Was muss ich tun, damit du bleibst?

– oder –

 

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Auch wenn ihr Herz bricht, Olivia kündigt. Denn Brady O’Keefe ist viel mehr als ein Boss für sie. Schon viel zu lange ist sie in ihn verliebt! Der Tycoon von Blackwater Lake dagegen scheint in ihr nicht die Frau zu sehen. Doch auf ihre Kündigung reagiert er unerwartet …


  • Erscheinungstag 09.11.2020
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504256
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Olivia Lawson wäre lieber nackt durch einen Hagelschauer gelaufen, als ihrem Chef zu erzählen, was sie zu sagen hatte.

Mal wieder.

Sie zögerte kurz vor seinem Büro, das sich in seinem Privathaus befand, denn es war ein wirklich großes Anwesen. Brady O’Keefe besaß und leitete einen Internetkonzern, und abgesehen von ihr arbeiteten die über hundert Angestellten alle in gemieteten Büroräumen in L. A., Chicago, New York und Austin. Er selbst lenkte alles mühelos von seiner sechzig Quadratmeter großen Kommandozentrale in einem sehr exklusiven, noblen Wohnviertel in Blackwater Lake, Montana, aus.

Olivias Eltern lebten noch immer in dem Haus, in dem sie aufgewachsen war, nur wenige Türen von den O’Keefes entfernt. Sie kannte Brady bereits seit ihrer Kindheit und arbeitete nun seit fünf Jahren als seine Assistentin. Ihm zu erklären, dass ihre berufliche Beziehung kurz vor dem Ende stand, war also nicht einfach. Das wusste sie, weil sie es schon zwei Mal versucht hatte.

Sosehr sie ihren Job auch liebte und so viel ihr Chef ihr auch bedeutete, sie musste endlich einen Schnitt machen. Sie sah in Brady nämlich mehr als ihren Arbeitgeber; sie sah in ihm einen Mann. Einen attraktiven, charmanten und intelligenten Mann. Das Problem war nur leider, dass er sie nicht als Frau wahrnahm. Für Brady gehörte sie einfach zu seiner Büroeinrichtung und war in etwa so nötig wie ein Computer, ein Schreibtisch oder Aktenordner. Und nun war ihr endlich klar geworden, dass sich daran auch nichts mehr ändern würde. Wenn sie nicht als alte Jungfer mit zu vielen Katzen enden wollte, musste sie von ihm weggehen.

Da seine Tür offen stand, klopfte sie nur kurz an und hörte das vertraute Brummen, das bedeutete, dass sie eintreten durfte. Er saß an seinem L-förmigen Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm seines PCs. Er wandte ihr den Rücken zu und blickte wie immer gar nicht auf, als sie eintrat.

Normalerweise ließ sie sich davon einschüchtern. Aber heute nicht. „Brady, ich muss mit dir reden. In der Küche brennt es, und ich habe schon die Feuerwehr gerufen.“

„Aha.“

Heute war der erste Tag vom Rest ihres Lebens, und sie würde ihm sagen, dass sich von nun an alles ändern würde. Aber das konnte sie erst tun, wenn er ihr wirklich zuhörte.

Sie ging also zu seinem Schreibtisch und griff nach dem orangefarbenen Schaumstoffball, den er immer drückte, wenn er tief in Gedanken versunken war. Sie warf ihm den Ball an den Kopf.

Er schaute daraufhin über die Schulter. „In der Küche ist gar kein Feuer, oder?“

„Du hast mir also doch zugehört.“

„Das tue ich doch immer.“

Schön wäre es. „Ich muss dir unbedingt etwas sagen.“

„Offenbar ist es wichtig genug, um mir Bälle an den Kopf zu werfen.“ Er stieß sich vom Schreibtisch ab und drehte sich jetzt zu ihr um. Anschließend hob er den Ball auf und drückte ihn wieder. „Okay. Du hast nun meine ungeteilte Aufmerksamkeit.“

Seit sie fünfzehn war, fragte sie sich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn er sich voll und ganz auf sie konzentrieren würde. Mehr wollte sie im Moment doch gar nicht, und mehr würde sie leider auch niemals bekommen. Sie musste es endlich aussprechen, bevor sie wieder den Mut verlor.

„Ich kündige!“

Was kündigst du?“

„Meinen Job.“

„Du verlässt mich?“

„Nicht dich“, log sie. Er durfte nicht wissen, wie recht er damit eigentlich hatte. „Ich verlasse nur deine Firma.“

„Du lässt mich im Stich?“

„Du bist immer so melodramatisch. Es geht nicht immer nur um dich.“

Er presste den Ball zusammen, bis seine Knöchel weiß hervortraten. „Hatten wir das nicht gerade erst?“

„Nein, nicht gerade erst.“

„Irgendwann um diese Zeit im letzten Jahr?“

„Das kommt hin“, gab sie zu.

Es war sogar exakt die gleiche Zeit. Denn der Jahresanfang brachte einen irgendwie dazu, sein Leben ändern zu wollen. Und sie hätte wissen müssen, dass er sich daran erinnerte, denn er hatte ein Gedächtnis, das wie eine gigantische Festplatte funktionierte.

Ganz zu schweigen von einem Körper, mit dem er auch gut und gerne Filmstar hätte werden können. Das dunkelbraune Haar, kurz und auf lässige Weise zerzaust, passte zu den Stoppeln an seinen Wangen und dem Kinn. Vermutlich hatte er sich heute Morgen nicht rasiert. Das musste er auch nicht, denn er hatte heute keine auswärtigen Besprechungen. Und auch kein heißes Date. Da sie seinen Terminkalender führte, wusste sie so etwas leider ganz genau.

Jedenfalls versuchte er ganz sicher nicht, sie zu beeindrucken. Olivia unterdrückte ein Seufzen. Durchdringend … anders war der Blick aus seinen grünen Augen nicht zu beschreiben. Das weiße Oberhemd betonte die breiten Schultern, die muskulöse Brust und den flachen Bauch, die er den regelmäßigen Work-outs in seinem privaten Fitnessraum verdankte.

Sie würde den Anblick wirklich vermissen.

„Okay.“ Er nickte. „Nach meiner bisherigen Erfahrung bedeutet deine Kündigung, dass du eine Gehaltserhöhung willst.“

„Nicht wirklich.“ Im letzten Jahr hatte er ihr mehr Geld geboten, aber sie war bestimmt nicht deshalb geblieben.

„Nennen wir es doch einen Ausgleich der gestiegenen Lebenshaltungskosten. Gib dir einfach, was du für angemessen hältst.“ Sein rechter Mundwinkel zuckte und brachte ein Grübchen zum Vorschein.

Olivia verfluchte dieses Grübchen. Denn es öffnete die Tür, hinter der sie ihre Unsicherheit und Schwäche gesperrt hatte. Werd jetzt nicht wieder schwach, flehte sie stumm.

„Was, wenn ich eine Aktienmehrheit für angemessen halte?“, fragte sie herausfordernd.

„Das tust du nicht.“

„Woher willst du das denn wissen?“

„Weil es in deinem Körper keine unfaire Faser gibt.“

Also hatte er ihren Körper bemerkt. Sollte sie sich jetzt geschmeichelt fühlen? „Du kannst doch gar nicht wissen, ob ich anspruchsvoll und gierig geworden bin.“

„Das riskiere ich.“

Sein Lächeln bewies, dass er sie für gutherzig hielt. Wow. Was für ein Kompliment.

„Ich bin nicht wegen einer Gehaltserhöhung hier“, beharrte sie. „Ich will wirklich kündigen.“

„Nein, das willst du nicht.“

„Doch, das will ich“, widersprach sie ihm. „Und dich darüber zu informieren gebietet die Höflichkeit.“

Seine grünen Augen wurden nun schmal. „Das kann doch nicht wirklich dein Ernst sein.“

„Natürlich kann es das.“

„Ich nehme deine Kündigung aber nicht an.“

„Du hast keine Wahl.“

„Und ob ich die habe!“, sagte er trotzig.

„Wie du meinst.“ Sie schob die zitternden Hände in die Hosentaschen. „Aber geh davon aus, dass ich in zwei Wochen nicht mehr zur Arbeit erscheine.“

Er stand auf und ging hastig um den Schreibtisch herum. Das war der Moment, vor dem ihr die ganze Zeit gegraut hatte … in dem er ihr so nahe kam, dass seine unverhohlene Männlichkeit ihr die Entschlossenheit raubte.

Sie wandte sich ab und konzentrierte sich jetzt auf den Kamin, in dem Holz brannte und knisterte. Das Feuer, die Möbel, der Mann – alles bescherte ihr ein warmes, behagliches Gefühl, während es draußen momentan in Strömen regnete.

„Zwei Wochen Kündigungsfrist, mehr gibst du mir nicht?“

„Das ist durchaus üblich.“ Sie drehte sich zu ihm um.

„So schnell finde ich aber keinen Ersatz. Gib mir wenigstens einen Monat. Zwei wären noch besser.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich kenne dich, Brady. Wenn ich dir keinen Termin nenne, suchst du gar nicht erst nach jemandem.“

„Ich habe aber keine Zeit dazu. Das weißt du genau.“

„Also mach dich lieber auf die Suche.“ Sie wandte sich wieder ab, denn seine Miene verriet ihr, dass er langsam begriff, wie ernst sie es dieses Mal meinte. Aber Mitgefühl war ein Luxus, den sie sich momentan nicht erlauben durfte.

„Tu das nicht, Liv.“

„Ich muss.“

„Aber warum jetzt? In deinem Leben hat sich doch nichts geändert.“

Sie wirbelte herum. „Woher willst du das denn wissen?“

„Ich weiß es einfach.“

Seine Selbstsicherheit machte sie ganz zornig. Er war überzeugt davon, dass die Welt sich nur um ihn drehte, und damit lag er gar nicht so falsch. Sie hatte schon zwei Mal gekündigt, war dann aber doch wieder eingeknickt. Aber dieses Mal nicht.

„Du irrst dich, Brady. In meinem Leben hat sich etwas geändert. Etwas Wichtiges.“ Sie schaute ihm fest in die Augen und erzählte ihm die größte Lüge von allen. „Ich habe einen Mann kennengelernt und mich in ihn verliebt. Ich ziehe von Blackwater Lake weg, um mit ihm zusammen sein zu können.“

Dass er schockiert war, tröstete sie ein wenig.

„Du verlässt die Stadt?“

Das interessierte ihn? Nicht, dass sie verliebt war? „Ja. Für einen Mann.“

„Wo bist du diesem Mann denn begegnet?“ Er klang weder misstrauisch noch neugierig, sondern vor allem verärgert.

„Das geht dich gar nichts an.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Das sehe ich aber anders. Du bist nicht nur eine wertvolle Mitarbeiterin, du bist auch …“

„Was?“

„Eine gute Freundin.“

Olivia ließ sich nichts anmerken. Denn eine Sekunde lang hatte sie gehofft, dass sie mehr für ihn war. Nach fünf Jahren in seiner Firma war das naiv, das wusste sie, aber sie hatte es trotzdem getan.

„Du bist mein Chef“, verbesserte sie ihn deshalb. „Das ist alles. Unsere berufliche Beziehung gibt dir kein Recht auf Informationen über mein Privatleben.“

„Ich habe doch nur gefragt, wo du ihm begegnet bist. Was ist denn daran so privat?“

„Die Frage ist einfach indiskret.“

„Ich bin nur neugierig. Sag mir wenigstens, wie er heißt.“

„Das ist noch indiskreter.“

„Schämst du dich etwa für ihn? Wie heißt er denn bloß? Ichabod? Aristoteles? Sven?“ Er tippte sich gegen die Lippen. „Lindsay? Lynne? Caroll?“

Fast hätte sie gelacht, denn sein Charme konnte wirklich unwiderstehlich sein. Deshalb ging sie hastig davon. „Du bist wirklich unverbesserlich.“

„Warum kann er denn nicht nach Blackwater Lake umziehen?“

Weil er nicht existiert! „Es ist einfacher, wenn ich umziehe.“

„Für wen?“

„Für mich.“

„Wohin ziehst du denn?“

„Du hast noch zwei Wochen. Jetzt gehe ich wieder an die Arbeit.“

„Die meisten Assistentinnen können es kaum erwarten, ihrem Chef von einer heißen Affäre zu erzählen“, rief er ihr hinterher.

„Ich gehöre aber nicht zu den meisten Assistentinnen.“

„Was du nicht sagst.“ Er klang jetzt wie ein trotziger kleiner Junge.

Sie stand nun im Durchgang zwischen ihren Büros. „Ich schreibe meine Stelle jetzt aus. Hoffentlich kannst du sie intern besetzen. Sicherheitshalber kontaktiere ich aber auch noch eine Agentur, mit der wir in der Vergangenheit schon öfter zusammengearbeitet haben. Ich arbeite das Wochenende durch, dann kannst du am Montag die ersten Bewerbungsgespräche führen.“

„Tu, was du nicht lassen kannst.“

Olivia setzte sich an ihren Schreibtisch, atmete tief durch und begriff, dass diese letzten Minuten nur ein Vorgeschmack auf die nächsten zwei Wochen gewesen waren. Er würde es ihr garantiert nicht leicht machen.

Drei Tage, nachdem Olivia ihre Kündigung eingereicht hatte, lehnte sich Brady an seinem Schreibtisch zurück und drückte seinen orangefarbenen Ball. Es war Montag, und sie hatte tatsächlich Wort gehalten. Gerade hatte er das zweite für heute angesetzte Bewerbungsgespräch geführt, und sie begleitete die Bewerberin im Moment zum Ausgang.

„Olivia muss es wirklich eilig haben, von hier zu verschwinden“, sagte er leise zu sich selbst und quetschte verärgert den Schaumstoff zusammen.

Wer war dieser Kerl bloß, zu dem sie ziehen wollte?

Er hätte nie gedacht, dass sie Dates hatte, erst recht keine ernsten. Und er war sich nicht sicher, was ihn mehr störte – dass er die weltbeste Assistentin verlieren würde oder dass sie ging, weil sie sich verliebt hatte.

Er schaute aus dem Fenster. Heute regnete es nicht. Der Sonnenschein ließ das Wasser des Blackwater Lake wie Diamanten glitzern. Das andere Fenster ging auf die Berge hinaus, und er wusste, dass Olivia von ihrem Zuhause aus ebenfalls auf die herrliche Umgebung blicken konnte. Lebte der Kerl denn auch in einer so schönen Gegend?

„Wie fandest du die Bewerbungsgespräche?“

Olivias Duft erfüllte den Raum und ließ ihn wie immer an Blumen denken … an einen Garten … einen friedlichen Garten.

Aber das war jetzt vorbei. Sie stellte sein Leben komplett auf den Kopf, um zu einem Kerl zu ziehen, dessen Namen und Wohnort sie ihm partout nicht nennen wollte.

Er drehte sich zu ihr um. Sie trug einen konservativen marineblauen Hosenanzug und darauf abgestimmte Pumps. Heute hatte sie ihr erdbeerblondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, der ihre hohen Wangenknochen betonte. Ihre großen blauen Augen funkelten, als sie sich in einen der Clubsessel vor dem Schreibtisch setzte.

Sie war nicht besonders groß und gertenschlank oder eine Schönheit im klassischen Sinne, aber ihr Lächeln erhellte an bewölkten Tagen sofort den Raum. Und in ihrer leicht heiseren Stimme klang manchmal die Andeutung eines Lispelns mit, die ihn unwillkürlich auf jedes Wort mit einem S warten ließ.

Jetzt starrte sie auf den Ball in seiner Hand. „Du hast offenbar über die Gespräche nachgedacht.“

„Könnte man so sagen. Aber nur, weil du mich dazu zwingst.“

Sie verdrehte die Augen und schaute auf ihren Notizblock. „Okay, beginnen wir mit Kandidatin Nummer eins. Shannen Dow.“

Seine Mundwinkel zuckten. „Der Name gefällt mir.“

„Das ist schon mal ein guter Anfang. Die Agentur hält sie für eine der stärksten Bewerberinnen.“

„Natürlich. Sie verdient ja auch an jeder Anstellung.“

Olivia ignorierte die Bemerkung. „Ich fand sie wirklich sehr gut. Sie kennt sich in der Computerbranche aus. Das ist wichtig, wenn sie sofort einsteigen soll. Je früher du jemanden einstellst, desto besser kann ich sie noch anleiten, bevor ich hier aufhöre.“

Das, mit dem aufhören traf bei ihm einen Nerv. „Sie war okay, aber modisch ist sie nicht gerade up to date.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Seit wann spielt das denn für dich eine Rolle?“

„Schon immer. Sie wird schließlich auch Kunden begegnen.“

„Nicht so oft. Als ich mich bei dir beworben habe, hast du gesagt, ich kann sogar Jeans tragen, weil du ja zu Hause arbeitest.“

Weil du in Jeans auch gut aussiehst. Aber Shannen Dow war mager, und ihre Stimme hatte langweilig geklungen.

„Du hattest trotzdem immer Niveau.“

„Dann geh doch mit ihr einkaufen.“

„Fandest du nicht auch, dass ihre Stimme sich wie Fingernägel auf einer Kreidetafel anhörte?“

„Erst als du sie gebeten hast, Kaffee zu kochen.“

„Wirklich? Ich fand sie etwas schrill. Die Tonlage könnte mir mit der Zeit bestimmt Kopfschmerzen machen.“

„Niemand will schließlich mit einem sexistischen Macho arbeiten“, entgegnete sie. „Kaffee zu kochen gehört nicht zur Stellenbeschreibung.“

„Sagt wer? Mir ist es nun mal wichtig, und ich unterschreibe schließlich den Gehaltsscheck.“

„Na gut. Also weiter.“ Sie notierte sich etwas auf ihrem Block. „Reden wir über Kandidatin Nummer zwei.“

„Wie hieß sie noch gleich?“, fragte er mit Unschuldsmiene.

„Shelly Shows. Wie hat dir denn ihr Outfit gefallen?“

„Hübsch. Aber es hat mich nicht umgehauen.“

„Ihre Zeugnisse sind grandios. Und in ihrer gegenwärtigen Firma ist sie sehr beliebt.“

„Und warum will sie dann deinen Job haben?“

„Weil sie dann nicht mehr so weit fahren muss. Sie ist nämlich Chefsekretärin beim Verwaltungsdirektor des Krankenhauses, das – wie du weißt – siebzig Meilen von hier entfernt ist. Im Moment bewohnt sie dort ein Zimmer und kann nur am Wochenende nach Hause kommen.“ Sie sah ihm in die Augen. „Also, was denkst du?“

„Da wir gerade von Entfernungen sprechen, wohin ziehst du denn nun?“

Sie blinzelte. „Was?“

„Wo wirst du demnächst leben?“

„Das brauchst du nicht zu wissen, um meine Nachfolgerin einzustellen.“

Warum nahm sie es nur so genau? „Das Mindeste, was du tun kannst, ist, mir seinen Namen zu nennen.“

„Du lässt einfach nicht locker, oder?“

Lächelnd lehnte er sich zurück. „Siehst du, wie gut du mich kennst?“

„Okay. Er heißt Leonard“, sagte sie schließlich. „Na los, mach dich darüber lustig.“

„Traust du mir das etwa zu?“

„Unbedingt.“

„Das ist hart.“ Aber durchaus zutreffend, denn fast hätte er gesagt, dass der Name fast so schlimm wie Aloysius war. „Und wo hast du diesen Leonard kennengelernt?“

„Auswärts.“

„Das dachte ich mir schon. Denn wenn du mit einem Typen aus Blackwater Lake liiert wärst, hätte es sich schon längst hier herumgesprochen.“ Es war überhaupt nicht ihre Art, so ausweichend zu antworten, Bradys Frustration wuchs. Genau wie seine Neugier. „Und wo genau? Im Urlaub?“

„Urlaub?“ Sie lachte. „Was ist das? Wenn du im Büro bist, bin ich es auch. Und du bist immer im Büro. So etwas wie Urlaub gibt es hier nicht.“

„Treffer. Ich bin Workaholic. Wie wäre es dann mit einer Beurlaubung statt einer Kündigung? Ich könnte dich bestimmt eine Weile entbehren.“

„Nein.“ Sie faltete ihre Hände im Schoß. „Es geht nicht immer nur um dich.“

„Woran du mich ja dauernd erinnerst. Aber jetzt geht es um Leonard.“

„Genau.“ Sie schnippte einen nicht existierenden Fussel von ihrem Hosenbein.

„Wenn du ihn nicht im Urlaub kennengelernt hast, dann muss es auf einer unserer Geschäftsreisen gewesen sein. War es in Austin? L. A.? Chicago?“

„Dort war ich überall mit dir zusammen.“

Das stimmte, aber nach Feierabend waren sie getrennte Wege gegangen. Er hatte sich mit zahlreichen Frauen amüsiert, und wenn Olivia mal Männer kennengelernt hatte, hatte sie es ihm nicht erzählt. Bis jetzt zumindest. Brady verstand einfach nicht, warum er sich so verraten fühlte. Es war unfair und vollkommen irrational.

So verrückt es auch war, er wollte alles darüber wissen. „Hast du schon einen Job dort, wo Leonard wohnt?“

„Ein Angebot.“

„Ich schreibe dir gern ein erstklassiges Zeugnis.“ Na ja, gern nicht, aber er würde versuchen, nicht allzu nachtragend zu sein.

„Aber vorher gönne ich mir zuerst eine kleine Auszeit.“

„Und wie willst du die verbringen?“

„Mal sehen, wozu ich Lust habe.“ Sie stand auf. „Noch Fragen?“

Warum verlässt du mich?

Brady sprach es nicht aus, auch wenn er sich das fragte, seit sie ihre Bombe hatte platzen lassen. Außer seiner Mutter, Schwester und Nichte gab es in seinem Leben keine persönlichen Beziehungen – aber Olivia gehörte für ihn irgendwie dazu. Das würde ihm bei ihrer Nachfolgerin bestimmt nicht passieren.

Auf dem Weg hinaus blickte sie noch einmal über die Schulter. „Denk über Shelly nach. Und ich arrangiere noch mehr Bewerbungsgespräche. Wenn du weißt, was gut für dich ist, nimmst du die Sache allerdings ernster als gerade eben.“

„Ich habe die Gespräche doch sehr seriös geführt.“

Sie ignorierte seine Antwort. „Du solltest dich lieber fragen, was dich an den beiden Bewerberinnen gestört hat.“

„Das muss ich mich gar nicht erst fragen. Ich weiß es schon.“

„Weihst du mich vielleicht auch ein?“ Sie stützte eine Hand auf die Hüfte.

„Keine von beiden ist du.“

Nach der Arbeit fuhr Olivia sofort zu ihrer besten Freundin, die zufällig Bradys Schwester war. Jetzt saß sie auf Maggie Potters bequemem Sofa in dem behaglichen Blockhaus, in dem Maggie allein mit ihrer kleinen Tochter Danielle wohnte, seit ihr Mann in Afghanistan auf tragische Weise ums Leben gekommen war. Danny hatte das Haus für sie gebaut, und dort hatten sie zusammen als kleine Familie leben wollen. Das war allerdings gewesen, bevor seine Einheit der Nationalgarde nach Afghanistan versetzt worden war, wo eine Sprengfalle ihn getötet und seine Frau zur trauernden Witwe gemacht hatte.

Maggie war eine zierliche Brünette mit großen braunen Augen, die seit dem Verlust ihres Mannes immer etwas traurig wirkten. Nach Dannys Tod hatte Olivia versucht, so oft wie möglich für ihre Freundin da zu sein, und auf einem wöchentlichen Mädelsabend bestanden. Seit Danielles Geburt brachte sie immer Essen mit, damit die Kleine sich nicht ausgeschlossen fühlte. Heute Abend war Danielle vom Spielen zu müde gewesen, um aufzubleiben.

Olivia griff jetzt nach ihrem Glas Merlot, das neben der Pizzaschachtel stand. „Ich muss dir etwas erzählen.“

„Ein Gerücht?“, fragte Maggie neugierig. „Sag mir, dass es ein richtig spannendes ist.“

„Es ist kein Gerücht. Und wenn du es noch nicht gehört hast, sollst du es lieber von mir erfahren.“

„Du bist doch nicht krank, oder?“

„Nein.“ Sie hatte gar nicht so melodramatisch klingen wollen. „Ich habe mich nie besser gefühlt. Hast du in letzter Zeit mal mit deinem Bruder gesprochen?“

„Schon seit ein paar Tagen nicht mehr.“ Ihre Stirn glättete sich nun, aber nur etwas. „Heraus damit. Was ist los, und was hat Brady damit zu tun?“

„Ich habe gekündigt und werde aus Blackwater Lake wegziehen.“

Schockiert sah Maggie sie an. „Wohin denn?“

„Nach Kalifornien. Ein Freund vom College gründet dort eine Firma und hat mir einen Job im gehobenen Management angeboten.“

„Ich verstehe.“ Maggie lächelte traurig. „Also gehst du dieses Mal wirklich weg?“

„Ja.“ Olivia nippte an ihrem Wein.

„Wieso glaubst du, dass Brady dich dieses Mal nicht zum Bleiben überreden kann?“

„Ich wollte es ja gar nicht tun. Es ist mir einfach so herausgerutscht.“

„Was?“

„Dass ich kündige. Aber er war dann so selbstgefällig und war sich absolut sicher, dass ich sowieso nicht gehe.“

Maggie schüttelte den Kopf. „Mein Bruder wird sich eben nie ändern.“

„Er ist ja ein guter Chef. Und das Gehalt und die Zusatzleistungen sind großzügig, das Arbeitsklima ist ebenfalls in Ordnung.“

„Und trotzdem willst du weg“, stellte ihre Freundin verwirrt fest.

„Ich muss einfach.“

Olivia sprach mit Maggie stets über alles – außer über Brady.

Maggie beugte sich nun vor. „Und? Was ist dir so einfach herausgerutscht?“

„Dass ich einen Mann kennengelernt und mich in ihn verliebt habe und deshalb kündigen werde.“

„Wow, das ist aber eine ziemlich heftige Lüge.“

Olivia trank einen Schluck Wein. „Ich fühle mich auch schrecklich deswegen. Aber er hat nun einmal diese Ausstrahlung, die einem komplett den Willen raubt, auch wenn man genau weiß, was für einen am besten ist.“

„Man? Für einen?“ Maggie zog die Beine unter ihren Körper. „Hmm …“

„Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?“

„Ist dir aufgefallen, dass ich dich noch gar nicht gefragt habe, warum du Brady verlassen willst?“

Das hatte er sie auch sofort gefragt. „Ich verlasse ihn nicht, ich will nur nicht mehr in seinem Unternehmen arbeiten.“

„Okay“, erwiderte Maggie übertrieben geduldig. „Warum hast du dann gekündigt?“

„Es ist einfach an der Zeit. Da ist dieses Jobangebot …“ Sie zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht fühlst du ja auch etwas für ihn.“

„Natürlich tue ich das“, antwortete sie so unbeschwert wie nur möglich. „Er ist schließlich ein großartiger Chef. Und durch meine Verbindung zu dir auch so etwas wie ein Bruder.“

„Das meine ich nicht, und das weißt du ganz genau“, tadelte Maggie sie. „Glaubst du etwa, mir ist entgangen, wie du ihn all die Jahre ansiehst?“

Autor

Teresa Southwick
Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
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