Ich liebe dich, süße Lügnerin

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"Spielen Sie mit, bitte!" Verblüfft kommt Millionär Burke Holden der Bitte einer Fremden nach, so zu tun, als sei sie seine Freundin - und merkt auf einmal: Er möchte mehr von Sydney als nur diese Minuten der vorgetäuschten Gefühle! Warum spielt sie so eine Scharade der Liebe?


  • Erscheinungstag 23.11.2020
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504270
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Triffst du dich mit jemandem?“

Sydney McKnight wusste, dass kein Ritter hoch zu Ross sie aus ihrer Not befreien würde. Doch sie gab die Hoffnung nicht auf. Denn Rettung war nötig, wenn ihr Vater, der auch ihr Chef war, diese Frage stellte.

Sie stand vor dem Büro der Kfz-Werkstatt „McKnight Automotive“ und sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Aber wegzulaufen, war keine Option. Also wandte sie ihre Aufmerksamkeit Tom McKnight zu.

Ihre Brüder und sie hatten vor Kurzem entdeckt, dass ihr Vater sich seit Monaten heimlich mit einer Frau traf. Jetzt wollte er herausfinden, ob seine Tochter bald eine feste Beziehung eingehen würde – damit er in seiner Partnerschaft den nächsten Schritt machen konnte. „Dad, du musst dich nicht heimlich verabreden. Für die Jungs und mich ist das in Ordnung.“

„Ich mache mir keine Gedanken um Alex und Ben, sondern um dich.“ Er sah sie eindringlich an. „Deine Mutter wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben.“

Ihre Mutter war bei der schwierigen Entbindung ihrer einzigen Tochter gestorben. Sydney wusste, dass sie nichts dafür konnte. Dennoch fühlte sie sich einen Moment lang schuldig. „Jahrelang hat dir jeder gesagt, dass du endlich wieder nach vorn sehen sollst, Dad. Jetzt wissen wir, dass du es vor einer Weile getan hast. Mit Bürgermeisterin Goodson. Es ist höchste Zeit. Ich bin froh darüber. Nur zu. Sei glücklich.“

„Wie kann ich glücklich sein, bevor ich weiß, dass dein Privatleben geregelt ist?“

Das hieß, bevor sie einen festen Freund an ihrer Seite hatte. Ihr Vater begriff nicht, dass sie keinen Mann wollte, der ihr Leben in Unordnung brachte. Es war nicht das erste Mal, dass sie dieses Gespräch führten. Aber sie würde ihr Bestes tun, damit es das letzte Mal war.

„Dad …“ Sie bemühte sich, Geduld aufzubringen. „Ich weiß, dass du mich beschützen willst. Das ist wirklich lieb. Aber ich bin kein kleines Mädchen mehr.“

„Ich weiß. Trotzdem mache ich mir Gedanken um dich. Ich will, dass du in guten Händen und glücklich bist.“ Er fuhr durch seine silbergrauen Haare. „Vielleicht liegt es daran, dass ich nach dem Tod deiner Mutter emotional unerreichbar für dich war.“

Emotional unerreichbar? „Du hast dir im Fernsehen wieder Talkshows angesehen, nicht wahr?“, neckte sie ihn.

„Vielleicht.“

„Du hast nichts wiedergutzumachen. Deine Frau zu verlieren, war ein Schock. Du bist ein fantastischer Vater. Der beste Vater überhaupt. Alex, Ben und ich sind zu tollen Erwachsenen geworden.“

„In diesem Punkt widerspreche ich dir nicht“, erwiderte er stolz. „Aber deine Brüder haben beide eine Familie gegründet.“

Er sprach es nicht aus. Doch es war klar, was er damit sagen wollte: Sie war immer noch Single – das hieß so viel wie mutterseelenallein.

Über die Schulter ihres Vaters hinweg sah Sydney, dass ein tiefergelegter, teurer Sportwagen von der Main Street in die Einfahrt von McKnight Automotive einbog. Das rote, PS-starke Auto sagte etwas über den Fahrer aus. Derjenige – wer immer es war – hatte nichts dagegen aufzufallen. Ein solches Fahrzeug erregte Aufmerksamkeit. Es reizte Sydney, die kraftstrotzende Maschine – den Sportwagen! – zu inspizieren.

Konzentriere dich. „Alex und Ben hatten Glück, ihre Ehefrauen zu finden. Du willst doch nicht, dass ich überstürzt heirate, um dann festzustellen, dass ein Fehler war?“

Der Sportwagen fuhr an ihnen vorbei und hielt unter der Überdachung an, die das Büro mit der Werkstatt verband. Aufgrund der dunkel getönten Scheiben konnte sie nicht sehen, wer hinter dem Steuer saß. Aber sie konnte es kaum erwarten, einen Blick auf den Fahrer zu werfen.

„Natürlich will ich dich nicht in eine Ehe drängen. Aber ich weiß, wie es ist, allein zu sein. Wenn du dich wenigstens mit einem Mann verabreden würdest …“

„Ich verabrede mich.“ Mehr oder weniger.

„Ist es etwas Festes?“

Wenn Verabredungen mit ein und demselben Mann die Formel für eine dauerhafte Beziehung waren, wäre sie jetzt verheiratet. Sie hatte jahrelang einen Freund gehabt, was nicht gut für sie ausgegangen war. „Dad, mach dir um mich keine Gedanken. Leb einfach dein Leben. Du verdienst es, glücklich zu sein. Ich stehe dir nicht im Weg.“

„Also verabredest du dich nicht.“

„Sicherlich verabrede ich mich.“ Der Fahrer des Sportwagens stieg aus. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus, was ihr noch nie passiert war. Der Mann war etwa Mitte dreißig, groß, hatte dunkle Haare und trug eine Pilotenbrille, die seine Augen verbarg. Ein teurer Anzug setzte die breiten Schultern und schmalen Hüften in Szene.

„Mit wem?“

Sydney blinzelte. „Wie bitte?“

„Mit wem verabredest du dich?“

Ihr Blick fiel wieder auf den Fremden. Vielleicht rettet mich ja doch ein Ritter aus meiner Not. Einen Versuch war es wert. Selbst wenn sie ein Eigentor schießen würde, könnte sie ihrem Vater vielleicht damit klarmachen, dass er sie endlich in Ruhe lassen sollte.

„Mit ihm.“ Sie deutete mit dem Kopf auf den Fahrer. „Ich gehe mit ihm aus.“ Noch bevor sich ihr Vater umdrehen konnte, machte sie sich auf den Weg zu dem Mann. Sie blieb vor ihm stehen, sah ihn an und sagte leise: „Ich stehe für immer in Ihrer Schuld, wenn Sie jetzt mitspielen. Es ist eine Familienangelegenheit. Ich flehe Sie an. Und werde mich revanchieren. Das schwöre ich.“

Ihr Vater kam zu ihnen. „Sydney Marie McKnight, was geht hier vor, um alles in der Welt?“

„Das ist mein Vater, Tom McKnight.“ Sie ließ ihre Hand in die Handfläche des Mannes gleiten und lächelte ihn an. „Dad, das ist … Das ist der Mann, mit dem ich ausgehe.“ Meine Güte, sie kannte seinen Namen nicht! Sie hielt Händchen mit ihm und fühlte keinen Ehering. Immerhin etwas.

Der Mann schob sich die Sonnenbrille auf den Kopf. „Es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Er streckte ihm die andere Hand hin. „Burke Holden.“

Sie bemerkte, dass seine leuchtend blauen Augen amüsiert glitzerten. Garantiert wurde jede Frau schwach, wenn sie in diese Augen sah.

Ihr Vater schüttelte ihm die Hand. „Sie gehen also mit meiner Tochter aus“, meinte er misstrauisch.

„Wie sie gesagt hat.“

Sehr gescheit und auch schlagfertig, dachte sie.

Tom verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe Sie noch nie in Blackwater Lake gesehen.“

„Meinem Unternehmen gehört das Grundstück auf dem Berg.“

„Wo die neue Wohnanlage entstehen soll.“

„Ja.“

Sydney gefiel es, mit dem Mann Händchen zu halten. Der Kontakt erleichterte es ihr sehr, ihre Rolle zu spielen. „Du weißt besser als jeder andere, Dad, dass Bürgermeisterin Goodson viel dafür tut, Blackwater Lake in verantwortlicher Weise voranzubringen. Sie will neue Geschäfte ansiedeln. Das schafft neue Dienstleistungen und Jobs. Mehr Leute ziehen in die Stadt, deren Autos repariert und gewartet werden müssen.“

„Die Abmachung beinhaltet auch den Bau eines kleinen regionalen Flughafens“, erklärte Burke. „Zu expandieren ist nur sinnvoll, wenn Verkehrswege es den Leuten ermöglichen, viel einfacher herzukommen.“

Ihr Vater nickte zustimmend. „Dann sind Sie also nicht darauf aus, die ‚Blackwater Lake Lodge‘ vom Markt zu verdrängen? Denn sie gehört meiner Schwägerin.“

Tatsächlich gehörte die Hotelanlage auch ihrer Familie. Aber Sydney entschied, besser den Mund zu halten. Camille Halliday McKnight hatte ihren Bruder Ben geheiratet. Zu Beginn hatte sie ihre Zweifel bezüglich der Erbin. Aber Cam war die liebste und bodenständigste steinreiche Person, der sie jemals begegnet war. Am wichtigsten war jedoch, dass ihr Bruder glücklich war.

„Nein. Mein Unternehmen ist daran interessiert, Eigentumswohnungen im Mix mit Ladenflächen darunter zu bauen. Das Projekt ist groß genug, um dem bestehenden Gewerbe hier neuen Umsatz zu bringen. Arbeiter brauchen Wohnungen und Essen. Es ist für jeden ein Gewinn.“

„Vielleicht.“ Tom sah seine Tochter argwöhnisch an und fragte Burke dann: „Wie lange kennen Sie meine Tochter schon?“

Höchste Zeit, mich einzuschalten. „Dad, hast du jemals jemanden getroffen und sofort das Gefühl gehabt, denjenigen bereits dein ganzes Leben lang zu kennen?“

„Nein. Und ich habe bemerkt, dass du die Frage nicht beantwortet hast.“

„Sieh mal …“ Sie wurde durch das Klingeln des Telefons im Büro unterbrochen.

„Ich gehe ran. Aber wir sind damit noch nicht fertig, Sydney.“ Er sah sie streng an und verschwand im Büro.

Sie atmete erleichtert aus. „Danke, dass Sie mitgespielt haben, Mr. Holden.“

„Burke und du, bitte. Schließlich sind wir miteinander ausgegangen. Ich bin der Mann, bei dem du beim ersten Treffen das Gefühl hattest, ihn schon dein ganzes Leben lang zu kennen“, neckte er sie. „Also, willst du mich aufklären, worum es bei all dem geht?“

Sein Lächeln war unglaublich anziehend. „Nicht wirklich. Aber ich schulde dir eine Erklärung und fasse mich kurz. Offensichtlich bist du ein viel beschäftigter Mann.“

„Ja, allerdings ist mir noch nie etwas passiert, das mich so fasziniert hat.“

„Das bezweifle ich. Aber wenn du es sagst.“ Ein Mann, der so aussah wie er, hatte wahrscheinlich jeden Tag fesselnde Begegnungen mit Frauen. „Mein Dad ist seit langer Zeit Witwer. Seitdem ich geboren wurde.“

„Deine Mutter ist bei der Geburt gestorben?“, fragte er schockiert.

„Ja. Jahrelang hat jeder meinem Dad erfolglos geraten, dass er sich neu orientieren soll. Vor Kurzem ist mein Bruder unerwartet zu Hause vorbeigekommen und hat ihn in einer kompromittierenden Lage mit der Bürgermeisterin entdeckt. Ich kann nicht mehr sagen. Sonst brennt sich die Vorstellung, wie mein Vater mit einer Frau schläft, in mein Gedächtnis ein. Um es kurz zu machen: Die beiden haben sich fast ein Jahr lang heimlich getroffen.“

„Hut ab, Tom“, meinte Burke bewundernd.

Sydney lachte, wurde dann aber wieder ernst. „Er hat eine neue Liebe gefunden.“

„Das freut mich für ihn. Aber was hat das mit dir zu tun?“

„Er will die Bürgermeisterin bitten, ihn zu heiraten. Aber meinetwegen zögert er. Meine Brüder haben geheiratet und eine Familie gegründet. Dad will dasselbe für mich. Oder er will zumindest sicher sein, dass ich mich mit einem Mann verabrede und auf dem Weg bin, eine dauerhafte Beziehung einzugehen.“

„Verstehe.“

„Wahrscheinlich hältst du mich für verrückt. Wer könnte dir das verübeln? Er hat mich deswegen ins Kreuzverhör genommen, und ich habe behauptet, dass ich mit einem Mann ausgehe. Er wollte wissen, mit wem. In diesem Moment bist du aus dem Auto gestiegen. Es tut mir sehr leid, dass ich dich auf diese Weise in die Angelegenheit hineingezogen habe. Aber ich bin dir sehr dankbar.“

„Sehr faszinierend, wie ich bereits sagte. Was machst du jetzt?“

„Nichts. Er hat dich getroffen. Damit hat er eine Perspektive für mich vor Augen und macht Loretta einen Heiratsantrag.“

„Brauchst du keinen Begleiter für die Hochzeit?“

„Praktischerweise bist du dann nicht in der Stadt.“ Sydney lächelte ihn an. „Schließlich bist du ein viel beschäftigter Mann. Genau zum richtigen Zeitpunkt verkünde ich dann, dass wir uns getrennt haben.“

„Hm.“ Seine Mundwinkel zuckten. „Habe ich dich sitzen gelassen?“

Sie lachte. „Nicht nachdem du so verständnisvoll warst. Die Schuld auf mich zu nehmen, ist das Mindeste, was ich tun kann. Oder vielleicht hat es auch einfach nicht funktioniert zwischen uns, und keiner ist schuld daran.“

„Aber ich werde untröstlich sein.“

„Meine innere Stimme sagt mir, dass du eine andere Frau findest, um darüber hinwegzukommen.“

„Ich habe von Speed-Dating gehört.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber das ist die kürzeste Beziehung, die ich je hatte.“

„Bist du nicht froh darüber, dass du zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort warst?“

Wow, Burke war wirklich schlagfertig. Sein Aussehen, Charme und Witz machten ihn zu einer dreifachen Gefahr. Die alleinstehenden Frauen in Blackwater Lake würden Schlange stehen. Aber nicht Sydney. Sie war nicht daran interessiert, sich das Leben zu erschweren. „Zurück zum eigentlichen Thema: Was führt dich zu McKnight Automotive?“

„Ein Ölwechsel.“

„Der geht aufs Haus.“ Als Burke protestieren wollte, beharrte Sydney darauf. „Ich habe gesagt, dass ich es wiedergutmache, wenn du mir aus der Klemme hilfst.“

„Danke.“

„Willst du so lange warten? Wir haben einen gemütlichen Aufenthaltsraum mit Kaffee, Softdrinks und Snacks.“

„Nein, ich werde abgeholt.“ In diesem Moment bog ein schwarzer SUV in die Einfahrt. „Und hier ist meine Mitfahrgelegenheit auch schon.“

„Gib mir eine Handynummer, unter der ich dich erreichen kann, wenn das Auto fertig ist.“

Er reichte ihr seine Visitenkarte. „Danke, Sydney Marie McKnight.“

„Nein. Ich danke dir.“

Burke lächelte und stieg in den SUV ein. Sie sah dem wegfahrenden Auto nach, bis es auf die Straße abbog.

Tom kam aus dem Büro. „Ein Auto am Lakeview Drive muss abgeschleppt werden. Ich kümmere mich darum.“

„In Ordnung.“

„Burke scheint ein netter junger Mann zu sein.“

„Ist er.“ Nicht jeder Mann hätte bei einem solchen Szenario mitgespielt.

„Ich will, dass wir zu viert zum Abendessen ausgehen.“

„Zu viert?“ Sydney hatte kein gutes Gefühl.

„Loretta und ich. Du und Burke.“

„Ich weiß nicht, Dad. Er hat viel zu tun.“

„Wie jeder. Aber er findet trotzdem die Zeit für Dates mit dir“, sagte ihr Vater und beäugte sie dabei misstrauisch. „Und jeder muss essen. Also gehen wir zu viert aus. Es sei denn, du lügst mich an.“

Ihr fiel es schwer, nicht schuldbewusst zusammenzuzucken. Aber sie tat das Falsche aus dem richtigen Grund. „Wirklich, Dad, du hast mich besser erzogen.“ Das Glück ihres Vaters war ihr wichtig. Er war so lange allein gewesen und wurde nicht jünger. Sie würde seinem verdienten Glück nicht im Weg stehen. Wenn sie dafür lügen musste, würde sie es tun.

Der gut aussehende Fremde schien ein lockerer Typ zu sein, und sie spendierte ihm einen Ölwechsel. Ihn zu fragen, könnte bestimmt nicht schaden. „Ich spreche mit Burke darüber und sehe, was ich tun kann.“

„Ich rufe dich morgen wieder an“, sagte Burke zu seinem Sohn.

„Okay.“

Er klingt alles andere als begeistert. „Wenn du irgendetwas brauchst, weißt du, wie du mich erreichen kannst.“

„Ja.“ Nach längerem Schweigen fügte Liam hinzu: „Ich muss meine Hausaufgaben machen.“

„Richtig.“ Wahrscheinlich war er nicht der einzige Vater, dessen Kind lieber Hausaufgaben machte, als mit ihm zu reden. Aber es fühlte sich für ihn so an. „Ich liebe dich. Tschüs.“

„Tschüs.“

Burke überkam ein schlechtes Gewissen. Er wusste nie, was er zu seinem Sohn sagen sollte. Wann immer sie miteinander redeten, hörte er in dessen Stimme, wie sehr er ihn enttäuschte. Liam nicht anzurufen, ersparte ihnen beiden ein schwieriges Gespräch. Aber anders als sein Vater machte er es sich nicht leicht. Also hielt er jeden Tag telefonischen Kontakt, wenn er nicht zu Hause war.

Seine Exfrau war nicht besser. Während des Scheidungsverfahrens hatte sie keine Sekunde lang um das Sorgerecht gekämpft. Jetzt wohnte sie in Paris, und er hatte die beste Haushälterin in Chicago. Meistens war es daher in Ordnung für ihn, nicht daheim zu sein. Zumindest redete er sich das ein, was allerdings heute nicht funktionierte. Sydney McKnight und ihren Vater Tom zu treffen, war vielleicht der Grund dafür.

Er beneidete die beiden um ihr offensichtlich enges Verhältnis. Sie hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihren Vater davon zu überzeugen, wieder nach vorn zu schauen. Das war das Nebenprodukt des positiven Einflusses eines Vaters auf seine Tochter. Er fragte sich, ob Liam in zwanzig Jahren so viel auf sich nehmen würde, um dasselbe für ihn zu tun.

Normalerweise fühlte er sich während einer Geschäftsreise nicht einsam. Aber heute war das anders. Er saß an der Theke in der Bar der Blackwater Lake Lodge. Während er darauf wartete, dass Sydney ihm persönlich sein Auto brachte, trank er ein Bier.

Sie hatte ihn angerufen und ihm das Angebot gemacht. Jetzt freute er sich darauf, sie wiederzusehen. Wahrscheinlich war es ein Klischee. Aber er hätte nie erwartet, dass ein so schönes, kluges und sexy weibliches Wesen in einer Autowerkstatt arbeitete.

In diesem Moment lief eine attraktive Frau durch die Lobby und winkte, als sie ihn sah. Ihr Nachname lautete ebenfalls McKnight. Aber Camille war mit Sydneys Bruder Ben verheiratet. Burke betrachtete sie als Freundin. Sie wusste um seine schlechten Erfahrungen mit engen Beziehungen. Wahrscheinlich hatte sie ihm deshalb nie von der Schwester ihres Ehemanns erzählt.

Sie blieb neben ihm stehen und umarmte ihn. „Hallo.“

„Hallo, Mrs. McKnight. Das Ehefrausein steht dir.“ Trotz seiner düsteren Stimmung musste er lächeln. „Du strahlst ja richtig.“

„Wie nett. Danke. Das macht die Liebe. Du solltest es mal ausprobieren.“

„Hab ich schon gemacht, hat nicht funktioniert.“

Camille rümpfte die Nase. „Das war keine Liebe. Brenda war egoistisch und egozentrisch. Wahrscheinlich ist sie es noch immer.“

„Ziemlich sicher.“ Die Familien Holden und Halliday waren seit Jahren Freunde und Partner bei verschiedenen geschäftlichen Unternehmungen – inklusive eines kleinen Teils des Projektes, an dem er hier arbeitete.

„Wie geht es Liam? Wie alt ist er jetzt?“

„Acht Jahre.“

„Du musst ihn vermissen, wenn du geschäftlich unterwegs bist.“

Burke nickte wehmütig. „Es ist nicht einfach.“

„Die Zeit vergeht so schnell. Mein kleines Mädchen wird auch schon groß.“

„Richtig. Du bist ja jetzt Mutter.“ Er grinste. „Es bekommt dir. Wie alt ist …“ Er zuckte entschuldigend die Schultern.

„Amanda. Ich und Ben nennen sie Mandy. Sie ist fünfzehn Monate alt. Du musst sie kennenlernen, solange du hier bist.“

„Sehr gern.“ Er sah zweimal hin, als Sydney plötzlich um die Ecke kam. Sie trug einen roten Blazer, eine weiße Seidenbluse und hautenge Jeans. High Heels ließen ihre langen Beine noch länger wirken. In ihrem Arbeitsoverall sah sie hübsch, in dem topmodischen Outfit umwerfend aus.

Camille folgte seinem Blick. „Ah, meine Schwägerin. Wow, sie ist wie aus dem Ei gepellt. Aber sie zieht sich immer wie ein Model an, wenn sie nicht in der Autowerkstatt arbeitet. Sie sieht fantastisch aus.“

Das war Burke nicht entgangen. Die dunklen, seidigen Haare, die sie mittags zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, waren stufig geschnitten. Jetzt fielen sie ihr über die Schultern, umrahmten das schmale Gesicht und betonten ihre großen braunen Augen. Sie könnte als Model das Titelbild von „Cosmopolitan“ oder „Glamour“ zieren.

Sydney sah Camille und Burke einen Moment lang überrascht an, kam zu ihnen und umarmte Camille. „Schön, dich zu sehen.“ Dann sah sie ihn an. „Du kennst meine Schwägerin?“

„Schon seit Jahren. Tatsächlich haben die Hallidays in mein Bauprojekt hier investiert.“

„Dir gehört das Immobilienunternehmen?“, fragte sie überrascht.

„Ja, zusammen mit meinem Cousin. Warum?“

„Du hast nur gesagt, dass deinem Unternehmen das Grundstück gehört. Ich dachte, du wärst ein Mitarbeiter und nicht einer der Chefs.“ Sie warf Camille einen Blick zu. „Sag meinem Vater, dass du diesen Mann kennst. Er hat sich heute hinter dich gestellt.“

„So?“ Camille sah Burke fragend an.

„Ich habe mein Auto wegen eines Ölwechsels in die Werkstatt gebracht. Tom McKnight hat mich wegen des Projekts ins Kreuzverhör genommen und darauf hingewiesen, dass ich Blackwater Lake Lodge besser nicht vom Markt verdränge.“

„Ich sage Tom, dass er sich keine Sorgen machen muss. Er ist so fürsorglich. Ich freue mich sehr, dass er mit der Bürgermeisterin endlich eine gute Frau gefunden hat.“ Sie sah erst Burke und dann Sydney an. „Ist es ein Zufall, dass ihr beide euch hier trefft?“

„Ich bringe Burke sein Auto zurück.“

„Und ich weiß den Service zu schätzen.“

„Es ist mir ein Vergnügen.“

„Also sind alle glücklich.“ Camille grinste beide an und schaute dann auf ihre Armbanduhr. „Ich muss mich jetzt auf den Weg nach Hause zu Ben und dem Baby machen.“

„Umarme sie beide von mir“, bat Sydney.

Sie nickte und sagte zu Burke: „Wir vereinbaren demnächst einen Termin für ein Abendessen, damit du meinen Ehemann und Mandy kennenlernen kannst.“

„Ich freue mich darauf.“

Als Burke mit Sydney allein war, schenkte er ihr seine volle Aufmerksamkeit. Ich will, dass sie noch länger hier bei mir bleibt. „Kann ich dir einen Drink spendieren? Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem du mir das Auto hergebracht hast.“

„Gern.“ Sie setzte sich auf den Barhocker neben ihn. „Chardonnay, bitte.“

Er bat den Barkeeper, eine Flasche des besten Chardonnays zu öffnen, der im Angebot war, und meinte dann: „Ich frage mich, ob es zum Kundendienst gehört, mir das Auto zu bringen – oder ob du nur meinen Sportwagen fahren wolltest?“

„Beides. Es ist ein wirklich schönes Auto.“ Sie grinste, wurde aber sofort wieder ernst und wich seinem Blick aus.

„Du siehst todschick aus.“

„Danke. Bist du überrascht?“

„Weil du deinen Lebensunterhalt als Kfz-Mechanikerin verdienst?“ Er entschied, ehrlich zu sein. „Du bist eine schöne Frau. Ich war vom ersten Moment an überrascht, als ich dich heute Morgen gesehen habe.“

„Was für ein schönes Kompliment. Danke.“ Sie lächelte nervös. „Ich möchte dich gern um etwas bitten. Einen großen Gefallen …“

„Ihre Drinks.“ Der Barkeeper brachte das Glas Weißwein und noch ein Bier.

Burke hielt die Flasche Bier hoch. „Auf neue Freunde.“

Sydney nahm ihr Glas und stieß mit ihm an. „Auf neue Freunde.“

„Also: Um welchen Gefallen geht es?“

„Das fällt mir schwerer, als ich dachte.“

Autor

Teresa Southwick
<p>Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
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