „Wenn sie Chefköchin ist, wieso will sie dann hier arbeiten? Weil niemand sonst sie einstellt?“

„Lissa Wilde möchte sich neu orientieren.“

„Soll heißen?“

„Das heißt, Sie brauchen einen Koch, Sir, und Lissa Wilde braucht einen neuen Job. Ich habe ihr übrigens zugesagt, dass sie von Ihnen einen Wagen gestellt bekommt.“

„Klang ich bei unserem Telefonat wie ein Autohändler?“

„Nein, Sir, Sie klangen wie ein Mann, der händeringend einen Koch sucht. Das hatten wir bereits herausgearbeitet, Sir.“

Nick fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Ach, zur Hölle! Hier auf dem Gelände standen Gott weiß wie viele Autos, da konnte die neue Köchin auch einen Schlüssel haben. „Also gut, Lowry. Dann hoffe ich, dass das funktioniert.“

„Ja, das hoffe ich auch. Gute Nacht, Mr. Bannister.“

Nick unterbrach die Verbindung.

Der letzte Koch hatte ohne jede Vorwarnung vor zwei Tagen das Handtuch geworfen. „Das ist keine Ranch, das ist ein Rattenloch, Gentry. Und Sie sind ein Ekelpaket“, hatte der Mann gesagt.

„Danke für das Kompliment, und der Name ist Bannister“, hatte Nick nur erwidert.

„Von wegen. Aber mir soll schnuppe sein, wie Sie sich nennen. Da arbeite ich lieber bei McDonald’s, bevor ich auch nur eine Stunde länger bleibe.“

Nick suchte nach einem sauberen Kaffeebecher und fand keinen. Auch egal. Er zog einen aus dem Geschirrberg in der Spüle, spülte ihn unter kaltem Wasser aus und goss sich einen Kaffee ein.

Die Frau, die da morgen einflog, musste wirklich verzweifelt sein, um einen Job wie diesen hier anzunehmen. Nun, er hatte ja auch verzweifelt einen Koch gesucht. Solange sie Rühreier und Steaks zubereiten konnte, wäre sie ein Erfolg.

Mit dem halb vollen Kaffeebecher humpelte er auf der Krücke zurück in den Wohnraum. Die Flasche mit Bourbon stand noch auf dem Tisch, er setzte sich aufs Sofa und füllte den Kaffee damit auf.

Er war hier aufgewachsen, aber schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen. Doch er wusste, dass Köche, die eine solche Stelle annahmen, entweder alt oder hässlich oder Alkoholiker waren. Oder alles zusammen. Diese Lisa oder Liza konnte seinetwegen hässlich sein wie die Nacht und uralt, nur zu tief in die Flasche schauen durfte sie nicht. Ein Trinker pro Ranch war das Maximum.

Der Neufundländer legte schnaubend den Kopf auf seine Füße. „Du bist ein dummes Tier, weißt du das?“, sagte Nick zu dem Hund. „Du solltest dich an jemand anderes hängen.“

Der Hund hob den Blick zu Nick und gab ein leises „Wuff“ von sich. Seufzend kraulte Nick dem Hund die Ohren. Was verstanden Hunde schon von Gewinnern und Verlierern?

Früher hatte Nick Gentry zu den Gewinnern gehört. Der Clint Eastwood des neuen Jahrhunderts, so hatten sie ihn genannt. Wurde Zeit für einen neuen Titel. Wie wäre es mit: Nick Gentry, Alkoholiker des Jahres?

Autor

Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die Wilde Geschwister